Gestern Schnee und Winterschauer
Gestern Schnee und Winterschauer,
Grau der trostlos lange Tag,
Wie nach herbem Schicksalsschlag
Tiefe stummgetrag'ne Trauer.
Heut' ein Himmel sonndurchflossen,
Warme Frühlingsmittagsstund',
Feuchtes Glitzern rings im Grund
Und die ersten grünen Sprossen.
Zitternd geht ein leises Bangen
Durch so schnell erwachte Lust:
Klopfend Herz in meiner Brust,
Ist es dir nicht gleich ergangen?
Welch' ein Funkeln
an den Wänden
Welch' ein Funkeln an den Wänden!
Fürstin Sonne wirft ihr Gold
Mir herein mit vollen Händen
Als dem Günstling, dem sie hold.
Was der Unmut schuf im Zimmer,
Was im Herzen sich bekriegt,
Hält nicht Stand vor all' dem Schimmer,
Der auf Wald und Fluren liegt.
Mein umflortes Aug' zu necken,
Prahlt sich rings mit grüner Schrift
Meister Lenz an allen Hecken,
Auf der schneebefreiten Trift.
Und auch mich hat es getroffen,
Herz erlieg' dem süßen Los:
Was du schufst, mein heimlich Hoffen,
Frühlingssonne zieh' es groß!
Er möchte sich verstellen
Er möchte sich verstellen,
Der treibende schaffende März,
Verhüllt sich mit grauen Wolken,
Als gält' es Maskenscherz.
Er spielt nur mit der Erde,
Er neckt sie mit Eis und Schnee
Und freut in mürrischer Laune
Sich an der Liebsten Weh.
Dann küßt er sonnenglühend
Ihr tränennasses Gesicht,
Bis sie mit Lerchenjubel
Sich ihm zu eigen spricht.
Die Nacht
ist trüb, mit Wolken tauscht
Die Nacht ist trüb, mit Wolken tauscht
Ein flücht'ger Vollmondstrahl,
Lau zieht der Föhn und stärker rauscht
Der Fluß im Tal.
Er wühlt und wühlt in enger Haft,
Er schäumt in trotz'ger Pein,
Umsonst — die wilde Leidenschaft
Zerschellt am Stein.
Ich kenne die Sehnsucht, kenne den Zwang,
Des Herzens brütenden Groll
Und was da gärt im Freiheitsdrang
Empörungsvoll.
Freundlich Arm in
Arm geschlossen
Freundlich Arm in Arm geschlossen
Schritt ich hin an deiner Seite,
Leichten Scherz als Spielgenossen
Und den Frühling zum Geleite;
Der aus tausend Blütenglocken
Ringsum seine Grüße sendet,
All sein wundersüßes Locken
Doch umsonst an mir verschwendet.
Durch den Frohsinn überschäumend
Merkst du nicht ein leises Beben?
Siehst du meinen Blick nicht träumend
Plötzlich in die Weite streben?
Geister einer sel'gen Ferne
Hat dein dunkles Aug' beschworen,
Leuchtend ach wie jene Sterne,
Die ich scheidend längst verloren.
Und ich fühl's: dem Frauenminnen
Strahlt nur eine Mittagssonne,
Was am Abend malt die Zinnen,
Abglanz ist's versunkner Wonne.
Leg' auf das Leid das
alte
Leg' auf das Leid das alte
Mildheilend spätes Glück,
Es bleibt in einer Falte
Der Schmerzenskeim zurück.
Ein zweifelvolles Zittern,
Ein Dorn, der stechend mahnt:
Kann nicht dein Glück zersplittern
Ein Blitzstrahl ungeahnt?
Das ist die schlimmste Tücke
Des Feindes, heimlich wach,
Daß er die goldne Brücke
Ins Heim des Glaubens brach.
Laß den Strauß
bedeutsam teilen
Laß den Strauß bedeutsam teilen,
Wie's dem Weibe ziemt und Manne,
Mir die schlichte Frühlingsblume,
Dir das Reis der Edeltanne.
Wie der schlanke Schaft des Baumes
Strebt dein Sinn nach hohem Ziele,
Einst als stolzer Mast zu prangen
Auf des Schiffes schwankem Kiele.
Weit hinaus in blaue Fernen
Steuert es mit kühnem Wagen,
Um, wer weiß, an welcher Küste
Einst den Anker einzuschlagen.
