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An Hedwig
II. In der Ferne

 

Und als ich fortgezogen
O wie dank ich's dem Geschicke
Ach, mir ist es noch wie heute
Ziehst du auf in stiller Stunde
Wiedersehen
Nach Jahren

Und als ich fortzog

(1857)

Und als ich fortgezogen
Und sah noch um einmal,
Da zog ein Regenbogen
Sich um das liebe Tal.

O du, der uns beschieden
Zum Trost im Sturm und Graus,
Gieß allen deinen Frieden
Auf ihre Stirne aus.

Du Wolke, sonnig regne,
Und wehe sanft, du Wind!
Du ganzer Himmel, segne
Dein reinstes Erdenkind!

O wie dank ich's dem Geschicke

O wie dank ich's dem Geschicke,
Daß es mir die Gunst gegeben.
Unter deinem holden Blicke,
Einen schönen Lenz zu leben.

Ach warum zu deinen Füßen
Darf ich nicht mehr niedersinken
Und von deinen wundersüßen
Lippen selig Leben trinken?

Welches Glück dem Freudelosen
Bot ein Lächlen schon voll Güte,
Engel, das aus deinen Rosen
Schimmernd ihm entgegenblühte.

Ach im Augenblick des Scheidens
Fühlt' ich erst, die mir erkoren,
Die geheime Last des Leidens,
Daß du ewig mir verloren.

Lebe glücklich! Bleich und bleicher
Sinkt der Erde Lust mir ferne,
Und mein Himmel nur wird reicher
Um den schönsten aller Sterne.

Ach, mir ist es noch wie heute

Ach, mir ist es noch wie heute,
Da ich fortzog. Mittagszeit
War vorbei; die lieben Leute
Gaben freundlich mir Geleit.

Wolken hatten früh umrungen
Graugeballt der Sonne Bahn,
Schweigend Hand in Hand geschlungen
Gingen wir den Pfad voran.

Meinen Schmerz verschlang, die Klagen
All des Wildbachs laut Getos;
Tausendmal wollt' ich fragen,
Doch es rang kein Wort sich los.

Heute unbemerkt am Wege
Blum' an Blume lockend stund,
Und die Erdbeer' am Gehege
Glüht' umsonst nach deinem Mund.

Und du batst, daß ich noch einmal
Komme. Zaghaft sagt' ich Nein.
Einmal nur, ach nur noch einmal!
Doch ich sprach: Es darf nicht sein.

Und wir schwiegen, und ich meinte
Zu vergeh'n, doch blieb ich stumm.
Wieder batst du, ich verneinte,
Und du frugst bekränkt, warum?

Vor den Augen ward's mir trübe
Und das Herz zum Springen voll:
"Weil ich dich unsäglich liebe,
Und dich, ach nicht lieben soll;

Weil mein Bleiben ein Verbrechen,
Weil ich deine Ruhe will." —

Und — ich konnte nimmer sprechen,
Und du schwiegst und weintest still. . .

Weiter ging es. Hörbar klopfte
Voll des Sturms und Kampfs mein Herz;
Sachte mir zur Seite tropfte
Trän' auf Träne niederwärts.

Draußen bei des Kirschbaums Stamme,
An des Tales Felsentor,
War's, da schlug die helle Flamme
Aus der dumpfen Glut hervor.

Ist sie mir an's Herz geflogen,
Bergend dort der Tränen Lauf,
Und der Küsse Flammen sogen
Kaum die bittern Ströme auf.

Und so lagen wir uns trunken
Arm in Arm und Mund an Mund —
Erd' und Himmel war versunken
Und die Uhr der Zeiten stund.

Donnerschlägen, Regengüssen
Trotze der Minute Bund,
Bis sie selber losgerissen
Brust von Brust und Mund von Mund.

Einmal, einmal noch gesunken
Uns an's Herz, im letzten Kuß
Uns're Seelen ausgetrunken —
Und waldeinwärts wankt' ihr Fuß.

Noch ein Wink — ein Gruß der Hände —
Aug' in Aug' ein letzter Blick —
Und ein Frühling war zu Ende
Und zerpflückt ein Liebesglück.

Ziehst du auf in stiller Stunde

Ziehst du auf in stiller Stunde,
Holder Stern, der Liebe Freund,
Der zu trautem Geisterbunde
Die getrennten Seelen eint.

Wie dein Licht in meines leuchtet,
Strahlt es in ihr Auge jetzt,
Das von Sehnsucht heiß gefeuchtet
Sich an deinem Schimmer letzt.

O wehr dein heit'res Blinken?
Sonnst du dich an ihrem Blick?
Hast du einen Gruß zu winken?
Bring ihr meinen auch zurück!

