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                     Das Ghasel eine Gedichtform
 

Ghaselen
 


1.

Es ist die Sprach' ein Meer, und die Verse sind Perlen d'rin.
Als Taucher stürz' ich mich in die Fluten mit mut'gem Sinn,
Den Schmuck der Perlen hol' ich, und fasse sie zierlich an,
Und reiche zum Geschenk dir die blendenden Schnüre hin.
Ein Garten ist die Sprache, wo Verse als Blumen steh'n,
Als Rosen, Veilchen, Tulpen, Narzissen und Rosmarin.
Und bunte Blumen pflück' ich, und wind' eine Krone d'raus,
Dich krön' ich mit der Krone, geliebteste Königin.

2.

Den Strom, aus dem die Sonne gestrahlt so schön,
Der jetzt das Bild des Mondes dir malt so schön;
Die Wolke, die nun regnend zur Erde taut,
Und das Gestirn erst glänzend umwallt so schön;
Die Nachtigall, die Nachts den Gesang begann,
Der noch dem frühen Morgen erschallt so schön; —
Sie nenn' ich treulos. Meiner Gefühle Strom,
Er spiegelt stets nur deine Gestalt so schön;
Die Wolke meines duftenden Opferrauch's
Rauscht nur zu dir mit Flügels Gewalt so schön;
Mein Lied, das aus der Tiefe der Seele klingt,
Hat stets nur deinem Preise gehallt so schön.

3.

Es ist für mich die höchste Wonne, bei dir zu sein,
Mir aller Freuden Blüt' und Krone, bei dir zu sein.
Ich sehne mich, wie sich die schmachtende Blume sehnt
Nach einem Liebesblick der Sonne, bei dir zu sein.
Ich sehne mich, ob ich in wilder Gebirge Grau'n,
Ob ich in schönen Gärten wohne, bei dir zu sein.
Ich sehne mich aus meiner Hütte hinaus nach dir,
Nicht minder sehnt' ich mich vom Throne, bei dir zu sein.
Mein Mund soll willig schweigen, stumm soll mein Auge sein,
Nur gönne mir zum sel'gen Lohne, bei dir zu sein.

4.

Die Blum' ist in der Knospe noch verhüllt einst,
Die bunt am gold'nen Sonnenlichte spielt einst.
Die kühle Flut verschließt noch das Gebirge,
Die rasch hervor als muntre Quelle quillt einst.
Noch schläft der Pfeil in schöner Mädchen Augen,
Der sicher treffend nach dem Jüngling zielt einst.
Noch blüht am Baum der Lorbeer, und der Dichter
Geht d'runter weg, dem er die Stirne kühlt einst.
Des Kindes Lippen sind noch stumm geschlossen,
Die von unsterblichem Gesang erfüllt einst.
Wie Blume, Quell, Pfeil, Lorbeerkranz und Lieder,
War still verborgen, was ich dir gefühlt, einst.
Da klang hernieder Schöpfungsruf vom Himmel,
Und meiner Seele Blüte ward enthüllt einst.

5.

Die Nacht ist uns herabgestiegen wundermild.
In Schlummer will die Welt sie wiegen wundermild.
Die düstern Wolken hat des Mondes Blick gewußt
Mit mächt'gem Zauber zu besiegen wundermild.
Leis' atmend weht die Luft, und läßt vom Blumenbeet
Die süßen Wohlgerüche fliegen wundermild.
Sie ruft die Kühlung auf, und heißt die liebliche
Sich an die heiße Stirn' anschmiegen wundermild.
O wonnevolle Nacht, dich preist wohl jeder Mund,
Ob er auch dumpf bisher geschwiegen, wundermild.
Mich aber lockst du nicht; die Sturmnacht pries' ich wohl,
Könnt' in Suleika's Arm ich liegen, wundermild.

6.

Gleichwie im Lenz der Vogel singen muß,
Die Rebe um den Stamm sich schlingen muß,
Gleichwie die Sonnenblume dem Gestirn
In heißer Lieb' entgegenringen muß,
So wie der Zephyr, der den Hain durchstreift,
Auf seinen Flügeln Düfte bringen muß,
So wie die Nachtigall, vom Mond erweckt,
Auf Tönen sich zum Äther schwingen muß,
Und wie die Wolke, die um Sterne schwimmt,
Ihr helles Silberlicht verschlingen muß, —
So meine Laute, die dein Hauch berührt,
In süßem Zwang stets dir erklingen muß.

7.

Unwillig frag' ich, ob ich's leiden soll,
Ob ich dich immer wieder meiden soll,
Ob ich mit einem flücht'gen Liebesblick
Auf lange Tage mich bescheiden soll;
Warum mein Herz, von langer Sehnsucht wund,
An einem Hauch von Lust sich weiden soll.
Doch flüstert mir ein Geist, daß ich um dich
Mit Schild und Speer zum Kampf mich kleiden soll,
Gleich spricht der bess're Geist aus deinem Blick,
Daß ich in Liebe von dir scheiden soll.

8.

Nicht in die Zukunft will ich schauen jetzt,
Der Gegenwart will ich vertrauen jetzt.
Sie schmückt mir ja den unwirtbaren Pfad,
Voll Schlund und Fels, mit duft'gen Auen jetzt.
Sie haucht, die Wolke flieht, mein Aug' erblickt
Den Himmel ohne Flor, den blauen, jetzt.
Ich sehe ja die Träne stiller Lust
Aus deinen Sternenaugen tauen jetzt.
Es schlingt um mich sich meines Engels Arm,
Und löst mich aus des Schmerzes Klauen jetzt.
Ich bin im Tempel, denn ich bin bei dir;
Sollt' ich erst denken, ihn zu bauen jetzt?
Ich fühle mich so wohl, und aufgehellt
Ist meiner Seele dunkles Grauen jetzt,
Und keinen Zweig des Baums der Gegenwart
Soll mir ein Wehgefühl behauen jetzt.

9.

Schön singt die Nachtigall, und weiß es nicht.
Mild glänzt des Mondes Strahl, und weiß es nicht.
Der Marmor trägt des edlen Künstlers Geist
Als hehres Siegesmal, und weiß es nicht.
Die Wolke taut, sie stärket und belebt
Die Blumen sonder Zahl, und weiß es nicht.
Des Liedes Zauber dringt ins wunde Herz,
Und lindert seine Qual, und weiß es nicht.
So ist Suleika edel, schön und gut,
Und ist es ohne Wahl, und weiß es nicht.

10.

Sie sprach beim Scheiden: "Vergiß mein nicht!
In Lust und Leiden vergiß mein nicht!"
Ihr Seufzer klang, da die Stunde schlug,
Mich lang zu meiden: "Vergiß mein nicht!"
Die Träne bat, die dem Aug' entquoll,
Den Schmerz zu weiden: "Vergiß mein nicht!"
Die Augen blickten mir's ferne zu,
Die holden beiden: "Vergiß mein nicht!"
Ihr ganzes Wesen war aufgelöst
In ein bescheiden: "Vergiß mein nicht!"
Mir ist, sie könn' es jetzt in der Nacht
In Sterne kleiden: "Vergiß mein nicht!"

11.

