Rückblick
Die Blätter hab' ich aufgeschlagen,
Darauf ich meine Lieder schrieb
In längst verrauschten Jugendtagen
Voll herben Leids und heißer Lieb'.
Doch seltsam dünkt's mich d'rin zu lesen,
So fremd die Hand, die Schrift verblaßt —
Bin ich das wirklich selbst gewesen,
Was dies vergilbte Buch umfaßt?
Kein Lenzhauch weckt die Blumen wieder,
Vom Lauf der Jahre überschneit,
Und fröstelnd rinnt durch meine Glieder
Ein Schauer der Vergänglichkeit.
Konnt' ich für jenes Glück erkalten,
Nach dem so glühend ich gestrebt!
Wo bleibt der Stab, mich dran zu halten,
Wenn ich mich selber überlebt?
Kennst du im
dunkeln Waldesschoß
Kennst du im dunkeln Waldesschoß
Das stille Plätzchen noch? Es scheiden
Zwei Wege sich und zwischen beiden
Liegt wettergrau ein Fels im Moos.
Frühsommer war's; ein blauer Tag
Hielt sonnenwarm das Tal umschlossen,
Daß man zu sehen meint' das Sprossen
Von Blatt und Blüt' in Wies' und Hag.
Rings schmückten sich, verlockt vom Blüh'n
Des Waldes Nonnen selbst, die Fichten,
Als ob die Zweige sie, die dichten,
Getaucht ins helle Birkengrün.
So strich ich durch das Waldrevier
In Schau'n versunken und in Sinnen,
Da – Schrittehall im Dickicht drinnen —
Mit scheuem Gruß standst du vor mir.
Was ich gesagt, was du sofort,
Vergaß ich längst wie Traumgestalten,
Wenn Aug' und Seele Zwiesprach halten,
Wer denkt noch an der Lippe Wort?
Und weiter ging ich; nicht mit Hast,
Nicht frei und leicht, wie ich gekommen,
Mir schlug das Herz so tief beklommen,
Als drückt' es eine Zentnerlast.
Mir ahnte, daß ein Tag vorbei,
An dem das Schicksal mir die Lose
Geworfen, und der Stein im Moose
Ein Markstein meines Lebens sei.
Verborgne
Saiten hat die Menschenbrust
Verborgne Saiten hat die Menschenbrust,
Zart wie die Sommerfäden, die im Blauen
Hinschweben über Wiesenhang und Auen
Und die zu fassen Keiner noch gewußt.
Manch' treue Rechte hab' ich warm gedrückt,
Mir lachte neben hohler Heuchlerlarve
Manch' holdes Auge zu, doch jener Harfe
Hat vor dir niemand einen Ton entrückt.
Ich saß dir
nah, doch sprach ich nicht
Ich saß dir nah, doch sprach ich nicht;
In deines Auges Nacht versunken
War mir's, als läg' ich schlummertrunken
Und hätt' ein seltsam Traumgesicht.
Als Bettelmaid sah ich die Lieb',
So irrte sie spottübergossen
Von Haus zu Haus. Umsonst, verschlossen
Der Ärmsten jede Türe blieb.
Sie kam zu dir. Ein schützend Dach
Gabst du der Fürstin schönem Haupte
Und führtest sie, die Thronberaubte,
In deines Herzens Prunkgemach.
Dort ruht auf weichem Pfühl sie aus,
Umblüht von wunderbaren Rosen,
Und blickt aus deinem Aug', dem großen,
Sehnsüchtig in die Welt hinaus.
Heimlich in
verschlossner Kammer
Heimlich in verschloss'ner Kammer,
Wo kein Blick' mich lauernd trifft,
Schau' dein Bild ich oft und lange
Forschend in der Züge Schrift.
Dunkle stille Flut der Augen!
Zaghaft in den tiefen Grund
Werf ich Anker nach der Seele,
Worte leg' ich in den Mund.
Sprichst du Segen, Gnadenbildnis?
Sieh, ein Pilger kommt zu Gast,
Soll er trostlos weiter wandern
Mit der schweren Herzenslast?
Kennst du das Heimweh?
jenen heißen Schmerz
Kennst du das Heimweh? jenen heißen Schmerz,
Von dem das Alpenkind nie kann gesunden
Im fremden Land: - so krankt nach dir mein Herz,
Seit ich der Heimat Bild in dir gefunden.
Der ganze Zauber meiner Berge liegt
Auf dir; so frei und stolz ist deine Stirne,
Brunellenbraun dein Aug', oft überfliegt
Es rosig dich, wie Alpenglüh'n die Firne.
