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Bibelgeschichten
 

Ihre Schönheit
Die Harfe Davids
Das Leben jenseits
Klage
Beweinet sie!
Räche dich!
Jephtha's Tochter
Am Grabe
Mein Geist ist finster
Ihr Lächeln
Dem Helden
Sauls Gesang
Saul
Alles ist eitel
Leben des Geistes
Die Vision Belsazars
An den Mond
Rechtfertigung der Treue
Herodes Klage um Mariamne
Am Tage der Zerstörung Jerusalems
Der gefangene Sänger
Sanheribs Niederlage
Aus Job (Hiob)

 

Ihre Schönheit
Übersetzung eines Gedichts von Lord Byron

     Sie naht in Schönheit wie die Nacht,
Gewölklos, rein und sternenlicht;
Des Dunkels wie des Schimmers Pracht
Eint sich in Aug’ und Angesicht
Mit jenes Lichtes sanfter Macht,
Das dem geschmückten Tag gebricht.

     Ein Schatten mehr, ein Strahl nicht – seht!
Und halb entweicht die Anmut bald,
Die durch die Rabenlocken weht,
Und mild im Angesichte strahlt,
Wo heiter süß der Geist verrät,
Wie rein, wie lieb sein Aufenthalt!

     Und wie auf Stirn' und Wange ruht —
So still und doch so sprachgeübt —
Des Lächelns Reiz, der Farben Glut,
Ein Leben kündend, ungetrübt,
Ein Herz, für jeden friedlich gut,
Ein Herz, das nur mit Unschuld liebt.


Die Harfe Davids

     Die Harfe, die der König-Sänger schlug,
Der gottgeliebte Herrscher gold'ner Zeiten,
Die Heiligung in ihren Tränen trug,
In Klänge ließ das Herz der Herzen gleiten —
Beweint sie doppelt nun! Es rissen ihre Saiten.
Sie machte weich auch Herzen selbst von Erz,
Rief Tugend wach, wo keine Spur davon;
Es war kein Ohr so stumpf, so kalt kein Herz,
Das nicht gefühlt, entflammt durch ihren Ton;
Bis Davids Leier ward gewalt'ger als sein Thron.

     Ihr Klang ließ Siege unsers Königs schallen,
Schwang sich zu Gott und pries begeistert ihn;
Wie mußten die entzückten Täler hallen!
Gebirg' und Zedern beugend zog er hin,
Erstieg den Himmel selbst und blieb, und wohnt darin.
Seitdem, obwohl er nun auf Erden schweigt,
Bricht mit der Andacht und der Liebe Schwingen
Die Seele aus zerriss'ner Brust und steigt
Zu Tönen auf, die wie von jenseits klingen,
In Träumen, die am Strahl des Tages nie vergingen.

Das Leben jenseits

     Wenn jene Welt, die über dieser liegt,
Uns überlebend — Liebe soll verklären,
Wenn dort sich Herz an Herz erwidernd schmiegt,
Derselbe Blick uns trifft, nur ohne Zähren:
Willkommen dann, ihr unbetret'nen Sphären!
Du, Todesstunde, heller Punkt der Zeit!
Wenn alle Leiden, die uns hier verzehren.
In deinem Lichte schwinden — Ewigkeit!

     Es muß so sein. Es ist nicht unser Ich,
Für das wir so am Rand des Grabes beben;
Die Seele hängt zur Wesenkette sich
Als Glied noch an, wenn wir hinüberstreben.
O, laßt zur Zukunft uns den Blick erheben!
Es halte sich das Herz am Herzen fest!
Dort führen wir vereint ein ewig Leben,
Wo Geist vom Geist der Tod nicht scheiden läßt.

Klage

     Hoch springt frohlockend die Gazelle
Auf Juda's Hügeln, frei und wild,
Und trinkt von jeder frischen Welle,
Die aus dem heil'gen Boden quillt;
Ihr Blick so hell, ihr Gang — so leicht,
Schweift froh umher und unverscheucht.

     Gleich leichten Ganges, hellern Blickes
War Juda's Jugend dort zu sehn;
Die Stellen des verlognen Glückes
Bewohnten Menschen, mehr noch schön.
Die Zeder blieb am Libanon,
Doch Juda's Jugend zog davon.

