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Quelle:

Gedichte
Joseph Emanuel Hilscher

Redigiert von
Ludwig August Frankl

Prag 1863
Hrsg. Comité zur Errichtung eines Hilscher-Denkmals
Druck von Heinrich Mercy

Gedichte 1
 

Endymion
Liebe
Ihr Anblick
Ihre Schönheit
Am Grabe
Namenlos
Nachtgesicht
Ein Tadel
Morgenröte
Die beiden Quellen
Beklage mich nicht
Nähe der Ferne
Enttäuschung
Abschied
Wiedersehen
Den Fröhlichen

Endymion


           
"Ach, weckt uns nicht und laßt im Mond uns wandeln."
                                                                      Herrmansthal.


     Schon schleicht die Nacht herein auf leisen Zehen,
Und setzt sich schweigend auf den schwarzen Thron;
Nur Latmos dämmert. Einsam, ungesehen,
Auf Blumenkissen ruht Endymion;
Ein holdes Traumbild scheint ihn zu vergnügen,
Verklärung leuchtet aus den schönen Zügen.

     Und sieh! es schmilzt des Mondes Silberscheibe,
Die Gottheit wählt zum Kleid das reine Licht,
Und naht dem Staub in ewig schönem Leibe;
Entzücken strahlt das bleiche Angesicht,
Die seelenvollen, süßen Augen hangen
An dem beglückten Träumer fest mit Bangen.

     Wie Duft umflügelt ihn die Götternähe,
Im Antlitz zuckt der Wonne gäher Schmerz,
Als ob der Hauch des Lebens ihm vergehe,
Hemmt seinen Schlag das glückbelad'ne Herz;
Geläutert ist und Äther ganz sein Wesen,
Und von der Sehnsucht selbst scheint er genesen.

     Ein sel'ger Schauer rinnt durch seine Glieder —
Errötend, zitternd, überwunden senkt
Die Göttin sich zu dem Geliebten nieder;
Und wie sie sich die Augen satt getränkt,
Da fühlte sie, was Sel'ge auch verwunde,
Und dürstend hing ihr Mund an seinem Munde.

     Doch schmerzlich war ihr zögerndes Erheben —
Ihn lang betrachtend rief sie jammernd aus:
"Weh' mir! vergiftet hab' ich dir dein Leben,
Du bist fortan auf Erden nicht zu Haus;
Was kann dir Jugend, Glück und Liebe bieten,
Dir, der gepflückt von des Olympos Blüten?"

     Sie sprach's, und seufzend war sie weggeschwunden,
Er aber hat ihr Klagen nicht gehört,
Denn nur im Traum hat er ein Glück empfunden,
Das nur im Traum Geweihten wiederkehrt;
Allein erwacht mit seliger Gebärde,
Fand er sich hart gebettet auf der Erde.

     Und in Erfüllung ging der Göttin Klage,
Er war erkrankt an namenlosem Harm,
Die Sehnsucht löschte ihm das Licht der Tage,
Dem reichen Herzen blieb die Erde arm,
Vom Lebensbaum, wo tausend Blüten winken,
Sah er für sich nur welke Blätter sinken.

     Ihm ekelte vor dem Verkehr der Menge,
Die jede leise Stimme überschreit,
Verschlossen schlich er fort aus dem Gedränge,
Denn wer sich einsam fühlt, sucht Einsamkeit.
Verachtung traf ihn, und belächelnd nannten
Ihn Träumer, die sein Wesen nicht erkannten.

     Und immer trieb es ihn auf Latmos Höhe,
Und wenn der Mond ergoß sein Silberlicht,
Da fühlte er der Gottheit holde Nähe,
Da trat Verklärung in sein Angesicht;
Die finstern Geister zogen aus dem Herzen,
Und, wie ermüdet, schliefen alle Schmerzen.

     Und wie nach langer, langer Nacht der Blinde
Den Lenz verschlingt mit erstgeborenem Blick,
So fiel ihm vom umflorten Aug' die Binde,
Die Welt mit ihren Wolken trat zurück:
Und vor ihm lag das Land der Ideale,
In der Begeist'rung mildem Frühlingsstrahle.

     Mit frischer Kraft durchbrach die Jugendquelle
In seiner Brust das aufgedrung'ne Eis,
Der Geist verließ der Schwermut dunkle Zelle,
Und drängte licht sich in den lichten Kreis;
Und was er hier gelebt im Reich des Schönen,
Das muß mit jedem Erdenleid versöhnen.