Was hilft's, du göttlich Weib, den Mund mir streng zu zügeln,
Und mit dem ernsten Blick die Lippe mir zu siegeln?
Was dir die Luft verschweigt, muß dir das Licht verkünden,
Und meine Liebe dringt zu dir auf Blickes Flügeln.
Ja, wär' ich blind, so ganz hat Liebe mich durchdrungen,
Sie müßt' in Hauch und Hand, auf Stirn' und Brust sich spiegeln.

12.

Dir ist, du Kalte, nur ein Scherz der Liebe selige Wehmut,
Doch seh' ich dich, so füllt mein Herz der Liebe selige Wehmut.
Zwar dich zu fliehen schwur ich mir, doch dacht' ich deiner im Schwure,
D'rum schmelzte des Entschlusses Erz der Liebe selige Wehmut.
Den frost'gen Blick, mit Zwang erlernt, allmächtig scheucht ihn von hinnen,
Wie Frühlingsschein den Schnee im März, der Liebe selige Wehmut.
Und bötet ihr vom Lethe mir, ich tränke nimmer Vergessen;
Mich fesselt mit zu süßem Schmerz der Liebe selige Wehmut.
Trübt sie den Blick, und lehrt sie gleich den Mund nur Seufzer und Klagen,
Doch trägt die Seele himmelwärts der Liebe selige Wehmut.

13.

In Zwiespalt ist dein Aug' mit deinem Munde;
Dein Auge gibt mir süße Liebeskunde,
Doch schnellst du von den Lippen scharfe Pfeile,
Und siehst mit feuchtem Auge meine Wunde.
Dein Aug' ist eine spiegelklare Quelle,
Doch trübt der Wind, dein Mund, sie bis zum Grunde.
O wäre doch dein Mund mit deinem Auge,
Wo nicht, mit deinem Mund dein Aug' im Bunde!
Sprich aus mit Aug' und Mund Haß oder Liebe,
Daß ganz ich sterbe, oder ganz gesunde.

14.

Verschweigen soll ich, was mein Herz bewegt,
Und wie es dir in Lieb' entgegenschlägt?
Wer spricht zur Blume: "Keime nicht empor,"
Wenn sich des Frühlings milder Atem regt?
Wer spricht zum Espenbaume: "Rausche nicht,"
Wenn seine reichen Zweige Sturm durchfegt?
Wer spricht zur munt'ren Well': "Erglänze nicht,"
Wenn sie die Sonn' auf ihrem Spiegel trägt?
Wer spricht zur Muschel: "Bleib' am Grund verbannt,"
Wenn sie die Perl' in ihrem Schoße hegt?
So ford're nicht, daß ich dir schweigen soll;
Ein Gott hat Lieder mir in's Herz gelegt,
Und meine Liebe, zürne, wenn du kannst,
Den Liedern deinen Namen eingeprägt.

15.

Der Welt soll ich's verschweigen,
Daß du mir ganz zu eigen?
Mich deucht, sie muß es hören
Aus unserm sel'gen Schweigen,
Mich deucht, sie muß es sehen,
Wenn wir uns fremd verneigen,
Es wissen, wenn mein Arm dich
Umschlingt im frohen Reigen,
Mich deucht, die Vögel singen's
Melodisch von den Zweigen.

16.

Wie gerne schmückt' ich dich mit Gold und Edelstein,
Mit allen, jeder Frau so lieben Tändelei'n.
Wie gerne möcht' ich dir zu prächtigem Geschenk
An seid'ne Schnüre dicht die schönsten Perlen reih'n.
Wie gerne hüllt' ich dich, wär' ich Kalifen gleich,
In Kleider von Kaschmir aus fernem Osten ein.
Nie träte, wär' ich Schach, den rauhen Grund dein Fuß;
Es sollten Boden dir nur Blum' und Teppich sein.
Was dich erfreuen mag, ich lauschte heut dir's ab,
Und morgen fändest du's entzückt in deinem Schrein.
Was zierlich ist und schön, erfunden scheint es mir,
Um dich zu schmücken mit dem bunten Farbenschein.
Doch freute dich mein Lied und meine Liebe nicht,
So hätt' ich nichts zur Lust, zum Schmucke dir zu weih'n.

17.

Wähnend, daß er mir entgehe, ruhte dein Blick auf mir.
Zitternd, daß ich ihn erspähe, ruhte dein Blick auf mir.
Ach, ich sah ihn, fühlt' ihn ja, und hätt' ich ihn nicht geseh'n!
Heilend meines Busens Wehe, ruhte dein Blick auf mir.
Sel'ge Blindheit übernahm ich, ihn nicht zu scheuchen, gern,
Wie ich so geblendet stehe, ruhte dein Blick auf mir.
Doch das unfolgsame Aug' erhebt sich, und sucht umsonst; —
Nimmer, sehend, daß ich sehe, ruhte dein Blick auf mir.

18.

Liebewerbende bisher verlacht' ich;
Ach, um dich, wie gern die Werbung macht' ich!
Liebe schmäht' ich kühn; daß die Geschmähte
Mir noch Göttin werde, nimmer dacht' ich.
Alle Dienerei ist mir zuwider;
Dir, Geliebteste, zu dienen tracht' ich.
Stets war mir ein Greuel seufzend Sehnen;
Ach, daß du mich anblickst, darnach schmacht' ich!
Ja, ich war in tiefem Schlaf begraben,
Deinem Anhauch, Göttliche, erwacht' ich!
Bin ein andres Wesen, was ich haßte,
Lieb' ich, was ich liebte, das veracht' ich.

19.

Für deine Frage suchst du ein Orakel.
Gebundene Gräser, wähnst du, sein Orakel.
"Sie liebt mich, liebt mich nicht, liebt mich ein wenig,"
So zupfest du aus Blumen dein Orakel.
Die Karte wird dir, und der Flug der Vögel,
Und mancher and're Tand, zum Schein-Orakel.
Vertraue nicht so trügerischen Propheten,
Und laß dir, Freund, empfehlen mein Orakel:
Was dir nicht sagt das Auge der Geliebten,
Das offenbart dem Frager kein Orakel.

20.

Schweigt von Liebe, schweigt ihr kalten Seelen;
Meint ihr doch, die Liebe sei ein Wählen.
Wollt ihr Liebe doch, als wären's Gulden,
In den Säckel des Verdienstes zählen.
Ihr verwahrt die Liebe wie Dukaten,
Daß euch ja Unwürd'ge sie nicht stehlen.
Auf den Markt zieht ihr mit eurer Liebe;
Ware gegen War', es kann nicht fehlen.
Nie habt ihr gehört den Mund der Liebe
Dunkelschöne Märchen euch erzählen;
Nie habt ihr geseh'n der Liebe Blicke
Mehr noch, als sie zeigen, euch verhehlen,
Nie den Bund, den tief geheimnisvollen,
Wenn die Liebe sich, der Haß vermählen.
Ach, ich schwör's bei deinen Flammenaugen,
Die mit scharfem Frost mich grausam quälen,
Liebe strömt hervor aus meinem Busen,
Wie das Lied aus Nachtigallenkehlen.

21.

Ich hülle meine Liebe umsonst in dichte Schleier,
Verbirgt sie sich dem Auge, so tönt sie von der Leier.
Der Dichter sei bescheiden, und schweige noch so schüchtern,
Doch wirbt für seine Liebe das Lied, der kecke Freier.
Zwar auch des Liedes Zunge verschweiget deinen Namen,
Doch fühlst du dich als Göttin der trunk'nen Dichterfeier.
Der Richter, der die Fessel des Schweigens mir geschmiedet,
Dein Blick, o würd' er endlich mein freundlicher Befreier!
Mein Lied ist eine Taube, die ich mit Blättchen sende,
Doch scheut sie keinen Schützen, und zagt vor keinem Geier.