Und wenn du sprichst! – Wie süßer Vogelsang
In's Waldesdunkel lockt, daß selbstvergessen
Der Wand'rer lauscht und folgt, bis endlich bang
Er nimmer weiß den Ausgang zu ermessen:
So folg' ich dir, stilltrunken, ohne Wahl
Und wie berückt von lieblichen Akkorden
In deines Herzens tiefgeheimstes Tal,
Bis rings die Welt zur Fremde mir geworden.
Der Schönste bist
du, Liebster, unter Allen
Der Schönste bist du, Liebster, unter Allen,
Mag auch dein Aug' kein Adlerauge sein,
So stolz und blitzend, auch nicht marmorfein
Die Züge, und dein Mund nicht wie Korallen.
Wem wäre nie der Zauber aufgefallen,
Den oftmals webt der Abendsonnenschein
Um ein Stück Heide oder Felsgestein.
Dran achtlos wir am Tag vorüberwallen?
Das ist dein Bild. Gleichgültig scheinst du, arm
An Worten, bis ein Fühlen, tief und warm,
Die sonst verschloss'ne Brust begeisternd schwellt:
Dann leuchtet auf dein stilles Angesicht,
Als fiel' darauf mit wunderbarem Licht
Ein Strahl aus deiner reichen innern Welt.
Soll ich
fröhlich scherzend lieben
Soll ich fröhlich scherzend lieben,
Knospengleich geschämig sein?
Soll ich Geistesfunken stieben
Wie die Flut im Sonnenschein?
Soll ich ernst gleich einer Nonne
Schweigsam in mein Inn'res seh'n?
Soll ich heiter gleich der Sonne
Lachend durch die Fluren geh'n?
Liebst du kühn entschloss'nes Handeln,
Ist es Scheu, die dir gefällt?
Sprich! Ein Wink kann mich verwandeln,
Schöpfer meiner Herzenswelt.
Ob schüchtern
auch dein Mund verhehle
Ob schüchtern auch dein Mund verhehle,
Was jeder Schlag des Herzens ruft,
In deinem Auge liegt die Seele
Wie auf dem Blumenkelch der Duft.
Sei wie du willst, sei ernst und schweigsam,
Sei kalt wie die Novembernacht,
Dämm' der Gefühle Flut unbeugsam
Zurück in deines Herzens Schacht —
Was frommt's, die Fenster zu verdunkeln
Des Saals, erhellt vom Lichterglanz,
Die kleinste Ritze sagt's mit Funkeln,
Daß drinnen wogt des Festes Glanz.
Was in dem Herzen
löst die Frage
Was in dem Herzen löst die Frage,
Wenn es in Liebe zweifelnd ringt,
Es gleicht dem ersten Lerchenschlage,
Der uns des Frühlings Botschaft bringt.
Es braucht kein prunkend Gunstbezeigen,
Nicht Reden, die gewählt mit Schick,
Es spricht's ein Wort, es malt's ein Schweigen
Es klingt's ein Ton, es strahlt's ein Blick.
Es ist ein Hin- und Widerwalten,
Ein Wunder, unergründlich tief,
Wie wenn zwei Rosen sich entfalten,
Die Eine Stund' ins Leben rief.
Und wie das helle Glutentbrennen
Des Himmels, das den Tag uns gibt,
So flammt das selige Erkennen
Beglückend auf: Du bist geliebt!
Wie schön es ist auf
Erden
Wie schön es ist auf Erden,
Nicht ahnt' ich's bis zur Zeit,
Nun muß ich inne werden
All' ihre Herrlichkeit.
Ich möcht' mit Blei beschweren
Den raschen Stundenflug,
In langem Zuge leeren
Der Freude vollen Krug;
Abpflücken alle Rosen —
Wer weiß, was kommen mag
Nach diesem wolkenlosen
Tiefblauen Sommertag!
Womit soll ich
vergleichen
Womit soll ich vergleichen,
Wie selig mir zu Mut?
Der Schiffer mag es wissen
Auf endlos weiter Flut;
Der schon seit langen Monden
Mit Segeln, kühn geschwellt,
Sucht, was er sah im Geiste,
Die neue Wunderwelt.
Von Tag zu Tag sinkt weiter
Sein Hoffen, einst so grün,
Von Tag zu Tag sieht finstrer
Er rings die Blicke glüh'n:
"Verlornes Müh'n!" Verzweifelnd
Faßt er des Schiffes Rand;
Da tönt vom hohen Maste
Das Jubelrufen: Land!
