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Gedichte
Hirsch Rudolph Johann
Quellen:
Album österreichischer Dichter
Wien 1858
Verlag von Pfautsch & Voß
Museum deutscher Dichtungen
Wien 1854
Verlag und Druck von Carl Gerold & Sohn
Der Musketier
Nach Haus rückt ein Musketier.
Wie hält sein Weib ihn fest umrankt!
"So hab' ich wieder dich bei mir,
Dem lieben Herrgott sei's gedankt!"
Sein kleiner Bube springt und schreit:
"Für mich hat Vater keine Zeit!
So red', hast mir was mitgebracht
Und an den kleinen Hans gedacht?" —
"Ei freilich! halt' ein wenig still,
Herzlieber Bub, nimm diesen Kuß!
Weißt nicht, wer etwas haben will,
Geduldig fein auch warten muß?
Hab dir was Rechtes mitgebracht,
Paß auf mein Junge, gib wohl Acht!
Es soll die ganze Beute mein
Du kleiner Schelm dein Eigen sein!"
Er schüttelt tüchtig sich am Leib,
Den Mantel, Ärmel, stürzt den Hut,
Neugierig blickt das schmucke Weib,
Mit off'nen Mund das junge Blut;
Sir träumen wohl gar selt'nes Glück;
Vielleicht manch blankes Silberstück:
Sechs Kugeln rollen auf die Erd' —
Das scheint dem Weibchen wenig wert!
"Mein Bub! das ist sardinisch Blei,
Blieb sitzen mir im Rock und Hut;
Es war kein Spaß, bei meiner Treu'!
Drum ist's mir auch ein teures Gut.
Geht's aber einmal wieder los,
Dann bist schön rüstig du und groß,
Und gibst — will's das Soldatenglück,
Den Herrn die Kugeln brav zurück!"
Irrgarten der Liebe
Am Ufer schwankt einsam ein Boot,
Fern glüht das letzte Abendrot —
O komm mit zum Ozean
Hinaus im kleinen, schmalen Kahn!
Wie jenen Kahn die Flut umschmiegt
Und in der Flut der Kahn sich wiegt,
So preß ich an mein Herze dich,
So drückst du an den Busen mich.
Und wenn's im Meere tobt und stürmt,
Am höchsten sich die Woge türmt:
Es hebt uns bis zum Sternentor
Die Liebe, höher noch empor!
Wenn herrlich schön der Donner rollt,
O glaube nicht, der Himmel grollt;
Es ist die Sehnsuchtstimme nur
Der schwülen, schmachtenden Natur,
Womit der feuchten Wellenbraut
Der Himmel heut sich angetraut.
Umfliegt der Blitz dein Angesicht,
Geliebte mein! erbebe nicht;
Es ist der Blitz des Himmels Kuß
In namenlosem Lusterguß,
Den er so lang wie ich entbehrt,
Den er so bang wie ich begehrt.
Und wenn der Sturm der Leidenschaft
Uns selbst in seine Strudel rafft,
Und wenn das dünne Boot zerreißt:
Eins sind geworden Geist in Geist;
Wie weiße Möwen drüberhin
Wohl unsre beiden Seelen ziehn —
Vom Land her tönt's wie Angstgeschrei,
Wir aber sind gerettet, frei!
Wenn dann die Flut zusammenschlägt,
Uns zu kristallnen Hallen trägt:
Da findest du die Lagerstätt'
Im perlgeschmückten Muschelbett';
Ich werde zum Korallenbaum,
Und wach' bei dir im Meeresraum
So tief, so still, so eng verzweigt,
Wohin kein kühner Taucher steigt,
Kein sterblich Aug' uns Beide stört,
Eins ganz dem Andern angehört.
Denn drunten in dem Meeresgrund
Ist's grabesstill zu jeder Stund';
Die Tiefe keinen Hauch verspürt,
Wenn oben sich der Sturmwind rührt;
Tief drunten uns nicht Sorge plagt,
Nur oben braust des Lebens Jagd.
