weiter
Quelle:
Neue Gedichte
Angelika von Hörmann
Leipzig 1893
Verlag von A.G.Liebeskind
I.
Wanderstrauß
Wanderlust
Am Wege
GeleiteAuf dem See
Gehst du mit?
Vollbesitz
Rast
Wanderlust
O Sonne, böse Schelmin du!
Du brachtest mich um Rast und Ruh'
Im Zimmer;
Durch Wies' und Feld, Wald und Gestein
Lockt mich dein lachend gold'ner Schein
Und Schimmer.
Du hast mein ganzes Herz berückt,
Die Fessel, die es lang gedrückt,
Will springen;
Im Wald, wo zwanglos reift, was blüht,
Darf ich entfalten mein Gemüt
Und singen.
Am Wege
Ein steinern Bildnis steht am Wege,
Bekränzt mit frischem Laubgewind,
Dem Heiligen zu frommer Pflege
Ersann die Zier ein Bauernkind.
So halt' auch ich's mit meinen Grüßen;
Statt Blumen, üppig grün umlaubt,
Leg' ich die Lieder dir zu Füßen
Und schling' sie um dein schönes Haupt.
Und ob in Zürnen, ob in Hulden
Dein stolzer Sinn mir sei gewillt,
Daß ich dich schmücke, mußt du dulden
Gleich jenem kalten Heil'genbild.
Geleite
Gilt es ein Wandern leicht und schnell
Das Tal entlang,
Sei, wer da will, dein Spielgesell
Zu frohem Gang.
Doch wenn nach sich'rer Stütze sucht
Dein banger Schritt
Tief in der Schmerzen dunkle Schlucht,
Da nimm mich mit.
Auf dem See
1.
Laß es schwanken unser Schifflein!
Wie dem Kind ist mir zu Mut,
Das von Mutterhand geschaukelt
Sorglos in der Wiege ruht.
Sieh, die Sonne wirft mir Spielzeug
Funkelnd auf das Wellenblau,
Strahlenblitze, gold'ne Stunden,
Leuchtend aus des Lebens Grau.
Schläft ein Sturm in jenen Wolken?
Geht ob dunklem Grund die Fahrt?
Steure zu! Nichts will ich wissen,
Als die holde Gegenwart.
2.
Ein wellenkräuselnd Lüftchen nur,
Kaum sah im Wasser man die Spur,
So kam es angeflogen;
Süß wars, auf der Gefühle See
Zu schaukeln sich in Lust und Weh
Auf immer stärkern Wogen.
Nun aber schäumt's im Wellenschoß,
Kein Steuer hilft, kein Ruderstoß
Errettet vom Ertrinken;
O weh dir Schifflein auf der Flut!
Wenn nicht der Himmel Wunder tut,
So mußt du untersinken.
Gehst du mit?
Gewitterschwer und dunkel
Lag es am Bergesrand
Und blendend Blitzgefunkel
Zuckt' nieder auf das Land.
Schon dröhnte der himmlische Donnerritt —
Da frugst du mich mit Necken:
"Durch die Gewitterschrecken
Gehst du mit?"
Gewiß! Ich will nicht weichen,
Ging's über Berg und Fluß,
Wär's unter Schicksalsstreichen,
Wär's unter Tränenguß.
Nicht scheute schwankend zurück mein Schritt
Vor Wagen und Entsagen —
Wie nun, wenn ich wollt' fragen:
"Gehst du mit?"
Vollbesitz
Eine einz'ge Soldanelle
Find' ich hier an sonn'ger Stelle
Nach ermüdend langer Fahrt!
Soll ich nun mich sorglich bücken
Und bescheid'nen Sinnes pflücken,
Was als Lohn mir aufgespart?
Soll ich ihre flüch'gen Blüten
Als den Mitleidspfennig hüten?
Wenn der Durst mich brennend quält,
Soll ich nippen nur zur Gnade?
Mag sie welken an dem Pfade,
Weil der volle Strauß mir fehlt.
Rast
Waldesstille, hoch da droben,
Laß mich ruhn in deinem Kreise!
Kaum ein Wipfel wagt zu flüstern,
Nur verstohlen pfeift die Meise.
Fern verhallend rollt's im Tale,
Schleppt das Dampfroß schwere Lasten,
Brandet hoch die Menschenwoge,
Steigt und fällt im ew'gen Hasten.
Mitten im lauten Schwalle,
Überbraust vom Lärm der Menge,
Schlug mein Herz da nicht verlass'ner
Als in dieser Waldesenge?
Wo ich aus den Sommerfäden
Eine Wunderwelt mir spinne,
Über mir den blauen Himmel
Und ein heimlich Glück im Sinne?