22.

Wie um den Stab die Reben sich ranken,
Schlingen um dich sich meine Gedanken.
Schlängen nur so die seligen Arme
Auch um den Leib sich dir, um den schlanken!
Öffne der Arme liebenden Hafen,
Sieh auf der Sehnsucht Woge mich schwanken!
Hebe mir auf die rettenden Hände,
Die durch Berührung heilen den Kranken!
Wär' ich von jenen, welche die Sehnsucht
Jagend verjagten, trinkend vertranken!
Ach, meine Lieder sind wie ein Spiegel,
Blicke hinein, du strahlst aus dem blanken.
Vers ist mein Schwert, das Lied ist mein Panzer;
Laß dich erkämpfen! Öffnet die Schranken!
Doch du beschworst, ich könne wohl Herzen,
Nimmer dein Herz dem Liebe verdanken.

23.

Was hab' ich, dich zu gewinnen, gestrebt, wie Vieles gewagt, und vergebens.
In Liedern hab' ich elegisch geseufzt, in Ghaselen geklagt, und vergebens.
Nach deinen Wünschen hab' ich geforscht bei deinen Winken und Blicken,
Nach deinen Launen bei deinen Brau'n mich angefragt, und vergebens.
Ich stand vor dir, ein mutiger Leu, zu jeglichem Kampfe gerüstet,
Der Gefahr ein Fels, nur deinem Zorn, du Strenge, verzagt, und vergebens.
In Blick hab' ich, und in Wort und Tat dir, und in jeglichem Pulsschlag,
In der Blässe der Wang', in der Wange Glut, wie ich dein, dir gesagt, und vergebens.
Du legtest lächelnd dafür mir an's Herz des Prometheus nagenden Geier;
Unsägliche Pein! bald hofft' ich das Herz zu Tode genagt, und vergebens.
Doch als ich, ein Mann, den Schmerz gezähmt, und ruhig in's Auge dir blickte,
Da fiel es dir ein, mich zu lieben einmal, da hat's mir getagt, und vergebens.
Schon war es zu spät, mein Auge war zu sehr gewöhnt an die Nacht schon;
Und liebst du mich nun, so fühlst du die Qual, die lang mich geplagt, und vergebens.
Mein Leben zieht wie der Mond in der Nacht, und wandelt wie ruhige Jamben,
Das lange genug daktylisch gestürmt, anapastisch gejagt, und vergebens.

24.

Gebändigt üblich ist der Schmerz, verstummt die Klage nun,
Doch ach, es sind verschwunden auch die schönsten Tage nun.
Ein reicher Lenz war meine Qual, ein starrer Winter ist's,
Den ich, da meine wunde Brust geheilt, ertrage nun.
Wie göttlich stürmte, war sie streng, mein ganzes Leben auf;
Es hält mein Leben frost'ge Ruh' im Sarkophage nun.
Wie süße Antwort gaben mir sonst Vogel, Hain und Quell;
Doch hab' an Vogel, Hain und Quell ich keine Frage nun.
Erhab'nes Leid ertrug ich sonst, das sich im Lied ergoß;
Doch drückt das Leben mich nur als gemeine Plage nun.
Das Glück, von Liebesschmerz geheilt in stiller Brust zu sein,
O flöh' es mich so gern, als ich dem Glück entsage nun!

25.

Die Schätze, die sie hat, verteilt die Liebe.
Die Müden stützt, die Kranken heilt die Liebe.
Wenn dich die Welt verläßt, die ungetreue,
An deinem Busen treu verweilt die Liebe.
Du mußt dich nicht als Einsamen beklagen,
In deine offnen Arme eilt die Liebe.
Komm, roher Edelstein, hell sollst du glänzen,
Mit mildem Zauberfinger feilt die Liebe.
Auftut das gold'ne Tor des Paradieses,
Sei's mit demant'nem Schloß verkeilt, die Liebe.

26.

Jedweden bittern Schmerz erfand die Liebe,
Und jede Qual des Busens bannt die Liebe.
Zum Eden schmückt die Liebe dir die Ode;
Dich treibt in Flucht von Land zu Land die Liebe.
Die Liebe hält dir mehr, als sie versprochen;
Zur Treue zwingt kein teures Pfand die Liebe.
Die Liebe wacht, d'rum schlummerst du so ruhig;
Gleich schleudert in dein Haus den Brand die Liebe.
Die Liebe haucht, und du bist neu geboren;
Dich tötet mit der eh'rnen Hand die Liebe.
Die Liebe führt dich mild durch duft'ge Haine;
Mit blut'ger Faust stürzt dich vom Rand die Liebe.
Die Liebe floh dich spröd', als du sie suchtest;
Du flohst, und dir zur Seite stand die Liebe.
Die Liebe schenkt, wie's Fürsten nicht vermögen;
Dir weigert den geringsten Tand die Liebe.
Die Liebe weckt die Stürme, die dich treiben;
All deine Stürme überwand die Liebe.
Die Liebe lehrt dich wundersüße Lieder;
Mit Schweigen deine Zunge band die Liebe.
Zum Seher hat die Liebe dich begeistert;
Dir streut in's trübe Auge Sand die Liebe.
Es gibt und nimmt den Himmel und die Hölle,
Den Tod, das Leben, den Verstand die Liebe.

27.

Was ich von Liebe Buntes je gesungen,
Sind wohl nicht lauter treue Huldigungen.
Gefangen hat mich manches schöne Auge,
Und braun' und blonde Locke mich umschlungen.
Die stille Sanftmut hab' ich angebetet,
Doch blieb ich d'rum vom Trotz nicht unbezwungen.
Mit dir hab' ich der Kunkel mich befreundet,
Mit dir mich zu den Sternen aufgeschwungen.
Dir ist der Sieg durch Hand und Mund und Auge,
Und dir durch Ton und Wort und Tat gelungen.
Was frommte mir der Treue fester Panzer,
Der Liebe scharfer Pfeil ist durchgedrungen.
Setzt' ich vor jedes Lied den rechten Namen,
So wäre der Kalender bald durchsprungen.
D'rum, hab' ich mir auch nicht beständ'gen Himmel,
Hab' ich mir wechselreichen doch errungen.
Was kümmert mich der Spott, deshalb erfahren
Von manchen abgeschmackten Lästerzungen!
Habt ihr als Knechte Einer strengen Schönen
Euch starr und stumm und taub und blind verdungen,
So hat mein Herz, gleich einer Äolsharfe,
Vom Atem jeder Schönheit froh geklungen.

28.

Das Herz, fürwahr, ist eine Runenschrift,
Die der Gelehrte kaum zu lesen trifft.
Das Senkblei dringt hinab zum Meeresgrund;
Wer hat sich auf des Herzens Grund vertieft!
Dies kleine Feld trägt Blume neben Dorn,
Und Wunderbalsam neben Schlangengift.
Bald ist's der Kompaß, der das Schiff regiert,
Und bald das Schiff, das ohne Kompaß schifft.
Wo sind die Lettern heut, die gestern ihm
Das Leben einschrieb mit demant'nem Stift!
Wie Argus habt ihr euer Herz bewacht;
Ein Traum berückt' es euch, dieweil ihr schlieft.
Weil heute mir dein Herz in Liebe schlägt,
Ist Treue mir für morgen nicht verbrieft.