O komm, mein Lieb! o komm mein Lieb!
Dem Sänger dich gefangen gib;
Laß nicht uns an dem Ufer stehn,
Laß in die hohe See uns gehn!
Horch! wie die Woge braust so hohl,
Ach! und dem Herzen wird so wohl . . .
Fort, fort, du Himmelsangesicht!
O komm mit mir durch Nacht und Licht!
Das Meer hat eine Muschel
Das Meer hat eine Muschel ausgespült,
Verkümmert starb sie hin an seinem Strande;
Ihr Leben, froh in blauer See gefühlt,
Verloren mußte gehn auf grünem Lande. —
Ich heb' die Muschel träumerisch empor,
An dem Gehäuse drängt es mich zu lauschen;
Von ihrer Schale brandet mir an's Ohr
Ein leises, heimwehgleiches Meeresrauschen. —
Und denk ich, daß ich einmal von dir schied',
Und von dir, o Geliebte! lassen müßte:
Ich tönte wohl in ewigem Sehnsuchtslied,
Wie jene Muschel dort der Meeresküste!
Ein Wildbach, Geliebte!
Ein Wildbach, Geliebte!
Ein brausender bin ich.
Ich knicke die Tannen
Und sprenge die Felsen,
Und donnre und wettre,
Entfesselt im Aufruhr,
Und stürze hinunter
Vom hohen Gebirge,
Der steinernen Heimat,
Zum blühenden Tale,
Voll Lieder und Düfte;
Denn du, o Geliebte!
Bist blühendes Tal mir.
Du bebst und erzitterst
Vor meiner Umarmung
Und kannst nicht verscheuchen
Den rasenden Freier,
Du duldest hingebend
Die stürmische Werbung. —
Doch sammeln die Schäume,
Milliarden Perlen,
Sich mählig im Grunde,
Und lehne ich wonnig
An pochender Brust dir:
Dann formen die Fluten,
Die stäubenden, tollen,
Sich leise zum Spiegel
Aus blauem Kristalle;
Die Tannen und Felsen,
Sie lugen hernieder
Vom hohen Gebirge,
Und sehen sich nickend
Im friedlichen Weiher.
Du selber erblickest
Mit holdem Erschrecken
Die sprühenden Augen,
Die kirschroten Wangen,
Die flatternden Locken,
Den wogenden Busen,
Dich selber im Spiegel
Und kannst es nicht glauben,
— Dein Köpfchen leis' schüttelnd —
Der rasende Wildbach
Sei fügsam geworden
Ein flüssiger, blauer,
Gefesselter Himmel,
Und trage geduldig
Sogar auf der Fläche
Die tanzenden Blätter,
Womit ihn umgaukeln
Die neckenden Lüfte.
Aus Eulenspiegels Tagebuch
(Pest 1856 Heckenast)
Letztes Bedürfnis
Gewinner eines Loses,
Des großen, geworden war
Mein Freund Hersch Anselm Moses;
Der sprach zum Antiquar:
Bin jetzt ein Mann von Tone,
Bin wie der Rothschild möbliert,
'S ist Alles enchantiert.
Es kommen gescheite Leute
Und Künstlerbagage zu mir,
D'rum senden Sie mir noch heute
Zwei Zentner Literatür!
Saubere Welt
Gib vom Gulden neunundfünfzig Kreuzer,
Wie's geziemen mag dem besten Christen,
Und behalt für Dich den letzten Kreuzer —
Und man nennt Dich einen Egoisten.
Gib von deinen Kleidern Hut und Mantel,
Und dein Haus, so warm d'rin And're nisten,
Und bewahr für Dich nur ein paar Strümpfe
Und man nennt Dich einen Egoisten.
Hast Du nichts, dann borg und geh versetzen,
Sorg für And're, Stern der Optimisten!
Und kannst Du zum Schlusse nichts mehr schaffen,
Schimpft man Dich den alten Egoisten!
Die lieben Verwandten
Also Gustav! wirklich, bist Du's?
