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Und vermagst du's, so enträtsle,
Löse mir das Schwerste frei:
"Wann, nach Herzens Zeitenrechnung
Erst' und letzte Liebe sei?"
                             Anastasius Grün

 


Gedichte 2

 

Neue Liebe
Stille Liebe
Das Auge der Liebe
Ständchen
Sängers Stübchen
Der blinde Harfner
Liebesglück
Sängers Tageszeiten
Ghaselen 1
Zum Lebewohl
Sängers Los
Ghaselen 2
Wahn
Prüfung
Ghaselen 3
Mutterliebe
Beim Tanze
Der Tanz und das Leben
Meiner Unbekannten
Ermannung
An meine Musen
Frage an die Liebe
Sängers Größe

 

Neue Liebe
1829

Den kurzen Traum, vom Glücke mir gelogen,
Des frühbetörten Herzens selig Wähnen
Bezahlt' ich schon mit stillen, herben Tränen
Dem Himmel, den ich einst in mich gesogen.

Und ob der süße Glaube mich betrogen,
In Schmerz gewandelt mein verglühtes Sehnen,
Neu will sich der gepreßte Busen dehnen,
Zu ihr — der Stillgewalt'gen — hingezogen.

Und glaubt' ich einst mein Paradies verloren,
Und hatt' ich schon den Menschen abgeschworen, —
Ein neues Sein und Glühen fühl' ich werden.

Das Herz, das laute — wogend volle! frag' ich,
Und vor mir selber still errötend frag' ich:
"Es sind der Lieb' erneuerte Beschwerden!"

Stille Liebe
1829

Euch, Göttern dieses Haines, will ich sagen,
Warum ich einsam durch die Schatten gehe,
Was mich erfüllt mit bittersüßem Wehe,
Was mich bewegt zum Lied, zu stillen Klagen.

— "Die scheue Lippe will es nimmer wagen,
Daß sie des Herzens einz'gen Wunsch gestehe;" —
Doch, wie auch des Geschickes Rad sich drehe,
O, laßt mich diesen Himmel in mir tragen!

Ob manchmal auch die Wange blässer werde,
Es hat noch mit dem Leben nicht Gefährde,.—
Doch das Geheimnis duldet nicht Enthüllung.

Und bleibt ein schöner Traum nur die Erfüllung,
Erkenn' ich doch im Leide, und genieße
Der stillen Liebe Glück, das zarte — süße! —

Das Auge der Liebe
1829

Du blicktest mich an, und ein Zauberschwung
Erhob mich in schönere Räume!
Dich sing' ich in stiller Begeisterung,
Versunken in goldene Träume.
Dir, das an den Menschen das Gute nur steht,
Ich weihe dir liebend ein herzliches Lied,
Du freundliches Auge der Liebe!

Dir hat die Natur sich bräutlich geschmückt,
Sie glänzt dir in lichterem Strahle,
Wohin du dich wendest, siehst du, entzückt,
Auf irdischer Bahn Ideale!
Dem Glücklichen, welchen du triffst, ist die Welt
Vom Schimmer des ewigen Frühlings erhellt,
Vom Strahle des Auges der Liebe!

Als Pförtner des Herzens gibt es uns kund,
Was, ach, ihm zum Glücke noch fehle;
Und schöner verrät es, als später der Mund,
Das zarte Geheimnis der Seele.
Was still sich im innersten Busen bewegt,
Was drinnen so Banges, so Süßes sich regt,
Das sieht nur das Auge der Liebe.

Wie schön, wenn das wogende, flammende Herz
Im Auge des Jünglings leuchtet!
Wie schön, wenn es stiller, schwärmender Schmerz
Mit Perlen der Wehmut befeuchtet!
Verstummt auch der Lippe verlorner Mut,
Es spricht ja viel süßer: "Ich bin dir gut!"
Das Mädchen durch's Auge der Liebe.

