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Nach Byron
Nach Thomas Moore
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Nach Waller
Nach Drummond
Aus Ariost's siebenter Satyre

 
Nach Massei
Nach Luigi Carrer
An Hilscher
Nach Lamartine

 

Zueignung

An Byron

   Verklärter! der vom Teuersten geschieden,
Entsagend einsam in der Welt gestanden,
Der mächtig ringend nie errang den Frieden,
Zu dem den Weg nur wenig Herzen fanden,
Bestaunt im Lied, wo finst're Laven sieden,
In deinem Leben aber kaum verstanden;
Gemüt-Erschütt'rer, welcher hier auf Erden
Nicht heimisch, nicht befriedigt konnte werden!

   Vom Ekel rastlos durch die Welt getrieben,
Fand überall dein Blick mit tiefem Leide
Das düst're Wort: "Vergänglichkeit!" geschrieben;
Du sahst das Leben nur im Trauerkleide,
Wie Wetterstrahl ließ Nacht zurück dein Lieben,
Wie Sodomfrucht barg Asche dir die Freude,
Nur Schuld und Reue sahst du hier bestehen,
Das Reine, Schöne aber untergehen.

   Da sollte Tat vom starren Gram entwöhnen,
Zu Hellas Trümmern wolltest du dich wenden,
Und dort betäubt von kriegerischen Tönen,
Das Schlachtpanier der Freiheit in den Händen,
An der zerstörten Wiege alles Schönen
Zu bluten und — ein trübes Sein zu enden.
Wohl dir! dein finst'res Herz hat ausgeschlagen,
Ein freies Volk hat dich zu Grab getragen.

   In jenes Land, wohin nur die verlangen,
Die sich verdrossen von der Scholle heben,
Wo sie die Hoffnung bitter hintergangen,
Zum Jenseits sah'n wir jubelnd dich entschweben,
Von dem gewaltig deine Saiten klangen:
Dort blüht dir nun des Geistes klares Leben,
Und was nur Ahnung träumend hier empfunden,
Das hast du reicher, schöner dort gefunden.

   Wie ein Komet warst du der Welt erschienen,
Wie eine Sonne gingst du herrlich nieder;
Mehr als den Lorbeer solltest du verdienen,
Das zeugen die vom Schmerz erpreßten Lieder.
Ja mehr als Modereichtum schallt aus ihnen,
Und jede Brust nicht tönt die starken wieder,
Was mich versteh'n gelehrt mein eig'nes Leben —
Und nun als Echo will zu dir sich heben.

   Wem soll ich sonst dein Eigentum jetzt reichen?
Wem sonst, was ich dir nachempfunden, sagen?
Soll ich mich wenden zu geliebten Leichen,
Und ihre Lieben kränken noch mit Klagen,
Den süßen Frieden ihnen so verscheuchen,
Sonst hat mein Herz an keiner Brust geschlagen.
Wie ungesucht sie viel Beglückte fanden —
Auch ich bin einsam in der Welt gestanden.

   Und darum hab' ich dich und das empfunden,
Was in verwandter Sprache du gesungen,
Und bin, den Puls belauschend, in die Wunden,
Bis wo der Schmerz sich bildet, eingedrungen,
Und wenn ich dann den Drang nicht überwunden,
Mit allen Kräften um Besitz gerungen,
Und neu erstehen ließ in meinem Busen,
Was einem Liebling nur gewährt die Musen;

   So zürne nicht dem Werk, vielmehr verzeihe
Dem Kühnen, welcher es vermocht zu wagen,
In seltnen Stunden schmerzlich süßer Weihe
Dein Saitenspiel mit kecker Hand zu schlagen;
Und wo ich dich nicht ganz durchdrang, verleihe
Dem Nachsicht, dem die Kräfte oft versagen:
Nicht um der blöden Menge zu gefallen,
Zu deinen Ruhm soll dein Gesang erschallen!