29.

Zerschlagt ihn immerhin, doch strahlt der Edelstein
In jedem Splitter noch mit angebornem Schein.
In Tropfen löset auf das endlos weite Meer,
Der Tropfen wiederglänzt den ganzen Äther rein.
Zertrümmert den Apoll von Belvedere nur,
In Trümmern wird er noch des Genius Zeuge sein.
Zerreißt der Rose Kelch in Blätter, jedes Blatt,
Der ganzen Blume Duft enthaucht es euch allein.
Zerstückt ein liebend Herz mit noch so scharfem Schwert,
Es wird euch, auch zerstückt, all seine Liebe weih'n.

30.

Könnt' ich nur, was je geschah, vergessen,
Was mir fern, und doch so nah', vergessen,
Was mein Ohr vernahm in schönern Tagen,
Was einst hell mein Auge sah, vergessen,
Jeden sel'gen Traum, der hingeschwunden,
Und den Schmerz, der ewig da, vergessen!
Ach, der einz'ge Balsam für des Busens
Tiefe Wunden wäre ja — Vergessen!

31.

Wenn der Vergangenheit wir denken,
Sollt' uns die Gegenwart wohl kränken.
Hat sie doch keines dargeboten
Von viel verheißenen Geschenken
Uns lenkte stets ein Gott den Wagen,
Wohin wir nicht gedacht zu lenken.
Wir jagten vorwärts, sieh, und mußten
Uns plötzlich wider Willen schwenken.
Auf Polstern träumten wir zu ruhen,
Erwachten doch auf harten Bänken.
Der Hoffnung gold'ne Trauben reiften
Uns nie zu labenden Getränken.
Doch uns erlust'gen solche Dinge,
Gleich witzig angelegten Schwänken.
Was aber sollten wir uns ferner
In neuer Zukunft Glück versenken?
Das Glück ist da; Glück ist's, zu lachen
Zu des Geschickes bunten Ränken.
Ja, lachen wollen wir, nicht hadern;
Was kommt heraus mit solchen Zänken!

32.

Ich seh', o Kind, im schönsten Lenze dich;
Noch freuen Bänder, Blumen, Kränze dich.
Hebt deine Brust ein Seufzer, ist's im Traum;
Dein Sehnen weist auf Spiel' und Tänze dich.
Du strahlst in Lust, die sich nicht kennt und denkt;
O, daß sie ewig überglänze dich!
Du lebst im Zauberland des Lebenstraums;
Entrücke nie dein Stern der Grenze dich!
Bist du ein Stückwerk, weil du kindisch bist,
So wünsch' ich, keine Hand ergänze dich!

33.

Wo ich bleiben sollte, blieb ich nicht,
Was ich treiben sollte, trieb ich nicht.
Wenn die Tat entschied, wählt' ich die Schrift,
Wenn ich schreiben sollte, schrieb ich nicht.
Zaudernd stets verschieb' ich, was mir frommt,
Das Verderbliche verschieb' ich nicht.
Wo es Sanftmut galt, da zeigt' ich Wut,
Sollt' ich um mich hau'n, so hieb ich nicht.
Wo ich liebe, bin ich nicht geliebt,
Und wo man mich liebt, da lieb' ich nicht.
Schöpf' unselig denn Glückseligkeit
Mit der Danaiden Sieb' ich nicht?
Wenn ich mich nun hasse, saget an,
Hasse meiner Freuden Dieb ich nicht?

34.

Es ist die Welt ein Lehrer; die Wahrheit kennt sie nicht.
Die Welt ist eine Flamme; nach Schönheit brennt sie nicht.
Die Welt ist eine Laute, von tausend Liedern voll,
Doch was des Liedes würdig, das Eine nennt sie nicht.
Als buntgeschmückter Läufer erscheinet mir die Welt;
Sei sie auch noch so flüchtig, ihr Ziel errennt sie nicht.
Die Welt ist eine Klinge, sie trieft und strahlt von Blut,
Zerhaut das Band der Liebe, die Feinde trennt sie nicht.
Es ist die Welt ein Vogel, und zwar ein Strauß fürwahr;
Zum Fluge nach den Wolken die Flügel dehnt sie nicht.
Die Welt baut Narrenhauser, und spricht: "Wer toll, zieht ein."
Daß sie hinein gehöre, o das bekennt sie nicht.

35.

Was hilft's, wenn ich mein Roß zum Fluge sporne!
Es folgt nicht mir, es folgt dem Ruf der Norne.
Mit gläub'gen Händen pflanz' ich bunte Blumen;
Will ich sie brechen, ritz' ich mich am Dorne.
Was ihre Liebe mir gewinnen sollte,
Das übergab mich ihrem strengen Zorne.
Vergebens lächelt mir ein schönes Heute;
Ich träume mich ins Gestern, in's verlorne.
Was will der neue Lenz? Ach, mir entquoll nur
Ein flücht'ger Frühling aus der Zeiten Borne!
Kein Zweig von Glück ward mir aus tausend Keimen,
Ein Wald von Schmerz aus Einem Samenkorne.
Ein Janus bin ich, der die Trän' im Auge,
Nach rückwärts schaut, die Trän' im Blick, nach vorne.
Seht ihr mich froh, so glaubt mich d'rum nicht fröhlich;
Ich tanze nur nach Hüons Wunderhorne.

36.

Sei's zum Ganges, sei's zum Nile hin,
Flog' ich nur auf raschem Kiele hin!
In bewegtes Leben sehn' ich mich,
Wenn ich's d'rüber auch verspiele, hin.
Schleichen doch die Stunden uns so matt,
Wie ein Greis auf eb'ner Diele, hin.
Über dies Behagen, das euch freut,
Weint' ich Tränen schon, wie viele, hin.
Flüchten möcht' ich in den Schlachtensturm,
Wie ein Andrer zum Asyle hin.
Führt dies Sehnen in des Todes Arm,
Nun, so führt es ja zum Ziele hin.
Kind, ich schäme mich; ich reiche dir
Weich die Hand, und ohne Schwiele hin.
Gern schrieb' ich das Leben meiner Brust
In der Tat erhab'nem Stile hin;
Doch es fließen uns die Tage hier
Tändelnd mit dem Federkiele hin.

37.

Der Tag ist irdisch, und voll schwerem Zwang.
Am Tage wird dem mut'gen Geiste bang.
Die Schwingen auszubreiten sehnt er sich,
Da fesselt seinen Flug Geschäftes Drang.
Erwerb, und Kampf mit Mensch und Element,
Hält tief ihn fest, wie hoch er sehnend rang.
Die Nacht ist himmlisch! o, an ihre Brust
Bannt mich ein wundersüßer Liebeshang!
Wie aus der Asch' empor der Phönix fleugt,
So steigt der Geist aus Sonnenuntergang.
Er wird voll Tönen, wenn die Lyra hell
Vom dunklen Himmelsbogen niederklang.
Er wird voll Flügeln, wenn der Adler dort
Das silberne Gefieder funkelnd schwang.
Voll Liebe wird er, wenn die Sternenwelt
Ertönt in Sphärenjubels Hochgesang.
Des Tag's such' ich umsonst nach Liebesblick;
Umsonst such' ich, sind Sterne da, nicht lang.

