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Gedichte
Franz Hermann von Hermannsthal
Wien 1830
Gedruckt bei Carl Gerold
Abschied oder Gruß
Wenn, Leser, dich die Lieder nicht bewegen,
Mich wundert's nicht, denn du bist ja nicht ich.
Wie Lust und Schmerz in meiner Brust sich regen,
Mein inn'res Leben, voller Fluch und Segen,
Das spiegelt treu in diesen Tönen sich.
Gefällt es dir, sie aus der Hand zu legen,
So tu's, und brich den Stab nur über mich.
Wer mir verwandt, teilt mit mir Lust und Schmerzen;
Ich grüß' ihn jetzt aus liebevollem Herzen.
Der Demant
Unter eines Stromes Wellen,
Der so hell und spiegelklar,
Wie der blaue Äther, war,
Dessen Sterne man mag zählen,
Lag, auf tiefen Grund verbannt,
Ein gar köstlicher Demant.
Kam ein Jüngling hergezogen,
Sah den Demant, der so tief,
Wie ein fernes Sternlein, schlief
Unter den kristall'nen Wogen.
Blickt mit Sehnsucht wohl hinab,
Und mit Schauder, in sein Grab.
"Ach, die bösen, bösen Wellen!
Wärst du mein, nur du allein,
Königlicher Edelstein!
Aber ach, die bösen Wellen!"
D'rauf zog er mit trübem Sinn
Von dem hellen Sternlein hin.
Kam ein anderer Geselle
An dem klaren Strom daher,
Froh hinunter blicket er
In das Spiel der lichten Welle.
Unter Wellen, tief und klar,
Wird der Stein ihm offenbar.
"Reicher Stein,
Du bist mein!"
Springt hinunter tief,
Wo das Sternlein schlief,
Rudert mächtig, ohne Zagen,
Wie ihn leicht die Wellen tragen!
Bringt den Stein zu Tag herauf,
Lebte wie ein König d'rauf.
Früher Tod
Knabe
Jüngling mit den weißen Flügeln,
Mit der Locken reichem Gold,
Sprich, was willst du hier im Garten
Bei dem Röschen, zart und hold?
Willst du liebend seiner pflegen,
Daß noch schön're Glut es ziert?
Ach, es beuget sich und zittert,
Wie es deine Hand berührt.
Jüngling
Hier ist wenig Sonne, Knabe,
Und der Schatten ist so kühl,
Sieh, wie leicht könnt' es entblättern
Eines Sturmes wild Gewühl.
Darum will ich es verpflanzen,
Wo es schöner noch wird blüh'n;
Höher will ich's, höher tragen,
Auf die Sonne selber hin.
Knabe
Sieh, er pflückt das zarte Röschen,
Und es senkt das liebe Haupt,
Ach, und einer holden Zierde
Ist der Garten nun beraubt.
Und die Flügel auseinander
Weit zum Fluge breitet er,
Und schon sehe ich den Jüngling,
Und die Blume nimmermehr.
Wohl wird sie jetzt wunderherrlich
Auf der gold'nen Sonne blüh'n,
Aber dennoch will ich klagen,
Weil sie meinem Blick dahin!
Liebe Rose, holde Rose,
Trauern, weinen muß mein Blick;
Du bist fort, und, liebe Blume,
Nicht ein Blatt blieb mir zurück!
An die ferne Geliebte
Südlich laue Lüfte wehen
Ungewohnten Balsam mir,
Aber ach, sie weh'n und kommen
Von dir nicht, und nicht zu dir!
Freudig heit're Töne schallen
Rings um mich in frohem Chor;
Doch nach deiner Stimme Zauber
Lauscht umsonst mein sehnend Ohr!
Freundlich spielen dort die Wellen
Auf dem blauen Ozean,
Aber dich, du Holde, bringen
Sie nicht her auf eb'ner Bahn!
Offen sind der Tempel Hallen,
Heil'genbilder strahlen d'rin,
Aber den lebend'gen Engel
Sucht umsonst mein treuer Sinn!
O, wie ist es hier so herrlich,
Denk' ich, Ferne, nicht an dich!