     Die Palme dort ist mehr beglücket
Als wir, in alle Welt zerstreut:
Sie wurzelt fest, und unverrücket
Prangt sie in schöner Einsamkeit:
Sie kann nicht fort, wo sie entstand,
Will nicht gedeihn in and'rem Land.

     Wir aber welken, sind vertrieben,
In fremdem Land des Todes Raub,
Und wo der Väter Staub geblieben,
Soll nimmer ruhen unser Staub;
Vom Tempel blieb kein Stein — o Gott!
Und Salems Thron bestieg der Spott.

Beweinet sie!

     Beweint sie, die geweint an Babels Strome!
Ihr Reich ist Traum, und Schutt sind ihre Dome;
Die Harfe Juda's brach, und tönt nicht mehr;
Gottlose wohnen, wo gewohnt der Herr.

     Wo wäscht das Blut sich Juda von den Füßen?
Wann soll Gesang von Zion lieblich grüßen?
Wann weckt in Juda's Liedern Gottes Lob
Das Herz, das solche Himmelsstimme hob?

     Ihr Stämme mit dem Wanderstab, ihr müden!
Wie könnt ihr flieh'n, mit eu'rem Los zufrieden?
Die Taube hat ihr Nest, der Fuchs die Kluft,
Der Mensch die Heimat, Juda — nur die Gruft.

Räche dich!

     Arabiens Kamel an Jordans Wellen!
Der Götzenmönch auf Zions heil'gen Stellen!
Der Baal-Anbeter auf dem Sinai —
Dort— dort — O Gott! erwacht dein Donner nie?

     Wo du in Stein Gesetze eingegraben,
Wo deinen Schatten wir gesehen haben,
Im Feuerkleide deiner Majestät
Dich, den kein Auge sieht, der nie vergeht!

     O, laß im Blitz dein Aug' sich niederwenden!
Entreiß' den Speer des Unterdrückers Händen!
Wie lange soll sein Fuß dein Land entweih'n,
Und ohne Andacht, Herr! dein Tempel sein?

Jephtha's Tochter

     "Da das Volk und der Herr es begehren,
Mich als Opfer, o Vater! zu ehren;
Da das Land dein Gelübde erlöst:
Triff den Busen! — er ist dir entblößt.

     Und die Klagen, sie werden verwehen,
Und die Berge mich nimmermehr sehen!
Trifft die Hand, die ich liebe, mein Herz,
O, so fällt ja der Streich ohne Schmerz!

     Sei versichert auch, rein sind die Wellen,
Die mir wärmend die Adern noch schwellen,
Wie dein Segen, o Vater! — so rein,
Wie mein letzter Gedanke wird sein.

     Ob die Töchter von Salem auch klagen;
Sei als Richter und Held ohne Zagen!
Ich gewann jene Schlacht ja für dich,
Und befreit ist die Heimat durch mich!

     Wenn das Blut, das du gabst, mir entflossen,
Und der Mund, den du liebst, sich geschlossen;
Dann sei stolz auf dein Opfer für Gott!
Und vergiß nicht mein Lächeln im Tod!"

Am Grabe

     Ach, hingerafft im schönsten Blühn!
Dein Staub — kein Stein belaste ihn;
Dein Grab — es trage Rosen nur,
Die ersten Rosen unsrer Flur,
Und der Zypresse sanftes Dunkelgrün!

     Oft wankt zu jenem Strome mit
Gesenktem Haupt die Trauer hin;
Mit Träumen nährt sie trüben Sinn,
Und lauscht, und hemmt den leisen Schritt ,—
Du Arme! Tote stört ja nicht dein Tritt.

     "Hinweg! Vergebens sind die Zähren;
Den Tod rührt kein gebroch'nes Herz." —
Soll dies die Klage schweigen lehren?
Soll minder weinen d'rum der Schmerz?
Auch du, der mich vergessen lehrt,
Stehst bleich und weinend weggekehrt.