Und kannst du es sagen, was dich umfängt,
Vermagst du die Wonne zu nennen,
Wenn schwelgend dein Blick an dem ihren hängt!
Als könntest du nimmer dich trennen?
Es lächelt dich an dein eigenes Bild,
Es glänzt dir entgegen so rein, so mild,
Verklärt in dem Auge der Liebe!

Und siehst du die ganze Seele darin,
Enthüllt im geheimsten Grunde, —
Und sinkst du, durchglüht, an die Brust ihr hin,
Im ewig geschlossenen Bunde, —
Dann wirst du im Herzen die Worte versteh'n:
"Und willst du den Himmel auf Erden seh'n,
So blick' in das Auge der Liebe!"

Ständchen
1829

Still ist's in der Runde —
Ach, dein Fenster zu?
Weißt du nicht die Stunde?
Mädchen, schlummerst du?
Klingt vom Rosenmunde
Mir nicht süße Kunde?
Liebchen, komm! Dein Treuer wacht
Noch um Mitternacht!

O daß meine Kehle
Sangesgabe mied!
Süß, wie Philomele,
Säng' ich dir ein Lied.
Aus kristall'ner Quelle
Flöße meine Seele,
Und in Tönen, süß wie du,
Riefe sie dir zu:

"Palme meines Strebens,
Engel meiner Ruh',
Krone meines Lebens,
All mein Himmel du!"
Ruf' ich dir vergebens?
Süßen Wonnebebens
Harr' ich, bis dein Fenster klingt,
Trost dein Gruß mir bringt!

Willst du heut' schon träumen?
Nimm mich an dein Herz!
Und in schönern Räumen
Schwede sternenwärts!
Bringe von den Bäumen,
Wo die Blüten keimen
Ew'ger Lieb' in Edens Glanz,
Mir den Sängerkranz!

Darf ich als dein Hirte
Wünschen, daß mein Traum
Hin zu dir mich führte
In den Sternenraum?
Daß ich mit der Myrte
Schäferin, dich zierte?
Daß ein Hüttchen, still und klein,
Unser sollte sein?

Doch — zur Sternensphäre
Ist der Flug so weit!
Mädchen! lieber wäre
Mir die Wirklichkeit.
Wache, und erkläre,
Ob dein Herz gewähre?
Öffne bald dem Liebenden
Still dein Fensterchen!

Sieh den Mond, der lüstern
Durch die Wolken schaut!
Linde Lüftchen flüstern —
Nur mein Herz ist laut.
Horch — ein leises Knistern —
Regt sich nicht im Düstern
Des bekannten Fensterraum's
Dort mein Bild des Traum's?

Ja, mir winkt ein Händchen —
"Mädchen, kennst du mich?
Gib ein Wort zum Pfändchen" —
"Freund, ich küsse dich!"
Heißen Dank! Vom Ständchen
Kehr' ich nun ins Ländchen,
Das der Traum in dieser Nacht
Mir zum Himmel macht!

Sängers Stübchen
1830

Non aurum neque ebur
Mea renitet in dome lacunar.
                        Horaz. Od.


Nicht hohe Flügeltüren
Von Mahagoni führen
In des Sängers Stübchen ein;
Apoll hat ihm hienieden
Kein Prunkgemach beschieden,
Geht gleich er selbst hinein.

Nicht blumige Tapeten
Umfangen der Poeten
Bescheidnes Kämmerlein;
Nicht glänzt zur Augenweide
Das Hausgerät von Seide,
Von Gold und Elfenbein.

Kein Diwan ist bereitet,
Kein Teppich ausgebreitet
Im Stübchen schlicht und klein;
Doch auch auf nacktem Boden
Kann hochgeschwung'ner Oden
Geweihte Stätte sein.

Es winkt zu seinen Tischen,
Den Gaumen zu erfrischen,
Nicht Cyperns Traubennaß;
Doch die castall'sche Quelle,
Bleibt rein und spiegelhelle
In seinem Wasserglas.

Behagliche Gefühle
Gewährt nicht seiner Stühle
Gemeines Tannenholz;
Und ob ihm Lorbeern grünen,
Hat doch kein Bett von Dünen
Der freud'ge Künstlerstolz.

