Woher der Frühling mir gekommen
Woher der Frühling mir gekommen?
Von Ost, von West sein Hauch so warm?
Und welchen Himmelsflug genommen
Der rückgekehrte Liederschwarm?
Warum, was schien verdorrt seit Jahren,
Nun fröhlich grünt im Gartenbeet?
Ich kann euch nimmer offenbaren,
Was der Poet selbst nicht versteht.
Ob in die frischbebaute Erde,
Ob in die Menschenbrust es dringt,
Ein Wunder bleibt das Wort: Es werde!
Fragt nicht! Genug, es blüht und singt.
Ein Rosenstrauch hoch oben stand
Ein Rosenstrauch hoch oben stand,
Da ist's mir schlimm ergangen,
Denn blutig riß ich meine Hand,
Die Rosen zu erlangen.
Doch lieber trag' ich mit nach Haus
Die scharfen Dornenspuren,
Als mir zu pflücken einen Strauß
Müh'los auf Wiesenfluren.
Es war ein sonniger
Tag im März
Es war ein sonniger Tag im März
Und taute und rieselte allerwärts;
Ich saß am Fenster, das offen stand,
Den Kopf geneigt in meine Hand.
Der war mir so voll und gedankenschwer,
Viel Schriften lagen um mich her.
In hohen Reimen wollt' ich singen
Von böser Zeit und ernsten Dingen;
Ich wollte zeigen: die Welt ist schlecht
Und mahnen die Menschen zu Pflicht und Recht,
Doch konnt' ich den Fluß der Worte nicht finden,
Die Bilder nicht fassen und formen und binden.
Da strich der würzige Erdgeruch
Um meine Wange, um Schrift und Buch,
Das Sonnenlicht fiel aufs weiße Papier,
Bis meine Augen geblendet schier.
Verstohlen schlüpfte der warme Schein
Zum tiefsten Herzenswinkel hinein
Und fegte rasch mit dem Strahlenbesen
Heraus, was drinnen begraben gewesen.
Mir ward so wohl, sehnsüchtig weit,
Wie einst in verklungener Jugendzeit,
Und ich sang, was ich nimmer singen gewollt,
Von Frühling und Liebe und Sonnengold,
Von törichten Dingen ohne Frag'
Und doch das Rechte an solchem Tag.
Es war ein sonniger Tag im März.
Soll ein Lied dir
frisch gelingen
Soll ein Lied dir frisch gelingen,
Muß es, eine kecke Tat,
Rasch aus vollem Herzen springen
Wie der Gletscherbach vom Grat;
Der nicht wie der Fluß im Tale
Träge schleichen darf und still,
Wenn er hoch im Sonnenstrahle
Bunte Perlen stäuben will.
Nur zu mit deinem
Wetterstreich
Nur zu mit deinem Wetterstreich,
Du drohend Hochgewitter,
Und wenn's dich freut, so schlag mir gleich
Das ganze Haus in Splitter!
Ich will den ganzen Sonnenschein,
Kein herbstlich Glück, kein falbes,
Brichst du mit voller Macht herein,
Nur zu! Ich will nichts Halbes!
Dann läßt doch etwas hochgeschwellt
Die Pulse stolzer schlagen:
Das größte Leid der argen Welt
Ich weiß, man kann's ertragen!
Rosen, frisch
vom Strauch geschnitten
Rosen, frisch vom Strauch geschnitten,
Schöner prangt ihr tausendmal
Nur vom Blättergrün umschlugen,
Als in eines Straußes Mitten,
Wo man eurer Schönheit Strahl
Kunstreich in die Form gezwungen.
Jene Ros' im Lebensgarten
Dünkt am lieblichsten dem Blick,
Die in raschem Gunstbeglücken —
Wenn wir nicht im Traum erwarten
Solch ein plötzlich Frohgeschick —
Götter uns vom Strauche pflücken.
Willst andern du
erscheinen
Willst andern du erscheinen
Als gern geseh'ner Gast,
Komm nie mit Klag' und Weinen,
Wie sehr du Grund auch hast.
Ob auch dein Herz sich härme,
Befolg' der Sonne Rat,
Die sendet Licht und Wärme,
Auch wenn zerstört die Saat.
Kein Mensch mag gerne wissen,
Was still ein Fremder trug,
An Leid und Kümmernissen
Hat jeder selbst genug.
Wie schnell
geht doch im Sinn der Welt
Wie schnell geht doch im Sinn der Welt
Die Wetterwende!
