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Gedichte 3
 

Verbannung
Heut und morgen
Paganini
Lieblicher Streit
Rätsel
Lösung
Die Hoffnung
Todessehnsucht
Veränderung
Der Spiegel
Versuch
An meinen Vater
Ewige Sehnsucht
Bitte
Die Hymne des Narzissus
Das Glück
Die Galeerensklaven
Das stille Herz
Bekenntnis
Rechtfertigung
 

Verbannung

Es darf der Stern ihr sanft die Bahn erhellen,
Sie kühlen dürfen Zephyrs leichte Schwingen,
Der Traum darf sie mit weichem Arm umschlingen,
Ihr Antlitz küssen dürfen frische Wellen.

Die Nachtigall darf ihr von Lieb' erzählen,
Es darf jedweder Strauch ihr Früchte bringen,
Nach ihrer Gunst darf jede Blume ringen,
Zur Königin sie jedes Fest erwählen.

Der Schatten darf ihr treu sich zugesellen,
Ihr darf Gesang in Ohr und Seele dringen,
Was sie nur liebt, braucht nicht sich zu bezwingen,
Braucht Lieb' und Huldigung nicht zu verstellen.

Nur ich muß in dem Zauberkreise fehlen,
Muß Lieb' und Huld'gung fest im Busen ringen,
Darf einsam nur in weiter Ferne singen,
Das vollste Herz muß sich bei Seite stehlen.

Heut und morgen

Wie traurig du beim Abschied bist,
Du weinst beim Lebewohl,
Und weißt doch, daß, wenn's morgen ist,
Ich wieder kommen soll.

Ich aber kenne besser dich,
Und sprech' ich morgen ein,
Und frag' ich: "Mädchen, kennst du mich?"
So ist die Antwort: ""Nein.""

Paganini

Was eine Sprache nur an hohen Worten,
Den Geist zu feiern, Würdiges besitzt,
Ich fühl's bei deinen zaub'rischen Akkorden,
Wir haben längst das alles abgenützt.

Soll ich dich etwa groß und herrlich preisen?
Die Worte sind schon längst bedeutungslos;
Wir haben Kindisches schon so geheißen,
Was aber bleibt an deiner Seite groß?

Nenn' ich dich Herrn im weiten Reich der Geister?
Verschwendet ward dies göttliche Diplom,
Doch lenkte keiner noch der größten Meister
So riesenhaft den ungeheuern Strom.

Nenn' ich dich Orpheus, der den Stein das Leben,
Die Brust des Tigers milde Sitte lehrt?
Der Titel ward schon unter'm Preis vergeben,
Der Mythe Sinn gedankenlos entehrt.

Soll ich dich wohl ein neues Wunder nennen?
Was nennt man heut' nicht alles wundervoll!
Die schönsten Worte, die wir sagen können,
Macht Mißbrauch leer, und Übertreibung hohl.

Doch du bist neu, du gehst auf neuen Bahnen,
So wahr als das Genie vom Himmel stammt,
Und über alles alte Wort und Ahnen
Ein neu Gefühl in unsrer Brust entflammt.

Laß du die Welt, die neuer Hauch getroffen,
Sich erst besinnen, wie ihr jetzt geschieht;
Kommt sie zur Sprache dann, so magst du hoffen,
Verklärt zu sein in neuem, würd'gem Lied.

Lieblicher Streit

Ich lebe stets in Zwist mit ihr,
In Kampf zu allen Zeiten;
Sprech' ich, so streitet sie mit mir,
Spricht sie, so muß ich streiten.
Es könnte sich der tiefste Groll
Kaum feindlicher gebärden;
Man sprach, daß man uns trennen soll,
Wir könnten uns gefährden.

Und dennoch will der stete Streit
Viel besser mir gefallen,
Als die harmlose Einigkeit,
In der ich bin mit allen.
Das weiß ich, will es unser Los,
Und machen wir einst Frieden,
So wird's ein Frieden, wie er bloß
Den Göttern ist beschieden.

