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Eine Stunde der Erinnerung
Joseph Freiherrn von Jellačić
Gedichtband

Wien 1851
K.K. Hof und Staatsdruckerei

Gedichte 1
 

Mathias Corvinus und Zriny
Wo ist das Erdenglück?
Am Grabe des k.k.Herrn . . .
Grabschrift
Wie muß mein Mädchen sein?
Am Grabe meines Vaters
Gedanken über mein Schicksal
An Minna 1
An Ludwig
Abschied
Trost der Natur
Stärkung
An Gott
Einst und Jetzt

 

Mathias Corvinus und Zriny

Im Schattenreiche

                     Mathias

Wer in seines Unglücks Schmerzgefühle,
Starr den edlen Blick zur Erd' gewandt,
Wandelt dorten, fern von dem Gewühle,
An des heulenden Cocytus Strand?

Fremdling sprich, welch' herb Geschicke
Hat den stolzen Nacken dir gebeugt?
Denn dich hat, ich kenn's am Feuerblicke,
Ein illyrisch Heldenweib gesäugt.

                     Zriny

Wohl gehört' ich unter der Kroaten
Unbesiegbar mutiges Geschlecht,
Das, an Kraft reich und an kühnen Taten,
Stets gekämpfet für sein gutes Recht.

Sah'st du nie des Kreuzes Banner wehen
In des Sieges hehrer Majestät?
Hast du Zriny dorten nie gesehen,
Wo der Tod die blut'gen Saaten mäh't?


                     Mathias

Wie? du Zriny, du? Doch nein, nicht trügen
Konnte mein Gefühl mich! Ja, du heiss'st
Zriny! Ja, du bist's, — aus deinen Zügen
Flammt des Thermopylers Heldengeist!

Komm', dass ich dich brüderlich umfasse,
Der du knechtisch niemals dich gebeugt,
Den die freie Mutterbrust im Hasse
Gegen Mekka's Herrschaft aufgesäugt!

Wo im Busen solche Herzen schlagen,
Wird das Vaterland nie untergeh'n,
Und ein Phönix aus der Prüfung Tagen
Herrlich immer wieder aufersteh'n!


Wo ist das Erdenglück?

Vergebens ist des Menschen Streben
Nach Erdenwohl, nach Erdenglück;
Denn ihn verfolgt durch's ganze Leben
Ein ewig feindliches Geschick.

Glaubt er im Reichtum Glück zu finden,
Ach, bald verschwindet dieser Wahn,
Denn schwere, läst'ge Sorgen binden
Sich an gehäufte Schätze an.

Glaubt er, das Glück sei in den Waffen,
So ist's die Rüstung, die ihn freut.
Ein Ideal ist bald geschaffen,
Doch ferne ist die Wirklichkeit!

Glaubt er in stillen Kanzeleien
Das Glück zu finden, das ihm fehlt,
Ach, nur zu bald wird er's bereuen,
Daß er die Feder sich gewählt.

Glaubt er, es wird der Saft der Reben
Das Glück ihm bieten, das er sucht,
Wie Viele hat es nicht gegeben,
Die auch dem Rebensaft geflucht!

Glaubt er, das Glück sei in der Ehe,
Und nimmt ein Weib voll Jugendkraft,
Bald schreit er tausend Ach und Wehe,
Daß er so einen Schritt gemacht!

Ach nun, so wird doch in der Liebe
Dies selt'ne Glück zu finden sein,
In diesem süßesten der Triebe,
In diesem seligen Verein! —

Ja nun, der ist gewiß betrogen,
Der sich von Liebe Glück verspricht,
Trau' den empörten Meereswogen,
Nur der Geliebten traue nicht!


Am Grabe des k.k.Herrn Obristen von Wauthier

Ruhe sanft in diesem stillen Grabe,
Das dich in kalten Todesschauer hüllt,
Das dem Jüngling, wie dem Greis am Stabe
Sicher früher oder später gilt.

Ruhe sanft, denn du hast ausgelitten,
Ausgekämpft den Kampf der Redlichkeit.
Mutig hast für Wahrheit du gestritten,
Drum freue dich der Ewigkeit!

Sieh herab, Verklärter, auf die Deinen,
Die dir trauernd dieses Denkmal weih'n,
Die, wenn sie an deinem Grabe weinen,
Deinen Feinden selbst, wie du, verzeih'n!

