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Gedichte 2
 

An die ferne Geliebte
Auf dem Balle
Liebesjubel
Abschied
An den Sturm
Klage
Aussicht
Am Gollinger Wasserfall
Vom Berge
Die Köhlerhütte
Byron
Urania's Tränen
Urania am Klavier
An den Schlaf
An Urania

 
Liebeslieder
Frühlingslieder
Auf dem Kirchhofe
Traum
Frage
Mein Frohsinn
Stille Freude

 

An die ferne Geliebte

Andern ist's zu Nacht verdunkelt,
Wenn das Auge nicht erfunkelt,
Das ihr stilles, kleines Leben
Mild mit seinem Strahl erhellt,
Und mit allen ihren Wonnen,
Ihren Menschen, Blüten, Sonnen,
Kann sie ihnen Schmerz nur geben,
Die verkannte, reiche Welt.

Mich, seitdem ich dich umschlungen,
Hat so mächt'ge Lust durchdrungen,
Daß mir, nah' dir oder ferne,
Überall die Sonne scheint!
Ewig selig, frei von Schmerzen,
Trag' ich dich in meinem Herzen,
Wenn nach dem verhüllten Sterne
Trostlos mancher and're weint.

Auf dem Balle

Alle kann ich sie umschlingen,
All die Schönen in dem Kreise,
Nach der Töne süßer Weise
Kann ich, wie die Freude selber, springen,
Alle kann ich sie umschlingen,
Nur mit dir, mein Lebenslicht,
Meine Selma, wag' ich's nicht.

"Zürnst du mir, Geliebter,
Daß du so mich fliehst,
Daß du mir im bunten Reigen
Deine Hand so schnell entziehst?"

Würd' ich deinen Leib umschlingen,
Nimmer könnt' ich mich bezwingen,
Durch den Saal erkläng' es laut:
Dieser Arm umfaßt die Braut!

Liebesjubel

Schweigen soll ich, soll's nicht sagen,
Soll dich tragen
Ohne Jauchzen in der sel'gen Brust?
Küssen soll ich Mund und Wangen,
Dich umfangen,
Keinem andern sei's bewußt?
Daß die Lust, die eingeengte,
Mir zersprengte
Meine übervolle Dichterbrust?
Echo, höre meine Lieder,
Gib sie wieder,
Und mein Himmel sei der Welt bewußt!

Wen ich finde, hoch und nieder,
Fremde, Brüder,
Alle drück' ich jubelnd an mein Herz!
Muß von meinem reichen Leben
Ihnen geben,
Meine Lust wird sonst mein Schmerz
Wolken, die am Himmel rollen,
Hochgeschwollen,
Tau'n hernieder in des Landes Herz;
Nahe sind nur sie der Sonne,
Doch zur Wonne
Treibt ihr Tau die Blumen himmelwärts.

Schweigen soll ich? Engelschöne,
Weine Töne
Gab mir Gott zu deinem Preis allein;
Meinen Arm, dich hoch zu heben,
Du mein Leben,
Und zu rufen: Sie ist mein!
Meine Stimme, zu verkünden:
Engel finden
Ist nicht Himmlischen gegönnt allein;
Ich bin auch dazu erkoren,
Erdgeboren
Bin ich, und doch ist ein Engel mein!

Abschied

              Das Mädchen

Ach, du ziehst nun in die Ferne,
Welt und Menschen wirst du schauen,
Schöne Mädchen, holde Frauen
Werden blüh'n vor deinem Blick;
Besser, als die du verlassen,
Schöner, als die fern geblieben,
Von gewalt'germ Geist gerieben,
Werden sie dein Herz mir rauben,
Und du kehrst mir fremd zurück!

              Der Jüngling

Sprich, lieb' ich denn deine Schönheit,
Deinen Geist nur, deine Blüte,
Nur dein kindliches Gemüte,
Blätter deiner Blume bloß?
Nein, o Mädchen, dich, die Ganze,
Wie du bist mit deinem Wesen,
Hat mein Herz sich auserlesen;
Bist du zweimal nicht auf Erden,
Kehr' ich treu in deinen Schoß.