Immer muß ich
zitternd sorgen
Immer muß ich zitternd sorgen
Spät am Abend, früh am Tage
Um den Schatz, den tiefverborgnen
Heimlich ich im Herzen trage.
Muß umbau'n mit Dornenwänden
Rings die Pracht der jungen Blüte,
Daß vor frechen Bubenhänden
Ich die wunderselt'ne hüte.
Jeder Herzschlag macht mich bangen
Um das Glück, das ich empfinde:
Wie die Mutter muß ich hangen
An dem einz'gen Sorgenkinde.
Graue herbstliche
Gardinen
Graue herbstliche Gardinen
Hängen von des Himmels Rund,
Finster so wie deine Mienen,
Streng verschlossen wie dein Mund.
Zagend, hoffend aufwärts schauen
Muß ich mit verhalt'nem Weh,
Ob ich nicht ein Stück vom Blauen
Durch die Wolken schimmern seh';
Ob nicht eines Windhauchs Fächeln
Freundlich doch den Vorhang hebt,
Und das heitre Sonnenlächeln
Wieder um die Höhen schwebt.
Oft muß ich still
mich fragen
Oft muß ich still mich fragen:
Wie kommt's, daß süß beengt
Mich aller Pulse Schlagen
In deine Nähe drängt?
Wenn nicht dein Aug' so sinnend,
Wenn deinem Mund nicht blieb'
Das Lächeln, herzgewinnend,
Wärst du mir dennoch lieb?
Ich weiß es nicht. — Wer stähle
Der Lieb' sich auf den Grund?
Ich weiß nur: Deine Seele
Wird in den Zügen kund,
Die aus dem Aug', dem schönen,
Tief in die meine dringt,
Daß in verwandten Tönen
Mein ganzes Ich erklingt.
In dunkler Nacht
In dunkler Nacht
Da zähl' ich die Schätze, die mir eigen,
Wie möcht' ich all' ihre Pracht
So gern dir zeigen!
Da hol' ich aus des Herzens Grund
Ohn' alle Scheue
Die Liebe und Treue
Und werfe mit selig lachendem Mund
Die ganze bunte funkelnde Zier
Zu Füßen dir.
Doch nahst du am Tag,
Wenn hell und nüchtern alle Räume, —
Verwandelt mit einem Schlag
Ist, was ich träume.
So wertlos scheint mein Heiligtum,
Die Farbe verblichen,
Der Glanz entwichen . . . .
Mit zagem Finger wend' ich es um
Und schließ' es seufzend wieder ein
In den Herzensschrein.
Heute zärtlich süße Worte
Heute zärtlich süße Worte,
Morgen in gemess'ner Ruh',
Schließest du die goldne Pforte
Meines Himmels wieder zu.
Heut' ein Tag, ein frühlingslauer,
Blütenduft und Sonnenglanz,
Morgen Frost, Dezemberschauer,
Wintersturm und Flockentanz.
Wie dein Wille mir begegne,
Wehrlos halt' ich Allem Stand,
Ob sie strafe oder segne,
Küß' ich deine liebe Hand.
Aufs Neu beginnt,
wenn ich allein
Aufs Neu' beginnt, wenn ich allein,
Das alte Spiel, die alte Pein:
Des Zweifels finstere Gewalten
Mit ihren wechselnden Spukgestalten
Versuchen mit allen Ränken und Listen
Ins bange Herz sich einzunisten
Und steigen empor so drohend und schwer,
Wie vor den Mond ein Nebelmeer,
Bis deines Bildes lichte Pracht
Versinkt im dunklen Schoß der Nacht.
Doch wenn dein Blick mich wieder trifft,
Und les' ich seine klare Schrift,
So ist's, als brächen Morgenstrahlen
Allsiegend durch die Hülle der Qualen.
Was heimlich wob in des Herzens Gründen,
Erscheint mir als die ärgste der Sünden
Und brennende Scham färbt mein Gesicht; —
Du aber fühlst und ahnst es nicht,
Daß meine Seele in Reueglut
Stumm vor dir kniet und Buße tut.
Wär ich ein
Röslein tauig frisch
Wär' ich ein Röslein tauig frisch,
Ein Kind von sechzehn Jahren,
Hätt' meine knospenjunge Brust
Noch nie von Leid erfahren!