Mein Geist ist finster

     Mein Geist ist finster. Stimme schnell die Saiten
Der Harfe, die allein mich noch erweicht;
Laß über sie die zarten Finger gleiten,
Daß ihr Gemurmel sanft mein Ohr beschleicht.
Kann ich noch eine teu're Hoffnung nähren —
Dein Zauber lockt sie wieder in mein Herz,
Und lauschen noch in diesen Augen Zähren —
Sie werden fließen, kühlen meinen Schmerz.

     Doch laß die Saiten wild und tief ertönen,
Und wecke nicht zuerst den Ton der Lust!
Denn, Sänger, strömen müssen meine Tränen,
Sonst springt das schwere Herz mir in der Brust.
Genährt von Trauer nur hat es geschlagen,
Geseufzt in schlummerloser Stille lang,
Und nun soll es das Ärgste noch ertragen,
Und brechen, oder — schmelzen im Gesang.

Ihr Lächeln

     Ich sah dich weinen, sah am Blau
Des Auges eine Zähre;
Mir schien's, als ob es Silbertau
An einem Veilchen wäre.
Ich sah dich lächeln — Saphierlicht
Muß neben dir erbleichen!
Denn seine Strahlen können nicht
Sich deinem Blick vergleichen.

     Wie Wolken vor der Sonne Schein
In tiefen Farben blühen,
Und selbst, bricht auch der Abend ein,
Nur nach und nach verglühen;
So wirft dein Lächeln reines Glück
Selbst in die trübste Seele,
Und leuchtend bleibt ein Strahl zurück,
Und macht den Busen helle.

Dem Helden

     Du hast vollbracht; dein Ruhm begann:
Dein Land durchtönt Gesang
Von Schlachten, die dein Schwert gewann,
Das Siege sich erzwang,
Von Taten, die dein Arm getan,
Der Freiheit uns errang.

     Du stirbst nicht, ob dein Staub auch ruht,
Du lebst, und fielst du auch!
Und sei auch deines Herzens Flut
Verdampft im Feld als Rauch:
In unsern Adern ist dein Blut,
Dein Geist in uns'rem Hauch!

     Dein Name sei, das Heer entlang,
Der Schlachtruf für den Feind;
Dein Fall ertöne, wenn Gesang
Der Frauen Chor vereint;
Dein Ruhm verliert durch Trauerklang —
D'rum werde nicht beweint!

Sauls Gesang
vor seiner letzten Schlacht

     "Krieger und Führer! soll Schwert oder Speer
Treffen mich, leitend des Ewigen Heer, —
Liegt auch die Leiche des Königs im Pfad, —
Bohret den Stahl in die Herzen von Gath!

     Du, der mir folget mit Bogen und Schild, —
Fliehn meine Krieger des Kampfes Gefild':
Augenblicks strecke mich blutend dahin!
Mein sei das Heldenlos, dem sie entfliehn!

     Wir aber fechten und fallen zugleich,
Sohn meines Herzens, und Erbe vom Reich!
Schön ist die Krone, und frei ist die Macht;
Aber auch königlich Tod in der Schlacht!"

Saul

     Du, die den Schlaf dem Toten raubt, —
Erwecke den Propheten mir!
"Heb', Samuel, dein begrab'nes Haupt! —
Der Seher, König! steht vor dir."

     Die Erde barst. Wo er in Wolken stand,
Zog sich entfärbt das Tageslicht zurück.
Sein Aug' war tot, und eisig starr sein Blick,
Die Adern trocken, und verwelkt die Hand;

     Es wies der Fuß, verdorrt und ohne Sehnen,
Das Weiße der Gebeine gräßlich bloß;
Vom Munde, atem- und bewegungslos,
Verschloß'nen Winden gleich, kam hohles Tönen —
Saul sah — und fiel zur Erde, wie die Eiche,
Mit einmal hingestreckt vom Donnerstreiche.