An den Sturm

Riese, sprich, kannst du nur Wolken
Tragen durch die Luft?
Höre mich, der dich beschwörend,
Mit zerriss'nem Busen ruft!
Nimm mich mit auf deiner Flügel
Rauschendem Gebraus,
In der Nacht erhab'ne Schauer
Nimm den Nächtlichen hinaus

Horch, hör' ich nicht Tropfen fallen?
Wolken bricht dein Arm,
Und der Regen strömt hernieder
In die Erde, lind und warm.
Hast du mich auf deinem Flügel,
O, dann brich auch mich!
Stillen doch in diesen Augen
Nimmer sonst die Tränen sich!

Klage

Wie glücklich sind die Blumen nicht!
Und wenn sie gleich verblüh'n,
Sie durften doch im Sonnenlicht
In kurzer Lust erglüh'n.

Wie glücklich ist die Welle nicht!
Ihr blühet auch der Mai;
Des Winters starre Fessel bricht,
Und läßt die Welle frei.

Wie glücklich ist der Himmel nicht!
Und deckt ihn nächtlich Grau,
So leuchtet doch sein Angesicht
Bald wieder hell und blau.

Ihr Blumen und ihr Wellen ihr,
Du blaues Himmelszelt,
Seh' ich euch an, wie weh ist mir
Rings in der frohen Welt!

Aussicht

Der Berg ist erklommen,
Die Nebel zerreißen,
Der bläuliche Himmel
Lacht munter hervor;
Sie schweben und sinken,
Und mächtige Gipfel
Erheben die Häupter
Zur Sonne empor.

Und ferne erscheinet
Ein purpurnes Leuchten,
Und unter dem Purpur,
Da wohnet sie!
Ha, schneller zerfließen
Die segelnden Wölkchen.
Dich, lohnende Höhe,
Vergeß' ich wohl nie.

Am Gollinger Wasserfall

Mit neuer Zunge, die ich nie vernommen.
Sprichst du, Natur, heut' an mein bebend Ohr.
Der Inhalt macht mich ängstlich und beklommen,
Ich fühle mich bedrängt, wie nie zuvor.
Ich fühle grausen Zwiespalt mich erschüttern:
Mit hoher Schönheit lockest du mich an;
Doch deine Schönheit braust in Ungewittern,
Und Wildheit schreckt mich, will ich dich umfah'n.

Dir steh' ich nicht, du hast mich überflügelt!
Ertrage du dich selbst, ich kann es nicht.
Ich trotzte dir; mein Trotz, er ist gezügelt,
Gebändigt steh' ich dir im Angesicht.
Ich wußte längst, daß du mich kannst erschlagen,
Daß meinen Arm du zürnend übermannst;
Heut' hör' ich dich in Donnerworten sagen,
Daß du mein ganzes Ich bewält'gen kannst.

Und du sprichst wahr! Sei's deine größte Feier,
Daß ich dich preis als meine Siegerin.
Heut' riß mir auch der letzte deiner Schleier,
Und nun versteh' ich deinen ganzen Sinn.
Gestanden hab' ich viel! Gib dich zufrieden,
Laß mich bekehrt aus deinen Schrecken los.
Dort draußen, wo du weilst in süßem Frieden,
Sink' ich doch wieder nur in deinen Schoß.

Vom Berge

Hier auf der Höhe,
Wo über dem Haupte
Nahe die Wolken
Vorüberrauschen,
Wo blaue Gipfel
Aus der Ferne herüber
In nächtliche Schlünde schauen,
Hier ist meine Seele
Laut von Jubel,
An Wünschen still;
Aber der Eine,
Mich immer begleitende,
Regt sich im Busen:
Wärst du, Geliebte,
Du Herrliche, hier!

Hier an deiner Hand zu stehen,
Hier an deiner Brust zu ruhen,
Hoch über den andern,
Welche nicht lieben!
Hier ein Blick aus deinem Auge!
Hier ein Seufzer des Entzückens
Aus dem schönheittrunk'nen Busen!

Rauscht vorüber,
Rauscht zusammen,
Ihr Wolken!
Verhüllet mich!
All die leuchtende Herrlichkeit
Wird mir zum Schmerze!
Einsam steh' ich, und einsam
Breit' ich die sehnenden Arme aus!