38.

Die Toren nur geloben ew'ge Liebe,
Und suchen, arg verschroben, ew'ge Liebe.
Ein Traum, ein Schatten ist, ein Luftgebilde,
Vom Augenblick gewoben, ew'ge Liebe.
Der Seifenblase gleich an Glanz und Dauer,
Wie bald ist nicht zerstoben ew'ge Liebe!
Du schwörst, du kannst für die Geliebte sterbend
Es fordert and're Proben ew'ge Liebe!
Wie kam' in's Menschenherz, in dem beständig
Die raschen Pulse toben, ew'ge Liebe!
Ein Vorhang deckt, geheimnisvoll und heilig,
Den keine Hand gehoben, ew'ge Liebe.
Hienieden ist die Heimat ew'ger Sehnsucht.
Es wohnt im Blauen droben ew'ge Liebe.
Zwar werd' ich nimmer finden hier und geben,
Doch ewig will ich loben ew'ge Liebe!

39.

Ich riß mich endlich los von allen Banden,
Und jagt' im Fluge fort nach fernen Landen.
Am Wasserfall, und in der kühlen Grotte,
Und auf der Alpe Haupt hab' ich gestanden.
Mein Schiff bekränzten in dem Strahl des Mondes
Des Meeres Silberwellen wie Girlanden.
Es prunkt' in bunter Pracht vor meinem Auge
Die Welt in ihren glänzenden Gewanden.
Doch die Dämonen, die im Schneegefilde
Mit starken Armen feindlich mich umwanden,
Sie waren's, die mich in Orangenhainen,
Und auf des Meeres Fluten wiederfanden.
Des Hains, der Wasser und der Menschen Sprache
Hab' ich vor ihrem Brausen nicht verstanden.
Dem trüben Aug' verschwamm ringsum die Schönheit,
Nur die Gespenster waren ihm vorhanden,
Die keinem Zauberwort der mächt'gen Liebe,
Die keinem Segen der Natur entschwanden!

40.

Verwünsche nicht die Hand, die hart dein Herz ergreift,
Verwünsche nicht den Pfeil, der dir es blutig streift.
Verwünsche nicht den Sturm, der deine Blumen knickt,
Und deiner Blüten Glanz mit scharfem Hauch bereift.
Das Leben schmähe nicht, weil ihm Zerstörung Lust,
Und weil, was du gebaut, es unbarmherzig schleift.
Dem Narren zürne nicht, der deiner Schönheit höhnt,
Der dich verlästern muß, weil er dich nicht begreift.
Des starren Winters Schnee verhüllt die junge Saat;
Dein Herz ist eine Saat, die unter'm Froste reift.

41.

Im Blick der Jugend hangen süße Träume.
Der Liebe Glück umfangen süße Träume.
Im blendend ausgeschmückten Bildersaale
Der Fürstin Dichtkunst prangen süße Träume.
Wie selig schwellen deinen schönen Busen,
Und röten deine Wangen süße Träume!
Wie Frühlingsatem, und wie Sphärenjubel
Von gold'nen Saiten klangen süße Träume.
Wir hörten nicht den Sturm in uns'rer Nähe,
Da lispelnd uns umschlangen süße Träume.
Wie oft ein Dämon Krieg uns angekündet,
Die Friedensfahne schwangen süße Träume.
Gleich stillen Seen ruhten unsere Herzen
Und d'rauf, wie Schwäne, sangen süße Träume.
Wie liebend um den Baum der Epheu ranket,
So hielten uns gefangen süße Träume.
Wohin wir mit dem Zauberstabe schlugen,
Da quollen und entsprangen süße Träume.
Wie David einen Riesen einst bezwungen,
So unsern Schmerz bezwangen süße Träume.
Ach, weckt uns nicht, und laßt im Mond uns wandeln;
Vor eurem Wort erbangen süße Träume.
Wie Blüten zwar am Baum sind uns erblühet,
Und schnell, wie sie, vergangen süße Träume;
Die Blüten liebt ihr doch, wie schnell sie fallen;
So laßt denn uns verlangen süße Träume.

42.

Du zürnst mir, daß ich unbeständig bin,
Und dessen ohne Scheu geständig bin?
Nichts ist beständig, was da lebt und strebt,
D'rum zürnst du mir, daß ich lebendig bin.
Die Fessel drückt, und wär's ein Rosenband;
In dem Sinn sei's, daß ich unbändig bin.
Bestand ist ein Phantom; daß ein Phantom
Ich meide, zeigt, daß ich verständig bin.
Nichts Endliches füllt aus den ew'gen Geist;
Verzeih', daß ich ein Geist inwendig bin.

43.

Schwört einer, daß er von den Frommen ist,
Und allem Kampf und Streit entnommen ist,
Dem schwör' ich, daß er aus des Lebens Reich
Zur starren Schattenwelt gekommen ist.
An einem Ufer lebt streitlose Ruh',
An das kein Glücklicher geschwommen ist.
In unsern Tälern haust ein ew'ger Sturm,
Dem noch kein Klimmender entklommen ist.
Ich weiß, du Schatten, daß in seinem Hauch
All deine Glut dir rein verglommen ist.
Die Ruhe mag ich nicht, mit der du prahlst;
Ich weiß, daß sie ein böses Omen ist.

44.

Was heut ich von mir weis, erfass' ich morgen,
Was ich errungen heut, verlass ich morgen.
Ich hob den Schatz nach tausend stillen Nächten,
Den heut verschlossenen verprass ich morgen.
Zu Tränen rührt mich heut, was du erzählest,
In Reimen aber d'rüber spaß' ich morgen.
Heut rüst' ich mich, und morgen soll's geschehen;
Die rechte Stunde doch verpaff' ich morgen.
Drängt's heut mich hin, wo Menschen froh sich sammeln,
Kriech' in des Philosophen Faß ich morgen.
Das alles ginge mit; Eins macht mich traurig:
Die heut ich zärtlichst liebe, hass' ich morgen.
Ihr seht mich munter heut, und preist mich glücklich;
Verborg'nem Gram vielleicht erblass' ich morgen.

45.

Ein närrisch Volk! Sie streben, und niemand weiß, warum.
Sie weigern und sie geben, und niemand weiß, warum.
Sie bau'n und reißen nieder, sie reisen und sie ruh'n,
Sie stricken und sie weben, und niemand weiß, warum.
Sie lachen und sie weinen, verzweifeln und vertrau'n,
Sie trotzen und sie beben, und niemand weiß, warum.
Sie zeugen und sie töten, sie hassen glühend sich,
Auch lieben sie sich eben, und niemand weiß, warum.
Bald preisen sie die Freiheit, bald wieder jubeln sie
An ihres Kerkers Stäben, und niemand weiß, warum.
Die einen wühlen fleißig sich in die Erde ein,
Die Andern aber schweben, und niemand weiß, warum.
Dort macht sich einer Flügel, und muß, wie gut beschwingt,
An seiner Scholle kleben, und niemand weiß, warum.
Das alles mußt' ich schauen, und, stehend mitten d'rin,
Es zeichnen nach dem Leben, und niemand weiß, warum.

46.

