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II.
Vermischte Sonette

 

Wie still und friedlich ist's im Waldesgrund!
Das ist der Fluch seit ersten Schöpfungszeiten
Wir wandeln Seit' an Seite stumm und kühl
Vielleicht — und dieses ist die bitt're Neige
Wer frevelnd eines Menschen Blut vergossen
Nun glaub' ich fest an deines Wesens Güte
Führwahr, es ist ein überweiser Rat
Wie scheint am Tag die Landschaft ausgeglichen
Ein reifes Weib mit einem Mädchenherzen
Seit ich die Kinderschuhe abgelegt
Hab' auf der Leidenschaften Funken acht
Jetzt willst du scheiden, Liebster, jetzt?
Umsonst mein Hegen und mein sorglich Pflegen

 

Wie still und friedlich ist's im Waldesgrund


Wie still und friedlich ist's im Waldesgrund!
Wie süß, zu flüchten in die Einsamkeit
Vor all dem Menschenwahn, vor Haß und Neid,
Von dem das müde Herz zu Tode wund.

Wenn ich so liege unterm Himmelsrund
Dünkt mich, es käm' zurück die gold'ne Zeit,
Da Muttersegen mich zum Schlaf geweiht
Und alle Tränen weggeküßt ihr Mund.

O, Wald! dir sang ich jauchzend einst mein Hoffen,
Nun such' ich Heilung, wie nach heißem Jagen
Ein blutend Wild, vom scharfen Blei getroffen.

Es gibt ein Maß im Kampf mit bittern Tagen —
Wem dies zu überschreiten ward beschieden,
Ersehnt nichts weiter mehr als Ruh' und Frieden.

Das ist der Fluch seit ersten Schöpfungszeiten

Das ist der Fluch seit ersten Schöpfungszeiten:
An alles, was da hoch und königlich,
Klebt niederes Gewürm voll Tücke sich,
Um es zu frühem Falle zu bereiten.

Indes noch schattend sich die Äste spreiten,
Nagt schon am Lebensmark mit gift'gen Stich
Der Neid, die Bosheit, die mit List und Schlich
Die Wurzeln untergräbt von allen Seiten.

Und endlich fällt als Beute finst'rer Mächte
Mit allem Blätterschmuck der stolze Baum,
Mit seinem Vogelsang und Frühlingstraum.

Ich hab' es längst gewußt: die Stunde droht,
Da meines Herzens Pracht sinkt in den Tod,
Denn seit dem Paradiese siegt das Schlechte.

Wir wandeln Seit' an Seite stumm und kühl

Wir wandeln Seit' an Seite stumm und kühl,
Als hätten nie wir innig uns umfaßt,
Nie Herz an Herz zu traulich süßer Rast
Geflüchtet aus dem schalen Weltgewühl.

Das trotz'ge Haupt verschmäht den Ruhepfühl,
Den Arm, der sonst ihm half die Last;
Gefesselt liegt wie unter Eisesglast
In dunkler Tiefe lautlos das Gefühl.

Geht das so fort, so fürcht' ich, daß die Schmerzen,
Die Freuden alle, die wir uns verhehlen,
Den Pfad zerstören zwischen unsern Seelen;

Und scheidet eine Kluft erst uns're Herzen,
So wird sie stetig auseinanderrücken,
Bis keine Kunst sie weiß zu überbrücken.

Vielleicht – und dieses ist die bitt're Neige

Vielleicht – und dieses ist die bitt're Neige,
Der herbste Tropfen in dem Schicksalstrank —
Vielleicht, erwäg' ich still, zollst du mir Dank,
Kehr' scheidend ich den Rücken dir und schweige.

Vielleicht, indes den Kampf ich keinem zeige,
Den heißen Schmerz, dran meine Seele krank,
Frohlockst du heimlich, weil du frei und frank,
Weil, was dir längst verdorrt, sich löst vom Zweige.