Nicht blanken Dienerscharen
Gebeut er: "Vorgefahren!"
Doch sprengt auf seinen Ruf
Herbei von Hellas Hügeln,
Geführt von kühnen Flügeln,
Des Götterpferdes Huf.

Er läßt es sich nicht schmerzen,
Prallt nicht der Glanz der Kerzen
Von Spiegelwänden ab;
Ihm fällt das Licht ja milder
Vom Reiche seiner Bilder,
Von Stern und Mond herab.

Er blickt in süßen Träumen
Hinauf zu jenen Räumen,
In's wundervolle Land;
Da hängt er nicht an Dingen,
Wonach die andern ringen, —
An Flitter, Spiel und Tand.

Da läßt der sel'ge Schwärmer
Nicht aufgeblähte Lärmer
In sein Elysium;
Es stört kein Fant der Mode,
Vergällend Lied und Ode,
Sein kleines Heiligtum.

Die alten Götter reihen
Sich an der Wand, und weihen
Die Tage ihres Ruhm's;
Die Mythe blickt hernieder,
Und frisch ersteht ihm wieder
Die Zeit des Altertum's.

Da treten jene hohen
Gestalten der Heroen
Aus Bild und Wand heraus;
Sie füllen ihm und schmücken
Mit geistigen Antiken
Gar schön sein Stübchen aus.

Nach manchem stillen Sinnen
Ergreift es ihn darinnen
In warmer Lebenslust;
Die heil'gen Bronnen springen,
Und Lied und Liebe klingen
Aus froher Sängerbrust.

Und mag er viel vermissen,
Was And're voll genießen,
Sein Schmerz ist sein Genuß;
Er weiß, aus seinem Stübchen
Gewinnt er manches Liebchen,
Und manches Freundes Gruß.

Sein Schatz, — sein Glück ist innen;
Was draußen sie beginnen,
Was Wahn und Selbstsucht tun,
Ihr Jagen und ihr Treiben,
Ihr ewig feindlich Reiben
Muß hier im Stübchen ruh'n.

Und lächelnd jener Spötter,
Die seiner armen Götter
Behausung nicht versteh'n,
Beneidet er sie nimmer,
Die mit erträumten Schimmer
Durch gold'ne Säle geh'n.

Der blinde Harfner
1830

Es war ein blinder Harfner
Im grauen Altertum,
Der zog mit seiner Harfe
Von Stadt zu Stadt herum.

Er zog durch Wind und Regen,
Dem ärmsten Bettler gleich;
War Keiner doch im Innern
Wie dieser Bettler reich.

Es wählten ihn die Götter
Vor allen Ird'schen aus;
Sie gaben ihm vor Herrschern
Unsterblichkeit voraus.

Er trug in sich ein Kleinod,
Das minderte sich nie;
Den ew'gen Born des Geistes,
Die goldne Fantasie.

Wohl bleichte längst das Alter
Dem Harfner Wang' und Haupt,
Doch hatten nicht die Jahre
Den innern Lenz geraubt.

In frischer Jugend tönte
Fortan sein hoher Sang,
Die Völker all' entzückte
Sein rauschend hehrer Klang.

Ein Seher ist er ihnen
Von Himmlischen geweiht,
Gezeugt von einer goldnen,
Verklung'nen Götterzeit.

Wohin der Alte wandert
Mit fließend weißem Bart,
Da lauschen sie dem Sange
Von wundermächt'ger Art.

In engem Kreise saßen
Sie um den Harfner her,
Und alle Herzen schlugen
Im Busen glühender.

Von Taten alter Helden,
Von Götterherrlichkeit,
Von Vätertaten sang er
Den Völkern seiner Zeit.

Der Alte sang von Kämpfen,
Vor denen jetzt uns graut;
Die Väter bebten freudig,
Die Söhne jauchzten laut.