     O steigt auf euer Latmos, ihr Verkannten!
Die rauh und kalt das Leben von sich stößt,
Die schön're Heimat blühet dem Verbannten,
Der aus gemeinen Banden sich erlös't;
Ihr aber, unterjocht in Sinn und Handeln —
Ach weckt uns nicht, und laßt im Mond uns wandeln.

Liebe

     Aus der reinen Himmelsbläue
Ist der Lenz herabgestiegen,
Liebend will er sich auf's Neue
An die Brust der Erde schmiegen.
Mächtig regt auf dem Gefilde
Sich die Kraft des jungen Strebens —
Wehe nur, erwecke, bilde!
Wehe nur, du Geist des Lebens!

     Sieh', der Boden wird zum Teppich,
Frische Farben hauchen Duft,
Selbst die Felsen kleidet Eppich,
Laub und Blüten trägt die Luft;
Und die Nachtigallen schlagen,
Und es tönen Hain und Feld,
Und die lauen Winde tragen
Liebe durch die weite Welt,

     Wie sich alle Blicke hellen,
Rosen selbst die Wangen tragen!
Durch des Blutes munt're Wellen
Wallt ein seliges Behagen;
Es erwachen neue Triebe,
Weiches Sehnen, süßes Hoffen —
Ziehe ein, du Geist der Liebe,
Alle Herzen sind dir offen!

     Mit berauschten Blicken hangen
Alle Augen an dem Schönen,
Und errötendes Verlangen
Flüstert rings in weichen Tönen:
Ach! wohin entfloh der Frieden?
Alle Herzen sind getroffen,
Ist auch vielen Leid beschieden,
Alle wünschen, Alle hoffen.

     Mutig will der Eine ringen,
Und der And're wird verzagt,
Dieser will das Glück erzwingen,
Jener hofft nicht mehr und klagt.
Aber du, o Liebe! schreitest
Wie ein Engel durch die Welt,
Die mit Blumen du bestreutest,
Und du weilst, wo dir's gefällt.

     Hemm', o hemme deine Schritte,
Eile nicht so schnell vorüber!
Hört auch Niemand, wenn ich bitte,
Wird mein Blick auch immer trüber,
Wollust ist in deinen Schmerzen,
Reicher bin ich, Licht des Lebens!
Doch mit dir, als viele Herzen,
Sehnt auch meines sich vergebens.

     Muß ich auch mit leisen Klagen
Über meinem Lose brüten,
Lebewohl auf immer sagen
Deinen zarten Freudenblüten;
Gern ertrag' ich deine Schmerzen,
Müde alles Widerstrebens;
Wehe nur in meinem Herzen,
Wehe nur, du Geist des Lebens!

     Blieb' ich rein in roher Menge,
So erhieltest du mich rein,
Und die Gabe der Gesänge,
Dir verdank ich sie allein;
Dein ist, was die Gunst der Musen
Meiner Habe zugesellt,
Darum tönt aus meinem Busen
Liebe durch die weite Welt.

Ihr Anblick

     Es ist nicht blöde Furcht, wenn dein Erscheinen
Schnell aus der Brust mir allen Mut entwendet,
Und jeden kühnen Vorsatz schleunig endet;
Und glaubst du es, ich muß es doch verneinen.

     Denn wie der Sonne plötzliches Erscheinen
Das freie Auge unerwartet blendet,
So daß es schnell sich zu der Erde wendet,
So treffen deine Blicke auch die meinen.

     Doch nein! die Sonne bleibt am Himmel stehen,
Erholt hat sich das scheue Auge bald,
Und trägt dann leicht des heißen Strahls Gewalt.

     Dein Kommen ist nur ein Vorübergehen,
Es gleicht dein Blick vielmehr des Blitzes Macht,
Er zuckt — er trifft — und wieder ist es Nacht.

Ihre Schönheit

     Vergebens hab' ich Worte ausgewählt,
Um deiner Schönheit Allgewalt zu singen:
Dem frommen Eifer will es nicht gelingen,
Ich fühle, daß es mir an Ausdruck fehlt.

     Denn alle Anmut, so die Erde zählt,
Seh' ich in dir um Oberherrschaft ringen;
Und alle Reize, welche dich umschlingen,
Sind ganz von deinem schönen Geist beseelt.

     O! diese Schönheit hegt des Feuers Macht:
Sie glänzet, sie erwärmet, und verzehrt
Die Schlacken jeder Seele, die ihr naht.

     Nie wird sie von der Hand der Zeit zerstört,
Nie wird sie schwinden in des Todes Nacht,
Weil sie die Quelle in dem Geiste hat.