Mir aber ist es, soll ich dich vermissen,
Als würd' ich ausgesetzt im Weltenmeer
Allein auf einem Eiland, wüst und leer,

Und säh' das Schiff, mit allem Lebensgut
Befrachtet, weiter segeln auf der Flut,
Bis es für immer meinem Aug' entrissen.

Wer frevelnd eines Menschen Blut vergossen

Wer frevelnd eines Menschen Blut vergossen,
Der wird bestraft mit Eisen und mit Strang
Und, will man gnädig sein, auf lebenslang
Der Menschheit fern im Kerker eingeschlossen.

Doch wer getötet mit des Worts Geschossen,
Nach fremder Ehre frech die Waffe schwang
Und Menschenglück zertrat auf seinem Gang,
Geht frei dahin, mit Ehren übbergossen.

Und doch ist minder schuldig kaum sein Haupt,
Ob eine Fürstenkrone selbst es decke.
Was gilt das Leben, wenn sein Wert geraubt?

Wer als Strolch, auflauernd im Verstecke,
Auf seines Nächsten Ehre führt den Streich,
Den acht' ich einem Meuchelmörder gleich.

Nun glaub' ich fest an deines Wesens Güte

Nun glaub' ich fest an deines Wesens Güte,
Seit mit Verleumdung man, mit Hohn und Spott
Dich überhäuft, wie einst den Christengott
Das Pharisäervolk, das haßerglüte.

Wer adlig ist im innersten Geblüte,
Nicht mit der Menge geht den Alltagstrott,
Da Herz und Geist von feinerm Korn und Schrot,
Wer nie um ihre feile Gunst sich mühte:

Der wird gelästert und ans Kreuz geheftet.
Was falsch ist, haßt das Echte wie den Tod,
Weil dieses bald des Blendwerks Trug entkräftet.

Doch hieß mich schweigen auch ein streng Gebot,
Als deines Feindes Bosheit dich beschuldigt,
Hat meine Seele deinem Wort gehuldigt.

Führwahr, es ist ein überweiser Rat

Führwahr, es ist ein überweiser Rat:
Auf daß man nie betrogen sei im Leben,
Nie warm und voll sein Inn'res hinzugeben,
Eh man nicht sicher und verbrieft es hat.

Unkraut zu wittern in der frischen Saat,
In jeder Frucht des argen Wurmes Weben,
Bei jedem Wort vor Hinterhalt zu beben,
Als Selbstsucht anzulegen jede Tat.

Nach solcher Richtschnur handeln nennt man klug,
Doch litt' ich, wollt' ich so die Dinge schauen,
Nicht tausendmal, ihn fürchtend, den Betrug?

Nein! täuschte stets mich wieder mein Vertrauen,
So lang mein eig'nes Herz an Treue hält,
Weiß ich, daß sie noch möglich auf der Welt.

Wie scheint am Tag die Landschaft ausgeglichen

Wie scheint am Tag die Landschaft ausgeglichen!
Nichts Schroffes und nichts Finst'res bleibt im Tal,
Den tiefsten Grund erhellt ein Sonnenstrahl,
Selbst in die Kluft hat Licht sich eingeschlichen.

Doch nachts, wenn rings die Helle ist entwichen,
Ersteh'n im Wald und Schlucht mit einemmal
Unheimliche Gespenster ohne Zahl
Und alles zeichnet sich mit andern Strichen.

So scheint mir in verschiednem Licht mein Handeln:
Jetzt seh ich klar den Pfad, der zu durchwandeln,
Dann dunkelt es und mir beginnt zu grauen.

Soll ich den Tag, soll ich der Nacht vertrauen?
Und liegt, wie stets, die Wahrheit in der Mitte,
Wird nicht das Zwielicht täuschen meine Schritte?

Ein reifes Weib mit einem Mädchenherzen

Ein reifes Weib mit einem Mädchenherzen!
Gibt's eine größ're Törin auf der Welt?
Und doch ist also mir der Sinn bestellt,
Der mir zur Quelle wird von tausend Schmerzen.