Grabschrift

Wer nie auf dieser Welt gerungen,
Wen Neid und Mißgunst nie verfolgt,
Wem nie der Feinde Lästerzungen
Die sorgenvolle Brust beengt.

Dem grünet keine Siegeskrone,
Denn Sieg kann ohne Kampf nicht sein,
Dem Mut'gen nur blüht sie zum Lohne,
Den Feigen wird sie ewig scheu'n!

Doch mutig hat der ausgestritten,
Der hier im stillen Grabe liegt!
Und viel, ach viel hat er gelitten,
Doch weinet nicht, er hat gesiegt.

Wie muß mein Mädchen sein?

Frei von selbstgefäll'gem Wahne,
Von koketten Ziererei'n,
Anspruchslos und ohne Plane,
Freund, so muß mein Mädchen sein!

Blond und lockig muß vor allen,
Und wie Seide zart und fein
Ihr das Haar herunterwallen;
Sieh, so muß mein Mädchen sein!

Wie der heit're Himmelsbogen
Sei ihr Auge blau und rein,
Und das Näschen sanft gebogen,
Ja, so muß mein Mädchen sein!

Gütig lächelnd sei ihr Mündchen,
Weiß wie Schnee der Zähne Reih'n;
O dann schlägt gewiß mein Stündchen. —
Ja, so muß mein Mädchen sein!

Schön und schmal sei ihr Füßchen,
Ihre Hand wie Sammet fein,
Sagt, wer wagte nicht ein Küßchen?
Ja, so muß mein Mädchen sein!

Lieblich sei sie anzuschauen,
Nicht zu groß und nicht zu klein,
Wollt ihr dann sie mir vertrauen?? —
Ja, so muß mein Mädchen sein!


Am Grabe meines Vaters

Dahin! auf ewig mir entrissen
Ist er, und ich, ich wein' um ihn!
Ich wein', und ach, vergebens fließen
Die Tränen zu dem Grabe hin!

Schon führt der gleiche Tanz der Horen
Jetzt siebenmal den Lenz zurück,
Doch ach, was ewig ich verloren,
Bringt nicht der Sonne Lebensblick!

Schon sieb'nmal grünen die Zypressen,
Mit siebenfach gehäuftem Schmerz
Mich mahnend, was ich einst besessen,
Und nun, o Gott, ist's anderwärts!

Ach, hin sind meine schönen Tage,
Dahin des Lebens Rosenzeit,
Und düster tönet nur die Klage
Um die verlorne Seligkeit!

Ja; hin sind meine Seligkeiten!
Uns trennet eine weite Kluft,
Verraucht sind meine schönen Zeiten
Mit ihm in grausem Moderduft!

D'rum laßt mich stille Tränen weinen!
So lange mich des Körpers Last
Noch drückt, bis dort wir uns vereinen,
Wo ew'ge Liebe uns umfaßt. —


Gedanken über mein Schicksal

O! wie schön und reich an süßen Träumen
Öffnete sich meines Lebens Bahn!
An des Himmels unbegränzten Räumen
Knüpfte kühn ich meine Wünsche an.

O, da lächelte mit holden Blicken
Mir noch üb'rall Menschheit und Natur,
Und mit sorglos himmlischem Entzücken
Wandelte ich auf des Glückes Spur.

Liebend kam mir Alles da entgegen,
Und mit mutig jugendlicher Lust
Schritt ich vor auf der Bestimmung Wegen,
Große Wünsche in der stolzen Brust. —

Und wenn dann im kriegerischen Glanze
Ich da stand in der Gefährten Reih'n,
O, so dacht' ich, geht's zum Schwertertanze,
Ja, so wirst, so mußt ein Held du sein!

Reich und stolz durch solch ein kühn Vertrauen,
Das ich selbst in meine Kraft gelegt,
Konnte froh ich in die Zukunft schauen,
Noch von keinem Jammerbild geschreckt!

Und das sieht mit neidisch scheelen Blicken
Eine feindlich schadenfrohe Macht,
Stürzet mich mit teuflischem Entzücken
In der Leichen jammervolle Nacht.

Und nun lieg' ich da im Siechenbette,
Sagt, was waren meine Hoffnungen?
Auf des Kirchhofs ruhmlos stiller Stätte
Werde ich und sie mit mir vergeh'n!

Nicht um Sieg und Siegeslorbeer werben,
Ist vom bösen Schicksal mir erlaubt,
Selbst den schönen Trost im Kampf zu sterben,
Hat es grausam hämisch mir geraubt!