Am Grabe

     Zum Friedhof ging es, und die Glocken klangen
Du weintest leise, und ich weinte mit,
Du wanktest fort, ich folgte deinem Schritt,
Dein Leid erregte mir ein schmerzlich Bangen.

     Und als die ernste Feier war begangen,
Vom Grabe weg sich wandte jeder Tritt,
Geschah es, daß dein Auge auf mich glitt,
Vom feuchten Silberschleier noch umhangen,

     So lieblich sah ich dich noch nie erscheinen,
Dem Veilchen war dein Auge zu vergleichen,
Erfrischet von dem milden Tau der Nacht.

     Da war auch schnell Vertrauen mir erwacht.
O! rief ich aus, laß alles Zagen weichen;
Sie ist nicht strenge, denn sie kann auch weinen.


Namenlos

     O schwelge, Blick! und juble Dank dem Licht,
Das wunderbar erst in den Wundern waltet,
Bewußtlos reichen Schatz auf Schatz entfaltet —
O schwelge! bis das dunkle Auge bricht.

     Sei unersättlich, darben wirst du nicht,
Wie schön, was stets sich wechselnd neu gestaltet,
Wie schön! was ewig gleich, doch nie veraltet,
Und o, wie schön ein Menschenangesicht!

     Und mehr als schön — o es ist namenlos,
Was ich in deinem Engelantlitz sehe,
Was Himmelstau in's welke Herz mir goß,

     Was lang geahnt nur, jetzt in nächster Nähe
Sein heil'ges Dasein strahlend mir erschloß —
Ihr nennt es Liebe? — Schaler Laut, verwehe!

Nachtgesicht

     O wehe mir, welch grauses Nachtgesicht,
Ich sah verblichen dich im Totenkleide,
Die lieben Augen, ach! geschlossen beide,
Und ausgelöscht der Wangen Rosenlicht.

     Ein Kranz von Lilien, weißer, reiner nicht
Als deine Stirn', umschlang der Locken Seide,
Ein Lächeln noch, als ob es eben scheide,
Flog schmerzlich um dein liebliches Gesicht.

     Und Kerzen brannten düster in der Runde,
Und Sterbeglocken gaben trübe Kunde,
Und leises Weinen stöhnte in der Kammer.

     Ach, wie ertrüge ich den wilden Jammer,
Dich wachend so zu seh'n nach kurzem Glücke!
Erstarren müßt' ich, Nacht vor meinem Blicke.

Ein Tadel

     Zu deinem Lob ist alle Welt bereit.
Wem sollte nicht des ersten Blicks Entzücken
Dein süßes Bild tief in die Seele drücken?
Du Wunder aller Liebenswürdigkeit!

     Wo du erscheinst, erblühet Heiterkeit;
Ein einziger von deinen süßen Blicken
Vermag den Ärmsten dauernd zu beglücken;
Beschämt durch dich, errötet selbst der Neid.

     Und doch muß ich dich eines Makels zeihen,
Zu deinem Lobe auch den Tadel reihen,
Und Schatten zeigen, wo nur Licht erschien:

     O Überreiche! der so viel beschieden;
Nimmst du nicht ungenügsam, unzufrieden,
Die Ruhe Aller, die dir nahen, hin?

Morgenröte

     Wenn in dem Blau die Sterne schon erblinden,
Und bleiche Wolken, Rosen gleich, erröten;
Muß nicht die Sonne in den Osten treten,
Da Farben schon ihr Kommen uns verkünden?

     So sah dein Auge ich, sich senkend, schwinden,
Das lieblich oft in meine Nacht getreten,
Und deine Wangen sah ich hoch erröten,
Als wollten sie dein Inn'res mir verkünden.

     Ist es das Morgenrot erwachter Liebe?
Wird meine Sonne in den Osten treten,
Da Farben schon ihr Kommen mir verkünden?

     Schön ist Verheimlichung so zarter Triebe;
Doch süßer ist verratendes Erröten,
Des feuchten Auges schamhaftes Verschwinden.


Die beiden Quellen

     Es sind, wie Ariosto sang, zwei Quellen
Von seltner Wunderkraft in den Ardennen,
Wer eine trinkt, der muß in Lieb' entbrennen,
Die and're zwingt zum Haß mit ihren Wellen.

     Wohl hast du, Strenge! nimmer aus dem hellen,
Geweihten Born der Liebe trinken können,
Weil aller Glut, die meine Lieder nennen,
Sich deine Blicke kalt entgegenstellen.