Rätsel

Nenn' ich sie schön, so will sie mir nicht glauben,
Schmoll' ich, meint sie, es geht mir nicht vom Herzen,
Bin ich verstimmt, so will sie sicher scherzen,
Biet' ich ihr Kirschen, seufzet sie nach Trauben,
Preis ich den Adler, so rühmt sie die Tauben,
Bin heiter ich, so klagt sie über Schmerzen,
Lob' ich den schönen Morgen, bringt sie Kerzen,
Bitt' ich um was, so will sie mich berauben,
Komm' ich zu ihr, so weist sie mich von dannen,
War ich nicht da, so hör' ich es von allen,
Der Abend sei ihr traurig hingegangen.
Es ist ein rastlos Winken und Verbannen,
Ein steter Streit von Haß und Wohlgefallen,
Ein rätselhaftes Meiden und Verlangen.

Lösung

Der Nebel sank, der meinen Blick gebunden,
Gelüftet sind die wunderbaren Schleier,
In eines Götteraugenblickes Feier
Hab' ich des Rätsels Lösung ausgefunden.
Es war ein Blick, sie mußte mich erkunden!
Ihr Blick sprach: "Ja!" Den Busen fühlt' ich freier,
Und sieh', an dieses Blickes Sonnenfeuer
War schnell die Nacht des Zwiespalts hingeschwunden.
Nenn' ich sie schön, wie gern mag sie mir glauben!
Bin ich entzückt, wie teilt sie meine Wonne!
Preis' ich den Aar, so hält sie mich umschlungen,
Bitt' ich um was, so will sie sich berauben,
Sprech' ich zur Nacht: Wie hell scheint meine Sonne!
So ist kein Wort des Widerspruch's erklungen.

Die Hoffnung

Du armer Mensch, ich kann die Trauer
In deinem schönen Aug' nicht seh'n,
Und will mit meinem Zauberspiegel
Verheißend dir zur Seite steh'n.
Und sieh', schon fließen süß're Tränen
Aus deinem hell verklärten Blick,
Und in die Nacht von heute leuchtet
Der Morgen schon mit seinem Glück.

Zwar weiß ich, daß du morgen zürnend
Auf mich und meine Bilder schmählst,
Und daß du mich zu falschen Freunden
Und treuvergeß'nen Bräuten zählst;
Ich aber komme morgen wieder,
Dein Zürnen lockt, es schreckt mich nicht,
Und feindlich kaum mir abgewendet,
Bald lächelt mir dein Angesicht.

Und ringst du auch mich zu verbannen,
Mich, die dir hold und freundlich ist,
So bleibt nicht fern die stille Stunde,
Wo dich des Schlummers Arm umschließt.
Dann kleid' ich mich, wie du dich sträubest,
In eines Traumes Lichtgewand,
Und dein Erwachen ist ein Lächeln,
Weil ich an deiner Seite stand.

Todessehnsucht

Holder Schlaf, du Schmerzbezwinger,
Warum währst du ewig nicht!
Schreckend scheint nach wenig Stunden
Mir der Tag in's Angesicht.
Ach, wo ist die weiche Hülle,
Die ums Herz dein Walten wand!
Stürmend dringt der Feind, der Morgen,
Wieder ein mit seinem Brand.

Wolltest du mir ewig währen,
Einsam wär' ich zwar, wie nun,
Müßt' auf ewig abgeschieden
In dem dunklen Hause ruh'n
Doch wär' ich beglückt zu preisen,
All mein Kummer wäre hin,
Denn ich wüßt' und fühlte nimmer,
Wie ich gar so einsam bin!

Veränderung

Nein, was war, es kehrt nicht wieder,
Und es gibt kein Wiederseh'n!
Neuer Lenz hat neue Stimmen,
Die wir nimmermehr versteh'n!
Küßt den Scheidekuß nicht flüchtig,
Hoffend neuen Liebesgruß;
Denkt, das Scheiden sei ein Sterben,
Abschiedskuß ein Sterbekuß.

Hab' ich's nicht mit Schmerz erfahren!
Bleibt, ihr Tröster, fern mir steh'n,
Schmeichelt nimmer meinen Tränen
Mit dem Wahn von Wiederseh'n.
Ihre Augen seh' ich wieder,
Liebt' ich ihre Augen nur?
Was ich einst darin gelesen,
Ist verschwunden ohne Spur!

Der Spiegel

Du siehst mich an mit feuchten Blicken,
Und schiltst die Trän' in meinem Blick;
Ich soll zufrieden sein, und lächeln,
Denn heiter nennst du mein Geschick.

