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II.
Poesie und Wirklichkeit 2

 

Ständchen
Spätherbst
Schneeflocken
Frühlingsdrang
Einem Freunde
Asyl
An Christian Schneller
Das Schatzkästlein
Der geächtete Troubadour
Am Berg Isel

Ständchen


Vom Träume fuhr ich Nachts empor,
Erschreckt von Brausen und Klingen,
Es wollte draußen ein wilder Chor
Mir spät ein Ständchen bringen.

Akkorde heulten auf und ab,
Die Bäume ächzten gebogen
Und wo's ein welkes Laub noch gab,
Ist weit es fortgeflogen.

Dann endlich rauschte durch's öde Revier
Der Regen vom Himmel, den düstern,
Als wollten die rieselndem Tropfen mir
Von meiner Liebe flüstern.

Spätherbst

Auf dem Talweg, den die dichten
Brombeerhecken eng umranken,
Schritt ich einsam, als Geleite
Zogen spielend die Gedanken.

Schöner als die Flur im Frühling
Grünten rings die Herbstsaatfelder,
An den Berg wie Abschiedssträuße
Schmiegten sich dir bunten Wälder.

Und wie ein verklärtes Auge
Schwimmt im Glanz, im tränenfeuchten,
Sah herab die reine Bläue
Mit so wundervollem Leuchten,

Daß der Wanderzug der Vögel
Zweifelnd anhielt seine Reise,
Daß der Strauch verwundert aufschlug
Seine Knospenwimpern leise;

Daß auch ich, wie lustdurchschauert,
Schlug bewegt den Blick zur Erden;
Süß Erinnern frug im Herzen:
Will noch einmal Frühling werden?

Schneeflocken

1.
Es hat zum ersten Mal geschneit,
Weiß liegt es auf allen Straßen,
Die letzte Blume muß das Feld
Und ich mein Lieb verlassen.

So Baum als Gras ist abgedorrt,
Der Strauch vom Reif umzogen;
Die Wandervögel sind alle längst
Hellsingend fortgeflogen.

Und eh' über's Jahr der Frühling kommt,
Muß wohl viel Eis zergehen;
Mein Schatz, das weiß der liebe Gott,
Wann wir uns wiedersehen!

2.
Der schöne Sommer floh dahin,
Er tat es Keinem zu Liebe;
Auf Sturmesschlitten der Winter naht
Mit pfeifendem Peitschenhiebe.

Und wie er die Geißel sausend schwingt,
Die letzten Vöglein zu jagen,
Da haben deine Lieb' zu mir
Die Schwalben davon getragen.

3.
Es liegt hellroter Abendrauch
Am Wald, dem blätterlosen;
Das hat die Erde zum Trotz getan
Dem Frühling und seinen Rosen.

Und weil sie der Liebste verlassen hat,
So will sie dem Winter gefallen;
Sie hüllt sich in das schönste Kleid
Von blitzenden Eiskristallen;

Schmückt Baum und Strauch damit, als sollt'
Sich Knosp' an Knospe lehnen,
Sie hat wohl Nachts um den Lenz geweint:
Es sind gefrorene Tränen.

4.
Es hüllt die Nacht in tiefe Schatten
Die schneebedeckten Straßen ein;
Die Lampen sind wie gold'ne Schlüssel
Und öffnen uns den dunkeln Schrein.

Hab' auch in tiefe Nacht verborgen,
Was ich im Herzen heimlich pfleg';
Nur meine Liebe werfen helle
Streiflichter über meinen Weg.

5.
Durch das gefror'ne Fenster will
Ein Strahl in's Zimmer schielen;
Du flatterhafte Sonne du,
So fröhlich kannst du spielen?

Und währt so lang', bis endlich kehrt
Der Frühling von der Reise!
Was Tag's du mühsam aufgetaut,
Wird Nachts zu neuem Eise.

Mir gehr es gleich, ich weiß es wohl;
Mein Hoffen, Bangen, Sehnen, —
Was mich am Tag so froh gemacht,
Ich büß' es Nachts mit Tränen.

6.
Die Fenster sind hell erleuchtet
Und schimmern durch die Nacht;
Christkindlein hat den Kindern
Viel Schönes mitgebracht.

Die jubeln froh und gläubig,
Mich treibt's von der frohen Schar
Hinaus, wo die Sterne glänzen
Und leuchten wunderbar;

Zu schauen den großen Christbaum,
Den mir am blauen Feld
Mein Himmelsvater droben
So herrlich aufgestellt.