In Tagen, wo sich Wetterwolken schwärzen,
Da soll's nicht sprossen erst im Ackerfeld,
Das Auge sucht nach Ähren, vollgeschwellt,
Denn Sommer ist's und nicht die Zeit des Märzen.

Wenn uns der Lenz sein Blütenwort nicht hielt,
An Sonnenmangel seine Knospen starben,
So ist die Jahreshoffnung auch verspielt;

Und was die heißen Monde noch erzielt
Mit Glanz und Schimmer, Blumenduft und Farben,
Sie bringen's nimmermehr zu reichen Garben.

Seit ich die Kinderschuhe abgelegt

Seit ich die Kinderschuhe abgelegt,
Beug' ich vor einem Bild mich still entzückt,
Das ich dem frechen Aug' der Welt entrückt,
Und das der Altar meines Herzens trägt.

Im Nebel ist's mein Kompaß unbewegt,
In dunkler Nacht mein Sternbild, unverrückt,
Mit Liedesblüten hab' ich es geschmückt,
Wie man sein Heiligstes zu zieren pflegt.

Du hast gar manche Züge von dem Bilde:
Den Geistesernst, den Stolz, des Auges Milde,
Die Herzensandacht und den leichten Spott;

Doch wüßte einer gänzlich ihm zu gleichen,
So müß't ich doch vom Glauben an dich weichen
Und mich bekennen zu dem neuen Gott.

Hab' auf der Leidenschaften Funken acht

Hab' auf der Leidenschaften Funken acht!
Er gibt kein Spiel wie wohl zur Sommerstunde
Ein leuchtend Käferchen; tritt ihn zu Grunde,
Laß ihn nicht glimmen heimlich unbewacht.

Er wächst empor mit immer größ'rer Macht,
Dein Sinnen reißt, dein Handeln er zum Bunde,
Bis plötzlich dich erschreckt die Feuerkunde
Und deines Lebens Bau in Trümmer kracht.

Dann stehst du einsam, aller Habe bloß,
Das Aug verdunkelt und erschlafft die Hände,
Und klagst die Sterne an ob solcher Wende.

Doch ruhig über dir kreist ihr Gewimmel,
Kein Wunder fällt herab in deinen Schoß —
Aus selbst gewollter Not hilft dir kein Himmel.

Jetzt willst du scheiden, Liebster, jetzt?

Jetzt willst du scheiden, Liebster, jetzt? O sag',
Weißt du auch, was du tust? Es warf in Splitter
Die Lieb' mein Leben und, ein Ungewitter,
Traf sie der Zukunft Saat mit Hagelschlag.

Und wo ein Halm noch nicht am Boden lag,
Hab' ich ihn selbst geknickt, ein toller Schnitter,
Auf deinen Wink hätt' ich zu Tand und Flitter
Die Welt verworfen wie die Ros' am Hag.

Und jetzt, da ich ein armes Bettelkind,
Jetzt gehst du fort und lässest mich zurück
Im Stoppelfeld, wo mit dem Herbsteswind

Herzlose Raben höhnen meinen Schmerz:
"Recht wird der Törin, die gebaut ihr Glück,
Ihr ganzes, auf ein flüchtig' Menschenherz!"

Umsonst mein Hegen und mein sorglich Pflegen

Umsonst mein Hegen und mein sorglich Pflegen
Des Glückes Blume, die ich frisch geglaubt,
Sie sank dahin, verdorrt und sturmentlaubt,
Es lag auf ihrem Blüh'n kein Himmelssegen.

Statt lauer Mailuft, lindem Sommerregen,
Entbrannt es heiß und sengend auf ihr Haupt
Und gift'ger Tau, der Mark und Leben raubt,
Hat Nacht um Nacht in ihrem Kelch gelegen.

Nicht jene Perlen, die mit buntem Schimmern,
Die welke Flur in neues Grün zu kleiden,
In heit'rer Frühe an den Halmen flimmern —

Nein, fremde Tränen netzten meine Rose
Und ihre Wurzel stand in and'rer Leiden,
Drum fielen auf Vernichtung ihre Lose.