Und ich werde meine Brüder sehen,
Wie sie auf der Kriegstrompete Schall
Stolz gereiht zum Kampf und Siege gehen,
Und ich nicht — o namenlose Qual!

Ach, sie werden siegreich wiederkehren,
Und an ihrer ruhmbedeckten Brust
Weint das treue Mädchen schöne Zähren
Bei des Wiedersehens Götterlust! —

Ein und zwanzig Frühlinge zu leben!
Einst so reich mit Mut und Kraft verseh'n,
Uns nun Alles, Alles dahin geben!
Menschheit, kannst du meine Qual versteh'n?

Schicksal oder Gott! Laßt euch erflehen!
Oder kann mein Jammer euch erfreu'n?
O, so laßt mich winseln, dann vergehen,
Ich will größer als mein Schicksal sein! —


An Minna 1

Wenn selbst die Götter, wider dich verschworen,
Zur Qual dich hier und Leiden nur geboren,
So harre standhaft aus, so dulde fest,
Denn nimmermehr kann sich dein Leiden mindern,
Und nimmermehr der herbe Schmerz sich lindern,
Wenn dich die Kraft zu dulden auch verläßt.

Darum mit Mut und Mannheit ausgehalten!
Wenn auch die Schicksalsmächte böse walten,
Der Hoffnung Stern verdunkeln sie dir nicht!
Und fällt auch Alles um dich her in Trümmer,
Es leuchtet dir in ewig gleichem Schimmer,
Zieht dich hinauf zu seinem bessern Licht!

Auch mir hat einst ein solcher Stern gelächelt,
Mit Kühlung mir mein leidend Haupt umfächelt,
Und meines Daseins trübe Nacht erhellt;
Wie war mir da in manch trüben Stunden
Durch süße Hoffnung jede Qual verschwunden,
Vergessen, was mich grausam oft gequält!

Und dieses Licht in meinen trüben Tagen
Und dieser Strahl, o Minna, darf ich's sagen —
Der hoffnungsvoll mich an das Leben band —
Warst du — ein Blick, ein Wort aus deinem Munde
Zerstreute in der Leiden Schmerzensstund
Der dumpfen Schwermut schwarzen Nebelrande

Auch diesen Trost raubt mir des Schicksals Tücke,
Vergebens suchen dich die bangen Blicke —
Du bist dahin! — Mit dir mein froher Mut! —
Doch, muß ich auch dein holdes Anschau'n missen,
Dein süßes Bild wird nimmer mir entrissen,
In Schmerz und Leid mein Trost, mein höchstes Gut.

Und denkest du dann in manchem Augenblicke
Auf deine Freunde gütig zurücke,
O Minna, dann gedenke du auch mein!
Und wohl mir, ist es mir gelungen.
In frohen Kreisen der Erinnerungen
Zu Zeiten — sei's der letzte auch — zu sein!


An Ludwig

An der Wölfin rauhen Brüsten
Und auf unwirtbarem Moos
Zog die Gottheit in den Wüsten
Roma's Stifter stark und groß.

Denn auf weichem Daunenpfühle
In des Reichtums gold'ner Haft
Keimen keine Hochgefühle,
Keimet keine Manneskraft.

D'rum ist Roma stark geworden,
Seine Bürger heldengroß,
Und die Welt vom Süd zum Norden
Sah den riesigen Koloß.

Was in Not und Kampf geboren,
Fest die schwere Probe hält,
Hat die Gottheit sich erkoren,
Für die Ewigkeit gestählt.

Mir auch ist der Wurf gelungen,
Leidend ohne Trost und Rat,
Hab' ein Herz ich mir errungen,
Wie es nur mein Ludwig hat.

Ludwig, nicht in Glück und Freude
Hat das Schicksal uns vereint,
Nein, im bittern, herben Leide
Fand in dir ich meinen Freund.

Wohl, daß mir in trüben Stunden
Eine Gottheit dich gebracht,
Was das Unglück fest verbunden,
Das zerreißet keine Macht.

D'rum kann uns auch nichts mehr trennen,
Und so lang die Lippe lallt,
Werd' ich meinen Freund dich nennen,
Bis der letzte Laut verhallt! —


Abschied

Weine nicht, wenn ich auch jetzt erblasse,
Wirst mich ja viel schöner wiederseh'n;
Weine nicht, wenn ich dich jetzt verlasse
Mütterchen, ich muß zum Vater geh'n.

