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II.
Mädchenlieder

 

Ein Mägdlein geht entlang dem Hag
Was ihm an mir gefallen mag?
Seit du mein Liebster worden
Von weitem kenn' ich deinen Gang
Wie hast du selig mich gemacht
Wenn's morgen an das Tagwerk geht
Im Erker sitz' ich früh und spät
Dein Liebeshimmel ist ein Wahn
Mein Liebster hat sich aufgemacht
Es nagt mir am Herzen die Eifersucht
So schneckenlangsam kriecht der Tag

 

Ein Mägdlein geht entlang dem Hag


Ein Mägdlein geht entlang den Hag,
Schaut sinnend in den Sommertag:
"O Feld und Wald, du grünes Tal,
Dich seh ich täglich hundertmal,
Im Herbstesschmuck, im Winterkleid,
In voller Blütenherrlichkeit.
Welch neuer Glanz auf Flur und Hain!
Ist's nur mein Glück? Ist's Sonnenschein?
Der Eine, der in Waldesgrund
Mir heiß geküßt den roten Mund,
War wohl ein seltner Wundersmann
Und nahm vom blöden Aug' den Bann.
Froh bin ich, wie das junge Reh,
Wie dort der stolze Schwan im See;
Ein Vogel, der sein enges Nest
Zum erstenmal ausfliegend läßt,
Möcht' ich es singen von den Höh'n:
O Welt, wie bist du wunderschön!"

Was ihm an mir gefallen mag?

Was ihm an mir gefallen mag?
Zur Kammer schleich' ich oft im Tag,
Schieb' vor die Tür den Riegel
Und schau in meinen Spiegel.

Warum erwählt er nicht die Ros'?
Bin eine schlichte Blume bloß
Und nimmer will's mir glücken,
Mich also hold zu schmücken.

Doch eine Zier ist mein fürwahr!
Die Schönste wär' ich aus der Schar,
Stünd' all mein treues Lieben
Im Antlitz mir geschrieben.

Seit du mein Liebster worden

Seit du mein Liebster worden,
Bin ich der Sorgen bar,
Ins Buch des Herzens schreib' ich
Ein seliges Neujahr.
In hoher Lust erglüht mein Sinn,
Stolz meine Blicke gleiten,
Mir ist, als sollt' ich schreiten
Gleich einer Königin.

Wie fröhlich kann ich schaffen,
So lang die Sonne blinkt!
Wie süß im Schatten ruhen,
Wenn spät sie niedersinkt!
Und schließt mein müdes Aug' sich sacht:
Das Kindlein in der Wiegen
Kann nicht so wohlig liegen,
Als ich die ganze Nacht.

Von weitem kenn' ich deinen Gang

Von weitem kenn' ich deinen Gang,
Und hallt er rasch den Flur entlang,
Verkündet er wie Lerchenschlag
Mir einen heitern Frühlingstag.

Und ob es draußen friert und stürmt,
Ob auf dem Dach der Schnee sich türmt,
In meinem stillen Kämmerlein
Lacht mir der hellste Sonnenschein

Du hast der Sonne milde Kraft,
Die weiß nicht, was sie Gutes schafft,
Und bringt sie sengend Tod statt Huld
Trägt sie am Unglück keine Schuld.

Wie hast du selig mich gemacht

Wie hast du selig mich gemacht
Du milde, dunkle Sommernacht!
Es war so still in weiter Rund',
Da lag verstummt auch Mund an Mund —
Mein Liebster hat mich geküßt!

Ich träum' es Nachts in süßer Ruh',
Im Traum ist's, was am Tag ich tu',
Weiß nicht, ob Sturm ob Sonnenschein,
Muß lächeln nur in mich hinein:
Mein Liebster hat mich geküßt!

O dürft' ich künden, was mich drängt,
Was pochend fast die Brust mir sprengt,
Auf daß die Welt, die nichts vergönnt,
Den ganzen Himmel fassen könnt':
Mein Liebster hat mich geküßt!

Wenn's morgen an das Tagwerk geht

Wenn's morgens an das Tagwerk geht,
Vom Turm die Glocken tönen,
So sprech' ich still mein Frühgebet
Nach kindlichem Gewöhnen;
Doch wann zu End' die alte Weis'
Dann sag' ich noch ein Sprüchlein leis':
"Ihm zu Liebe."

Da mein' ich nicht den lieben Gott,
Er zürnt wohl nicht deswegen,
Geht ja die Arbeit flink und flott
Auf solchen Morgensegen.
Der Spruch ist meiner Sitte Hut.
Macht mild und sanft mein heftig Blut
"Ihm zu Liebe."