     O hättest du den Minnequell erkoren,
Den andern ich, mit Froste mich zu tränken,
Daß du erkannt, wie Stolz und Haß betrüben.

     Doch wehe mir! welch' Wort entfuhr dem Toren?
Wie kann ich wünschen, daß dich Leiden kränken?
Nein, hasse immer; ach, ich kann nur lieben!

Beklage mich nicht

     Und wenn ich schlafe in der engen Zelle,
Tief unter Blumen, die im Winde wanken,
Wo Epheuschlingen um Zypressen schwanken,
Fern von des Tages freundlich gold'ner Helle.

     Wenn ungeseh'n an der geheimen Stelle
Schon Auge, Mund und Herz in Staub versanken,
Und nur im Lied Gefühle und Gedanken
Sich fort erhalten auf der Lebenswelle;

     Und du einst nah'st dem eingesunk'nen Hügel,
Dann denke mein, doch nicht mit später Klage,
Und nicht mit Reue oder bittern Zähren;

     Ich war ja glücklich, ohne zu begehren,
Genoß ich deinen Anblick manche Tage,
Und sah mich rein in deiner Seele Spiegel.

Nähe der Ferne

     Du bist mir fern, und doch in meiner Nähe.
Zwar aufgegeben, doch vergessen nicht;
Wie Wunsch und Hoffnung wechselnd auch vergehe,
Erinn'rung bleibt ein liebliches Gedicht,
Mit jedem Jahr, mit jedem neuen Lenze
Seh' ich dieselben Rosen wieder glüh'n,
Und immer klag' ich um die welken Kränze,
Und immer seh' ich frische wieder blüh'n.

     Du bist mir fern, und doch in meiner Nähe,
Vertraulich angeschmiegt, wie Luft und Licht;
Wohin den Blick ich freudesuchend drehe,
Da lächelt mir dein holdes Angesicht.
Es tröstet, wenn ich trauernd wo verweile,
Verklärt sich, wenn mich Heiterkeit umspielt,
Es ist kein Schmerz, den ich mit dir nicht teile,
Und keine Lust, die du nicht mitgefühlt.

     Du bist mir fern, und doch in meiner Nähe,
Du bist der Stern, der durch die Wolken bricht,
Und wie es dunkle, wie es schneidend wehe,
Von einem blauen Himmel zu mir spricht.
Und vielwillkomm'ne Balsamklänge schlagen
Durch Nacht und Sturm an mein betäubtes Ohr,
Wie wenn aus jenen ewig hellen Tagen
Sich eine Nachtigall zu mir verlor.

     Du bist mir fern und doch in meiner Nähe,
Die Neigung bindet, scheidet auch die Pflicht!
Es ist dein Bild, das ich entzückt erspähe,
Wenn mir ein Traum noch späte Kränze flicht;
Dann fühl' ich deine weichen Hände liegen
Auf meinem Aug', das lange dich vermißt,
Und lausche still mit leisen Atemzügen,
Wie du mich fragst: Errate, wer es ist?

Enttäuschung

     Wie die knospende Rose erscheinst du so schön,
Und dein Blick ist wärmender Frühlingsstrahl,
Und dein Sprechen ist liebliches Saitengetön;
Doch ein trauriges Rätsel erscheint deine Wahl.

     Meine Jugend ist hin, meine Blütenzeit schied,
Und mein Auge ist trüb oder winterlich kalt,
Und ein finst'rer Dämon verstimmte mein Lied;
Was soll bei der lichten die dunkle Gestalt?

    Die Glücklichen suchen den Glücklichen nur,
Dem Elenden bleibt als Gefährte der Schmerz;
Warum doch verleugnest du Menschennatur,
Und blickst wie ein Engel in's leidende Herz.

     Vielleicht, weil du dankbar erkannt dein Geschick,
So bist du nicht glücklich nur, sondern auch gut,
Und himmlisches Mitleid bewegt deinen Blick,
Daß er leuchtend verweilet, wo Finsternis ruht.

     So will ich es nehmen, so sei es gelöst,
Das traurige Rätsel, das tief mich erschreckt,
Und Verwirrung in's schweigende Herz mir geflößt,
Indem es die schlummernden Träume erweckt.

     Vergelte dein schönes Gefühl dir die Zeit,
Wenn beglückend ein glückliches Auge dich grüßt,
Wenn dein glückliches Ahnen zur Reife gedeiht,
Wenn ein ähnliches Herz an das deine sich schließt.