Die Köhlerhütte

Fin Riß in den Fels,
Ein Paar Bretter, —
Fertig ist die Hütte,
Und drinnen wohnt
Ein Wesen,
Herrliche Paläste
Zu schaffen vermögend,
Unsterbliches zu denken,
Zu tun,
Zu preisen
In unsterblichem Gesang!

Aber sein ganzes
Dürftiges Leben
Schlummert in dieser
Einöde hin.
Stämme legt er
Über Stämme,
Zündet sie an,
Sie verkohlen.
Neue bauet er auf,
Und das gleiche Lächeln
Deckt sein heit'res Gesicht.

Und ich, in der Fülle
Meiner Gedanken
Steh' ich vor ihm,
Der, ach, vielleicht
Keinen Gedanken gedacht!
Von meinen Lippen klinget
Des Liedes Zauber,
Indes von den seinen
Spärlich gelallte Worte tönen!
Vor meinen Augen breitet
Die Schönheit der Welt sich aus,
Und ihre Fluren,
An Blumen reich,
Und ihre Bäume,
Strotzend an goldener Frucht,
Und ihrer Taten ewige Fülle,
Sie blüh'n, sie reifen,
Und sie geschehen auch mir,
Während in freudloser Wüste
Er ein schlummerndes Dasein träumt!
Eine schöne, freundliche Wohnung
Harrt nach der Reise meiner,
Und mit melodisch klingendem Aufruf
Weckt mich jeden Morgen
Das Wort des Lebens:
"Wirk' und genieße!"

Er — und ich!
Bruder Köhler,
Wie komm' ich dazu?

Byron

                       Byron

Schöne Welt mit deinen reichen Gaben,
Hast du keine denn, die mich erfreut?
Kann ich nicht an deiner Brust mich laben,
Die sich willig jedem Andern beut?
Was dahin ist, sei nicht mein Verlangen,
Nicht mein Ziel sei, was schon längst entschwand;
Aber aller frischen Früchte Prangen
Lockt zum Pflücken nimmer meine Hand.

              Die Oreade

Komm in meine Felsenhallen,
Wo Natur und Friede wohnt,
Wo der Gott mir meine Kinder
Mit so manchem Sturm verschont.
Mancher ist von mir gezogen,
Und er ward dem Schmerz zum Raub;
Keinem, der zu mir geflüchtet,
Keiner Klage war ich taub.

             Neptunus

Fliehe deiner Qualen Stätte,
Folge mir, sie sind verträumt.
Mein beweglich Reich ist offen,
Das die weite Welt umsäumt.
Dahin oder dorthin tragen
Soll dich meiner Wellen Flug;
Endlich rufst du aus: "Gefunden!
Hier ist Ruh' und Lust genug."

            Die Grazien

Was solltest in Höhlen du wandern?
Wir winden dir freundlich den Kranz.
Von einer Freude zur andern
Geht unser lächelnder Tanz.
Wir pochen an jegliche Pforte,
Und wird sie nur aufgetan,
So zünden an jeglichem Orte
Wir festliche Feuer an.

             Die Musen

Fremdling mit dem Trauerblicke,
Nimm den Becher, trinke d'raus.
Helikon's kristall'ne Quelle
Fließt begeisternd dir heraus.
Keine Qual der kleinen Erde
Treibt die Ruh' der Brust dir aus;
Deine Erde wird der Himmel,
Der Olympos wird dein Haus.

         Venus Urania

Heb' empor die düstern Blicke,
Schau' es an, das Götterkind.
Dir hab' ich es aufgezogen,
Hold, wie keine andern sind.
Was die Grazien und Musen
Einzeln deinem Glücke weih'n,
Alles bringt sie, mehr als alles,
In bezauberndem Verein.

                    Byron

Wunderschönes habt ihr mir geboten,
Götter mit dem menschenholden Sinn.
Ich bedarf der Gabe nur der Toten,
Nehmt die Lebensgaben wieder hin.
Einen Becher nur aus Lethe's Wogen!
Einen Trunk nach Herzenslust daraus!
Wie der Vogel, der noch nicht geflogen,
Flieg' ich frisch und jung dann wieder aus!