       "Wer ist's, der meinen Schlummer stört,
       Den Toten an das Licht beschwört?
       König! Diese Beingestalt
       Ist so blutlos, nackt und kalt,
       Morgen dein, wie heute mein,
       Denn so wirst du bei mir sein,
       Eh' der nächste Tag entflohn,
       So du selbst, und so dein Sohn. —
       Lebe wohl jetzt! Morgen eint
       Mein und deinen Staub der Feind.
       Bleich und niedrig liege dort!
       Von der Feinde Pfeil durchbohrt,
       Und ins' Herz dein Schwert versenkt,
       Das die eig'ne Hand gelenkt.
       Kronen-, hauch- und hauptlos falle
       Vater, Sohn und Sippschaft alle!"

Alles ist eitel
sagt der Prediger

     Ruhm, Weisheit, Liebe, Macht war mein,
Gesund und jung — genoß ich;
Mein Becher kannte jeden Wein,
Und schöne Frau'n umschloß ich.

     Ich sonnte in der Schönheit Blick
Mein Herz, von Lust gefangen;
Und mein war alles Erdenglück,
In königlichem Prangen.

     Nun laß' ich die Vergangenheit
Am Geist vorüber schweben:
Wo lockt mich ihre Herrlichkeit,
Sie wieder zu durchleben?

     Kein Tag und keine Stunde schwand
In unvergällter Freude;
Und schimmert auch das Prachtgewand —
Es drückt auch Gold und Seide.

     Den Nattern können Zauber doch
Und Kunst den Stachel nehmen:
Die Schlange, die das Herz umkroch, —
O! wer kann diese zähmen?

     Sie achtet nicht der Weisheit Wort,
Und nicht die Kunst der Musen;
Für immer sticht ihr Stachel dort,
Und — dulden muß der Busen.

Leben des Geistes

     Wenn dieser Lehm im Tode wird erstarren,
Wo zieht der Geist, der ewige, dann hin?
Er kann nicht sterben, kann nicht hier verharren;
Denn finst'rer Staub nur ist der Gruft Gewinn.
Wird er die Bahnen körperlos durchgleiten,
Die dort am Himmel jeder Stern durchzieht?
Wie — oder plötzlich füllend Raum und Zeiten,
Ein Wesen sein, das Alles übersieht?

     Unendlich, ewig und unwandelbar,
Ein ungesehn allsehender Gedanke,
Wird ihm in Erd' und Himmel Alles klar,
Und selbst die Zeit hat für ihn keine Schranke.
Er wird, wo jetzt nur trübe Nebel stehn,
Als leise Spur von dunkelfernen Jahren,
Mit einmal hellstes Licht verbreitet sehn,
Mit einmal Alles, was dahin, gewahren.

Er sieht, bevor noch Schöpfung hier die Erden
Bevölkerte, in's Chaos selbst zurück,
Und von des fernsten Himmels erstem Werden
Folgt seinem Steigen, seiner Bahn der Blick.
Und wo die Zukunft bildet oder trümmert,
Da überschaut er Alles weit und breit;
Verlöschen Sonnen, brechen Welten — kümmert
Es ihn, gestützt auf eig'ne Ewigkeit?

     Ihm, über Liebe, Hoffnung, Haß und Sorgen
Erhaben, ohne Leidenschaft und rein,
Wird ein Jahrhundert dort ein Erdenmorgen,
Wird unser Jahr ein Augenblick nur sein;
Und rastlos strebend, ohne Flügelschwung,
Wird fliegend er das ganze All durchmessen,
Ein Wesen, namenlos und ewig jung,
Was man zu sterben hier genannt, vergessen.

Die Vision Belsazars

     Der König saß auf seinem Thron,
Satrapen rings als Gäste,
Und tausend Lampen brannten schon
Im Saal zum hohen Feste;
Und tausend gold'ne Becher noch
Aus Juda's heil'gem Schreine,
Jehova's Kelche glänzten — doch
Entweiht durch Heidenweine.

     Und damals — dort — bei jenem Mahl,
Kam eine Hand behende,
Beschrieb die Mauer längs dem Saal,
Als ob von Sand die Wände;
Die Finger einer Manneshand,
Die einsam war, verweilten,
Und zogen Lettern in die Wand,
Wie sie vorüber eilten.

     Der König, tief erbebend, sah's,
Und hieß die Freude schweigen,
Und sprach, im Antlitz totenblaß,
Und stammelnd zu den Zeugen:
"Ruft eilig die Gelehrten mir,
Die Weisesten der Erde,
Daß sie die Schrift erklären hier,
Die uns're Freude störte!"