So zürnst du also, daß mein Auge
Der Spiegel deines Auges ist?
Du siehst hinein mit feuchten Blicken,
Darum der Spiegel überfließt.

Versuch

Stets wollt' ich dies und jenes anders,
Die Welt war mir nicht eben recht;
So ward der Unmut mein Gebieter
Und ich des finstern Herrschers Knecht.

Nun will ich mir's gefallen lassen,
Der Lauf der Welt sei, wie er sei,
Und hab' ich frei die Welt gegeben,
Vielleicht gibt mich der Unmut frei.

Was sprach ich auch zur Tulpe: Dufte,
Zur Rose: Geh', du bist nicht bunt;
Was schalt ich auch den freien Adler,
Daß er so treu nicht wie ein Hund?

Was murrt' ich, daß die frische Quelle
Kein Wanderschiff mit Segeln trägt;
Daß im Gebüsch der Sturm des Himmels
Nicht wie im Tannenwald sich regt?

Was sprach ich auch zum Mädchenauge:
Für alles, außer mir, sei blind?
Frei geb' ich Frost und Sonnenschimmer,
Und Flut und Flamme, Weib und Wind.

An meinen Vater

Ich sah dich nur für And're leben stets,
Für fremdes Glück sah ich dich streben stets.
Wo eine Träne floß, die du erblickt,
Sie trocknend standest du daneben stets.
Ich sah, eh' du ein Liebeswerk begannst,
Die Hände fromm empor dich heben stets.
Bei jedem Leid, das deine Brust empfand,
Sah ich dich stark und gottergeben stets.
Vor keinem Feind, als vor der Übeltat,
Sah ich dein edles Herz erbeben stets.
Der Würdigste aus Allen bist du mir,
Daß deine Bahn sei hell und eben stets.
Dein Bild, von Makel rein, von Liebe voll,
Wird so mich überall umschweben stets.

Ewige Sehnsucht

Lieb' ist eng mit Leid verbunden,
Ohne sie das Leben leer.
Und so kann man nimmermehr,
Wie's auch immer fällt, gesunden.
Lieb' ist eng mit Leid verbunden,
Ohne sie das Leben leer.

Keine Gabe wird gewonnen,
Sehnsucht nur der Brust zu Teil,
Sehnsucht nach der Liebe Pfeil,
Oder nach des Pfeils Verschonen.
Keine Gabe wird gewonnen,
Sehnsucht nur der Brust zu Teil.

Hielt ich nicht mein Glück geborgen,
Als ich die Geliebte fand?
Doch die alte Sorge schwand,
Und gab Raum den neuen Sorgen.
Ach, mein Glück war nicht geborgen,
Als ich die Geliebte fand!

Bitte

Rasch und wild ins Leben treibend,
Mit den Kräften ungezähmt,
Nicht die Flügel für den Himmel,
Für die Hölle nicht gelähmt,
Also trat ich dir entgegen,
Und dein Blick entschied für mich;
Deine Seraphbahn zu fliegen
Sehnten meine Flügel sich.

Doch wie auf der schönen Erde,
Die viel tausend Blumen trägt,
Ein Vulkan sich, wild zerstörend,
Hier und dort in Flammen regt;
So ist auch mein treuer Busen
Meist ein frommes Liederbuch,
Spuckt doch hin und wieder d'rinnen,
Schnell empört, ein alter Fluch.

Aber Gott sieht seine Erde
Mit der Blüte, dem Vulkan,
Ohne Wandel mit der Liebe
Segensvollen Blicken an.
Sei, Geliebte, mir nicht minder
Liebevoll in finst'rer Zeit;
An der Fackel deiner Liebe
Hat mein Licht sich schnell erneut.

Die Hymne des Narzissus

"Preis dir, Herr der Himmlischen, Zeus Kronion
Der du schön mich schufest vor allen Schönen,
Daß ein Bild olympischer Schönheit wandle
Unter den Menschen!

Preis dir, Phöbos, leuchtender Gott der Sonne!
Täglich steigst herauf du aus kühlen Fluten,
Meiner Schönheit Wunder vor allen Augen
Helle vergoldend.