Urania's Tränen

Seh' ich Tränen, Heißgeliebte,
Tränen, die dein Auge füllen?
Trockne, trockne diese Tränen,
Laß mich nicht vergebens fleh'n.
Laß mich diese Tränen stillen,
Weinen kann ich dich nicht seh'n.

Sah ich doch in diesem Leben
Manche bitt're Träne fließen,
Sah ich doch von Gram gebrochen
Manches schwer gedrückte Herz;
Rührender sich nie ergießen
Sah ich eines Busens Schmerz.

Wenn die Engel Gottes weinten,
Als Maria's Tränen flossen,
O, da weinten wohl die Engel,
Heißgeliebte, so wie du.
Noch in ihren Schmerz gegossen
War des Himmels Glanz und Ruh'!

Urania am Klavier

Du herrschtest zaubernd in dem Reich von Tönen,
So manches Lied von bitt'rer Liebeswunde
Floß klagend hin von deinem Rosenmunde,
Gedicht und Ton verstandest du zu verschönen.
Sprich, kennst du auch dies namenlose Sehnen,
Dem keines gleicht auf diesem Erdenrunde,
Und schlug auch dir die schmerzlich süße Stunde,
Seit der du ganz verstehst den Wert der Tränen?
Und fühltest du mein Lied voll Liebesklage,
In das ich ganz mein Herz hineingeschrieben,
Und all mein Sehnen, ach, und gar kein Hoffen?
Dein Auge sprach's, es hat dein Herz getroffen;
Doch du verstandest nicht, warum ich klage,
Und nur im Liede darf ich laut dich lieben.

An den Schlaf

Der du sonst die Zauberhände
Weich auf meine Wunden legst,
Und mit buntgefärbten Träumen
Meine Seele gern bewegst,
Holder Schlaf, du Schmerzbezwinger,
Mit dem Mondscheinsangesicht,
Heut, wo ich mich selig fühle,
Nimm an deine Brust mich nicht!

Laß mich diese Nacht durchwachen;
Einer holden Sonne Schein
Leuchtet mit den schönsten Strahlen
Mir in diese Nacht herein.
Heiterer als dieses Dunkel,
Das mich schweigend jetzt umgibt,
War kein Tag noch meines Lebens,
Seit mein Leben fühlt und liebt.

An Urania

                              1.
                        Sehnsucht

Den Schweizerjüngling, den der Ruf des Lebens
Fort aus den Bergen trieb, die ihn erzogen,
Ihn lockt des Flachlands raschbewegtes Wogen
Ewig mit dem Sirenenklang vergebens.
Das Tal der Heimat ist ihm Ziel des Strebens,
Wo er des Himmels reinste Luft gesogen;
Er stirbt in Sehnsucht nach dem Pfeil und Bogen,
Und nach der Lust des frischen Alpenlebens.
Ich bin der Schweizerjüngling; deine Nähe,
Sie ist die gold'ne Heimat meinem Herzen,
Dein Auge ist die Sonne meiner Tage!
Ach hier, wo ich nach dir vergebens sehe,
In meines Heimweh's untilgbaren Schmerzen,
Was bleibt mir, als des Schweizerjünglings Klage!

                              2.
                  Die Begeisternde

Die Memnonssäule, wenn auf gold'nen Schwingen
Die Sonne kommt im Osten aufgegangen,
Hörst du in Tönen voller Lieb' und Bangen
Melodisch durch die stille Luft erklingen.
So treibt auch mich das volle Herz, zu singen,
Wenn meines Auges Nacht dahingegangen,
Wenn mir die Morgenstrahlen deiner Wangen
Entzündend in die tiefste Seele dringen.
Doch sieh, wie kalt die starre Säule schweiget,
Wenn sie, die sie begeisternd angehauchet,
Versunken ist im West in lauer Welle.
Mir bleibst du, auch wenn sich dein Glanz mir neiget,
Dein Blick mir, wie die Sonne, niedertauchet,
Stets süßer Lieder klare Wunderquelle.