Was heut' sich fest umschlossen hält
Und drückt die Hände, —
Ein Blick genügt, ein scheeles Wort,
Dann bricht wie Glas der Bund sofort,
Was liebend ging in Paaren
Das läßt sich fahren.
Mein Herz allein nur drückt der Fluch
Der steten Treue,
Und reizt im Lebensbilderbuch
Niemals das Neue.
Vergessenwollen? eitel Ding!
Es hängt, woran es einmal hing,
Und trägt so Haß als Lieben
In Erz geschrieben.
Kannst du ein
Schicksal wenden
Kannst du ein Schicksal wenden
Aus Nacht zu sonnigem Glück —
O gib mit vollen Händen
Und zieh' sie nicht zurück.
Bald sproßt zu deinen Füßen
Empor die gute Saat;
Wenn daraus die Lerchen grüßen
Gilt's deiner Liebestat.
Es strahlt in trübe Tage
Erinn'rung dir als Lohn,
Daß einst du hieltest die Waage
Gleich einem Göttersohn.
Was noch kein Weltbezwinger
Schuf mit gezücktem Erz,
Das weist dein stolzer Finger:
Ein seliges Menschenherz.
Am Waldsaum lag
ich kummerschwer
Am Waldsaum lag ich kummerschwer,
Rings Grün und Sonnenschein umher,
Die Vögel sangen aus voller Brust,
Die Falter wiegten sich voll Lust;
Den Blumenduft trug süß und lind
Zu mir herauf der Morgenwind,
Und nur an meiner Wimpern Kreis
Hing eine Träne still und heiß.
Verlangend sein zu jeder Frist
Nach dem, was so unmöglich ist,
Als daß ein Stern vom Himmel fällt;
In dieser reichen, schönen Welt,
Wo alles lebt, für Freude tot,
Sich schaffen selber Schmerz und Not —
Fürwahr, so übertöricht sein
Kann nur ein Dichterherz allein.
Einst stand um meine
Wiege
Einst stand um meine Wiege
Der Kreis der Schicksalsfrau'n,
Die steinern harten Züge
Gar seltsam anzuschau'n;
Mit finsteren Gebärden
Verriet mein Los die Rund':
"Das Kind soll Dichter werden!"
Erscholl's von Mund zu Mund.
Drauf folgt' ein Gunstbezeigen
Mit Gaben Stück für Stück,
Wie sie dem Sänger eigen:
Die Sehnsucht nach dem Glück,
Das niemals zu besitzen,
Die Träume märchengleich,
Und in der Welt voll Spitzen
Das Herz wie Wachs so weich.
Den Blick, der sternenschauend
Versäumt das nächste Ziel,
Den Kindersinn, vertrauend,
Betrogen stets vom Spiel;
Erst der Begeist'rung Gluten,
Dann Täuschung, Bolz um Bolz,
Wie Sankt Sebastian bluten
Einst mußt' am Marterholz.
Zuletzt, ihr Teil zu spenden,
Naht auch die gute Fee,
Sie klagt: "Ich kann's nicht wenden
Dies Los voll Leid und Weh;
Doch wenn an tausend Wunden
Dein weich Gemüt erkrankt,
Hab' ich das Kraut gefunden,
Dem Heilung es verdankt.
Ich geb' dir eine Minne,
Wie Mondlicht mild und klar,
Tief ruhend dir im Sinne,
Wunschlos, unwandelbar.
Ihr Segen soll dich leiten
Durch deines Lebens Frist,
So daß zu allen Zeiten
Du dennoch glücklich bist."
Wohl
hundertfarbig auf den Matten
Wohl hundertfarbig auf den Matten
Erblüht's und winkt im Sonnenschein;
Verlangt dich, Herz, aus kühlem Schatten
Nach solchem hellbeglückten Sein?
Durch eng verschränkter Äste Lücken
Erglänzt ein Strahl nicht doppelt licht?
Kein Blumenflor reizt so zum Pflücken
Wie jener, der den Grat umflicht.
Mag's auch die Sohle mir verwunden;
Gleich Edelweiß von schroffen Höh'n
Raub' ich die selt'nen süßen Stunden —
Und doch, wie ist dies Leben schön!
Nach Stunden gleich
den Sternen
Nach Stunden gleich den Sternen;
Berauschend wie der Wein,
Soll ich nun wieder lernen
Allein und einsam sein!
Die ganze Welt, die helle,
Lag offen meinem Blick,
Nun soll zur alten Zelle,
Zur düstern, ich zurück!
Leicht dacht' ich zu vergessen —
Wie schwer sich trennt die Brust
Vom Glück, das sie besessen,
Wird mir erst jetzt bewußt.
