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Grüße aus Tirol

Angelika von Hörmann

Gera 1869
Eduard Amthor
Druck von Fischer & Wittig in Leipzig

I.
Wanderlust

 

Wanderlust
Einkehr
Hinauf
Sonnwendjoch
Am Stuiben
Absam
Im Hasental bei Hall
Gnadenwald
Gratsch bei Meran
Ortles
Brennersee

 

Wanderlust


Fort möcht' ich in die Welt hinaus,
Mir ist es viel zu eng im Haus;
Wär ich ein flinkes Vögelein;
Wollt' schwingen mich in's Blau hinein,
Hoch über alle Berge.

Fänd' ich ein Häuschen still im Wald,
Wo froh Willkomm' entgegenschallt,
Da labt' ich mich am frischen Trank
Und böt' mein lustig Lied zum Dank,
Dort möcht' ich gerne rasten.

Ich säng' mein Lied aus voller Brust,
Von Heimweh und von Wanderlust:
Und wo ein treues Auge traut
Und freundlich auf den Sänger schaut,
Das möcht' ich liebend grüßen.

Einkehr

Wer mag so spät noch draußen sein?
Die Klinke hört man drücken;
Ein Wanderbursche tritt herein
Und nimmt das Ränzlein vom Rücken.

"Ich habe gesehen das große Meer,
Die Schiffe mit Segel und Masten,
Aus weiter Ferne komm' ich her
Und möchte die Nacht hier rasten.

"Was denkst Du Maid, die Augen so tief,
Komm' setze Dich zu mir nieder;
Und schaut auch der Bursche da drüber schief,
Gib mir das Röslein vom Mieder.

Ihm blüht im Garten — er hat es gut —
Ein ganzer Strauß von andern,
Mir aber schmücket keines den Hut,
Und morgen muß ich wandern."

Hinauf

An der Schenke in Tal geh' ich vorbei,
Da sitzen die lustigen Zecher;
Die Wirtin kommt, und nach der Reih'
Füllt sie die leeren Becher.

"Der Wein ist kühl, komm' junger Gast,
Sei mit uns froh und heiter."
Ich bleibe nicht, ich halte nicht Rast,
Mein Weg geht höher und weiter.

Wohl kühleren Trunk, gesund und klar,
Schöpf' ich aus dem Felsenfasse;
Wer je ihn gekostet, den lüstet fürwahr
Nicht mehr von eurem Nasse.

Und aufwärts durch Gesträuch' und Stein
Bin ich noch lange gestiegen;
Im Tal wie Schneckenschalen klein,
Die weißen Häuser liegen.

Ich hab' mir Alpenkresse gepflückt,
Und Alpenwasser getrunken,
Und habe den Kopf in's Moos gedrückt,
In stilles Träumen versunken.

Sonnwendjoch

Hier auf dem Fels, den hoch im Blau
Die Morgenwolken küssen,
Setz' ich den Bergstock ein und schau'
Das Land zu meinen Füßen.

Mich freut's, wie mit gewalt'ger Wucht
Wildbäche talwärts tosen,
Und wo am tiefsten gähnt die Schlucht,
Pflück' ich mir Alpenrosen.

Am Stuiben

Siehst du des Bergbachs wildempörte Fluten
Sich stürzen in den finstern Wasserschlund?
Die Wellen prallen ab vom Felsengrund,
Und Tröpfchen steigen zu der Sonne Gluten.

Bald sind im feuchten Moose sie zerflossen,
Zerstoben schimmernd in der blauen Luft;
Vergißmeinnicht nur neigt sich in die Kluft
Und hält die Perlen tief in sich verschlossen.

Da drüben kommt der Wand'rer hergezogen,
Der Brücke Holz deckt ihm die Tiefe zu;
Er wandert seinen Weg in heit'rer Ruh'
Und freut sich sorglos an dem Regenbogen.

Absam

Andächtig vor dem Wunderbild
Bogst du das Knie an dem Altare;
Durchs Fenster floß dir licht und mild
Der Sonnenschein auf Stirn und Haare.

Ich stellte mich im Schatten dort,
Am letzten Stuhl mit scheuem Zagen,
Mir war's, ich läs' an jedem Ort,
Auf jedem Bilde tausend Fragen.

Und innig betend sank ich hin,
Ob mich der große Gott erhöre,
Daß nichts dir deinen gläub'gen Sinn,
Der Seele schönen Frieden störe.

Im Hasental bei Hall

Am Feldweg, an den morschen Zaun
Standst du gelehnt, ich hinter dir
Still schauend, wie dein schneller Stift
Warf Strich um Striche auf's Papier.