Festgeheftet an die Scholle,
Schützend von Gebüsch umgeben,
Lebt die kleine nied're Blume
Ihr bescheid'nes Frauenleben.
Das ist das längst
vertraute Tal
Das ist das längst vertraute Tal,
Die Berge tiefzerspalten
Mit ihrem dunkeln Waldgewand,
Das sind die Tannen, die alten;
Das grüne Gezelt und das weiche Moos,
Darauf ich geruht und gedichtet,
Den Blick aufs weitentrollte Bild
Stillträumend hinausgerichtet.
Waldblumen und Beeren winken mir zu,
Wie einst aus lauschigem Dunkel,
So fröhlich lacht hindurch das Blau
Und glitzert das Sonnengefunkel.
Und doch ist Alles verwandelt mir,
Als stünd' ich in fremden Landen
Und hätte diese blühende Pracht
Noch nie gekannt und verstanden;
Als wäre mein Herz gelegen im Schlaf
Und wäre nun selig erschlossen,
Und hätt' seine Lieb' als Sonnenschein
Rings über die Welt ergossen.
In der
Sommernacht da stand ich oft
In der Sommernacht da stand ich oft
Am offenen Fenster allein,
Und märchenhaft durch die Bäume sah
Der lichte Mondenschein.
Ich träumte, ich wär' ein Fräulein schön
Auf einsam hohem Schloß;
Die Linden standen drunten im Tal
Als Kämpen hoch zu Roß.
Und fuhr der Wind durchs Land und bog
Die Zweige auf und ab,
So wär's ein süßer Minnegruß,
Den mir ein Ritter gab.
Vorbei der Traum. — Das Leben liegt
Ach nur zu klar vor mir;
O goldne Zeit, da ich geschwärmt,
Wie sehn' ich mich nach dir!
Nun steht die Welt in
Rosen
Nun steht die Welt in Rosen
Nun blüht's in Laub und Gras,
Nicht eine Knospe trauert,
Daß sie der Mai vergaß;
Mit tausend Blumenlippen
Schmeichelt und lockt er lind:
Nimm dir die schönsten Kränze,
Du säumig Menschenkind!
Freu' dich an Glanz und Farben,
Wo hell die Sonne blinkt,
Lieg' unterm Blätterdache,
Wo kühler Schatten winkt;
Wo frisch die Quelle sprudelt,
Da lade dich zu Gast
Und heb' die trunkenen Blicke
Ins Blau zu seliger Rast.
Nun steht die Welt in Rosen,
O Herz, auch deine Welt,
Was kümmerts dich, ob morgen
Verblaßt die erste fällt!
Das Heut' ist dein, das holde,
Mit Duft und Sonnenstrahl,
Vergeude keine Krume
Vom reichen Segensmahl!
Dann mögen die Wetter drohen
Mit Tod, was liegt daran?
Du hast die Saat geborgen
In deines Hauses Bann.
Ein Tor, wer nicht entschlossen
Des Glückes Rechte faßt!
Nicht wieder kehrt die Stunde,
Die du verloren hast.
Ich hasse
dich, du düst're Tannennacht
Ich hasse dich, du düst're Tannennacht,
Euch schroffe Wände, bar der Blumenzierde,
Durch die der Bergbach ächzt im engen Schacht
Und strebt zum freien Tal mit wilder Gierde.
Mich mahnt dies Bild an dunkle schwere Zeit,
An heißes Ringen, kaum bekämpft Verlangen,
Tollkühne Wünsche, ach nun sternenweit,
An Lebenstiefen, die mir aufgegangen.
Dich lieb' ich, klares Blau, dich Sonnenpracht;
Ich möcht' im üppig linden Grase liegen,
Umblüht von Blumen, luftig überdacht
Von Buchenkronen, die im Wind sich wiegen.
Und flöten soll die Amsel in dem Laub
Viel weiche Töne, um mich sollen schweben
Die bunten Falter, haschend süßen Raub,
Daß ich mir sagen müßt': Schön ist das Leben!
Sie werden kommen
die blauen Tage
Sie werden kommen die blauen Tage,
So freudenarm ist keine Brust,
Daß nie ein Strahl sie froh durchdränge,
Kein Aug' so trüb, kein Mund so strenge,
Daß er nicht einmal lacht' vor Lust.
Sie werden kommen die blauen Tage
Mit ruhig heit'rem Sonnenschein,
Wenn drauß' im Felde steh'n die Garben
Und mit des Spätherbsts bunten Farben
Sich Birke schmückt und Buchenhain.