Ach, gelobt sei Jesus Cheistus!
Fortgezogen ohne Hemde,
Kehrst Du reich nun aus der Fremde!
Melden sich da Vetter, Muhme,
Will ein Jedes eine Krume. —
Soll er all' die Hundert speisen,
Kann er gleich nur wieder reisen.
Gustav spricht: Gott schützt' im Nile
Mich vor einem Krokodile;
Schütz' mich Herr! jetzt vor den Tanten
Und dem Zahn' der Anverwandten!
Der Schatz am Vesuv
Aus: Museum deutscher Dichtungen
Schlummernd in des Baumes Schatten
Und von Liedern eingewiegt,
Auf den weichen grünen Matten
Oft ein Wandrer sorglos liegt:
Während in des Baumes Wipfel,
Schlau zu dichtem Knäul gekauert,
Eine Schlange hängt im Gipfel,
Und auf ihn als Beute lauert.
So an des Vesuves Fuße
Hängt der Kranz von Zauberhainen,
Die im Schönheits-Überflusse
Ird'sche Paradiese scheinen:
Während hoch im Bergesrachen
Listig, stumm und wie gebrochen,
Tausend Flammenhydern wachen,
Mord und Tod der Pflanzung kochen.
Wenn der Mensch dann hingegeben
Der Natur melod'schem Rufe,
Bricht es unter Donnerbeben
Aus dem tückischen Vesuve;
Spei'n die Feuerriesenschlangen
Aus uraltem Felsenhafen
Auf die Gegend, schlafbefangen
Hin ihr Herzblut, ihre Laven. —
Nun, was in verklungnen Tagen
Der Vesuv in Nacht verstreute,
Müht, der Erde abzujagen
Sich der Mensch und scharrt nach Beute;
Wühlt die Gräber, längst verschlossen,
Auf in gierig heißem Walten,
Wühlt und schaufelt unverdroßen
In des Flammenberges Spalten.
Und so war's dann auch geschehen,
Daß sie gruben in dem Grunde,
Und durchbohrten Lavahöhen,
Abzufordern Goldeskunde,
Nicht zur Villa eines Großen,
Diesmal ist der Gräber Spaten
Auf ein klein Geschäft gestoßen,
In der Armut Kreis geraten.
Nichts von Urnen, Gemmen, Ringen,
Gold'nen Münzen, gold'nen Götzen,
Von den viel ersehnten Dingen,
Nichts von den geträumten Schätzen.
"Ha! noch dort ist eine Pforte,
Eine leicht erbrochne Türe" —
Sprachen sie mit frohem Worte:
"Laßt uns seh'n, wohin sie führe." —
Nun, die Tür ist aufgegangen,
Und an ihrer engen Schwelle,
Augen hohl, entfleischt die Wangen,
Lehnt ein Geripp zur Stelle.
Und in seinen Knochenhänden,
Um das Herzblatt eng gedrungen,
Hält es wohl geheime Spenden
In ein linnen Tuch geschlungen.
"Ei so bargst Du hier den Götzen!"
Lachen plump die Nachtgesellen;
"Nun heraus mit Deinen Schätzen,
Sollst uns nicht den Fang vergällen!"
Und als könnt' es nicht verschmerzen,
Daß man ihm entriß das Seine,
Was so lang es trug am Herzen,
Bricht zusammen das Gebeine.
Ja das Tüchlein ist verwittert,
Das ihr Wahn mit Schätzen füllte,
Und sie schleudern fort, erbittert,
Jene Gaben, die es hüllte.
Lagen doch nur in der Binde —
Schätze für die Rohen keine —
Nur der Staub von einem Kinde,
Eines Säuglings Totenbeine!
Doch mich dünkt, der Schätze keiner
Ließe sich auf Erden finden,
Köstlicher,und menschlich reiner,
Als in jenen finstern Gründen:
Wo vom Todesarm umkettet,
Eine Mutter ohne Beben
Ihren Säugling, wohl gebettet,
Mit sich trug in's ew'ge Leben!