                              3.
                          Mein Tal

Ich suchte stets mein Glück auf Alpenhöhen,
Und mußt' es doch in nied'rem Tale finden.
Dir, liebes Tal, soll nie der Frühling schwinden,
Der Freude Stern soll nie dir untergehen!
Nur schöne Blumen sollen in dir stehen,
Der treue Epheu deine Bäum' umwinden,
Kein rauher Frost des Baches Welle binden,
Und nie ein Sturm durch deinen Frieden wehen!
Das Tal Battuecas nahm auf seinen Matten
Zwei Wesen auf, von aller Welt verwiesen,
Und lauschte ihrer Liebe sel'gem Glücke.
Du, mein Battuecas, deine heil'gen Schatten,
So lang ich preisen kann, sei'n sie gepriesen:
Hier sprach zuerst mir Lieb' aus ihrem Blicke.

                              4.
                       Beruhigung

Die Menschen wollten ewig mich verweisen,
Schloß ich die Arme auf, sie zu umfassen,
Tat ihre Kälte weher mir, als Hassen,
An keiner Brust konnt' ich mich heimisch preisen.
Da schnallt' ich trauernd um den Fuß das Eisen,
Schritt einsam auf der Gletscher stillen Massen,
Bat die Natur, mich nicht allein zu lassen,
Sie sollte mir die Brust mit Liebe speisen!
Umsonst! umsonst! Wohl konnt' ich sie verstehen,
Doch blieb sie ewig taub für meine Klagen,
Und trauernd, wie hinauf, stieg ich hernieder.
Da ließest du in deine Brust mich sehen,
Der Mensch und die Natur begann zu tagen,
Und einsam klagt mein Herz nun niemals wieder.

                              5.
                     Himmelssprache

Der weite Himmel mit den Wundern allen,
Aus dem die Seher dunkles Wort ersinnen,
Der Sturm und Blitze wirft von seinen Zinnen,
Spricht jetzt so klar und schön mir zu Gefallen.
Die Sonne spricht: "Weißt du, wie meine Strahlen
Auf jenem Hügel einst dein Glück beschienen?"
""Sahst meinen Abglanz du auf ihren Mienen?""
So fragt der Mond aus nächtlich blauen Hallen.
Sprich nur so fort, o Himmel, schweige nimmer,
Du einziger Vertrauter meiner Wonne,
Sprich fort von ihr, ich lausche dir so gerne!
Auch ihr zur Sprache, weiß ich, wird dein Schimmer,
Und wie zu mir von ihr, o Mond und Sonne,
Sprecht ihr zu ihr von mir in weiter Ferne.

                              6.
                     Verwandelung

Hat denn ein neues Leben mich ergriffen?
Wo ist der düst're Geist, der mich getrieben?
Die Trauertöne, wo sind sie geblieben,
Die stets mir rauschten in der Seele Tiefen?
Erwachten Engel, die nur d'rinnen schliefen?
Schau' ich hinein, so find' ich d'rin geschrieben:
"Du kannst nur immer selig sein und lieben,
Wenn stets du horchst den Tönen, die dich riefen."
Ich blick' empor, du stehst an meiner Seite,
Dein Blick hat in die Seele mir gesprochen,
Und ihren Aufruhr engelmild beschworen.
O gib mir stets im Geiste das Geleite,
Die du die schwere Fessel mir zerbrochen,
Daß frei ich wandle, und wie neu geboren.

                              7.
                        Geheimnis

Der Sieger trägt den Kranz in seinen Haaren,
Und mag ihn kühn ans Licht der Sonne bringen,
Der Dichter darf ihn um die Stirne schlingen,
Und ihren Ruhm soll alle Welt erfahren.
Verlobte dürfen nicht ihr Glück verwahren;
Ihr Finger prangt in treuer Liebe Ringen,
Wenn hell die Glocken zu dem Feste klingen,
Und Hände sich, wie Herzen, ewig paaren.
Mein Kranz und Ring nur muß das Dunkel hüten,
Verschwiegen muß ich meinen Jubel hegen,
Mit keiner Brust darf ich mein Eden teilen.
O, in der Stunde, wo sie mir erblühten,
Will ich sie täglich vor mein Auge legen,
Und dran, ein einsam Seliger, verweilen!