Nach Byron

John Moore's Begräbnis

   Keine Trommel erklang, und kein Totenmarsch scholl,
Als zum Wall seine Leiche wir huben,
Und es schoß ihm kein Krieger sein Lebewohl
Über's Grab hin, in das wir ihn gruben.

   Wir gruben bei finsterer Dämm'rung ihn ein:
Bajonnette den Rasen umwandten,
Bei des ringenden Mondlichts nebligtem Schein,
Und Laternen, die düster verbrannten.

   Und es deckte kein Sarg ihm die Heldenbrust zu,
Und kein Leichentuch barg ihm die Wunden;
Denn er lag, wie ein Krieger sich legt zur Ruh',
Von dem Reitermantel umwunden.

   Und wir sprachen Gebete, doch kurz nur und schlicht,
Und kein Wörtchen des Klagens und Sorgens;
Denn wir blickten nur fest auf des Toten Gesicht,
Und gedachten nur bitter des Morgens.

   Und wir dachten es, als wir sein Bett ihm erhöht,
Und geglättet die einsame Stelle,
Daß der Feind nun bald über dem Haupt ihm steht,
Wenn wir fern auf der salzigen Welle.

   Und erzählen dann wird er vom Geist, der nun fort,
Und ihn tadeln bei seinen Gebeinen;
Doch ihn kümmert es nicht, läßt man schlafen ihn dort
In dem Grab, das ihm gruben die Seinen.

   Doch zur Hälfte war unser Geschäft nur getan,
Als die Glocke uns mahnte zurücke,
Und der Feind aus der Ferne sein plötzliches Nah'n
Schon uns kund gab durch donnernde Stücke.

   Und da senkten wir langsam und trauernd ihn ein
Auf dem blutigen Feld seiner Ehren;
Doch wir ließen kein Zeichen in Schrift oder Stein,
Denn sein Ruhm wird die Stelle verklären.

Ich sah dich lächeln

   Ich sah dich weinen — sah am Blau
Des Auges eine Zähre;
Mir schien's, als ob es Silbertau
Auf einem Veilchen wäre.

   Ich sah dich lächeln — Saphirlicht
Muß neben dir erbleichen.
Denn seine Strahlen können nicht
Sich deinem Blick vergleichen.

   Wie Wolken vor der Sonne Schein
In tiefen Farben blühen,
Und selbst, bricht auch der Abend ein,
Nur nach und nach verglühen:
So bringt dein Lächeln reines Glück
Selbst in die trübste Seele,
Und leuchtend bleibt ein Strahl zurück,
Und macht den Busen helle.

Herz, Ring, Laute

   Der Ring war schön geformt und neu,
Der Laute Klang war tadellos,
Das Herz, das beide gab, war treu,
Und hat verdient ein bess'res Los.

   Sie waren dir ein Talisman,
Der nur mit deiner Treue hielt;
Sie haben ihre Pflicht getan,
Als du die deine nicht erfüllt.

   Der schön geformte, feste Ring
Zerbrach, als ihn ein And'rer trug,
Der Laute süßer Ton verging,
Als fremde Hand die Saiten schlug.

   Laß ihn, durch den der Reif zersprang,
Dem sich die Töne widersetzt,
Erwecken nun den süßen Klang,
Und Teil mit Teil verbinden jetzt.

   Es war durch treuer Liebe Schmerz
Der Ring getrennt, die Laute still;
Drum lebe wohl nun, falsches Herz!
Zerbroch'ner Ring! verstummtes Spiel!

Nach Thomas Moore

Fanni war im Wäldchen

   Im Wäldchen war Fanni, es grünte das Reis,
Und Karl, er blieb auch nicht zurück;
Von Liebe war ihr Auge so heiß
Und warm ihr Herz, wie ihr Blick.
O, wollte jetzt Karl auf Bitten sinnen,
O sprecht, was sollte dann Fanni beginnen?