O, wie wird es hier mir enge,
Mahnt an dich die Liebe mich!
Drückend sind mir dann die Lüfte,
Klage wird der Lustgesang,
Und der weite Tanz der Wellen
Macht die Brust mir schwer und bang.
Tragt, ihr Wellen, mich in Frieden,
Oder tragt in Sturm mich fort!
Nach dem Sturm winkt Himmelsruhe
Mir bei ihr in sich'rem Port.
Bläht die Segel auf, ihr Lüfte,
Pfeilschnell fliege hin, mein Schiff,
Denn mir ist, als hört' ich drüben
Ihre Stimme, die mir rief!
Ihr Auge
Wie glänzt mit Zauberscheinen
Dein Blick so wundermild,
Madonna's, jener Reinen,
Entzückend Ebenbild.
Gehorsam ist dein Streben,
Und Demut ist dein Ziel,
So leuchtest du durchs Leben,
Wie Mondlicht klar und still.
Gehorsam ist dein Streben,
Du sanfter Morgenstern?
Dir will ich mich ergeben,
Dir folg' ich froh und gern.
Du ringst ja nicht nach Kronen,
D'rum sind sie alle dein,
Und göttlich ist's zu wohnen
In deinem milden Schein.
An das Meer
als sie es befuhr
Nicht zu stolz auf deine Bürde,
Brause nicht mit hoher Flut,
Denke, es sei Amphitrite,
Die auf deinen Wellen ruht.
Sanft die Göttin hinzutragen,
Steht dir zu, mein blaues Meer;
Sei nicht stolz, ach, sei beseligt,
Trag' in sel'ger Ruh' sie her.
Und die kleine, frohe Welle
Regt sich munter, regt sich leicht;
Langsam trägt sie, weil sie zittert,
Daß die Göttin wieder weicht.
Alle Wellen wallen näher,
Alle wollen sie nur schau'n.
Segelt zu, ihr andern Schiffe,
Jetzt könnt ihr den Wellen trau'n.
Und was unten sich lebendig
Unter'm Meeresspiegel regt,
Alles eilt, sie zu begrüßen,
Was der reiche Pontus trägt.
Sieh der Fische bunte Scharen,
Ha, das Auge zählt sie nicht!
Perlen und Korallen glänzen
Wunderbar in schön'rem Licht.
Meerbewohner, frohe Scharen,
Wär' ich mitten unter euch!
Trüge mich der Sehnsucht Flügel
In das weite Wellenreich!
Eines Delphin's frommer Rücken
Böte sich dem Sänger dar,
Und der Seligste von allen
Wär' ich in der sel'gen Schar!
Meeresfurcht
Aber nein, ich darf mich nicht
Auf die Fluten wagen,
Brächt' ich doch mit mir zugleich
Auch den Sturm getragen.
Rauschend, rächend käm' er los,
Auf der Nacht Gefieder,
Und den Frevler stürzte er
In die Tiefe nieder.
Segle, segle zu allein,
Willst du ruhig fahren;
Nimm mich ja nicht auf in's Schiff,
Mit mir sind Gefahren.
Ohne mich bringt Meer und Sturm
Nimmer dir Verderben;
Mit mir mußt bei stiller Luft,
Stiller See du sterben.
Seit für dich mich wie ein Sturm
Liebesglut beseelet,
Fühl' ich, daß der sich're Mut
Meinem Busen fehlet.
Der Gefahr gehör' ich an,
Und sie wird mich fassen.
Alles weiß ich, doch von dir
Kann ich nimmer lassen.
Die Sprache der Liebe
Als ich noch in's Aug' ihr blickte,
Wie der Himmel blau und klar,
Als ich noch in ihrer Nähe
Seliger als selig war;
Ach, da griff ich in die Saiten,
Doch die Saiten klangen nicht,
Weil der Liebe höchste Wonne
Nur mit sel'gen Blicken spricht.
Jetzt, da ich von ihr geschieden,
Da umsonst sie sucht mein Blick,
Da mein sehnend Herz vergebens
Klaget um entschwund'nes Glück;
Greif' ich wieder in die Saiten,
Doch die Saiten klingen nicht,
Weil der tiefste Schmerz der Liebe
Nur mit stillen Tränen spricht.