Preis, Poseidon, dir, und des Meeres Nymphen,
Und der Ströme, Bäche, und aller Quellen!
Treue Spiegel zaubert auf allen Wegen
Ihr dem Narzissus.

Dir erdampf', o Kybele, reiches Opfer!
Dir, Pomona, schalle des Dankes Hymne,
Die für mich ihr goldene, süße Früchte
Gnädig erziehet.

Ihr, die ihr zum süßen Geschäft euch's machet,
Eurer Gaben Fülle mir zu verschwenden,
Ordnend jetzt mit zierlicher Hand des Hauptes
Wallende Locken,

Jetzt den Blick, und jetzo den Schritt mich lehrend,
Nun der Hand Bewegung, und nun der Lippe,
Grazien, deren Huld auch den Göttern heilig,
Rauschenden Preis euch!

Und ihr Musen, die ihr in gold'nen Tönen
Eures Vaters schönstes Geschöpf verherrlicht,
Eurem Tempel huldigend zugewendet,
Klingt euch mein Päan!

Eros, der du lenkest der Mädchen Augen,
Dank' ich dir nicht alle die trunk'nen Augen,
Dir nicht all' die Herzen, die mir in Sehnsucht
Stille verschmachtet?

Und euch allen, göttliche Uraniden,
Die ihr wacht für mich, und für mich erschaffet,
Und zum Spiegel gnädig die Welt mir schenktet
Ewigen Preis euch!"

Also sang Narzissus den Preis der Götter,
Er, aus allen Sterblichen, er, der einz'ge,
Der es frei hinaus in die Luft gesungen,
Wie ihm um's Herz war.

Das Glück

Der Mensch, der Ketzer,
Spricht von Geist,
Anmut und Tugend,
Liebe, Reichtum und Anseh'n,
Und dem Göttergebilde der Macht,
Gleich als braucht' er
Die Hand nur auszustrecken,
Um sie zu haben,
Oder als könnt' er zum Mindesten
Mit des Lasttiers ehernem Fleiß
Widerspenstiges sich bezwingen.

Aber er ahnt nicht,
Daß all diese schönen,
Lebenschaffenden Götterstrahlen
Splitter einer einzigen,
Eigenwilligen Sonne sind,
Glück genannt,
Die ihre Strahlen bald vollzählig
Auf ein herrliches Haupt wirft,
Daß uns ein leuchtender Gott erscheint,
Bald dürftig matte
Beleuchtung spendet,
Und meistens nichts,
Der aber jeder Gedanke,
Der nur irgend des Denkens wert,
Gezeichnet mit ewigem Siegel,
Angehört.

In Homeros unsterblichen Gesängen,
In Cäsar's Waffentaten,
So wie in den Siegen der Lais,
In Zoroasters heil'ger Begeisterung,
In Titus Herrschertugend,
Und Heloisens Treue,
In Demosthenes Sprachgewalt,
In der Lyra des Orpheus,
Und des Alciden Wunderkraft,
All überall,
Wo Schönes und Großes,
Edles erscheint und Herrliches,
Leuchtet gehäuft oder einsam
Nur der Strahl dieses Prachtgestirns.

Dich, der du im Dunklen wandelst,
Und den Strahl zu erzwingen wähnst,
Ich darf dich belächeln.
Weil du ja nicht ganz elend bist;
Dein Glück ist die Dumpfheit,
In der du fruchtlosen Schweiß erträgst.
Preis für dich aus meinem Munde,
Der du dich in den Strahlen sonnst,
Würde verhallen,
Denn dir jubelt die Schöpfung zu.
Tränen hab' ich für Einen nur,
Nur für dich, der im Dunklen wandelt,
Und es erkennt als unbezwingbar.

Die Galeerensklaven

Von des Urteils schwerem Donnerworte
Angekettet an die Bank der Qualen,
Rudern dort das Schiff, das vogelschnelle,
Durch die Fluten die Galeerensklaven.
Armer Greis, du trägst ja kaum dich selber,
Und das schwere Ruder mußt du lenken!
Jüngling, reich an Wunsch und Kraft und Leben,
Kannst du Wunsch und Kraft und Leben töten,
O so tu's, und rud're dich zu Tode!