   Die Einsamkeit winkte zum Liebesgenuß,
Doch Fanni war jung und scheu;
Da raubte ihr Karl den ersten Kuß,
Doch sie sprach errötend und frei:
"O Karl! sprich wahr und ohne Besinnen,
Gesteh' es, Geliebter! was willst du beginnen?"

   Sie gingen vereint im Schatten dahin,
Ihr Blick war von Tränen so schwer;
Denn Liebe erfüllte des Mädchens Sinn,
Und Furcht vor dem Knaben noch mehr.
O, wollte jetzt Karl auf Bitten sinnen!
O sprecht, was sollte dann Fanni beginnen?

   Und süß erschollen den Wald entlang
Der Vögel Gesänge so weich,
Da sprach das Mädchen, ihr war so bang,
Mit Schmollen und Lächeln zugleich:
"O, Karl! laß' uns eilen von hinnen!
Ich zitt're, Geliebter! was willst du beginnen."

Nach ihrem Tode

   O reiner, abgeschied'ner Geist! wenn ungehört
Dir meine Klage nicht den Schlummer stört;
So laß mich weinen, bis mein Auge, ungestillt,
Der letzte Tropfen meines Herzens füllt.

   Doch wenn noch menschlich deine Seele fühlt und denkt,
Und warmes Mitleid uns'rem Jammer schenkt;
Dann schließe sich auf immer mein gebroch'nes Herz,
Kein Seufzer dann verrate meinen Schmerz.

   Hell glänzte auf dem Strom des Morgens roter Strahl,
Doch eine schwarze Wolke stieg in's Tal;
Du warst der Morgenstrahl, so hell und rosenrot,
Die schwarze Wolke aber war der Tod.

   Dich schuf der Herr der Welt, doch hier zu leben nicht,
Er schuf dich für des Himmels reines Licht;
Doch ach! wir liebten dich, und glaubten nimmermehr,
Du kamst, zu sterben, auf die Erde her.

Der Kuß

   Gib, Lieb'chen! mir den süßen Taubenkuß,
Den ich in jener frohen Nacht dir lehrte,
Als ich der Liebe seligen Genuß
Erfindungreich mit neuer Lust vermehrte.

   Komm, schleiche dich zu meinem Munde hin,
Und laß' die Lippen murmelnd sich bewegen!
Nicht doch, wie falsch! Was kommt dir in den Sinn?
Wie kann dein Mund so ungeschickt sich regen.

   "O still!" sprach sie errötend und begann
Mit ihrem Milcharm weich mich zu umschließen.
"Wie man die Schülerin so schelten kann!
Du hast im Dunkeln ja mich unterwiesen."

Rondeau

   "Gut' Nacht, gut' Nacht! — Und soll ich gehen?
Soll, Rosa! heut' dich nicht mehr sehen?
O sprich: Gut' Nacht! mir noch einmal,
Daß ich's erwidre ohne Zahl,
Der Morgen noch, wenn er erwacht,
Mich sagen höre: Gute Nacht!

   Gut' Nacht! o sprich es immer noch,
Und lisple immer: "Weile doch!"
Und weilen will ich, höchstes Glück
Entsaugen jedem Augenblick,
Und küssen, bis der Tag erwacht,
Und immer flüstern: Gute Nacht!

   Gut' Nacht! will ich mit Seufzen sagen,
Und ist es Zeit zur Trennung? fragen,
Und schwören nicht zu küssen mehr,
Und heißer küssen als vorher,
Bis uns besiegt des Schlummers Macht!
Und dann, mein Leben! — Gute Nacht!"

Nach Robert Southey

Die Soldatenwitwe

   Mühselig Wandernde! matt und im Herzen krank;
Kummervoll wandelst du hin auf dem rauhen Pfad,
Fremdling allüberall — Ach, welch' ein hartes Los!