Der Genius
Ich wandle ruhig, mit mut'gem Sinn,
An Einsturz dräuenden Felsen hin;
Ich sehe vom Bord mit sich'rer Ruh'
Dem wütenden Kampfe der Wogen zu;
Ich fühle, wenn glühend der Himmel blitzt,
Auf der Alp', und im Tal, und im Haus mich geschützt;
Und dräut das Verderben in jeder Gestalt,
Ich fühle mich stärker als seine Gewalt.
Was gibt mir in solchem Vertilgungsstreit
Den ruhigen Mut, die Sicherheit?
Was lehrt mich vergessen, wie schwach der Leib,
Geboren vom zarten, vom schwachen Weib?
Eine innere Stimme, die zu mir spricht:
"Spurlos in der Blüte vergehst du nicht;
Erst pflanzen mußt du den Lorbeerbaum,
Der Schatten dir streut um des Grabes Raum."
Das Mädchen am Bache
Stand ein junges, bleiches Mädchen
Sinnend an des Baches Rand,
Pflückte dann die schönsten Blumen
Seufzend wie mit Geisterhand,
Wand ein Kränzchen aus den Blumen,
Wand so zierlich es und fein,
Blickte nieder in die Wellen,
Warf das Kränzchen dann hinein.
"Warum pflückst du diese Blumen,
Mädchen mit dem Engelsglanz?
Warum windest du aus ihnen
Künstlich einen bunten Kranz?
Warum schenkst du ihn den Wellen,
Die so kalt ihn weiter zieh'n,
Aber nicht in sel'ger Freude
Über dein Geschenk erglüh'n?"
""Ach, die Freude seines Lebens
Machte solch ein Kränzchen aus,
Das er oft von Baches Rande
Träumend nahm mit sich nach Haus.
Nun er in den Wellen schlummert,
Werf' ich meinen Kranz hinein;
O, sie werden ihn wohl finden,
Werden bringen ihm, was sein!""
Fügung
Ich wüßte, was ich täte,
Wenn ich ein König wär':
Ich winkte der Geliebten
Zu meinem Throne her,
Ich führte sie die Stufen
Hinauf mit sel'ger Hand,
Und wänd' um ihre Stirne
Das diamant'ne Band.
Ich wüßte, was ich täte,
Wenn ich ein Bauer war':
Ich winkte der Geliebten
In meine Hütte her,
Ich nähme sie zum Weibe,
Und sicher, weit und breit
Wär' in dem Lande keiner
Mir gleich an Seligkeit.
Und bin ich nur ein Dichter,
So weiß ich, was ich tu':
Ich flüst'r' ihr meine Liebe
In süßen Liedern zu.
Kein Reich nenn' ich mein eigen,
Kein Feld, auch noch so klein;
Doch kann ich sie gewinnen,
So ist der Himmel mein.
Der Kaisersprung
An eines wilden Abgrund's Rande,
Den Nacht am hellsten Tag umgraut,
Erblickt ihr im Tirolerlande
Schloß Rottenburg gar keck erbaut.
Da, wo es aufsteigt aus dem Steine,
Zwei Balken ragen da hinaus;
Drei Schritt' vom andern streckt der eine
Sich in den halben Abgrund aus.
Der Kaiser Max mit seinem Trosse,
Der sorglich liebend ihn umringt,
Langt an im keck gebauten Schlosse,
Wie heut' ihr kein's zu Stande bringt.
Er schaut den Schlund, die Balkenhände,
Weit ragend aus der Felsenwand;
Hinaus will er an's Balkenende,
Wo vor und nach kein And'rer stand.
Vergebens ist der Seinen Bitten,
Hinab mit sich'rem Mut er steigt,
Und hat mit festen Herrschertritten
Des Balkens grauses End' erreicht.
Doch steht er kaum, da hört er's krachen,
Der Balken kracht, der Balken springt!
Der Kaiser läßt den Balken krachen,
Und auf den zweiten rasch sich schwingt.