                              8.
                        Aufschluß

Ich stahl mich weg, von süßem Drang bezwungen,
Wenn rauschend oft um mich die Welt gelärmet,
Und in der Nacht, die And're laut durchschwärmet,
Ist mir im Stillen manches Lied gelungen.
Doch alles, was ich je von dir gesungen,
Nie fühlt' ich es, gleich meiner Brust, erwärmet,
Wie ich mich aber d'rüber auch gehärmet,
Das neue Lied hat besser nicht geklungen.
Mein Herz war reicher stets, als meine Lieder,
Doch keine Antwort kam von keinem Orte,
Wenn nach dem seltsamen Warum ich fragte.
Da klärtest du mir's auf, und schriebst es nieder:
"Das Auge fehlet ja dem armen Worte,
D'rum sagt kein Wort, was uns das Auge sagte."

Liebeslieder

Die Lieder sind geschrieben,
Die Lieder stehen da,
Wo aber ist die Liebe,
Die aus den Liedern sah!

Die Lieder hatten Leben,
Und Farb' und Angesicht,
Nun aber ist ein jedes
Ein Schatten, ein Gedicht.

Frühlingslieder

                 1.
           Lenznähe

Frühling, ist es deine Nähe,
Was mir so das Herz bewegt?
Ist es dir verwandte Blüte,
Was in meiner Brust sich regt?
Oder ist es nur das Sehnen,
Daß der Lenz, der alles schmückt.
Auch auf meine junge Stirne
Einen Kranz von Rosen drückt?

Täglich, wenn hinaus ich wandle,
Schau' ich auf zu jedem Baum:
Zieren dich schon grüne Zweige,
Oder sieht sie nur mein Traum?
Breitest du, wie ich, noch immer
In das blaue Himmelshaus
Deine sehnsuchtvollen Arme
Nach den gold'nen Blüten aus?

Ach, wie du noch ohne Blätter
Da vor meinem Blicke stehst,
Will ich's tröstend zu dir flüstern.
Wenn du meinen Laut verstehst:
Deine Blüten sind dir sicher,
Sieh, schon scheint die Sonne warm;
Der an deinen Stamm sich lehnet,
Blieb noch jeden Frühling arm.

                              2.
                     Kalter Frühling

Die Blumen wollen schon den Kelch erheben,
Da kommt der Schnee und hüllt sie wieder ein;
Die dürren Zweige will der Lenz beleben,
Da streut der Winter kalte Blüten d'rein.

Durch Blumen will die leichte Welle schlüpfen,
Da kommt der Frost, und bannt sie wieder fest;
Von Zweig auf Zweig will schon der Vogel hüpfen,
Da treibt der Nordsturm wieder ihn in's Nest.

Die Hirtin schmückt mit Bändern schon die Herde,
Da starrt der Alpe Haupt in frischem Eis;
Schon dünkt ein Jüngling sich der Phönix Erde,
Da sieht er plötzlich wieder sich als Greis.

Und ich! und ich! Ein gleiches Frühlingssehnen
Trieb oft mein Herz aus Einsamkeit und Ruh';
Die Frühlingsblüten aber waren Tränen,
Getäuscht und trauernd schloß das Herz sich zu.

                    3.
       Lied des Gefangenen

Früh scheint die Sonn' ins Fenster mir,
Mit neuem, holdem Brauch,
Und durch das enge Gitter weht
Ein warmer, milder Hauch.
Nach langer Stille klingt Gesang
Der Vögel mir herein,
Und ach, so fühl' ich Armer wohl,
Es muß der Frühling sein.

Ich Armer, ach, ich fühle wohl,
Es ist der Frühling da.
Und wärst du taub, und wärst du blind,
Du merkst es, wenn er nah'.
Der Blinde ruft den Hund herbei,
Der ihn durch's Leben führt,
Er muß hinaus, er kann nicht ruh'n,
Wenn er den Frühling spürt.

Was schmeichelt mir der Sonne Strahl?
Ich kann den Lenz nicht seh'n!
Kann, ärmer als ein Blinder, nicht
Auf seinem Rasen geh'n!
Kein Tröpflein seines duft'gen Meer's
Gießt er mir Armen aus!
Die kleinste Hütte tut er auf,
Ach, nur nicht dieses Haus!