Wohl drückt das Leben oftmals schwer
In grauumwölkten Tagen,
Dies Wort ist allen Kummers Wehr,
Läßt jede Bürde tragen.
Ritzt auch der Fuß sich blutig wund,
Der Klageruf erstirbt im Mund
"Ihm zu Liebe."

Und wenn die reichste Fürstin käm'
Mit Prunkgewänder-Rauschen,
So diesen Schatz dafür sie nähm',
Möcht' ich mit ihr nicht tauschen.
Des Weibes Sein ist leer und arm
Kann es nicht sagen leis und warm:
"Ihm zu Liebe."

Im Erker sitz' ich früh und spät

Im Erker sitz' ich früh und spät
Und führe die Nadel durchs Linnen,
Kaum hab' ich ein paar Stiche genäht,
So lug' ich über die Zinnen.

Erschallt vom Turm des Wächters Ruf,
So spring' ich schnell vom Sitze,
Dröhnt auf der Brück' ein Pferdehuf',
Durchzucken mich Freudenblitze.

Wie lausch' ich, ob die Trepp' empor
Ein rascher Tritt nicht klimme,
Wie selig trinkt mein durstig Ohr
Die tiefe geliebte Stimme!

Wenn einen Tag mir's nicht gelang
Mich in Geduld zu fassen,
Wie schlepp' ich dann der Jahre Gang,
Wenn er mich ganz verlassen?

Dein Liebeshimmel ist ein Wahn

Dein Liebeshimmel ist ein Wahn,
Mein Herz, und glaubst du heute dran,
Bist morgen du betrogen;
Leicht wie die Ranke an der Kluft,
Wie Spinnengewebe in der Luft
Ist er im Wind verflogen.

Ein feurig Aug', ein lockig Haar
Sind meiner Feinde schlimmstes Paar,
Die drohen mir Verderben;
Urewig ist der Schönheit Macht; —
Zeigt sie dem Liebsten ihre Pracht,
So bricht mein Glück in Scherben.

Mein Liebster hat sich aufgemacht

Mein Liebster hat sich aufgemacht
Und reist in fremde Gauen,
Nun schaut er rings der Erde Pracht,
Viel Berge, Ström' und Auen
Und Dorf und Stadt mit Tor und Turm
Und hellem Fensterblinken,
Draus lacht — er ist ein schmucker Mann —
Ihn wohl manch' Mädchenantlitz an
Mit freundlich holdem Winken.

Und ich, ich muß so ganz allein
Zu Hause schalten und walten,
Da will mir Alles Bote sein
Von meinem Glück, dem alten:
Die Laube bei dem Gartenzaun,
Wo er gepflückt mir Rosen,
Der Tisch, wo sonst sein Platz gedeckt,
Die Wanduhr, die uns oft geschreckt
Aus heimlich trautem Kosen.

Oft steh' ich Nachts am Fenstersaum
Vertieft in heißes Sehnen,
Ich seh' die lieben Sterne kaum
Mit meinem Aug' voll Tränen.
So leer, so traurig ist die Welt,
Als sollt's ans Sterben gehen;
Erdrücken müßt' das Leid mich gar,
Wüßt' ich nicht, über Tag und Jahr
Darf ich ihn wiedersehen.

Es nagt mir am Herzen die Eifersucht

Es nagt mir am Herzen die Eifersucht
Mit ihrem heimlichen Grolle,
Wie dort die Welle in düstrer Bucht
An langsam bröckelnder Scholle.

Das überhängende Rasenstück
Bald werden die Fluten es haben,
Dann liegt das ganze grünende Glück
In dunkler Tiefe begraben.

So schneckenlangsam kriecht der Tag

So schneckenlangsam kriecht der Tag,
Als wollt' er nimmer enden,
Was auch die Nadel schaffen mag,
Verdirbt in meinen Händen;
Der trübe Sinn hält mir nicht Stand,
Er fliegt hinaus ins ferne Land
Weit, weit zu meinem Liebsten.

Kein Wort, kein Gruß, seitdem er ging
Vor Monden, trostlos bangen,
Das Laub, das grün bei Blüten hing,
Spielt nun im Sturmwind Fangen;
Die wohlbekannten Plätzchen all'
Im Feld, im Busch, am Wasserfall
Hat längst der Herbst verwüstet.

Was mag er tun? Vielleicht er scherzt
In froher Zecher Runde,
Vielleicht sein Arm ein Mädchen herzt;
Das lacht mit süßem Munde
Und schwatzt und schmeichelt ihm voll List
Und lockt, bis er gefangen ist,
Indes ich einsam weine.

O deckte mich der Schnee, wie bald
Er Wiese hüllt und Hecken!
O könnt' ich mich wie's Wild im Wald
Den Menschen fern verstecken!
Wenn er vergaß, wenn er mich trog,
Wenn seine Lieb' wie's Laub verflog,
Verflieg' auch du mein Leben!