   Wund sind die Füße des Kleinen, den fort du zerrst,
Starr ist das Kind, des gebogenen Rückens Last,
Mager und totenbleich, wimmernd sein Mißgeschick.

   Mutter durch Schmerzen! verdrossen und bang zugleich,
Wie du dich umsiehst, zu stillen dein weinend Kind,
Schlagen dir Flocken in's hagere Angesicht.

   Nie aus dem Kriege mehr kehrt dir dein Mann zurück,
Kalt ist dein trostloses Herz, sonst die Milde selbst,
Hungernd erfrieren die Kinder — Gott helfe dir!

Nach Milton
1608–1674

An die Nachtigall

   O Nachtigall! die du zur Zeit der Maien
Den Liebesiechen auf den Blütenzweigen
Des Abends singst, wenn alle Wälder schweigen,
Um sie mit frischer Hoffnung zu erfreuen;

   Ist jene Macht, wenn vor des Kuckucks Schreien
Zum Himmel deine hellen Lieder steigen,
Den süßen Tönen deiner Kehle eigen,
Daß sie uns Glück der Liebe prophezeihen:

   So singe bald, eh' jener Vogel trübe
Ein hoffnungsleeres Los mir wagt zu künden.
Und nicht von Jahr zu Jahre es verschiebe,

   Ganz ohne Grund dich früher einzufinden;
Denn Schwester nennen Muse dich und Liebe,
Und dienend bin bei beiden ich zu finden.

Nach Eduard Core

An einen Fluß

   War' ich wie du! o, wären wir Zwei,
Lieblicher Fluß, gleich heiter und frei!
Sagt, Spiegelwellen! woher ihr naht,
Wohin ihr wandert, und was ihr saht?
Von dem ersten Lächeln mit Tagbeginn
Bis zum letzten Seufzer des Abends hin?
Durch die ernsten Stunden der schweigenden Nacht
Ziehst du rastlos dahin mit reißender Macht,
Murmelnd melodisch, sorglos und froh —
Lieblicher Fluß, o wär' ich so!

   Aus der Erde Schoß
Rang dein Quell sich los,
Aus Tiefen, die nie noch erleuchtet ein Schimmer;
Höhlen, schwarz und kalt,
Hast du kindisch durchlallt,
In Räumen, dem Tage verschlossen für immer;
Doch den Weg nach oben dann kam dein Lauf,
Leise es suchend, an's Licht herauf.
Ob ein Geist es war, der getroffen dich dort,
Und den Pfad dir gewiesen zum luftigen Ort?
Ob's ein Seraph gewesen, der hold dich nach oben
Aus nie zu ergründender Tiefe gehoben?
Ja sicherlich! eine Najade entrief
Deiner Wiege dich, finster und kalt und tief.

   Flecklos wie der Morgenstrahl
Sprang an's Licht dein Flutkristall,
Als der Reinheit Sinnbild hell,
Wie der glänzende Juwel;
Aus dem Born, in Moos versteckt,
Auf dem Berg, stolz aufgereckt,
Oder im bescheid'nen Tal
Unter Blümchen ohne Zahl,
Sprachlos ganz, wie jederzeit
Des Entzückens Innigkeit,
Kamst du aus dem Heimatland,
Einsam, fern und unbekannt.

   Dann fort — fort — fort! wie ein Vogel, der lang
Melancholisch das Lied der Klage nur sang
In dem Käfiggefängnis, wenn endlich die Zeit
Seinen Kerker zerbricht und ihn wieder befreit:
Er schüttelt die Federn, er breitet die Schwingen,
Wird nimmermehr müde vom Wandern und Singen;
Und hin durch die Lauben, und hin durch den Wald,
Seinen frühern, geliebtesten Aufenthalt,
Durch die Epheuwohnung auf sonnigem Grund,
Und den ganzen schimmernden Tag entlang,
Verhaucht er den Jubel in hellem Gesang;
Und macht seine lieblichen Märchen kund;
Wie er nun, dem kürzlich erst Freiheit erschien,
So eilst du mit klingender Freudigkeit hin
Durch das kühle Gebüsch, den schattigen Hain,
Durch das grünende Tal und den blumigen Rain,
Und durch Felsen, die rauh und ruinengleich sind,
Und voll Heiterkeit, wie ein unschuldiges Kind,
Mit Tanz und Gesang, und nur Spiele im Sinn,
Über Wiesen und Auen dahin und dahin.