Die Mühlenräder, das kleine Haus,
Wie hingezaubert stand es da,
Die Hügel und der schroffe Berg,
Der aus dem dichten Walde sah.

Um uns war alles still, als ob
Es deinem Werk gewärtig sei,
Nur rauschend durch das Wiesengrün
Floß rasch der kleine Bach vorbei.

Gnadenwald

Ein altes Kirchlein, ringsum Wies' und Felder,
Zerstreute Höfe, heimlich abgeschieden,
Umrahmt vom Gürtel grüner Fichtenwälder,
Das ist der Gnadenwald mit seinem Frieden.

Dein Herz ist krank, du willst Genesung suchen,
O komm mit mir, du sollst sie finden wieder:
Dort oben, siehst du, stehen schatt'ge Buchen,
Da laß dich auf den weichen Rasen nieder.

Schau rings um dich in diesem Wald der Gnade,
Dort auf dem Anger weiden friedlich Herden,
Und weiter hin auf frisch gemähtem Mahde
Kannst du mit Kindern froh zum Kinde werden.

Wie kühl das Lüftchen streicht! Vorwitzig lauschend
Vom höchsten Aste guckt ein Finkenpärchen,
Und plaudernd durch die moos'gen Pfühle rauschend
Erzählt der Bach dir längst verscholl'ne Märchen:

Von einem Jägerhaus, so hier vor Zeiten
Gestanden, wo jetzt blüht die Kirchenlinde,
Von Waidmannslust, wenn in des Waldes Weiten
Der Ritter zog, gefolgt vom Jagdgesinde;

Wie dann das Haus zu eines Klosters Hallen
Und Hüfthornklang zu Psalmensang geworden,
Bis zu der Schreckensnacht, da eingefallen
Der Feuerflammen freche Räuberhorden.

Die Nonnen floh'n — gleich aufgescheuchten Dohlen
Durchirrten sie den Forst mit Klagerufen,
Das Kloster sank in Trümmer, Schutt und Kohlen,
Bis fromme Männer d'rauf das Kirchlein schufen. — —

Da horch! vom Turme tönt's mit hellem Klange,
Die Kinder schweigen, falten fromm die Hände;
Vielleicht, seit du gebetet, ist's schon lange,
Bet' mit, auf daß dir Gott den Frieden sende.

Gratsch bei Meran

Ich sitz' auf luftigen Söller,
Und trinke vom gold'nen Wein,
Und schau' und schau' ohn' Ende
In's schöne Land hinein.


Fürwahr, Herr König Laurin,
Du warst ein kluger Mann,
Daß du deinen Rosengarten
Hier hubst zu bauen an!

Hier wo die erste Blüte
Geburtatagsfeier hält;
Kastanienbaum als Gastwirt
Erbaut sein schattig Zelt.

Wo sich die Hügel kleiden
In Rebengrün so hold,
D'raus reife Trauben blinken
Gleich Edelstein und Gold.

Und wo am Fels die Burgen
Und graue Schlösser stehn,
D'rauf wie auf Kinderspielzeug
Die stolzen Berge sehn.

Gewiß! als Edens Garten
Der Herr verschwinden ließ
Blieb stehen hier ein Flecklein
Verlornes Paradies.

Ortles

Schneebedeckte Felsen ragen
Auf zum Himmel, blau und klar;
Kosend an dem höchsten Gipfel
Hangt der Abendwolken Schar.

Setzen einen Kranz von Rosen
Ihm auf's weiße Scheitelhaar:
Ruhig schaut er auf das Treiben,
Ewig kalt, unwandelbar.

Brennersee

Du schaust so klar aus waldbewachs'nen Borden,
Ein blaues Aug' aus dunkler Wimpernfranze.
Du spiegeltest in deinem ruhigen Glanze
Jahrtausende und bist nicht matt geworden.

Du sahst des Cimbernvolks befehlte Horden,
Den Römeraar, die Hohenstaufenlanze,
Kreuzfahrer, Schützenvolk, — wer nennt das ganze
Gewühl auf dieser Mark von Süd und Norden?

Als letzter Stürmer braust durch diese Räume
Dämonisch wild das Dampfroß, daß ein Schüttern
Zuckt durch den Grund; — die stillen Wasser zittern.

Als wär's ein Lächeln über all' die Träume,
Die hier der Mensch geträumt; dann ruh'n die Fluten
In stolzer Glätte, wie sie früher ruhten.