Sie werden kommen die blauen Tage,
Doch ach, nicht mehr die Sommernacht,
Die Nachtigall, im Busch verborgen,
Das satte Grün der frischen Morgen
Nach tobender Gewitterschlacht.
Das Glück, die Jugend sind Geschwister,
Kein Machtanspruch trennt das holde Paar;
Was auch der schönste Herbst beschieden,
Das Herz wird nüchtern, kühler Frieden
Nur weht um das bereifte Haar.
O Mondnacht, satt von
Düften
O Mondnacht, satt von Düften!
Schwül weht die Luft im Grund,
Von Liebesglück zu träumen,
Ist dies die rechte Stund.
Es faßt mein Herz wie Schläfern,
Wie süße Müdigkeit;
Was soll noch Schön'res kommen
Nach dieser Rosenzeit?
Beklagt mir nicht die Blumen,
Gemäht vom Wiesenschoß,
Vor Sonnenwende sterben
Wär's nicht das beste Los?
Aus brennender
Mittagsschwüle
Aus brennender Mittagsschwüle
Geflüchtet zur Waldeskühle
Halt' ich im dunkeln Schatten Rast,
Und ober mir auf schwankem Ast
Singt pfeifend leise
Ihr Lied eine fröhliche Tannenmeise.
Du glücklicher kleiner Sänger,
Sag, klopft dir das Herz nicht bänger,
Denkst du der kalten Winterszeit?
Wenn Baum und Boden tief beschneit,
Wirst du verderben,
Vor Frost und bittrem Hunger sterben.
Das Vögelein zwitschert weiter
Und schwingt auf den Zweig sich heiter.
Hätt' ich doch seine leichte Art!
Versäumte nicht die Gegenwart
In Angst und Sorgen
Um einen kommenden schlimmen Morgen!
Rings Nacht durchtobt
von Sturm und Regen
Rings Nacht durchtobt von Sturm und Regen,
Dann tageshell mit einem Mal,
Es zieht mit dumpfen Donnerschlägen
Ein Hochgewitter übers Tal.
Ich steh' am Fensterbord; kein Grauen
Weckt mir dies Grollen der Natur,
Stets war es meine Lust, zu schauen,
Wenn's flammend in die Felsen fuhr.
Und wohlig fühl' ich's mich durchbeben,
Hör' ich des Donners lauten Gruß;
Er mahnt mich an das heiße Leben,
Das sich im Kampf erproben muß.
Der ganze Sommer
trüb und grau
Der ganze Sommer trüb und grau,
Verdorben alle Blüten,
Nun Tag für Tag der Himmel blau,
Als wollt' er mir's vergüten.
Willkommen langersehntes Licht,
Du heit'res Sonnenlachen!
Du machst die alte Zuversicht
Im Herzen neu erwachen.
Und schmeichelst mir: Was dich gequält
So manche Nacht in Sorgen,
Es ward gewogen und gezählt
Für einen gold'nen Morgen.
Nun sind sie da die
blauen Tage
Nun sind sie da die blauen Tage,
Die Tage voll von Glanz und Duft,
Kein Wölkchen schreibt als leise Frage
Ein Warnungszeichen in die Luft;
Kein Sturm droht mehr mit Hochgewittern,
Du brauchst im Traume nicht zu zittern,
Daß dich ein Schlag ins Wachen ruft.
Noch fällt kein gelbes Blatt vom Baume,
Doch fruchtschwer neigt sich Ast zu Ast
Und dorfwärts schwankt vom Feldessaume
Der Ähren hochgetürmte Last.
Rings sattes Grün und Farbenprangen,
Als ruhten Lenz und Herbst umfangen
In selig stummer Liebesrast.
Das webt den Zauber dieser Stunden:
Sie scheinen frei vom ird'schen Zoll,
Als hätt' das Pendel Halt gefunden,
Als wär' der Zeiten Kreislauf voll;
Kein Winter, wähnst du, könn' sie rauben —
Das Herz will ewig dauernd glauben,
Was völlig es beglücken soll.
Lagst du nie im
Glück gebettet
Lagst du nie im Glück gebettet,
Traumumsponnen weich im Flaum?
Heiter Tag an Tag gekettet
Flog dahin, du sahst es kaum.
Bis des Schicksals Faust sich ballte,
Bis die Saaten warf der Schnitt,
Bis die schneeverdeckte Spalte
Plötzlich klaffte unterm Tritt.