   Des Morgenstrahls früheste rosige Glut
Fällt nieder auf deine nie trübende Flut,
Und der Mittag, der spiegelnd in dir sich besieht,
Zeigt die Klarheit des Wassers, das blitzend entflieht;
Und den letzten der Seufzer im Scheiden noch haucht
Dir der Sommer, der oft in dein Bad sich getaucht,
Und mit Schwingen dich fächelnd erregt der Zephir
Kaum zum Kräuseln die ruhige Glätte auf dir.

   Und siehe wo wandernd die Wellen zieh'n,
Da erschien in den Tälern lebendiges Grün,
Der Grashalm erhebt sich, die Knospe sie bricht,
Die Blume entfaltet ihr Kindergesicht,
Und die Blößen der Erde bedeckt die Natur
Mit den mannigfachen Gewändern der Flur.
So lacht dir überall das Land,
Von unsichtbarer Geisterhand
Ist rings mit Blüte, Frucht und Baum
Mild überdeckt der weite Raum.
Manche stille Schönheit weilt,
Wo dein Strom vorübereilt,
Lieblich tönt der Wellen Klang,
Echo hallt ihn neu zurück,
Und mit ihm wird dein Gesang
Zur harmonischen Musik.
Und so ziehst du frei und froh —
Schöner Fluß, o wär' ich so!

Nach Goldsmith
1728-1774

Erinnerung und Hoffnung

   Wie lästig ist im Drang der Leiden,
Erinnerung, dein eitler Schein!
Du zeigst uns stets verlor'ne Freuden,
Und wandelst sie für uns zur Pein.

   Du unterdrückst die Unterdrückten,
Dein Lächeln mehrt nur ihren Schmerz,
Und ach! so dringst du Unbeglückten
Als schadenfroher Feind in's Herz.

   Du aber, Hoffnung! wirst zur Stunde
Der Trauer heißgeliebt umfaßt;
Bei jedem Stich der Herzenswunde
Erwachst du aus der kurzen Rast.

   Du bist ein Licht, das heller funkelt
Auf engem Steg im finstern Tal;
Je mehr es nächtlich um uns dunkelt,
Um desto lichter wird dein Strahl.

Nach Waller
geb. 1605

Mit einer Rose

   Geh', liebe Rose! hin zu ihr;
Sag' ihr, daß schnell die Zeit entweiche,
Daß all' dein Reiz, wenn ich mit dir
Jetzt ihre Lieblichkeit vergleiche,
Doch ihre Anmut nie erreiche.

   Sag' ihr, die immer scheu entflieht,
Wenn meine Blicke sie erspähen,
Wärst du auch einsam aufgeblüht
In einer Wüste, ungesehen,
Du müßtest ungerühmt vergehen.

   Sag' ihr: man schätzt die Schönheit nicht,
Entzieht sie sich dem Tagesschimmer;
D'rum tret', o Schöne! nur an's Licht,
Begehrt man dich, so duld' es immer,
Bewundert selbst, erröte nimmer.

   Dann welke hin, daß sie erkennt,
Nichts kann dem strengen Los entfliehen,
Ob man's auch schön und selten nennt;
Was wunderlieblich soll erblühen,
Dem ist nur kurze Zeit verliehen.

Nach Drummond
1585-1649

Unbestand

   Ich weiß, daß auf der Erde nichts besteht,
Daß Menschenwerke nur Momente währen,
Und in das Nichts zurück einst wieder kehren,
Daß jeder Glückstern einmal untergeht.