Rings der Lenz,
der Vollerblühte
Rings der Lenz, der vollerblühte,
Farbenpracht und Sonnenlicht,
Finster bleibt mir's im Gemüte,
Das mit bitterm Grollen spricht:
Soll ich wieder ausgeschlossen
Von des Frühlings reicher Lust
Wandeln durch dies Blüh'n und Sprossen
Mit der sehnsuchtkranken Brust?
Soll es ewig Knospe bleiben,
Was im Herzen keimt und schwillt?
Niemals lust'ge Wellen treiben,
Was noch unterm Eise quillt?
Tausend Wunder wirkt der Himmel,
Lächelnd schafft er sich zum Scherz
Blumen rings, ein bunt Gewimmel,
Und vergißt ein Menschenherz.
Das ist kein
großer stolzer Harm
Das ist kein großer stolzer Harm,
Den ich verschwiegen trage,
Das ist ein quälender Mückenschwarm
Nach schwülem Julitage.
Und draußen weht es frisch und kühl
Und lockt aus dumpfen Gassen,
Ich aber lieg' auf heißem Pfühl
Wehrlos und trostverlassen.
Nun wühle, Sturm,
im dürren Laub
Nun wühle, Sturm, im dürren Laub
Und brause am Fenster vorüber,
Auf öder Straße aufwirble den Staub,
Je toller desto lieber.
So taugt es recht zu all der Pein,
Die ich im Herzen trage,
Nur keinen hellen Sonnenschein,
Nur keine blauen Tage!
Ich sitz' im
Kreise heit'rer Frauen
Ich sitz' im Kreise heit'rer Frauen,
Man lacht und scherzt, man flüstert leis,
Man hat gar viel sich zu vertrauen
Und lauscht, was die und jene weiß.
Auch mein Gesicht zeigt frohe Mienen,
Doch dünkt's mich, wenn die Lippe lacht,
Als weilt' ich mitten unter ihnen
In bunter Faschingsmaskentracht.
Und gäb' ein Possenspiel zum besten,
Das widerspricht dem tiefsten Sinn,
Ich bin, umringt von lust'gen Gästen,
So einsam, als ich immer bin.
Was sie entzückt, mich kann's nicht freuen,
Und was mir heilig gilt gleich Gott,
Ich muß mich's zu enthüllen scheuen
Vor ihrer Blicke kühlem Spott.
Drum bleib' ich trotz dem Druck der Hände,
Den wir getauscht, so unbekannt,
Als läg' am andern Erdenende,
Durchs Meer getrennt, mein Heimatland.
Durchs
Fenster grüßt ein Sonnenstrahl
Durchs Fenster grüßt ein Sonnenstrahl;
Nun ist's genug der zürnenden Qual!
Der Menschen Bosheit, Neid und Haß
Verschließ' ich ins enge, düst're Gelaß.
Willkommen, du gold'ner, mildgütiger Schein,
Nun flute mir warm ins Herz hinein!
Du, frischer Lufthauch, umkose mich,
Du, rauschender Bach, umtose mich!
Im grünen, würzigen Waldesgrund
Aufatme hoch, vergrämter Mund.
Wie ruht sich's weich ins Moos gesenkt,
Den Blick zum leuchtenden Blau gelenkt!
Gleich weißen Wolken, die dort droben zieh'n,
So fühl' ich den Groll zerrinnen und flieh'n.
Der Sinn wird klar, über Raum und Zeit
Schwebt ruhig die weite Unendlichkeit.
Zu tiefst verwandelt kehr' ich zurück
Und trage im Herzen ein stilles Glück,
Das mich lächeln macht im Menschenschwarm:
"Wie bin ich so reich und wie seid ihr so arm!"
Was sie wohl sannen
Was sie wohl sannen
Die Himmlischen oben,
Als meines Schicksals
Fäden sie woben?
Daß sie mich führen
So seltene Wege
Durch stechender Dornen
Wirres Gehege;
Daß sie mit Zwielicht
Den Pfad mir umkleiden,
Drin Böses und Gutes
So schwer zu scheiden;
Die Nebel des Zweifels
Nie freundlich mir lichten,
So vielfach verschlingen
Den Knoten der Pflichten.
Was können sie Großes
Noch weiter mir sparen,
Daß also strenge
Mit mir sie verfahren?
Poetensinn,
beweglich wie die Flut!
"Poetensinn, beweglich wie die Flut!
Gar leicht entflattert ist des Dichters Lieben
Ein Vogel, der in andrer Zweige Hut
Forttrillert, wenn aus diesen er vertrieben."