Ich frag', o Gott, in Staub dahingegossen,
Sind deine Himmel ewig mir verschlossen?
Ich suchte sie die Schöpfung auf und nieder,
In alle Räume schwang ich mich entschlossen.
Ich suchte mit den Augen ihren Schimmer,
Und mit den Händen ihrer Leiter Sprossen.
Voll heißer Sehnsucht jagt' ich fort nach ihnen
Auf der Gedanken kühn beschwingten Rossen.
Nach ihnen späht' ich auf von allen Bergen,
Der Sternenwelt gigantischen Genossen.
Aufwärts den Strom der Zeit schwamm ich nach ihnen,
Und niederwärts den Strom, der längst entflossen.
Doch ach, im Leben, das mich rings umbrauset,
Fand ich statt heitern Himmeln trübe Possen.
Den Fußtritt der Natur bezeugt Zerstörung,
Sie zielt nach mir mit ehernen Geschossen.
Was ich statt Himmeln in der Brust erbeutet,
Sind dumpfe Zweifel, und betrübte Glossen.

47.

Du Glücklicher, hast wohl empfunden den Schmerz,
Doch auch vergaßest du auf Stunden den Schmerz.
Und war's im Traume nur, dir blüht auch die Lust,
Und zaubert weg von deinen Wunden den Schmerz.
Ach, mächtig ist die Freude; lächelt sie nur,
Gleich hast du, Seliger, verwunden den Schmerz.
Mir aber hat mit unauflöslichem Band
Das Schicksal an die Brust gebunden den Schmerz.
In Kampf und Ruh' hab' ich, in Lieb' und in Haß,
In Traum und Wachen nur gefunden den Schmerz.
Zur Nahrung setzten strenge Götter mir aus —
Wie soll mein Busen je gesunden! — den Schmerz.
Sprich nicht vom Schmerz; dich quält sein Schatten allein;
In meiner Brust magst du erkunden den Schmerz.

48.

Ihr Toren, die ihr rüst'ge Zeit verachtet,
Ihr blöden Toren, selber seid verachtet!
Weil ihr es nicht vermögt, sie zu erobern,
Drum wird von euch die frische Maid verachtet.
Die Zeit ist ein Gewand, und ihr seid Stangen;
Weil's um euch schlottert, wird das Kleid verachtet,
Der muskellose Arm fühlt seine Schwäche,
Er ist's, der vornehm jeden Streit verachtet.
Geht, macht euch klein, und übt an euch Verachtung,
Ihr werdet nur, macht ihr euch breit, verachtet.
Was prahlt ihr mit der Liebe zu dem Gestern?
Der liebt kein Gestern, wer das Heut verachtet.

49.

Und wenn ich meiner Sehnsucht Ziel nach heißem Kampf erreicht,
Was ist's? Ein Ding, das nimmermehr dem fernen Bilde gleicht.
Ein Zaubergarten war's, der mich mit buntem Reiz gelockt;
Auf einer Heide lang' ich an, von starrem Schnee gebleicht.
Es war ein göttlich Flügelpferd, nach dem ich ausgerannt,
Und das, da ich es nun bestieg, als müder Klepper schleicht.
Wie ew'ger Frühling blühte mir's, da ich's von ferne sah,
Wo jetzt des Herbstes welke Hand herab die Blätter streicht.
Aufblauen Bergen stand vor mir der Freude Prunkpalast;
Bei moos'gen Trümmern lang' ich an, aus denen sie entweicht.
Was hilft's, erblick' ich fern die See, der heißen Glieder Bad;
Sie schrumpft mir ein, bin ich am Strand, zum Bächlein schmal und seicht.
Ach, da die Brust voll Sehnsucht war, wie deuchte sie mir schwer;
Nun weiß ich, nur die Sehnsucht macht den Busen froh und leicht.

50.

Beredter, als die Lippe, spricht die Träne.
Siegreicher, als die Waffe, ficht die Träne.
Ein kunstgewandter Dichter ist das Auge,
Und sein bezauberndstes Gedicht die Träne.
Hab' Acht, o Richter! Gold hast du verschmähet,
Doch mächtiger, als Gold, besticht die Träne.
Ihr Richter, lernt, wie ihr sollt Urteil sprechen:
In Lieb' und Strenge hält Gericht die Träne.
Die Klinge, die am Panzer nicht gebrochen,
Erfahr's, du wilder Sieger, bricht die Träne.
Du, Schön're, als daß Schmuck dich könnte zieren,
Es zieret doch dein Angesicht die Träne.
Dein Schmerz will keinem milden Tröster weichen;
Vergebens aber tröstet nicht die Träne.
Allmächtig, wie sie ist, versöhnet selber,
Die du verletzt, die strenge Pflicht, die Träne.
Es ist der Armut Schatz, der Wunde Balsam,
Des Schmerzes Lust, der Blindheit Licht die Träne.

51.

Ihr tadelt's, daß ich Träume nicht lassen kann,
Mit Liebe nicht das Wirkliche fassen kann?
Ein Traum ist eure Wirklichkeit; lobet mich,
Daß eitle Traumgestalten ich hassen kann.
Was Traum ihr scheltet, seliges Leben ist's.
An dessen Göttertafel ich prassen kann.
Ihr lebt von heut auf morgen; beglückt, daß ich
Mich nicht mit heut und morgen befassen kann!
Ihr lebt in Kerkern, preiset mich Glücklichen,
Daß wohnen ich in leuchtenden Straßen kann.
Mein Umgang sind die Götter; das macht, daß ich
Mit euch nicht schlendern durch alle Gassen kann.

52.

Ein Born, der nie versiegt, fürwahr, ist Sprache.
Ein Licht, das leuchtet immerdar, ist Sprache.
Sei stumm, du sprichst; was deine Augen blicken.
Bald ernst und trüb, bald mild und klar, ist Sprache.
Sei, blind, du redest; jede deiner Tränen,
Die Schmerz erpreßt, und Lust gebar, ist Sprache.
Dein Atem, der, gepreßter Brust entflogen,
Ein tief gefühltes Klaglied war, ist Sprache.
Die Lippen schließen sich? sieh, wie sie zucken;
Auch deiner Lippen stummes Paar ist Sprache.
Du deckest Aug' und Mund mit deinen Händen?
Die Hand, die sie verdeckt, sogar ist Sprache.
Dein Geh'n und Steh'n, dein Wachen und dein Schlummern,
Auf deinem Haupte jedes Haar ist Sprache.
Der ganze Mensch, vom Wirbel bis zur Sohle, —
Wer weiß, und nennt's nicht wunderbar! — ist Sprache.

53.

Die Laute deines Busens ist zerschlagen,
Drum hörst im Lied der Nachtigall du Klagen.
Du seufzest selbst am blumigen Gestade,
D'rum hörst wehmütig du die Wellen schlagen.
Du blickst zum Mond mit Augen voller Tränen,
D'rum weißt du nur von seinem Leid zu sagen.
Den Winter deines Grams hegst du im Frühling,
D'rum seufzest du nach sonnenhellen Tagen.
Entweder mußt du Wild sein, oder Jäger;
Der bist du nicht, d'rum schmähst du auch das Jagen.
Mit mattem Herzen hältst du sie umschlungen,
D'rum schiltst du: "An der Lieb' ist kein Behagen."
Der Sturm, der "vorwärts", singt, heult dir "Verderben;"
D'rum siehst du Tod, statt Lust, in allem Wagen.
Mir glaube, Freund: wie alles hell den Kühnen,
Ist alles trübe denen, welche zagen.