Da steht er fest und schaut hinunter,
Wo nie ein Strahl die Nacht verkürzt,
Indes der morsche Stamm bergunter
Von Fels zu Fels zersplittert stürzt.
Biographie
Als einst das Glück mich suchte,
Da hatt' ich mich versteckt,
Und über Tal und Hügel
Das arme Ding geneckt.
Und als es abgelassen,
Da wandte sich das Spiel,
Und über Berg und Hügel
Neckt's mich der Tage viel.
Und als sie heiß mich liebte,
Da war ich kalt und rauh,
Und preßt' aus ihren Augen
Gar manchen Tropfen Tau.
Nun sie mich aufgegeben,
Sehnt sich nach ihr mein Herz,
Es rächt sich durch den meinen
Nun zehnfach all ihr Schmerz.
Und als mir noch die Freude
So hell zur Seite stand,
Da nahm ich übermütig
Die Laute nicht zur Hand.
Jetzt möcht' ich Heit'res singen,
Zu täuschen meine Qual,
Da klingen meine Lieder
Wie Klagen allzumal.
So steh' ich arm an Liebe,
An Glück und Freude da,
Und ach, ich Armer weiß es,
Wie alles dies geschah!
Stimme der Sehnsucht
1.
Ihr Wolken zieht dahin zu meinen Lieben,
Die Wellen aber halten mich gefangen!
Auf Well' und Wolke blick' ich mit Verlangen,
Denn bin ich hier auch, ist mein Herz doch drüben.
Ach, käme doch ein Schiff, vom Sturm getrieben!
Mich fesseln sollte Sorge nicht und Bangen,
Ich flöge hin, die Viele schon bezwangen,
Die Wellen müßte zwingen auch mein Lieben.
Ich schwimme hin, und denke meiner Fernen,
Vertrauend blick' ich zu den lichten Sternen,
Und sieh', und horch, wie sanft die Wellen wallen!
Sie tragen mich nach dem ersehnten Lande,
Schon seh' ich, meiner harrend, sie am Strande,
Schon hör' ich ihre frohen Grüße schallen.
2.
Doch nein, es war mein Herz, das mich betrogen,
Nur meines Herzens Stimme war ihr Grüßen!
Sie grüßen nicht, sie ängst'gen sich, die Süßen,
Sie wissen mich ja hier, ein Spiel der Wogen,
Mich, den ihr Wort zu bleiben nicht bewogen,
Den es nicht schmerzte, ferne sie zu wissen,
Mich, der von ihnen stürmend sich gerissen,
Und ihnen freud'ge Wiederkunft gelogen.
Jetzt wein' ich hier um sie in Sehnsuchtschmerzen,
Jetzt weinen dort um mich die treuen Herzen,
Und nur die Wolken zieh'n zu meinen Lieben,
Die Wellen aber halten mich gefangen!
Auf Well' und Wolke blick' ich mit Verlangen,
Denn bin ich hier auch, ist mein Herz doch drüben.
Entschlummern
Also bist du fort von mir,
Und ich bin allein.
Sprich, wie soll ich fern von dir,
Heißgeliebte, sein?
Schwebe, schwebe licht und mild,
Schwebe her um mich.
Tröste mich als Traumgebild,
Und ich tröste dich.
Lieblich ist der Träume Land
Ringsum ausgeschmückt,
Glück, das kam und wieder schwand,
Wird darin erblickt.
Grüne Gärten, süßer Duft,
Leise rinnt der Bach,
Nachtigallen, linde Luft,
Blaues Himmelsdach,
Kühle Lauben, wo ich dich
Oft, Geliebte, fand,
Wo dein Arm, Geliebte, mich
Oft in Lieb' umwand;
Leise klingt es, leise klingt's,
Grüner schwillt der Pfad,
Heller rauscht es, süßer singt's,
Die Geliebte naht!
Während des Sturmes
Draußen stürmt's, die Bäume zittern,
Blatt auf Blatt fällt rauschend hin;
Hochgeschwellt siehst du des Stromes
Wilde Wellen zürnend flieh'n.
Manche Blume, die noch gestern
Gar so lieblich duftend stand,
Sucht dein Auge heut vergebens,
Sie ergriff des Sturmes Hand.