   Ich weiß, daß das, was Musen heiß erfleht,
Den sauern Schweiß dem Geiste nur gewähren,
Ein Ton nur ist, den wenig Edle hören,
Der eitel und verloren ach, verweht.

   Ich weiß, die Schönheit gleicht der Purpurblüte,
Die oft erblüht und welkt an einem Tage;
Ich weiß es, Liebe ist nur eine Plage,

   Es unterwirft den Geist nur dem Gemüte:
Doch ach! ich kann mich leider nicht bezwingen,
Und beides muß ich, lieben stets und singen.

Aus Ariost's siebenter Satire

Kürbis und Birnbaum

   Ein Kürbissprößling, schnell empor sich reckend,
Erwuchs, eh' wenig Tage nur vergangen,
Schon eines Birnbaums höchste Wipfel deckend.

   Der Birnbaum, dem die Augen aufgegangen —
Denn lange Zeit war ihm in Schlaf verflossen —
Sah über sich die neuen Früchte hangen.

   "Wie heißt du, der so plötzlich aufgeschossen?
Und wo nur warst du?" sprach er, "eh' hier oben
Die trüben Augen mir der Schlaf geschlossen?"

   Der Kürbis nannte sich, und wies von droben,
Wo er entstand, und eh' drei Monde gingen,
Bis dort hinauf mit Eile sich erhoben.

   "Ich mußte," sprach der Baum, "so hoch zu dringen,
Mich mühen, mußte Glut und Frost bestehen,
Mit allen Winden dreißig Jahre ringen."

   Du bist im Himmel, eh' sich Augen drehen,
Doch sei gewiß! du wirst nicht minder schnelle,
Wie wachsen — schwinden deinen Stengel sehen."

Nach Massei

An das liebliche Kind Nena Somaglia

   In der kleinen, duft'gen Wiege,
Auf dem seidnen Pfühl, dem weichen
Scheinst du nicht dem Kind zu gleichen,
Das in süßen Schlummer liege;
Nein, ein Englein ruht der Rose
So in ihrem Blätterschoße.

   Wie von frischen Purpurgüssen
Deine Wange dir erglühet!
Wie der kleine Mund dir blühet,
Und im Lächeln lockt zum Küssen!
So erscheint der Morgenschimmer
Spiegelnd im Rubinenflimmer.

   Ja gewiß! in deine Träume
Mögen Himmel niedersteigen,
Und mit Harmonie und Reigen
Deines Sternes Engelräume,
Welche du verlassen müssen,
Den Gespielen dort entrissen.

   Schlafe! schlaf! die heit're Lage
Mag dir Jeder gern gestatten,
Und die ruhelosen Schatten,
Welche trüben uns're Tage,
Sollen nicht die Mißgunst nähren,
Dir die sanfte Ruh' zu stören.

   Wie du schön bist! Nicht besiegen
Kann ich diesen Drang zum Kusse;
Könnt' ich nur auf leisem Fuße
Nahen deinen Atemzügen,
Daß der Frieden nicht zerrinne,
Der dir einnimmt Geist und Sinne!

   Nur behutsam! — Weh', vergebens!
Ach! mein Kuß, er zog dich wieder
Aus dem Kreis der Sel'gen nieder,
Weckend dich zum Schmerz des Lebens.
Aber weine, weine nimmer!
Nah' ist ja die Mutter immer.

   Tief verletzt von deinem Wehe
Eilt sie schon, dir Trost zu spenden;
Darum laß' dein Klagen enden,
Und in ihrem Antlitz sehe
Engellächeln blühn, und träume
Wieder dich in Himmelsräume.

Das Vertrauen auf Gott
Eine Skulptur von Lorenz Bartolini

Wer, schönes Wesen, raubte dir die Schwingen,
Bewegung, Farbe und der Stimme Klingen?