     Doch Babels Seher, tiefgelehrt,
Enträtselten sie nimmer,
Und fürchterlich und unerklärt
Erschien die Schrift noch immer;
Und war auch groß die Wissenschaft
Der greisen Zeichendeuter,
Hier blieb ihr Wissen ohne Kraft.
Sie sahn — doch sonst nichts weiter.

     Nur ein Gefang'ner dort im Land,
Ein Fremdling sah mit Klarheit,
Ein Jüngling Juda's nur verstand
Der Lettern Sinn und Wahrheit.
Hell konnte man bei Lampenpracht
Die Prophezeihung sehen,
Und was er las in jener Nacht
War Morgens d'rauf geschehen:

     "Belsazar hat sein Grab erreicht,
Sein Land ist ihm entwunden;
Er wurde auf der Waage leicht
Wie schnöder Staub befunden.
Zum Leichenhemd wird sein Gewand,
Der Sarg zu seinem Throne;
Der Meder ist in seinem Land,
Der Perser nimmt die Krone."

An den Mond

     Der Schlummerlosen Sonne! trüber Stern!
Dein tränenvoller Strahl glänzt zitternd fern;
Du zeigst die Nacht, und kannst sie nicht zerstreun
Den Freuden der Erinn'rung gleicht dein Schein.

     So schimmert der vergang'nen Tage Licht:
Es leuchtet wohl, doch es erwärmet nicht;
Der wache Gram schaut, wie es nächtlich strahlt,
Hell — aber fern, klar — aber ach, wie kalt!

Rechtfertigung der Treue

     O! wäre so falsch, wie du glaubst, meine Brust —
Nie hätte ich fort aus Judäa gemußt;
Nur Abfall von Gott — und der Fluch ist geschwächt,
Die einzige Schuld, welche trägt mein Geschlecht.

     Triumphiert nur das Recht, dann ist Gott auch mit dir!
Du bist fleckenlos, sündigt der Sklave nur hier!
Wenn Bann auf der Erde auch Bann ist bei Gott,
So lebe ungläubig! — Ich glaub' noch im Tod!

     Ich gab für den Glauben — du hast nicht so viel;
Gott weiß es nur, dem dein Gedeihen gefiel.
Mein Herz und mein Hoffen hat Er in der Hand;
Gern laß ich für Ihn dir mein Leben, mein Land!

Herodes Klage um Mariamne

     O Mariamne! nun muß dieses Herz,
Für welches du geblutet, für dich bluten;
Der Wut folgt nun der Reue wilder Schmerz,
Gewissensbisse folgen Rachegluten.

     O Mariamne! und wo bist du jetzt?
Du siehst nicht diese bittern Tränenfluten;
Sonst würdest du vergeben mir zuletzt,
Vergibt mir dort auch keiner von den Guten.

     Und ist sie tot? befolgte man den Spruch,
Den blinde Raserei mir eingegeben?
Ihr Todesurteil ward mir selbst zum Fluch,
Und über mir seh' ich ihr Richtbeil schweben.
Ach! hingemordet bist du nun, und kalt!
Vergebens wird mein finst'res Herz durchbeben
Sehnsucht nach dir, die mich verließ so bald —
Vereinsamt und nicht würdig fortzuleben.

     Die meine Krone teilte, sank in's Grab,
Mit ihr begrub ich alle Freudenblüten;
Von Juda's Stamm riß ich die Blume ab,
Die ihre Düfte mir nur wollte bieten:
Und mein ist alle Schuld, die Hölle mein,
Die ich in wüstem Busen nun muß hüten!
Und reich verdient hab' ich der Qualen Pein,
Die unaustilgbar zehrend in mir wüten.

Am Tage der Zerstörung Jerusalems
durch Titus

     Von dem Berg, der noch zeigt den einst heiligen Dom,
Ersah ich dich, Zion! erobert von Rom;
Deine Sonne versank, und es schlug in den Blick,
Als er schied, noch die Glut deines Falles zurück.