Er schließt vor ihren Blicken
Den Götterhimmel auf,
Und reißt im Schwung des Liedes
Die Horchenden hinauf.

Doch saß er oft alleine
Am öden Meeresstrand,
Das Haupt gekehrt nach oben,
Die Harfe in der Hand.

Da klaget tiefen Kummer
Der arme, blinde Mann,
Und aus den Augenhöhlen
Manch heiße Träne rann.

Wohl waren gnäd'ge Götter
Dem greisen Sänger hold,
Versagt ihm doch die Erde
Des Glückes ärmsten Sold.

Er reicht um milde Gaben
Die dürre Bettlerhand,
Es sah und ließ ihn darben
Das reiche Vaterland.

Doch kaum — o Menschenwechsel! —
Verklang sein letztes Lied,
Kaum stieg die Sonne nieder,
Da er von hinnen schied, —

Da stritten sieben Städte
Sich über seinem Grab,
Es brüstete sich jede:
"Mir stammt der Sänger ab!"

Denn seine Kränze kamen
Weit über See und Land;
Sein Volk nahm stolz die Lorbeern
Aus seiner Geisterhand.

Ein Jahr vernichtet Vieles,
Nichts schont der Zeiten Gang,
Jahrtausende verschwanden —
Noch heute lebt sein Sang.

Ihr kennt ja wohl den Sänger,
Den armen, blinden Mann?
Aus dessen Augenhöhlen
Manch' heiße Träne rann? —

Liebesglück
1830

Liebet ihr Brüder, o liebet!
Schätzt nicht die Liebe gering!
Die ihr von Herzen sie übet,
Preiset das köstliche Ding!
Ziehet am goldenen Wagen,
Welchen die Zauberin lenkt!
Zieht nur, ihr werdet die Plagen,
Wie sie auch seien, ertragen
Für den Genuß, den sie schenkt.

Hätt' ich vor wenigen Jahren
Dies von der Liebe geglaubt?
Aber nun hab' ich's erfahren,
Seit sie das Herz mir geraubt.
Leuchte nur, schönster der Sterne,
Hoch an der Kuppel der Welt!
Alles erdulden wir gerne,
Bleiben von Klagenden ferne,
Wenn uns die Liebe beseelt.

Wenn ich zur Einzigen schleiche
Abends bei dämmerndem Licht, —
Ob mich ein Sturmwind erreiche,
Acht' ich sein Brausen doch nicht.
Harrt ja im traulichen Stübchen
Sehnend die Holdeste mein;
Führt ja ein freundliches Liebchen,
Lächelnd mit schelmischen Grübchen,
Liebend den Wanderer ein.

Mag mich der Regen durchnässen,
Mag mich durchsausen der Wind,
Alles ist wieder vergessen,
Seh' ich das reizende Kind;
Küsse sie heiß, und vergesse
Sorgen und mich und die Welt;
Wie es auch manchmal mich presse,
Wenn nur im Herzensgefäße
Liebe ihr Flämmchen erhält!

Mögen auch Wolken sich türmen,
O, sie erschrecken mich nie!
Mögen sie toben und stürmen —
Denk' ich ja selig an sie!
Lacht mir am Morgen die Sonne,
Grüß' ich mit Freuden den Tag;
Ihr, der errungenen Krone,
Weihet das Herz seiner Wonne
Ersten beglückenden Schlag.

Ist doch der Tag mir so golden,
Wo mich mein Mädchen geküßt!
Ist doch ein Traum von der Holden,
Ach, so unendlich versüßt!
Inniges Glück im Gemüte,
Leben, so tief und so wahr,
Trägst du nicht ewige Blüte?
Was mich im Lenze durchglühte,
Kühlt nicht das scheidende Jahr.

Trotzend dem feindlichen Winter,
Scheu' ich nicht Nebel und Eis;
Seh' ich nur's Häuschen dahinter,
Wo ich die Liebliche weiß.
Daß ihr, o Tage, so bliebet,
Wie ich euch jetzo beging!
Lange noch rief ich: O liebet!
Liebet, ihr Brüder, o liebet!
Schätzt nicht die Liebe gering!