Nur noch zum Himmel hebst du die Gebärde,
Vielleicht schon abgestorben dieser Erde;

Nur von den Lippen, von den himmlisch süßen,
Scheint das Gebet der Engel noch zu fließen.

Wohl mag in Geist und Sinnen das Getriebe
Dir stille stehen, doch dir blieb die Liebe;

Der Sünder kann in seinen Reuezähren
Zu Gott sich nicht mit mehr Vertrauen kehren.

Nach Luigi Carrer

An die Geliebte

   Wer entriß euch meinen Küssen,
Augen, gar so liebereich?
Antlitz, schon und lieb wie keines,
Bleiches Antlitz schön und bleich?

   Fühlt ich über meinem Herzen
Deines Herzens Schläge nicht?
Folg' dem Mann, der dich verraten,
Aber zweimal liebst du nicht!

   Folg' tyrannischem Gebote,
Geh', gehorche deiner Pflicht!
Doch die Liebe deiner Jugend
Folgt dir, sie verläßt dich nicht.

   Im Theater, auf dem Balle
Sieht dein Aug', was Dich umgibt;
Doch das Auge deiner Seele
Suchet mich nur, den sie liebt.

   Ohne Hoffnung werd' ich leben,
Werde still und traurig sein.
Nur Erinn'rung wird mich trösten;
Die Erinnerung bleibt mein.

   Jahre können nichts verändern,
Nicht des Lebens Lust und Schmerz
An die Liebe meiner Jugend
Denket ewig nur mein Herz.

Lied von der Meerbraut

Die Sage erzählt: Der Patrizier Ziani verlobte sich mit
der Tochter eines Gondoliere. In großer Bedrängnis der
Republik zum Dogen gewählt, wenn er seiner Braut entsage,
schlug er die Würde unerschütterlich aus.
Dem Staat den Retter zu erhalten, warf das Mädchen sich
an einem Anker ins Meer. Nun ward Ziani Doge.
Der Papst bot ihm seine Nichte zur Vermählung; er aber
warf den Ring in die See: "Da ist meine Braut."
Der Papst, die Worte auf das Verhältnis der See zu
Venedig deutend, stiftete die jährliche Vermählung des
Dogen mit dem Meer.


   "Stille, still die laute Freude
Über dem Azur der See;
Wo ich unter Klippen klage,
Armer Geist, mein tiefes Weh!

   Reichet mir den Ring, den gold'nen,
Und die bange Klage schweigt.
Still will ich den Tag erharren,
Bis sich mein Verlobter zeigt.

   Keine darf ihn mir entreißen,
Denn sein Schwur und Pfand ist mein!
Löst der Tod des Lebens Siegel,
Lös' ich Schwur der Liebe ein.

   Weichen Wellenschaum zum Lager
Bett' ich ihm, bei mir zu ruh'n,
Meine Sehnsucht zu betrügen
Mach ich mir für ihn zu tun.

   Wenn er, von dem Leben scheidend,
Niederschwebt in meinen Arm,
Harr' ich seiner vor der Grotte,
Wo ich klagte meinen Harm.

   Muschelschnür' um Haar und Busen
Windet sich das Wellenweib,
Und das grüne Seegras schlinget
Sich als Gürtel um den Leib.

   Und der Ring, den er vom Throne
In die Woge warf als Pfand,
Den ich Jahr auf Jahr am Herzen
Trug, er glänzt an meiner Hand.

   "Kennest du den Ring, Geliebter?
Niemals ließ ich ihn von mir!"
""Wohl! An einem großen Tage
Gab ich Ring und Siegel dir.

   Bist so kalt und bleich Geliebte!""
"Ach das tat die kühle See.
Oben du in Luft des Lebens,
Ich hier in der Sehnsucht Weh!"

   ""Süße Braut, die treu geharret,
Bis ich lösend kam mein Wort,
Sieh, nun bin ich dir zur Seite
Ziehe nimmer wieder fort.