Schweigend wird das schwere Werk gefördert,
Schweigend nicht für den, der Augen kennet.
Jedes Auge der lebend'gen Segel,
Jedes Auge dieser Unglücksel'gen,
Die den Dienst des Windes mußten lernen,
Hängt laut flehend an den kühlen Fluten:
"Kühlt mich Armen, kühlt mich, wie mein Ruder!"

Sieh, da sinkt der letzte Strahl des Tages,
Abend wird's. In dem endlosen Meere
Spiegelt sich der Mond mit sanftem Schimmer.
Ruhig wird's im Schiff, jedwede Kammer
Herbergt bald den sorgenlosen Schlummer,
Und nur oben regt sich's auf' den Bänken,
Und nur unten rauscht es in den Wellen
Von den mühevollen Ruderschlägen.

Da erhebt der älteste der Sklaven,
Wie er tat vor vier und zwanzig Stunden,
Seine Stimm' und spricht: "Ihr Leidensbrüder,
Abend ist es, laßt uns wieder beten."
Und er betete mit leiser Lippe,
Und aus ganzer Seele auf zum Himmel,
Und sie alle flehten leis' und brünstig:
"Herr, du gabst uns einen Tag voll Sonne,
Einen blauen, atemlosen Himmel,
Wie du uns schon hundertmal gegeben.
Hör' uns heut', du Gnädiger und Milder,
Wie wir hundertmal zu dir geflehet!
Gib uns eine Nacht voll Sturm und Donner,
Abzukühlen uns're heißen Glieder,
Gib uns Felsen rings in diese Fluten,
Gib den Tod uns an den schroffen Felsen,
Abzulösen uns're Ketten! Amen."

Sieh, da schwebt auf einer Wetterwolke,
Leuchtend wie der Blitz, in weiter Ferne
Am umrauchten Saume des Horizonts
Die ersehnte Trösterin, die Hoffnung,
Hoch empor vor ihren matten Augen.
Flüsternd erst, dann mit erhöhter Stimme,
Jetzo mit des Sturm's Posaunenklängen,
Spricht die Luft in die erquickten Ohren:
"Näher will ich euch die Hoffnung tragen."
Und die Wolke droben wird zum Meere,
D'rinnen Mond und Sterne niedersinken,
Schwarze Nacht umhüllt den weiten Himmel,
Sturm und Donner, Fluch und Regen brausen,
Und die Woge faßt und hebt und schleudert
Mit dem Grimm des Würgers die Galeere.

"Gib uns Felsen rings in diese Fluten,
Abzulösen unsre Ketten! Amen."
So erschallt aufschreiend ihre Bitte,
Und mit Eins, Gewährung heiß erharrend,
Lassen alle Hände von den Rudern,
Falten sich, und heben sich zum Himmel,
Und das Fahrzeug schwankt, der Wogen Beute.

Aus den Kammern flieht erschreckt der Schlummer
Alles stürzt entsetzt nach dem Verdecke,
An der Spitze flucht des Schiffes Führer:
"Legt ihr in den Schoß die Händ', ihr Hunde?"
Und ein Blitz,— und "Klippen dort! Gerudert,
Wer nicht sterben will von meinem Schwert!"
""Gib uns schneller, was wir nun erwarten,
Aber keiner langet nach dem Ruder.""
Solches Donnerwort erschallt dem Führer,
Und die Hände, die zum Himmel flehen,
Bleiben stumm und brünstiglich gefaltet.

Und wie jener wütend an das Schwert faßt, —
Wogendrang,— da kracht's, und kracht's,— zerschmettert
Fliegt das Schiff, von Fels an Fels geschleudert,
Und die Ketten rasseln in die Tiefe,
Und die Müden ruh'n auf kühlem Grunde.

Das stille Herz

Als ich um Liebe betteln ging,
Wie war ich da unselig!
Wie flossen meine Tränen da
So bitter und unzählig!

Verraten ward ich jeden Tag,
Mit kaltem Hohn begossen,
Und jeden Tag recht in das Herz
Mit scharfem Dolch gestoßen.

Und als ich betteln ging um Glück,
Wie war ich zu bedauern!
Wie mußt' ich mich vergebens nicht
Bald winden und bald kauern.

So Tag als Nacht war ich gehetzt,
Geprellt zu allen Stunden,
Mir ward kein anderer Gewinn,
Als an der Sohle Wunden.