Welchen Reichtum du besessen,
Zeigt dir erst der Flammen Schein;
Um ein Gut ganz zu ermessen,
Muß es erst verloren sein.
Die Tage sind
kurz in unserem Tal
Die Tage sind kurz in unserem Tal
Und lang die nächtigen Schatten,
Nur spärlich fließt der Sonne Strahl
Auf die beschneiten Matten.
Ein Vogel hebt im frostigen Tann
Die halberstarrten Flügel
Und eilt mit mir, so schnell er kann,
Hinan von Hügel zu Hügel.
Umsonst! Der Abend bricht herein,
Rings muß das Licht verschwinden,
Wir beide suchen den Sonnenschein
Und können ihn nimmer finden.
Überall, wohin ich schau
Überall, wohin ich schau,
Nächtig Grau!
In des Himmels fernster Ferne
Keine Sterne!
Immer noch, beengt von Schmerz,
Fand dies Herz
Eines Sterns — sei's im Versinken —
Tröstend Blinken.
Heute nur, da ich voll Weh
Aufwärts späh',
Ob kein Himmelsblick der Gnade
Mich entlade
Von dem Kummer, der mich fest
Hält gepreßt,
Ist versiegt der Ätherhelle
Trostesquelle.
Nur der Wolken ziehend Heer
Tief und schwer
Gibt mir schweigend das Geleite
In die Weite.
Immer keimt ein
stilles Hoffen
Immer keimt ein stilles Hoffen
Neu aus meines Herzens Boden,
Ob es Frost und Sturm getroffen,
Ist es doch nicht auszuroden.
Ins Gefild, ins winterfalbe,
Blick ich harrend voll Vertrauen:
Endlich wird des Glückes Schwalbe
Auch an meinem Dache bauen.
Täglich wacht dieselbe Frage
Mit mir auf beim Morgensegen,
Um des Nachts, getäuscht vom Tage,
Sich auf Stunden hinzulegen.
Das ist mein
Herz und sein Geschick
Das ist mein Herz und sein Geschick:
Ein Frühling ohne Sonnenblick,
Ein Mai, doch ohne Blumenflitter,
Ein Sommer, stürmisch, voll Gewitter.
Darauf ein Herbst, so blau, so rein,
Voll Glanz, voll Duft und Sonnenschein,
Wie nur der Lenz es bringt mit Fug
Und doch nur Herbst und holder Trug.
Bald kommt der Winter mit kalter Hand
Und streut die Flocken übers Land.
Das soll man einen
Winter heißen
Das soll man einen Winter heißen!
Die Tage tauig mild und lau,
Wenn warme Sonnenstrahlen gleißen
Hernieder von dem dunkeln Blau!
Wenn aus des Bodens feuchten Ritzen
Das frische Grün sich wagt ans Licht,
Und wenn's mit rötlich zarten Spitzen
Hervor aus allen Ästen bricht!
Mit deinem späten Knospendrange
O hüte dich, betörter Baum,
Die Zeit ist um, ach schon wie lange,
Für Maienluft und Blütenflaum.
Es geht in Lenzestracht verkleidet
Der Eismond tückisch durch die Welt,
Bis ihm dies fromme Spiel verleidet
Und all', was grünt, zum Opfer fällt.
Neujahr! du Wort
so inhaltschwer
Neujahr! du Wort so inhaltschwer,
Das mahnend an die Herzen klopft,
Neujahr, du Wandertaube, der
Von Hoffnungstau der Fittig tropft!
Dem kühnen Archenschiffer schwangst
Ums müde Haupt den Ölzweig du,
Was du einst Vater Noah sangst,
O sing' es auch uns Enkeln zu:
Das Lied des Friedens, das zum Bund
Dereinst in farbenhellem Bau
Die Gottheit schrieb an's Himmelsrund,
Daß es die ganze Welt erschau',
Das Lied des Friedens, jenen Sang,
Der einstmals in geweihter Nacht
Herab von Engelchören klang,
Als uns der Heiland ward gebracht;
Das Lied des Friedens, das auf's Neu'
Von Millionen Zungen klingt,
Das wie ein Ruf verhehlter Reu'
Der Brust der Menschheit sich entringt.
Bring' Frieden allen, die vergällt
Von Haß und Wahn, als Angebind';
Bring' Frieden allen auf der Welt,
Die eines guten Willens sind!
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