Schon lange harrt er auf die Seinen,
Kommt doch Niemand, sich mit ihm zu freu'n!
Darum laß das Klagen, laß das Weinen,
Mit dem Vater will ich selig sein.

O wie freudig wird er mich umarmen,
Drücken mich an die verklärte Brust;
Neu belebt werd' ich an ihr erwarmen,
Zum Genusse ewig reiner Lust!

Alle Qualen, alle Leiden schwinden,
Wenn der Geist die Hülle von sich wirft,
In Wallhalla's wonnereichen Gründen
Ungekannte Seligkeiten schlürft.

Mutter, Mutter, höre auf zu weinen,
Klein nur ist die Spanne Lebenszeit; —
Dann wird Gott auf ewig uns vereinen,
Ohne Grenzen ist die Ewigkeit!


Trost der Natur

Hat dich wohl je im Rosenscheine
Der Morgensonne Strahl geküßt,
Hat dich im Dunkelgrün der Haine
Ein Zephyr kühlend je begrüßt.

Hat Philomelens sanfte Klage
Dein wonnig lauschend Ohr entzückt,
Hat dich am schwülen Sommertage
Je ein kristallner Quell erquickt.

Sah'st du das ferne Blau der Hügel,
Der Wiesen Grün, des Baches Spiegel:
So hast du deinen Gott geseh'n.

Auf ihn, der die Natur geschmücket,
Vertrau', wenn dich der Jammer drücket,
Er läßt dich nimmer untergeh'n! —


Stärkung

Trage standhaften Mut's, was das Schicksal strenge dir auflegt,
Wenn auch der Keim erstarrt, schöner erblüht er im Lenz;
Eisen wird nur zum Stahl in des Feuers verzehrender Flamme,
So auch der Jüngling zum Mann unter der Leiden Gewicht.


An Gott

O Wesen! das vom Auf- und Niedergange,
Im ewig gleichen Harmonienklange,
Die Zahl der Welten Gott und Vater heißt;
Um das in Demut sich die Welten sammeln,
Zu dem sie Dank- und Hilfgebete stammeln,
Zu dir erhebt sich ehrfurchtsvoll mein Geist!

Du winkst, und Alles tritt aus seinen Gleisen,
Und Welten stürzen aus den ew'gen Kreisen,
Gehorchend in ihr altes Nichts zurück;
Du lächelst, und die Himmel strahlen wieder,
Mit Hosiannah sinken sie danieder,
Und ihr Entzücken ist dein Gnadenblick!

Was ist die Macht von allen Erdenkronen?
Ein Funke nur im Strahlenglanz der Sonnen
Vor deines Seins verklärter Majestät;
Doch nicht zerstörend lenkst du die Naturen,
Und wo du wandelst, da sind deine Spuren
Mit Liebe und Barmherzigkeit besä't!

Ein jedes Tier läßt du dein Futter finden,
Selbst das Gewürme in des Meeres Gründen
Hast mit Korallen schützend du umhüllt;
Für Alles sieht man väterlich dich sorgen,
Für Alles, was vom Abende zum Morgen
Durch dich belebt — die Elemente füllt!

Daß nichts der Weisheit liebende Gesetze
Mit stolzem Frevlermute kühn verletze,
Darüber waltet die Gerechtigkeit,
Mit der du über deinen Sternen thronest,
Das Böse strafst und Tugenden belohnest,
Von Ewigkeit in alle Ewigkeit!

Doch wagt's der Mensch, die Weisheit anzuklagen,
Und lästernd seinen Gott selbst zu befragen,
Warum dies so und anders ihm nicht kommt?
O Mensch! kurzsichtig Ding aus Fleisch und Blute!
Du bist nicht Herr der kommenden Minute,
Und willst begreifen, was den Welten frommt!


O schweige! kehr' zurück in deine Schranken,
Und mit der Reue marternden Gedanken
Entsühne dich der kühnen Lästerschuld;
Auf daß mit Gnade dich die Gottheit richte,
Den Frevler furchtbar strafend nicht vernichte,
Ihm wieder schenke seine Vaterhuld.

Er ist's, der Alles lenkt, mit Vertrauen —
Kannst seine Fügung du auch nicht durchschauen —
Blick' hin zu ihm, der liebend für dich wacht;
Und wenn die Welten um dich her zertrümmern,
Aus jeder Ader tausend Schmerzen wimmern,
Dann sieh empor, und preise Gottes Macht!