54.

Wie Hauch von ew'gem Frühling weht das Leben,
Und Blüten endlos reift und säet das Leben.
Den Kuß gewährend harrt, wie die Geliebte,
Mit offnen Götterarmen, seht! das Leben.
Mit Duft und Licht, mit Traum, mit Tat und Schlummer,
Zu jeder Brust um Liebe fleht das Leben.
In frischer Regung gärt, wie der Champagner
Stets in dem Becher Perlen bläht, das Leben.
Aus Tag und Nacht, aus Kluft und Erd' und Himmel,
Allgegenwärtig üb'rall, späht das Leben.
Ein Band ist, das durch alle tausend Sonnen
In magischer Verschlingung geht, das Leben.
Wir sind die Götter, und als schöne Hebe,
Mit vollem Nektarbecher, steht das Leben.
Schenk' ein! schenk' ein! Ich bringe dir den Becher!
Mein Jubel preist, wie mein Gebet, das Leben!

55.

Wiewohl sie nicht, die hellen Sterne, denken,
Die Berge nicht in blauer Ferne denken,
Gedanken nicht die zarten Blumen hegen,
Doch mögen wir als schön sie gerne denken.
Schön bist auch du — wie Sterne, Berg' und Blumen;
Willst du wie Menschen schön sein, lerne denken.

56.

Vergebens fühlt sich nicht die Schwalbe frei,
Auf munt'ren Schwingen folgt sie nach dem Mai.
Nicht sehnend blickt die Gemse nach den Höh'n,
Sie schwingt sich auf, leicht, wie die luft'ge Fei.
Kaum blüht der erste Baum in sanftem Grün,
Gleich tönt herab der Vögel Melodei.
Ihr aber hofft, und harrt und sehnet euch,
Und harrt und sehnet nicht das Glück herbei.
War't, wie zur Hoffnung, rüstig ihr zur Tat,
Ihr klagtet nicht, daß Hoffnung eitel sei.

57.

Mit Palm' und Lorbeer schmückt sein Haupt der Held,
Weil er im Sturm des Kampfes nicht gefehlt.
Die Karawane kennt des Tages Glut,
D'rum ist ihr Nachts so wohl in dem Gezelt.
Das Wort der Liebe klänge nicht so süß,
Wär' es nicht als Geheimnis; einst verhehlt.
Du bist in der Oase so erquickt,
Weil dich so sehr der Wüste Sand gequält.
Die du als Knab' am grimmigsten verfolgt,
Hast du als Jüngling dir zur Braut erwählt.
Hätt' ich sie nicht so glühend einst gehaßt,
Ich liebte nicht so heiß die schöne Welt.

58.

Der Adler spricht: Zur Sonne flieg' ich gern.
Der Zephyr spricht: Mit Blumen krieg' ich gern.
Die Nebe spricht: Um meinen schlanken Stab
Die liebevollen Arme schmieg' ich gern.
Es spricht der Sturm: Den Fels werf ich in's Tal,
Die stolzen Eichen brech' und bieg' ich gern.
Die Nacht'gall spricht: Willkommen sei der Lenz!
In seinem Waldkonzerte sieg' ich gern.
Das Echo spricht: Wär' Plaudern nicht so süß,
In kühler Grotte schlummernd schwieg' ich gern.
Die Wolke spricht: Die Blumen sind so schön!
Zu küssen ihren Kelch, versieg' ich gern.
Der Delphin spricht: Auf der besonnten Flut
Des blauen Meer's mein Leben wieg' ich gern.
Die Sonne spricht: Froh leucht' ich all der Lust,
Des Himmels gold'nen Thron bestieg ich gern.
Umbraust von all dem Jubel der Natur,
Im üpp'gen Arm des Lebens lieg' ich gern.

59.

Weil du, o Glück, dich nie mir zugewendet,
Mir Liebesblicke zärtlich nie gesendet,
Meinst du, der Sehnsucht Beute mich zu sehen,
Das Auge von der Tränen Flut geblendet.
Du irrst! An Träume hoffnungsloser Liebe
Hab' ich so Gram als Seufzer nie verschwendet.
Mit keinem Atem hab' ich dich gerufen,
Mit keiner Klage bin ich dir verpfändet.
Du gabst mir Waffen gegen deine Tücke,
Und hast ein Herz voll Trotz mir selbst gespendet.
Vergeude deine Gunst an deine Buhlen;
Was ich will, wird auch ohne dich vollendet.

60.

Ein Wort ist mehr als Kronen wert: Das Wort: Ich weiß, was ich will.
Nur Ein's ist, was den Menschen ehrt: Das Wort: Ich weiß, was ich will.
Ich fühle mich von Schmerzen frei, ein Zauberwort ist der Schild,
Der jedem Pfeil und Stachel wehrt: Das Wort: Ich weiß, was ich will.
Schmückt ihn mit Perl' und Edelstein, mit jeder köstlichen Lust,
Ein Bettler ist, wer Ein's entbehrt: Das Wort: Ich weiß, was ich will.
Stoßt mich hinaus wie einen Hund, als König scheid' ich von euch;
Des Reichtums Füll' ist mir beschert: Das Wort: Ich weiß, was ich will.
Was ist's, das mir den Arm gestählt, den Gram gejagt von der Stirn,
Das Freude meinen Blick gelehrt? Das Wort: Ich weiß, was ich will.
Ein Vampir sog an meiner Brust, und trank mein siedendes Blut;
Da heilt und macht mich unversehrt das Wort: Ich weiß, was ich will.
In öden Wüsten irrt' ich um, die Zunge lechzend in Durst,
Bis mich mit Himmelstrank genährt das Wort: Ich weiß, was ich will.
Versunken zuckt in Nacht und Not, in Qual und Jammer die Welt,
Wenn Ein's die Arme nicht bekehrt: Das Wort: Ich weiß, was ich will.

An einen Freund

1.

Du schwörst, daß dir zur Qual der Okzident ist,
Und deines Lebens Ziel der Orient ist.
Weltbürger, sprich, wie kommt's, daß Ziel des Lebens
Dir von der Welt ein winziges Segment ist?
Bist du ein Fisch, der in der Luft dahinstirbt,
Und dem nur Wasser Lebenselement ist?
Gehst du auf's Wirken aus, so mußt du wissen,
Daß dort, wie hier, dein Wirken nur Fragment ist.
Was dich beglückt, ist einzig der Gedanke,
Der hier, als dort, nicht minder permanent ist.
Arabien aber wird dich nicht beglücken,
Weil seine Sonne etwas vehement ist!

2.

Zieht's dich so mächtig zu Moscheen hin,
Und zu der Perser Kanapeen hin;
Fliehst du von grünbelaubtem Eichenwald
In glutversengte Palmalleen hin;
Zieht's zur Oase dich in wüstem Sand,
Von Wiese, Berg und Tal und Seen hin;
So gibst du für das Wasser auch den Wein,
Für starre Wirklichkeit Ideen hin;
So gibst du für des Demants kalten Prunk
Die Schönheit griechischer Kameen hin,
Und eines Göttertempels Herrlichkeit
Für seine leeren Propylen hin.

3.