     Nicht verdunkeln soll dich ein Schattensaum,
O Sonne! weil du so freundlich strahlst,
Und doch in die düstern Gewölke kaum
Die sanfteren Farben des Lichtes malst.

     Vergib, wenn ich fliehe! Kaum fühle ich mehr
Den lang gewohnten, den alten Schmerz.
Dein Mitleid, du Gute! ist doppelt so schwer,
Und legt nur statt Balsam mir Dornen auf's Herz.

Abschied

     Lebewohl, du gute, liebe Seele!
Blutend reiß' ich mich von deinem Herzen,
Aber wie Gesang der Philomele
Töne zärtlich dir das Wort der Schmerzen.

     Von den Himmeln bin ich ausgetrieben,
Alle Adern sind in mir vergiftet —
War es denn ein Frevel, dich zu lieben?
Ach! nur Unheil hab' ich angestiftet!

     Lebe wohl! dir bleibe nun mein Segen;
Laß' mich zitternd leise meine Hände
Auf dein liebes Haupt noch scheidend legen,
Für dich weinend beten ohne Ende.

     Mögen Viele noch aus deinen Blicken
In das Herz sich ew'ge Liebe saugen,
Aber dir auch einmal das Entzücken
Sel'ger Liebe leuchten aus den Augen.

     Lebe wohl! Ich sehe nie dich wieder —
Doch was rede ich vom Wiedersehen?
Senkt der Schmerz auch mir die Augenlider,
Ewig wirst du mir vor Augen stehen.

     Feuchte Dämmerung vor dem Gesichte,
Zieh' ich bange fort aus Edens Toren;
Schon hat mein Gemüt sich aus dem Lichte
In den ew'gen Traum der Nacht verloren.

Wiedersehen

     Ich riß mich los; — wir seh'n uns endlich wieder,
O weiche nicht erzürnt vor mir zurück!
Zwar schlägt die Reue nicht mein Auge nieder,
Doch tiefe Trauer schaut aus meinem Blick.

     So ist der Blick auf eine liebe Leiche —
Ein Eden wirft Erinn'rung in den Sinn —
Wir schauen in das Angesicht, das bleiche
Und wissen: Alles, Alles ist dahin.

     O könnte ich dir jetzt das wiedergeben,
Was mich bei deinem Anblick einst entzückt,
Und jeden Zug mit jenem Reiz beleben,
Der plötzlich welkte, als ich dich durchblickt.

     Umsonst! Wie weggeschwemmt von einer Welle
Ist jeder Zauber, der mich überwand,
Und ach! ich sehe nur die teure Stelle,
Wo eine schöne Seele mir verschwand.

     Unselige! Mit Herzen so zu spielen!
Jetzt wird der Öde dein Gemüt bewußt;
Was ungenügsam du erweckt in Vielen,
Das schläft den Tod im Grabe deiner Brust.

     Was du geopfert, suchst du nun vergebens,
Selbst Freundschaft wird durch Argwohn dir vergällt,
Nur Reue lebt mit dir den Rest des Lebens,
In den kein Strahl der gold'nen Jugend fällt.

     Zwar — welke Blumen muß Erinn'rung bieten,
Doch leise mahnen sie an Duft und Glanz —
Dir aber bleibt von nachgepfuschten Blüten
Ein dürrer nur, ein dir verhaßter Kranz!

Den Fröhlichen

     Gebt mich auf und laßt mich fliehen,
Und genießet euer Glück.
Kalte, finst're Arme ziehen
Von den Frohen mich zurück.

     Scheltet nicht des Trüben Weise,
Forscht mich nicht besorglich aus!
Fremdling eu'rem schönen Kreise,
Tret' ich scheu aus ihm heraus.

     Gleich ich doch dem dunklen Blatte
In dem lichten Blütenkranz;
Laßt es welken, es beschatte,
Trübe nicht den hellen Glanz.

     Wenn in allen Blicken reine
Freude wie ein Morgen lacht,
Schaut aus meinen Augen eine
Sternenleere Mitternacht.

     Fühllos — nein! ich war es nimmer,
Ich verstehe eure Lust;
Doch der Freude gold'ner Schimmer
Fällt in keine öde Brust.

     O wie muß ich euch beneiden,
Gönn' ich euch doch Alles gern.
Laßt, o laßt mich immer scheiden,
Folgen meinem trüben Stern!

     Ach! ihr wißt von keinem Leide,
Das verzehrend nimmer ruht,
Wißt es nicht, wie weh die Freude,
Und wie weh das Mitleid tut.