Wüßt' noch mein heit'res Leben nichts
Von Erdenlist und Lüge,
Daß mit dem ersten Perlenschaum
Ich dir's entgegen trüge!
Und doch — es wär' so reich und voll,
So tief nicht meine Liebe,
Wenn ihren lichten Farbenschmelz
Kein dunkler Grund umschriebe.
In dem kerzenhellen Saale
In dem kerzenhellen Saale,
Durch das bunte Festgedränge
Irrt mein Blick wohl hundertmale
Auf und ab die Menschenmenge.
Im lebend'gen Bilderbuche
Seh' ich stolze glatte Mienen,
Doch das Antlitz, das ich suche,
Find' ich nirgends unter ihnen.
Da ich müde und mit Schmerzen
Stumm den Blick zu Boden schlage,
Taucht in dem getäuschten Herzen
Plötzlich auf die bange Frage:
Werd' ich einst, wie jetzt, vergebens
Mit dem Aug', dem tränenblinden,
Starren ins Gewühl des Lebens
Und den Liebsten nimmer finden?
So willst
du heut schon wieder scheiden?
So willst du heut schon wieder scheiden?
Und ist's nicht morgen früh genug?
Hilf nicht dem Schicksal karg beschneiden,
Was uns're Lieb' an Blüten trug.
Laß an des Glückes Quell mich trinken
Noch einen einz'gen kurzen Tag,
Dann soll die Hand zum Abschied winken,
Die dich zu halten nicht vermag.
Dann will ich ohne Tränenzeichen,
Im Angesicht der Ruhe Schein,
Den Wanderstab dir selber reichen,
Nur heute, heute sei noch mein!
In stummer Lust
laß ich's gescheh'n
In stummer Lust laß ich's gescheh'n,
Daß mich dein Arm umflicht
Und dennoch möcht' ich bange fleh'n:
Tu's nicht!
Befiel! Ich geh' auf Dornengrund,
Der Schmerz wird süße Pflicht,
Kein Himmel lockt mich, sagt dein Mund:
Tu's nicht!
Was bin ich dir? Ein Sonnenstrahl,
Ein flüchtig Traumgesicht,
Bald wirst du ziehn trotz meiner Qual, —
Tu's nicht!
Dann hüllt mich Nacht, der Blitz schlägt ein,
Mein Lebensbau zerbricht,
Hab Acht, auch dich verletzt ein Stein, —
Tu's nicht!
Du weißt,
wie ich an meiner Heimat hange
Du weißt, wie ich an meiner Heimat hange,
Am Schnee der Firne, an der Kuppen Grün,
Am frischen Bergquell, dran die Rosen blüh'n,
Am Almenglück mit seinem Herdenklange;
Am Haus, wo ich gelauscht dem Wiegensange
Der Mutter, wo des Mädchens kindisch Müh'n
Der Puppe galt, am Stübchen, das erglüh'n
In Liebe sah der Jungfrau scheue Wange.
Doch seit du ferne, Liebster, ist verblichen
Der ganze Reiz, ein Friedhof scheint das Land
Voll Pracht doch tot: die Seele ist entwichen.
Was gilt dem Weib die Heimat? Wo es liebt,
Und wär's im Meer auf ödem Inselstrand,
Lacht ihm ein Himmel ewig ungetrübt.
Um meine Lieder ist
mir bang
Um meine Lieder ist mir bang,
Daß sie verwelken ohne Liebe,
Wie ohne Licht im Klostergang
Die krankhaft bleichen Blumentriebe;
Daß sie voll Sehnsucht folgen dir,
Auswand'rer nach erträumtem Lande,
Bis nach der Fahrt, fruchtlos und irr,
Das lecke Fahrzeug liegt am Sande.
Wir sind einander
fremd geworden
Wir sind einander fremd geworden,
Es zuckt mir deiner Lippe Scherz
Gleich einer Reifnacht Blütenmorden
Umfrostend durch das dunkle Herz.
Ich späh' umsonst in deinen Zügen,
Aus deinem Sinn wer sagt mir wahr?
So sucht sein Nest nach weiten Flügen
Ein ängstlich flatternd Schwalbenpaar;
Dem statt des Dachs, des gastlich trauten,
Das jährlich als sein Heim ihm galt,
Entgegenstarren stolze Bauten,
So marmorglatt und marmorkalt.
Fort! flüchtig, ob nach Süd, nach Norden!
Nur fort! und ohne Wiederkehr!
Wir sind einander fremd geworden,
Mein Herz hat keine Heimat mehr.
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