Sprich, findest du denn nur Ghaselen schön?
Und reitet sich's nur auf Kamelen schön?
Scheint dir der Westen arm an Ton und Lied,
Und ist nur Persien im Erzählen schön?
Ist unsre Sitte plump, und lebt man nur
In des Kalifen reichen Sälen schön?
Schmähst du die freien Frau'n, und scheinen dir
Nur die gefang'nen zum Erwählen schön?
Gibst du für dürren Sand den deutschen Hain,
Der dich begrüßt aus tausend Kehlen schön?
Wie herrlich glüh'n die Reben nicht am Stock!
Scheint dir ein Land, wo Trauben fehlen, schön?

4.

Vögel treibt aus ihrem Nest die Sehnsucht.
O, ich kenne, die dich preßt, die Sehnsucht
Warst im fernen Osten du geboren,
Sicher trieb dich nach dem West die Sehnsucht.
Schlaf verschlingt der Menschen halbes Leben,
Und des Lebens andern Rest die Sehnsucht.
Schatten hascht, und an Ruinen jubelt,
Und in Träumen hat ihr Fest die Sehnsucht.
Siehst du wo ein Auge heiter strahlen?
Jedes Auge trübt und näßt die Sehnsucht.
Nur die glücklich selber sich gefunden,
Nur die Seligen verläßt die Sehnsucht.

5.

Dich scheint zu verdrehen des Orients Reiz,
Denn ich muß verschmähen des Orients Reiz.
Dort blüht keine Rebe, dort schäumt kein Wein;
Ist d'ran zu ersehen des Orients Reiz?
Die Frau'n sind in Banden, die Lieb' ist's mit;
Ist d'raus zu erspähen des Orients Reiz?
Der Herrscher ist Herr, und der Mann ist Knecht;
Gibt dies zu verstehen des Orients Reiz?
Dies löse mir, Freund, und dann lockt auch mich,
Mich d'rin zu ergehen, des Orients Reiz.

6.

Von Ost nach Westen zieht der Zweifler,
Vom Süd zum Norden flieht der Zweifler.
Vergebens sucht so hier als drüben
Die Ruh' für sein Gemüt der Zweifler.
Es weint, wo ernst der Winter starret,
Und wo die Rose blüht, der Zweifler.
Es stöhnt in dunkler Nächte Schauern,
Und wo die Sonn' erglüht, der Zweifler,
Es trauert in dem Reich der Gräber,
Und wo das Leben sprüht, der Zweifler.
Vergebens irrt von Ost nach Westen,
Umsonst nach Nord und Süd der Zweifler.

7.

Der junge Orient ist alt geworden,
Sein heil'ger Feuerstrom ist kalt geworden.
Der duft'ge Hain, von Nymphen voll und Göttern,
Er ist ein einsam öder Wald geworden.
Stumm ist der Sturm des Liedes, der vom Himmel
In seinen Palmen einst gehallt, geworden.
Zerschlagen ist von roher Faust die Laute,
Denn Herr im Osten ist Gewalt geworden.
Das rege Leben voller Blüt' und Jugend
Ist zur versteinten Greisgestalt geworden.
Entwürdigt ist der Mensch; die Furcht der Knechtschaft
Ist sein entehrender Gehalt geworden.
O, laß mich weinen! Aus der schönen Jungfrau
Ist eine grause Mumie bald geworden.

8.

Vom Osten ging des Geistes Lichtstrahl aus,
Und durch der Erde weiten Prunksaal aus.
Nun aber hüllt er sich in dunkle Nacht,
Und gibt den ew'gen Schlaf als Labsal aus.
Mit Mauern gürtet er sich ein, und schreit
Die Welt im Freien als ein Scheusal aus.
Die kühne Riesenkraft der alten Zeit
Ging in der Schlaffheit dumpfes Trübsal aus.
Des starken Adlers Flügel sind gelähmt,
Des Auges Flamme losch in Mühsal aus.
Suchst du des Orients alte Herrlichkeit,
So gräbst du ein verwittert Denkmal aus.
D'rum, ziehst du nach der Menschheit Wiege hin,
So ziehst du auch nach ihrem Grabmal aus.

9.

Du magst in Hütten, magst in Pyramiden wohnen,
In Wäldern, in dem Hain der Hesperiden wohnen;
Du magst in stiller Klaus', in hehren Göttertempeln,
Magst in dem Haus des Fuchs, gleich den Atriden, wohnen;
Du magst auf breitem Plan, vom Sturm der Welt umbrauset,
Magst einsam auf den Höh'n, von ihr gemieden, wohnen; —
Es teilt dein Lager stets die Sehnsucht und die Sorge,
Und nie wird in der Brust dir süßer Frieden wohnen.
D'rum, bis nicht stille steht das Herz, das allzulaute,
Und wir in Grabes Schoß, vom Wunsch geschieden, wohnen,
Wähnt nicht, ihr Seufzenden, daß wir die Ruh' erbeuten,
Wenn wir an and'rem Ort, als sonst, hienieden wohnen.

10.

Gleich der Geliebten zieht dich an die Ferne.
Du suchest in verliebtem Wahn die Ferne.
Es lockt mit dunklem Blick aus dichtem Schleier
Dich buhlend in verwegnen Kahn die Ferne.
Mit Zauberliedern in den trunknen Busen
Stürmt dir, wie ein sangreicher Schwan, die Ferne.
Es ruft in ihre Gräber, und entsendet
Die Geister schmeichelnd dir heran die Ferne.
Wie Dirnen spröd', um sich'rer zu verführen,
Umrauscht sich mit dem Ozean die Ferne.
Trau' nicht der Buhlerin! sie wird dich fliehen,
Nie wird dem Arm in Lieb' umfah'n die Ferne.
Vom Osten östlich liegt ein and'rer Osten;
So lockt dich auf endlose Bahn die Ferne.

11.

Du hast die Sprache Cicero's studiert,
Homer's Gesang, für ewig groß, studiert.
D'rauf riß die Mode mächtig dich dahin,
Und eiligst wurde der Franzos studiert.
"Petrarka! Dante! Tasso!" klang's; es ward
Die Sprache Metastasto's studiert.
Shakespeare lies't gut sich im Original,
D'rum wurde bald er selbst, statt Voß, studiert.
Makamen des Hariri wurden laut;
Gleich wird in seiner Sprache losstudiert.
Was hilft's, wenn du, statt deutsch, arabisch klagst?
Das Fremde macht dein Klagen bloß studiert.

12.

Es forschen die Weisen, wer hemmt es?
Die Zugvögel reisen, wer hemmt es?
Es faßt der Magnet wie lebendig
Das liebende Eisen, wer hemmt es?
Es donnern dahin die Gestirne
In ew'gen Geleisen, wer hemmt es?
Die Jugend bewegt sich in Flammen,
Verloschen den Greisen, wer hemmt es?
Es freut sich der plumpe Geselle
Bei Ruhe und Speisen, wer hemmt es?
Den Dichter dünkt Adler und Taube
Nur selig zu greifen, wer hemmt es?
Der Frühling muß Blumen erziehen,
Der Winter beeisen, wer hemmt es?
D'rum hab' ich nicht etwa geschrieben,
Zu hemmen dein Reisen; wer hemmt es?
Muß alles nach seiner Natur sich
Doch einmal erweisen, wer hemmt es?