Tose, Sturm! Du schreckst mich nimmer,
Bannst mich nicht in's enge Haus.
Will ich, nun so werd' ich bleiben,
Freut's mich, so geh' ich hinaus.
Draußen ist der Sturm zu tragen,
Draußen schafft er gar mir Lust;
Aber einen möcht' ich stillen,
Diesen Sturm in meiner Brust!
Blindes Glück
Ich will mir nichts aus allen Zweifeln machen,
Ich will nicht sinnen, was die Zukunft bringt;
Der Eumenidentöne will ich lachen,
Die mir ins Ohr ein neid'scher Dämon singt.
Wie Kinder an der Seifenblase Glänzen,
Nicht denken, daß im Augenblick sie springt,
Will ich mich freu'n an buntgefärbten Kränzen,
Die um die Stirn' ein heit'rer Gott mir schlingt.
Ich hab' ein neu Organ für's Glück empfangen,
Erst jetzt gelernt, wie man sich's dienstbar macht.
Es nahet nicht dem schüchternen Verlangen,
Dem wirft es Schattenbilder hin, und lacht;
Kein roher Arm wird jemals es erjagen,
Es zwingt's allein des Geistes Siegermacht,
Und hat er es im Sturm davon getragen,
Genieß' er's ruhig in ambros'scher Nacht.
Wer es beschaut, der hat sein Glück verloren,
Wer's blind umfaßt, hält's fest in seinem Arm.
Es flieht von jenem, da es kaum geboren,
Und was ihm bleibt, ist Neu' und bitt'rer Harm.
Wer könnte offnen Aug's den Glanz ertragen,
Den um sich strahlt der nahen Götter Schwarm?
Der Blinde darf an ihren Tisch sich wagen,
Und ruh'n in der Urania weichem Arm.
Trost und Qual
Wenn die Andern spielen, lachen,
Und recht innig sich erfreu'n,
Kann ich nicht mit ihnen halten,
Denn ich denk', o Ferne, dein.
Aber wenn die Andern weinen,
Weint mit ihnen wohl mein Herz,
Und ich denke: ihr habt euren,
Und ich habe meinen Schmerz.
Sieh, dann nahet der Gedanke
Tröstend, und doch quälend, mir:
Diesen Schmerz in deinem Busen
Teilt ein Engel still mit dir.
Klage ohne Trost
Nebel liegt vor meinen Augen,
Und kein gastlich Flämmchen glüht,
Wilder Schmerz schlingt hundertarmig
Pressend sich um mein Gemüt.
Nächte geh'n und Tage kommen,
Dunkel wird's und wieder licht;
Ach, im ewig dunklen Busen
Fühl' ich solchen Wechsel nicht!
Lind'rung sucht' ich mir vergebens;
Die Natur und Einsamkeit,
Freundes Wort und lautes Leben,
Nichts hat meinen Schmerz zerstreut.
Flehend bat ich meine Leier:
Singe du die Qual mir ein!
Und ich wühlt' in ihren Saiten
Nach dem Ende meiner Pein.
Aber ach, die wilden Wogen
Rauschen laut mir im Gemüt.
Es verhallt in ihrem Sturme
Jeder Trost und jedes Lied.
Schweig' es denn! Die dunklen Götter
Brausen stürmend schon heran;
Ohne Schild ist meine Seele
Den Ergrimmten aufgetan.
Klage der Erinnyen
Wir kommen! Wir kommen!
Wir schliefen im Nebel,
Und träumten im Schlummer
Die Tat, die du übtest.
Wir hoben die Häupter,
Und sah'n mit Entsetzen
Die Tat getan.
Sie hat uns gewecket,
Wir kommen! Wir kommen!
Du gehest zu Schiffe,
Und wähnst uns zu fliehen?
Du preisest den Wind, der
Die Segel dir schwellet?
Er wird dich verderben,
Wir fliegen mit ihm.
Was zittert die Seele?
Was malet sich Schrecken,
Entsetzen, Verzweiflung,
Um Mund dir und Blick?