7.
Es hängt von Wolken rings umdüstert
Der Himmel bleiern schwer herab;
Uns was der kalte Windhauch flüstert,
Ist Hohn nur auf das weite Grab.

O werdet grün ihr kahlen Bäume,
Am jungen Strauch, o Röslein blüh!
Komm Frühling, bring' mir neue Träume,
Und gib mir wieder Poesie!

Frühlingsdrang

Nun schwellen alle Knospen
Grün wird es weit und breit;
Ich merk' es tief im Herzen,
Es kommt die Frühlingszeit.

Einst war es auch im Frühling,
Als ich am Hügel stand
Und Wolken und Vögel schickte
Hinaus in's weite Land

Zum stillen Herzensgruße
An den, den ich geliebt;
Wie hab' ich gelauscht in Träumen,
Ob nichts mir Antwort gibt.

Ich nenne alles mein eigen,
Für was mein Herz so schlug.
Und doch — was soll das Klopfen?
Herz hast du nie genug?


Einem Freunde

Ist dir genug die schlichte Frauenseele,
Die einem Tale gleicht, das bergumschlossen
Nur jene Sterne kennt, die glanzumflossen
Sein Himmelsfleckchen schmücken als Juwele:

Dann magst du es so halten, dann verhehle
Mir keine Blume, die dir schön entsprossen,
Und ob dich böses Schicksal macht verdrossen,
Ob dich ein Weh, ein stillgehegtes, quäle —

Ein Dichterherz hat stets genug zu tragen,
Wo Andern wohl ist, fühlt es sich gekettet —
O, bring' zu mir dein Jubeln und dein Klagen!

Wie jener Schatz im Rheine wohl gebettet,
So ruh's in meiner Seele tiefsten Grunde
Und keiner Welle Spiel geb' davon Kunde.

Asyl

Ich traue Keinem, der recht fein gedrechselt
Mir Liebes sagt mit schlangenglatten Worten,
Ich denk', die Schildwach' ist's, die stündlich wechselt,
Zu wachen vor des falschen Herzens Pforten.

Auch Jenen nicht, der all' mein Tun und Meinen
Mir vorwirft kalt mit liebelosen Scherze,
Das, denk' ich, ist des Blitzes Widerscheinen
Und deutet auf verhehlten Hasses Schwärze.

Falsch sind die Blumen; was sie dem West sie schwuren,
Küßt weg der Schmetterling; der ruhelose
Bergstrom verläßt sein Tal, der Lenz die Fluren,
Der Tag verspielt sein Gold der Nacht im Schoße.

Doch hab' ich ein Asyl; von dem die halbe,
Die ganze Welt nichts weiß, und wo der Müden
So wohl ist, wie der frosterstarrten Schwalbe
Bei immergrünen Palmen dort im Süden.

Es ist dein Aug', das lügenlose, blaue,
Und stets erblüht der Glaube mir auf's Neue
An Menschenwert, wenn ich nur wieder schaue
In diesen klaren Morgenstern der Treue.

An Christian Schneller

Es war in böser Zeit, in schwülen Tagen,
Da klang vom Etschstrom her ein kühnes Singen;
Der welsche Wind, der nahm's auf seine Schwingen
Und hat es fluchend über's Joch getragen.

Bei Gott! es war ein ritterliches Wagen,
Im fernen Land, wo fremd die Zungen klingen,
Wo Dolch und  Tücke sich zum Bunde schlingen,
Für deutsches Recht die Leier anzuschlagen.

Des habe Dank! Es grüßen dich zum Zeichen
Die stillen Hütten an den Felsenschürfen,
Die Alpenrosen und die grünen Eichen,

Daß sie nur deutsche Stirnen schmücken dürfen;
Und duftend grüßt dich jede Fichtennadel,
Du Liedesritter ohne Furcht und Tadel.

Das Schatzkästlein

Ich hab' ein tiefverborg'nes
Schatzkästlein eigner Art,
Kein Geisterflämmchen kündet
Den Ort, wo es verwahrt.

Manch' Denkring ruht darinnen,
Viel echtes Liedergold,
Und Tränendiamanten,
Die ungesehn entrollt;

Und eine verscholl'ne Münze
Liegt im geheimsten Raum —
Wohl nimmt sie jetzt kein Wechsler —
Mein stiller Liebestraum.