Laßt mich in meinen Ketten fort,
Wenn's auch nur Einmal sei
Die Stunde lang fühl' ich sie nicht,
Und halte mich für frei.
O du, der alle Bande lös't,
Komm an mein Pförtlein auch,
Und schmelze Eisen, so wie Eis,
O Lenz, mit warmem Hauch!

                              4.
                        An Suleika

Du bist der Lenz, und ich bin der Sänger,
Will dich mit Frühlingsgesängen umweh'n.
Ich bin die Nacht, und du bist der Morgen,
Blickst du mich an, so muß ich vergeh'n.
Du bist der Engel, ich lieg' im Grabe,
Rufe mich an, so werd' ich ersteh'n.
Ich bin der Blinde, du bist die Heil'ge,
Rühre mein Auge an, und es wird seh'n.
Du bist der Zephyr, ich bin die Harfe,
Hauchst du, so tön' ich dem lieblichen Weh'n.
Ich bin der Schuld'ge, du bist der Richter,
Fragst du mich: "Liebst du mich?" muß ich's gesteh'n.
Aber du fragst mich nicht, ach, und so sollen
Klagen den traurigen Frühling durchweh'n!

                  5.
          Frühlingsklage

Was helfen mir die Blumen,
Die kalt und fühllos steh'n!
Die Augen, die ich liebe,
Muß ich in Tränen seh'n.
Der Tau in jedem Kelche
Mahnt ihrer Tränen mich.
O Frühling, deine Blumen,
Behalte sie für dich!

Der Vögel Melodien,
Sie rauschen her und hin.
Ach, wie ich diesen Frühling
So gar verlassen bin!
Die Sänger kehren wieder,
Die kalter Hauch vertrieb,
Sie aber kehrt uns nimmer,
Die uns so treu und lieb!

Auf Wiese, Baum und Hügel
Keimt Leben frisch empor,
Und drängt sich aus dem Dunkel
An's heit're Licht hervor.
Die Stelle, wo sie schlummert,
Ach, sie bleibt tot allein!
Mögt an den bunten Blumen
Ihr Andern euch erfreu'n.

                      6.
                Einsamkeit

Ich wandle durch den grünen Hain,
Den frisch der Lenz belaubt;
Im Freien wird mir besser sein,
So hatt' ich erst geglaubt.
Im Freien ist mir besser nicht,
Mir graut im dunklen Hain,
Das Rauschen seiner Blätter spricht:
"Du bist auch hier allein"

Ich wandle an den Strom hinaus,
Von dem die Decke sprang;
Vielleicht betäubet sein Gebraus
Mein Herz, so schwer und bang.
Sein Rauschen, ach, betäubet nicht.
Es wühlet auf den Schmerz,
Denn jede kalte Welle spricht:
"Für dich hab' ich kein Herz."

Den Berg hinan! Er ist erreicht
Im Frühlingsmorgenstrahl;
Der Blick in Gottes Welt vielleicht
Stillt meines Busens Qual.
Ach nein, ach nein! sie ruhet nicht,
Sie treibt mich fort von hier!
Die Welt zu meinen Füßen spricht:
"Ein Fremdling bist du mir."

Auf dem Kirchhofe

Oft ging ich durch dies Reich der Gräber,
Das Manchem all sein Gut verschlang,
Nach dem ein And'rer, wie verwiesen
In's sturmbewegte Leben, rang;
Oft ging ich in dies Haus des Friedens,
Verschont von Angst und Schmerz und Fluch,
Und sinnend las ich auf den Steinen
Der treuen Liebe letzten Spruch.

Und kam ich wieder an die Pforte,
Die Tod und Leben ewig schied,
So weihte ich den Heimgegang'nen
Dies freudig ernste Abschiedslied:
Wer ihr auch seid, ihr müden Schläfer,
Lebt wohl, und schlaft den Schlaf der Ruh'!
Von all den Teuren, die ich liebe,
Gesellte euch sich keiner zu.

Nun ist mein Kommen und mein Scheiden,
So wie es eh'mals war, nicht mehr.
Die Trän' im Aug', und Schmerz im Busen,
Geh' ich hinaus, und komm' ich her.
Nun les in diesem Haus des Friedens,
Verschont von Angst und Schmerz und Fluch,
Ich nur auf Einem Leichensteine
Der eig'nen Liebe letzten Spruch.