Du siehst uns, die blassen,
Die düstern Gestalten,
Die schwebenden Leiber,
Die fliegenden Haare,
Die fragenden Augen:
Was hast du getan!
Du wirst uns entfliehen,
Wir werden dir folgen
Von Meeren zu Meeren,
Von Landen zu Landen,
Von Bergen in Täler.
Wohin du enteilest,
Dort sind wir vor dir,
Mit fragenden Augen:
Was hast du getan!
Die Welt ist das Echo
Der gräßlichen Frage.
Dir heulen die Winde
Und brausen die Wellen,
Dir rauschen die Bäume
Und duften die Blumen,
Dir kreischen die Vögel
Und blitzen die Sonnen,
Dir wimmern die Nächte
Und zürnen die Menschen:
Was hast du getan!
Du flüchtest zum Schlafe?
Wir weben die Träume.
Du flüchtest zum Becher?
Wir schenken dir ein.
Du flüchtest zum Dolche?
Wir schliffen die Klinge.
Wir steigen mit dir in
Den stygischen Nachen,
Und wo er auch lande,
Wir landen mit dir.
Wir schliefen im Nebel,
Du hast uns gewecket.
Wir kommen! Wir kommen!
Wir müssen dich halten!
Tu' auf deine Seele,
Wir ziehen hinein!
Entfesselung
Ha, wie fühl' ich meines Lebens
Adlerfrische Schwingen wieder!
Es erwachen heit're Lieder
Neu mir in der sel'gen Brust.
Sie erwachen nicht vergebens,
Sorglos sollen sie erklingen,
Von der Freiheit will ich singen,
Freiheit! Freiheit! meine Lust!
Als sie noch in ihren Banden
Lose kaum mich hielt gefangen,
Trieb oft mächtiges Verlangen
Aus den Banden mich hinaus.
Wie sie fester mich umwanden,
Fühlt' ich dieses Widerstreben
Schwächer immer sich erheben,
Endlich, endlich losch es aus.
Sprecht, hat mich ein Gott gerissen
Aus den schlau gewund'nen Ketten?
Er nur konnte mich erretten,
Ich war ihrer Macht zu schwach.
Erst noch lag ich ihr zu Füßen,
Ha! da fühlt' ich sein Berühren!
"Komm," sprach er, "ich will dich führen!"
Und ich folgte willig nach.
Auf der Berge hohen Zinnen
Steh' ich bald im Morgenstrahle,
Nieder steig' ich dann zum Tale,
Da und dort, wie's mir gefällt.
Quell und Wiese muß mir dienen,
Fluren, Wälder sind mein eigen,
Und die Laute mag nicht schweigen,
Singend zieh' ich durch die Welt.
Auf der Alpe Riesenspitze
Band ich eines Adlers Schwingen;
Mich ergötzte dieses Ringen,
Wie er so am Boden lag;
Wie er, eifernd mit dem Blitze,
Als ich ihn nun losgebunden,
Schnell die alte Kraft gefunden
In der Flügel lautem Schlag!
Rausche fort im Himmelsfluge!
Ich fühl' auch die Bande nimmer,
Kaum noch weiß ich, wo die Trümmer
Dieser Rosenlappen ruh'n.
Folgend einem sel'gen Zuge,
Hab' ich wieder meine Flügel!
Tragt mich über Berg und Hügel,
Wie die Adlerschwingen tun!
Unerwartete Musik
Zu allem, was mich schon beweget,
Kommt nun sogar der Töne Klang.
Der stürmenden Gefühle Wogen
Macht mir so wohl zugleich und bang!
Ich weiß nicht, was mich aufwärts hebet,
Ich weiß nicht, was mich niederzieht,
Und klar nur ist unendlich Sehnen
Mir im bezauberten Gemüt!
Wonach? Ich weiß es nicht zu nennen.
Wohin? O, wüßt' ich selbst den Ort!
Nur drängt ein unbezwinglich Drängen
Nach ungekanntem Gut mich fort!
Ihr Töne, schweigt! ich kann's nicht tragen!
Mir springt die Brust! mir schmilzt das Herz!
All mein Empfinden, all mein Leben,
Wird mir zur Träne, mir zum Schmerz!