Wohl habt ihr recht. Des Dichters Herz beglückt
Manch' bunte Blume; er begrüßt das Funkeln
Jedweden Sterns; heut' schallt sein Gesang entzückt
Dem blauen Aug' und morgen schon dem dunkeln.
Und wie der Maler seinen Pinsel taucht
In die Natur, taucht er den Stift begeistert
Ins volle Leben, schönheitüberhaucht,
Indes sein Fühlen er zum Liede meistert.
Dann staunt ihr an, was er in Form gebannt,
Wie einst im hochgewölbten Tempelbogen
Das Volk am prächt'gen Vorhang stillestand —
Das Heiligste bleib seinem Blick entzogen.
So birgt ein Heiligtum des Dichters Brust:
Das Ideal der Schönheit, dem die Kehle
All ihre Lieder singt in Qual und Lust,
Und das er rastlos sucht mit ganzer Seele.
Doch weil kein sterblich Wesen jenem gleicht,
Und nichts von Makel frei, was erdentsprossen,
Trägt er die Sehnsucht, bis sein Haar gebleicht,
Und liebt und täuscht sich, bis sein Aug' geschlossen.
Was soll in meinem
Angesicht
Was soll in meinem Angesicht
Die Falte, die die Stirn durchflicht,
Und was der Reif im Haare?
Mein Herz ist jung, so kinderjung,
Die Seele hat so leichten Schwung,
Als zählt' ich sechzehn Jahre.
Dornröschen schlief im Zauberwald,
War drum es hundert Jahre alt,
Als seine Fesseln sprangen?
Seit ich in deinem Arm geruht,
Da ist's wie eine Wasserflut
Mir übers Herz gegangen.
Es sank, was ich geliebt, gehaßt,
Ich staune wie ein fremder Gast,
Kaum weiß ich mich zu schicken;
In sel'gem Frieden alles schweigt,
Und eine neue Schöpfung steigt
Empor vor meinen Blicken.
Halt' unter Schloß und
Riegel
Halt' unter Schloß und Riegel,
Für was erglüht dein Sinn,
Trag' nicht mit off'nem Siegel
Dein Herz zum Markte hin.
Das Gold der Liebe bette,
Vergrabe tief im Grund,
Und gib die heil'ge Stätte
Nicht fremden Menschen kund.
Halt' Wache! such' zu scherzen
Mit Lippen, schmerzumzückt,
Und wenn dem sel'gen Herzen
Das Schweigen nimmer glückt:
Ausjuble deine Minne,
Doch weit von Menschen fort,
Um deren Auge spinne
Zum Schleier Wort um Wort.
Leicht ist der reine Spiegel
Vom gift'gen Hauch befleckt,
Halt' unter Schloß und Riegel
All, was du fühlst, versteckt.
Ich hasse die
Lüge, falsch und feil
Ich hasse die Lüge, falsch und feil
Mit ihren Doppelzungen,
Und doch, wie oft ist Lüge zum Heil
Und Wahrheit vom Bösen gedungen!
Es braucht ein jedes Heiligtum
Verhüllende Gehänge,
Die es beschützen um und um
Vor frechen Blicken der Menge.
Ich folg' der heil'gen Elisabeth,
Wenn Späher mich erbosen;
Nachdem ihr Auge zum Himmel gefleht,
Log sie: Ich trage Rosen.
Wenn Zweifel unentwirrbar
Wenn Zweifel unentwirrbar
Die Seele mir umspinnt,
So frag' ich auf treuem Bildnis
Mein frühverklärtes Kind.
Wollt' ich mit falscher Schminke
Nur zieren, was nicht gut,
Ich müßte mein Antlitz senken
Vor ihm in brennender Glut.
Doch schauen die Kinderaugen,
Die reinen, mich lächelnd an —
Mag mich die Welt verdammen —
Es ist doch recht getan.
Soll
verschloss'nen Munds ich tragen
Soll verschloss'nen Munds ich tragen
Meine Last an Schmerz und Lust,
Wenn ich weiß, mit treuem Schlagen
Lebt mir eine Freundesbrust.
Wenn ich weiß, an einer Stelle
Darf ich ohne Maske gehn,
Und ein Auge gibt's, das helle
Mag des Herzens Tiefe seh'n.
Durch Gewittersturm und Regen
Ahnt es meiner Seele Blau —
Nimmer auf die Waage legen
Will ich meiner Rede Bau.
Meiner Brust soll sie entsteigen
Warm, vom Augenblick geschwellt,
Daß kein Blatt bei klugem Schweigen
Aus der Freundschaft Blüte fällt.
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