Nicht hinter mir kann ich die Pforte
Verschließen, wie ich sonst getan,
Gehöre, wenn ich schied, nicht wieder,
Wie sonst, dem Leben draußen an.
Was ist denn Leben ohne Liebe!
Ach, und ein Teil der Lieb' in mir
Ruht unter eines Hügels Decke,
Und mit geschloss'nen Augen hier.

Traum

Mir träumte jüngst, ich sei gestorben,
Und lieg' auf schwarzer Totenbahr',
Und jeder ständ' an meiner Bahre,
Dem ich im Herzen teuer war.
Sie weinten still an meiner Leiche,
Und drückten, bis an's Leben wund,
Den ersten, den ich nicht erwidert,
Den Scheidekuß auf meinen Mund.

Und wie oft Bild auf Bild im Traume
Verworren durcheinander fließt,
Und sein bedeutungsvolles Wesen
Gar oft in seinem Zwiespalt ist;
So war ich in dem Nachtgesichte,
Ein Doppelwesen, zweimal da;
Es lag das eine blind im Sarge,
Das and're stand, und fühlt' und sah.

Und wie die Lieben alle weinten,
So weint' ich nicht, und sah mich an,
Und sprach zu mir: "Du stiller Schläfer,
Nun endlich ist dir wohl getan!"
Die Träne, die darauf im Auge
Mir an der eig'nen Bahre stand,
Sie galt den trauernden Geliebten,
Die ich voll Liebestränen fand.

Frage

Wo sind die Engel hingeschwunden,
O sagt mir an, wo find' ich sie,
Die Liebe mit der Schwester Freude,
Warum verschwanden sie, und wie?
O sendet mir, von wo ihr weilet,
Liebreiche Kunde freundlich zu,
Denn bis ich euch nicht ausgefunden,
Find' ich im Herzen nimmer Ruh'.

Das Leben darbt, wo ich es fasse,
Die Erde ist verwaist und arm;
Es haust auf ihr in Sorg' und Thronen
Ein freud- und liebeleerer Schwarm.
Der Mensch, ein frohes Kind vor Jahren,
Wuchs auf zum ernstgefurchten Mann,
Und klagt die Wesen mit den Flügeln
Als Bilder kind'scher Träume an.

Mein Frohsinn

Ich kann mich oft bezwingen,
Und froh und heiter sein,
Die Lautesten und Tollsten
Kann ich gar überschrei'n.
Zum Lachen, Tanzen, Spielen
Brech' ich gar oft die Bahn,
Und mit der Schellenkappe
Hüpf' ich so leicht voran.

Da kommen sie, und loben
Den immer heitern Sinn,
Und wie ich stets ihr Führer
Zu Lust und Jubel bin,
Wie ich mit Zauberkünsten,
Wenn sie schon oft erschlafft,
Auf neu gebornen Schwingen
Die Freude hergeschafft.

Mich aber faßt ein Grauen,
Und blick' ich in mein Herz,
Schlägt's in dem bunten Treiben
Wie der lebend'ge Schmerz.
Die Schellen klingen lauter
An meiner Kappe dann,
Und mit durchstoch'nem Busen
Flieg' ich im Sturm voran.

Stille Freude

Oft steh' ich in der Ferne,
Wenn mich ein Fest umschwärmt,
Und losgebund'ner Jubel
Mit hundert Zungen lärmt.
Ich blicke hin von weitem,
Und weiß kaum, was geschah;
Es lockt der Töne Rauschen,
Es lockt mich nimmer nah'.

Da kommen sie, und fragen,
Und meinen's gut mit mir,
Und wollen mich erheitern,
Und winken mir von hier.
Und folg' ich nicht dem Winke,
So schelten sie mich aus:
"Warum weint so ein Schwärmer
Die Tränen nicht zu Haus?"

Dann laß ich gern sie gehen,
Und greif ich in die Brust,
So schlägt sie still und einsam
In wunderbarer Lust.
Und kommt dann eine Träne
Wend' ich mein Angesicht,
Und zeige meine Träne,
Die sie verkennen, nicht.