Nun such' ich Liebe nimmermehr,
Des Glückes Fluch und Segen,
Nun ist mir wohl! kann mich zu Lust
Und Qual nicht mehr bewegen.

Nun wandl' ich als ein stummer Geist,
Und habe Freud' und Schmerzen
Erwürgt mit meiner eig'nen Hand
In meinem stillen Herzen.

Bekenntnis

1.

Dem kühnen Felsen, der dir Dauer lüget,
Der Stürmen trotzet, und die Zeit verachtet,
Dem kühnen Felsen mußt du nicht vertrauen;
Wie auch sein fester Bau zu täuschen trachtet,
Wie er sich türmt, für ewig, scheint's, gefüget,
In seinen Höhlen wohnt der Hölle Grauen,
Du wirst den Starken schauen,
Wie seine Glieder wanken und erzittern,
Entsetzt das Haus an seinem Abhang meiden,
Wenn Glut und Sturm aus seinen Eingeweiden
Aufrasen in zerstörenden Gewittern.
Der Riese sinkt gefällt in sich zusammen,
Und siegreich lodern über ihm die Flammen.

2.

Laß dich des Ozeans gefäll'gen Spiegel,
Der leuchtend dir das Bild des Himmels malet,
Und freundlich ladet auf des Untiers Rücken,
Wie er auch ruhig glänzt, und heiter strahlet,
Du mut'ger Schiffer mit der Sehnsucht Flügel,
Laß dich den Spiegel nimmermehr berücken.
Er ist ein Knecht der Tücken,
Mit denen Sturm und Wetter ihn bezwingen,
Ein Hauch zerstücket seine blaue Glätte,
Du spähst umher, wo sich dein Fahrzeug rette,
Siehst dich der Klippen Feindesreih'n umringen,
Und statt, wie erst, des Himmels Bild zu schauen,
Klafft unter dir, wie bald, der Hölle Grauen.

3.

Am Meeresufer sitzt in üpp'ger Laube,
Und schmachtet die Siren' in süßen Tönen,
Die schmeichelnd hinzieh'n nach der Bahn der Wogen.
Des Schiffers Herz ergreift ein mächtig Sehnen,
Das süße Lied der unschuldsvollen Taube
Hat an den Strand ihn, wo sie girrt, gezogen.
Da, über ihn gebogen,
Zerreißt die Feindin die geborgten Schleier,
Die Finger, die die Laute kaum gerühret,
Sie krallen sich in's Herz, das sie verführet,
Die Taube saugt, ein mordbegier'ger Geier,
An dem die gottgeweihten Zeichen lügen,
Das Herzblut ihres Raub's in wilden Zügen.

4.

Dem Fels, der See gleich' ich, und der Sirene.
Mit ruhig kühner Kraft schein' ich gerüstet,
Und Schönes preis ich laut durch trunk'ne Lieder.
Nur ist so Ruh' als Kraft mir angebrüstet,
Mein Anteil' bleibt der Jammer und die Träne,
Der Sturm des Leids, sein Hauch weht mich darnieder,
Mit rauschendem Gefieder
Fühl' ich die dunklen Götter mich umkreisen,
Wenn ahnungsvoll ich singe von den lichten,
Nur Sehnsucht ist mein Leben und mein Dichten,
Den Zweifel hol' ich aus dem Buch des Weisen,
Und leuchtet nur mein Auge recht begeistert,
So bin ich von Dämonen bald bemeistert.

Rechtfertigung

Du meinst, es sollen klingen die Gesänge,
Wie Frühlingshauch aus einem schönern Land
Und zürnst mir, daß oft Eumenidenklänge
Dem Saitenspiel' entrissen meine Hand.

O zürne nicht, und lerne mich beklagen.
Was uns erfüllt, ist's, was im Lied erklingt;
Der muß sie selbst im finstern Busen tragen,
Wer in dem Ton der Eumeniden singt.

Da lächelst du versöhnst, und meinst, ich richte
Mich viel zu eisern eher, als zu mild;
Es lebe in der Brust, wie im Gedichte,
Mir auch der Charis reines Götterbild.

So ist's. Eins Brust und Lied. Sie sind die Stätte,
Wo mit der Grazie die Eris ficht,
Und ihre Siege feiern um die Wette
Sie wechselnd wild und mild in dem Gedicht.