Ist dein Glanz so fromm, so helle
Abglanz ihres Auges nur,
Der aus ihrer stillen Zelle
Bricht in meine dunkle Flur?

Glücklicher! Aus deinen Reichen
Siehst du in ein Angesicht,
Das so rein wie deinesgleichen
Sehnend blickt nach deinem Licht.

Und sie lauscht wohl nach der Höhe,
Ob kein Seufzer werde laut
Von dem wilden Sehnsuchtwehe,
Das ist hier dir anvertraut.

Ach wohin? Der Wolke Hülle
Hat dich meinen Blick entführt —
Wohl, du birgst dein Auge stille,
Das der Schmerz des meinen rührt.

Ach in deine Sphären hebe
Den Verbannten du empor,
Daß als lichter Stern ich schwebe
Ihren dunkeln Nächten vor,

Daß in himmlisch hellem Glänzen
Aug' in Auge liebend flieh'
Und mit goldnen Strahlenkränzen
Ich das teure Haupt umzieh',

Daß ich einmal wieder schaue
Diese Stirn von Sehnsucht müd
Und mit Segen übertaue
Ihr geliebtes Augenlid!

Wiedersehen

Warum, da auf fernen Wegen
Ich gefloh'n dein süßes Licht,
Trittst du wieder mir entgegen
Strahlend hold von Angesicht?

Wünsche, die gestorben schienen,
Lieder, die ich streng gestillt —
Ach, aufs Neu geschwellt von ihnen
Schlug mein Herz vor deinem Bild!

Dich vergessen? — nur vergessen
Hatt' ich, daß du mir verwehrt,
Und mit deinem Bild indessen
Traut, als wärst du mein verkehrt.

Nickten's nicht die Blumensterne
Von dem Hut dir zu beglückt,
Daß ich sie in öder Ferne
Alle nur für dich gepflückt?

Ach mir war's, als müßt' ich fassen
An die Brust dich liebevoll
Und den Stab hier fallen lassen,
Der mich dir entführen soll.

Doch mit stummen Gruß bewegt' ich
Weiter meinen Wanderstab,
Und die armen Blumen legt' ich
Trauernd auf das nächste Grab.

Wie Willkommen! Hört ich's klingen,
Da ich stumm sie niederwarf —
Wohl! Die Gruft mag kalt verschlingen,
Was für dich nicht blühen darf!

Nach Jahren

Du nimmst mich auf in deine Hallen,
Du heimlich stiller, grüner Wald;
O sieh mich weilen, sieh mich wallen,
Den Knaben, du erkennst ihn bald.

Noch bin ich's ja, den deinen Gipfel
Im Morgenwinde frei gewiegt,
Der sich im Schatten deiner Wipfel
So traulich in dein Moos geschmiegt.

Aus dieser Schlucht, von jenem Hügel,
Aus Busch und Grotte grüßt mich mild,
Aus deiner Teiche grünem Spiegel,
Rotwangig mein verjüngtes Bild.

Was zieht mich fort auf deinen Bahnen?
Was bannt mich fest in deinem Raum?
Ist's neues süßes Liebesahnen?
Ist's ein vergess'ner schöner Traum?

Dort ferne tut in Waldestiefen
Sich auf ein stillverschwieg'ner Raum:
Die Blumen und die Vögel schliefen,
Und flüsternd stand der Erlenbaum.

Und unter'm Baum auf weichem Moose
Mit blauen Aug und blondem Haar,
Folgt zögernd, in der Hand die Rose,
Ein Mädchen ihrer Freundesschar.

Und drüben steht ein sanfter Knabe,
Und bricht ein Blümchen an dem Rand,
Und schüchtern naht er mit der Gabe,
Und drückt sie stumm in ihre Hand.

Und wie sie nimmt und wie sie schnelle
Die Rose reicht dem Knaben hin,
Da bricht aus ihren Augen helle
Ein wunderschöner Strahl auf ihn.

Da flieht das Dunkel von den Talen,
Ein Friede senkt sich still und mild —
Und seine schönsten Himmelsstrahlen
Umfließen das verklärte Bild.

So steh'n sie lange selig trunken,
Die stummen Hände finden sich,
Eins in des andern Aug' versunken —
Und ach, der Knabe, der war — ich!

O Hedwig! Meiner Jugend Muse!
Du meines Lebens Morgenschein!
Du bist enteilt mit schnellem Fuße. —
Und träumend steh' ich hier allein.

Und nur der Wald ist noch geblieben,
Daß ich nach alter Kunde such
Von meinem Glück und deinem Lieben
In seinem grünen Märchenbuch.