Der geächtete Troubadour

1.
Ich bin gelegt in Acht und Bann
Nach schweren Strafgesetzen;
Für vogelfrei erklärt, es kann
Mich Jedermann verletzen.

Ihr sendet manches scharfe Wort
Mir nach gleich spitzen Pfeilen, —
Ei seht doch jenes Vöglein dort
Gescheucht von dannen eilen.

Am höchsten Baum wo's ihm gefällt,
Läßt es sich ruhig nieder,
Da spottet es der ganzen Welt
Und singet seine Lieder.

2.
Frei sing' ich meine Lieder
Wie über Straße und Haus
Die Glocke hoch vom Turme
Tönt in die Luft hinaus.

Oft hat man Sturm geläutet
Und an dem festen Strang
Mit solcher Macht gezogen,
Daß fast die Glocke sprang.

Vielleicht am Feierabend —
Ging längst der Klang zur Ruh' —
Denkt einer: Da nahm der Meister
Bein Gießen Gold dazu.

3.
Versucht es, sperrt mich in den Kerker,
Den Geist habt ihr nicht festgebannt;
Ihn tragen seine Dichterträume
Hinaus, hinauf in's Heimatland.

Versucht es, kühlt mit Regenströmen
Des Lavaberges heiße Glut,
Dann tötet erst das heil'ge Feuer,
Das tief in meiner Seele ruht.

Löscht Sterne, daß sie nimmer leuchten,
Gebietet ihrem stolzen Flug,
Dann kommt und brechet meine Schwinge,
Die mich zu ihnen aufwärts trug.

Und raubet ihr mir selbst das Leben!
Brecht dieses enge Haus entzwei —
Ich will euch diese Sünde danken,
Dann erst, ihr Toren, bin ich frei.
4.
In frischer sorgenloser Jugendzeit
Hab' ich der frohen Herzen viel gefunden,
Nun treffen Schmerzen mich und Bitterkeit
Und ach! selbst meine Freunde sind verschwunden.

Ich fühl' es wohl, dem Marmor bin ich gleich,
An dem des Künstlers scharfer Meißel schaltet,
Wohl viele Wunden gibt's, manch' rauhen Streich,
Bis d'raus ein Kunstwerk herrlich sich gestaltet.

Doch könnt' es sein, daß sie nach manchem Jahr
Um meine Stirn den Lorbeer möchten weben,
Und angegafft von blöder Pöbelschar
Ein Steinbild fänden ohne Glut und Leben.

Am Berg Isel
Bei der Eröffnung der Brennerbahn

Die Bahn ist frei! nun Gott zum Gruß,
Mein herrliches Tirolerland!
Die Bahn ist frei! Dank jedem Schuß,
Der sprengte diese Alpenwand;
Auf Schläfer aus der trägen Ruh'!
Nun geht's im Sturm, nicht mehr im Schritt,
Die Bahn ist frei, so ruf' auch du:
Auch wir Tiroler wollen mit.

Hinaus, wo's winkt so hoffnungsvoll,
Das deutsche Land im Dunst verschwimmt;
Hinab, wo am Salurner Zoll
Das heim'sche Grüßen Abschied nimmt.
Denn du bist Beiden stammverwandt,
Tirol, von Gletschereis gekrönt,
Ein blanker Riesendiamant
Am Ring, der Deutsch und Welsch versöhnt.

Dort winkt der Iselberg; da hat
Tirol, vom fränk'schen Feind bedrängt,
Gepflückt sein schönstes Ehrenblatt,
Doch ist's mit Bruderblut besprengt.
Was stehst du, Beier, trotzig stumm,
Jetzt gilt kein müßiges Bereu'n,
Schenk' mir dein Herz, ich geb' dir d'rum
Den Lorbeerkranz von anno Neun.

Du Welscher auch, gib frei Gelaß,
Wir haben blutig uns gerauft,
Nun sei der tausendjähr'ge Haß
In Bruderküsse umgetauft;
Wir haben Wälder, stolzen Schlags,
Du grüner Ölbaumgärten Pracht,
So halten friedlich eines Tags
Wir nachbarliche Ernteschlacht. —

Nun fort in kühler Morgenluft!
Ein heller Pfiff tönt gellend nach;
Bis in die fernste Taleskluft
Ruf' er ein freudig Echo wach.
Auf Alpensohn! im Vaterhaus
Hast du nun lang genug geruht,
Hinaus nun endlich, wag den Strauß
Und wahr' dein frisch Tirolerblut!