     Ich spähte nach Tempel und Vaterhaus noch,
Und vergaß einen Augenblick Knechtschaft und Joch;
Doch ich sah nur von Flammen den Tempel verzehrt,
Und durch Fesseln den Händen die Rache verwehrt.

     Oft brach an dem Berg, der mir zeigte das Tal,
Sich des Abends der letzte verweilende Strahl,
Und ich stand auf der Höhe, und sah, wie der Schein
Der versinkenden Sonne noch fiel auf den Schrein.

     Doch als auf dem Berg jenes Abends ich stand,
Da sah ich den Strahl nicht, der sonst dort verschwand.
O, hätte der Blitz doch die Stelle erhellt,
Und der Donner das Haupt des Erob'rers zerschellt!

     Denn nie sei von Göttern der Heiden bewohnt
Der Tempel, wo du einst, Jehova! gethront;
Wie zerstreut und verachtet dein Volk auch mag sein,
Wir verehren, o Vater! doch dich nur allein.

Der gefangene Sänger

     Wir saßen am Euphrat, und dachten
Des Tages mit Weinen und Scham,
Als der Feind im Gewande der Schlachten,
Erhabene Salem! dich nahm,
Und auf deine Töchter sich machten,
Zu flüchten in Tränen und Gram.

     Und wie wir so sahn auf den Schimmer
Des Stromes, der frei dahin wallt,
Da verlangten sie Lieder — doch nimmer
Triumphiere der Feinde Gewalt,
Eh' dorre die Hand mir auf immer,
Eh' ihnen die Harfe erschallt!

     Nun mag an der Weide sie hangen.
O Salem! frei sollte sie sein!
Am Tag, als dein Ruhm war vergangen,
Blieb sie mir von dir noch allein;
Nie stimme ihr Klang auf Verlangen
In's Lied dieser Räuber mit ein!

Sanheribs Niederlage

     Wie zur Hürde der Wolf kam Assyriens Macht,
Es glänzte von Purpur und Gold ihre Tracht,
Und es blitzten die Speere wie Sterne im Meer,
Rollt es nächtlich die Wogen, die blauen, daher.

     Wie die Blätter des Waldes, im Sommer noch grün,
So das Heer mit den Bannern am Abend erschien:
Wie die Blätter des Waldes zur herbstlichen Zeit,
War das Heer schon am Morgen verwelkt und zerstreut.

     Denn der Engel des Todes kam wie ein Orkan,
Und hauchte den Feind im Vorüberflug an;
Und der Schlafenden Aug' sah erstarrend ihm nach,
Und nur einmal erhob sich ihr Herz noch, und brach.

     Und da lagen die Rosse, die Nüstern weit auf:
Doch verstummt war in ihnen das stolze Geschnauf,
Und der Schaum auf dem Rasen lag weiß wie der Schnee,
Und kalt wie der Gischt der hochbrandenden See.

     Und da lagen die Reiter, so bleich und verzerrt,
Ihre Brauen betaut, und verrostet ihr Schwert;
Und so einsam das Banner, so schweigend das Zelt,
Die Trompeten und Lanzen zerstreut auf dem Feld.

     Und die Witwen von Assur beklagten es laut,
Und es stürzten die Tempel, den Götzen erbaut;
Doch kein Schwert trieb die Scharen der Heiden zurück:
Ihre Macht schmolz wie Schnee vor des Ewigen Blick.

Aus Job

     Es ging ein Geist vorüber, schleierlos
Ersah ich der Unsterblichkeit Gesicht;
Um mich war tiefer Schlaf, nur in mir nicht —
Und vor mir stand er — göttlich — riesengroß.
Mein Fleisch durchkroch längs dem Gebein das Beben;
Er sprach — und starr fühlt' ich mein Haar sich heben:

     "Du bist's, der sich gerechter, reiner nennt,
Als Er, den kaum der Seraph ganz erkennt?
Gebild' aus Lehm! Bewohner du vom Staub!
Du bist gerechter? du? — der Würmer Raub?
Du Taggeschöpf, verwelkend noch vor Nacht!
Blind für der Weisheit Licht, und unbedacht."