Einst und Jetzt

                       Was geschieht, ist hier und klar,
                       Das Warum wird offenbar,
                       Wenn die Toten auferstehen.
                                             Müllner's Schuld.

Stolz und kühn erhebt die Eiche
In der Lüfte weite Reiche
Ihres Wipfels frische Pracht;
Tief und fest im Schoß der Erde,
Dass sie nicht erschüttert werde,
Ist die Wurzel angemacht.


Darum blickt sie, hoch erhoben
Über andere, nach oben
In das ferne Sonnenlicht,
Und selbst in des Sturmes Wettern,
Wenn sie Blitz um Blitz zerschmettern,
Stirbt sie, aber beugt sich nicht.

Und des Nordlands feste Eichen
War auch ich einst zu vergleichen;
Kraft und Mut in meiner Brust,
Glaubt' ich Alles zu erringen,
Selbst zum Höchsten mich zu schwingen,
Und Gefahr war meine Lust.

Ach, da träumte mir von Taten,
Und der Ehre gold'ne Saaten
Sah ich schon als Eigentum.
In der Jugend kühnem Feuer
War kein Leben mir zu teuer,
Freudig setzt' ich's an den Ruhm.

Doch nicht Mars und seine Ehre
Ist's allein, was ich begehre,
Auch das Schöne sei mir nah'!
Holde Göttin, deine Gaben,
Deine Opfer mußt du haben,
Venus Amathusia! —

Menschen, kennt ihr das Entzücken,
Wenn aus liebeglüh'nden Blicken
Flamme sich zu Flamme schlägt?
Wenn bei feuervollen Küssen
Seelen in die Seelen fließen,
Wollust jeden Nerv bewegt?

Und die Gütige erhörte
Mein Gebete, und gewährte
Mir der Götter Hochgenuß,
Und im seligen Umfangen
Drückte auf des Mädchens Wangen
Ich der Liebe ersten Kuß.


Aber auch Apollos Leier
War mir heilig stets und teuer,
Dämpfte meine Feuerglut,
Und die lieblichen Kamönen
Milderten mit sanften Tönen
Meiner Jugend wilden Mut.

Eine Eiche stark geboren,
Schien von Göttern ich erkoren
Und zu großer Tat gewählt,
Venus, Mars, die holden Musen
Und Apoll im stolzen Busen. —
Für und gegen eine Welt! —

Ach, die Götter sind entschwunden,
Meines Lebens süße Stunden
Wie ein Morgentraum dahin!
Und das Leiden, das ich trage
Mit des Jammers trüber Klage,
Foltern den gebeugten Sinn.

Und wenn in Gewitters Blinken
Eichen selbst zerschmettert sinken,
Sind sie noch im Falle grün;
Langsam dorren meine Zweige,
Und es schleppt des Lebens Neige
Zögernd sich zum Grabe hin!

Ach, die Waffen, die ich übte,
Und das Mädchen, das ich liebte,
Alles, alles ist dahin!
Nur den Starken ziert die Wehre,
Und den Mann, den sie verehre,
Will die Jungfrau stark und kühn.

Ach, Apollo und die Musen
Fliehen aus dem hohlen Busen,
Wo nur Jammer widerhallt,
Und mein Dasein seh' ich schwinden —
Zu des Orcus finstern Gründen
Reißt mich höhere Gewalt!


Und nun hör' ich eure Weisen
Mir die Mittelstraße preisen,
Und ihr Spruch klingt richterlich:
Sag' dem Blitze, daß er stehe,
Und der Sonne, daß sie gehe,
Dann nur, dann verdammet mich!

Wer das Große will erjagen,
Muß das Große daran wagen,
Wenn zur Tat der Wille ruft;
Willst du furchtsam lange spähen,
Bleibst auf halbem Weg du stehen;
Ruhm ist weit und nah — die Gruft.

Vielfach sind der Menschen Triebe,
Darum richtet nur mit Liebe,
Wenn wie ihr — nicht jeder ist;
Wollt ihr mit dem Wurme hadern,
Daß in seinen blassen Adern
Kaltes Blut, nicht warmes fließt?

Wenn darum dein Bruder wimmert,
Zeig' ihm, wo die Hoffnung schimmert,
So nur wird die — Liebe klar;
Ob, was er nun schmerzlich duldet,
Frevelhaft er selbst verschuldet,
Wird nur jenseits offenbar.