   Auf den Wellen laß uns schweben,
Weil das Licht des Tages scheint,
Tief in der geheimen Grotte
Ruhen wir die Nacht vereint.

   Stund' auf Stunde eng verbunden,
Lieb' und Leben ausgetauscht,
Währt der Bund, zur See geschlossen,
Wie das Meer, das ewig rauscht.""

An Hilscher
Von Viktor Käfer

Es ist dies das einzige Gedicht, das an den Hingeschiedenen
gerichtet worden ist und da es von seinem Jugendfreunde und
Waffengenossen herrührt, möge es hier eine Stelle finden.


   Noch denk' ich oft, wo wir so gern gewesen,
Des grünen Tals, der stillen Waldeszelle,
Des Felsensitzes und der klaren Quelle,
Wo wir zuerst der Meister Tun gelesen.

   Doch wie vermag sich nun mein Harm zu lösen,
Da die Erinnerung an jene Stelle,
An Dich und jene Zeit mit bitt'rer Welle
Mein Herz bestürmt und es nicht läßt genesen.

   Und fern von jenem lieblichen Asyle,
Von jenen Träumen, die uns dort beglücket,
Von jenen Bildern, die uns dort umschwebten,

   Such' ich umsonst im vollen Weltgewühle
Solch' stillen Ort, der uns wie dort entzücket,
Wo selbst die Tränen uns mit Lust entbebten.
 
Nach Lamartine

Herbst

Sei mir gegrüßt, o Wald! dem ein Restchen von Grün nur noch Schmuck ist;
Du auch, vergelbendes Laub! rings auf den Rasen verstreut.
Letzter freundlicher Herbsttag, willkommen! die Trauer der Erde
Zeigt sich harmonisch zum Schmerz, so auch gefällig dem Blick.
Ernst mit dem Schritte des Sinnenden wandl' ich den einsamen Fußsteig;
Einmal noch möchte ich seh'n, sei es zum letztenmal auch,
Diese erbleichende Sonne, welche mit schwächeren Strahlen
Kaum noch das Dunkel des Wald's, hier wo ich wand'le, durchdringt.
Ach! in den Tagen des Herbstes, wo Alles dahinstirbt, entfaltet
Dies verschleierte Licht einen ergreifenden Reiz,
Gleich dem Abschied des Freundes, dem letzten Lächeln der Lippen,
Welche der grausame Tod bald wohl auf immer verschließt.
Eben so auch schon bereit zu verlassen des Lebens Gesichtskreis,
Vieles beweinend, was lang, ach! und umsonst ich gehofft,
Wend' ich noch einmal mich um, und Blicke begehrender Sehnsucht
Gleiten an Gütern dahin, welche ich niemals genoß.
Erde und Sonne und Täler! Natur, du freundliche, schöne!
Seht! eine Träne noch fällt warm euch am Rande des Grab's.
O, wie durchwürzt ist die Luft! und das Licht, o wie ist es so lauter!
Ach, und die Sonne, wie strahlt brechendem Blick sie so schön;
Sei er geleert denn, hoffend geleert noch bis auf die Hefen,
Dieser Becher, in dem Nektar mit Galle sich mischt.
Möglich — am Boden des Kelchs, aus dem ich das Leben getrunken,
Haftet der Honig vielleicht — sei es ein Tropfen auch nur;
Möglich, daß mir der kommende Zeitrest noch gütig bewahre
Kurze Erscheinung des Glück's, das ich zu hoffen verlernt,
Daß ich vielleicht im Gedränge nur eine Seele noch finde,
Die mich zu fassen vermag, und zu erwidern versteht.
Welkt die Blume dahin, so läßt sie den Duft noch den Winden,
Und dem belebenden Licht haucht sie den Scheidegruß zu;
Meine Seele jedoch, befreit und entfesselt vom Tode,
Zieht wie ein einsamer Ton traurig melodisch hinweg.