Sängers Tageszeiten
1830

Rötet sich purpurn der Ost, begrüßt mich der liebliche Morgen,
Dann in der Dichtung Gefild schwingt sich mein heiterer Geist.
Hab' ich Genüge getan den Stunden des ernsten Berufes,
Such' ich am schwülen Mittag Scherz und gesellige Lust.
Aber die trauliche Zeit, den Abend weih' ich der Liebe,
Wiege dann selig mich ein, still in die Träume der Nacht.

Ghaselen 1
1830

                           1.

Vom Himmel stieg als gold'nes Pfand die Liebe;
Ihn öffnet uns mit Engelshand die Liebe.
D'rum liebe sie, die süße Himmlische,
Und nenne nimmer Spiel und Tand die Liebe.
Wie in Hesperiens blütenreichen Auen,
So glüht auf Lybiens heißem Sand die Liebe.
Es steht der Normann auf dem wüsten Eis,
Und trägt in sich als heißen Brand die Liebe.
Sie macht das Herz allüberall so reich,
Und um die Welten schlingt ihr Band die Liebe.

                               2.

Ein Wort so herb und schmerzlich klingt die Trennung,
In schwerem Kampfe blutend ringt die Trennung.
Jn's tiefste Leben der zerriss'nen Brust
Mit tausend scharfen Spitzen dringt die Trennung.
Doch, wenn ein Herz sein Lieben still verschloß,
Zum feurigen Geständnis zwingt die Trennung.
Es ringt sich los das flammende Gefühl,
Und oft noch fest're Bande schlingt die Trennung.
Doch, arme Herzen, die ihr scheidend weint,
Der Sehnsucht banges Wehe bringt die Trennung.
Auch mir berief das Schicksal dieses Leid,
Und ach, mein Lied, so schmerzlich, singt die Trennung.

                           3.

Des Lebens schöner Engel ist die Treue,
Und mancher Jahre Lauf versüßt die Treue.
In Herzen, wohlgeprüft und süß vereint,
Auf ihrem tiefsten Grunde sprießt die Treue.
Ein Glück, so tief und still, so rein und wahr,
Der Freuden innigste genießt die Treue,
Die Liebe zog sie zärtlich an die Brust,
Und still ihr Heiligtum umschließt die Treue.
Nicht Zeit und Trennung lösen ihren Bund,
Denn liebend bis zum Tode küßt die Treue.
Sie legt den letzten Kranz auf's teure Grab, —
Der Tränen heiligste vergießt die Treue.

Zum Lebewohl
1830

Noch hören uns're beiden Herzen sich,
Noch halt' ich dich in meinen Armen fest!
Doch finster naht die Stunde, — bald verläßt
Mein Mädchen, — bald verläßt mein Himmel mich!

Der Blick, so wehmutvoll so inniglich,
Der Seufzer, der so tief, so schwer mich preßt,
Die Träne, die so heiß mein Auge näßt,
Sie sind mein Lebewohl für dich — für dich!

Als ich das erste Mal dich schloß an's Herz,
Der Wonne Übermaß fand keinen Laut, —
Und so verstummet jetzt der höchste Schmerz.

Leb' wohl, leb' wohl, du Seele, lieb und traut!
Zieh' hin, und nimm der Liebe letztes Pfand —
Noch einen Kuß, noch einen Druck der Hand!

Sängers Los
1830

Armer, wenn dein geistig Streben,
Rechte fordert von dem Leben,
Wenn du an der Erde hängst!
Mußt entbehren, dich begnügen,
Duldend in das Sprichwort fügen,
Das gealtert ist schon längst.

Sänger, deines Landes Zierde!
Trage deiner Sorgen Bürde,
Schmerzvoll lächelnd, leugne sie!
Darbe, wenn sich Toren mästen!
Mangel ist das Los der Besten
Bei des Lebens Ironie.

Traure nicht; nach deinem Tode
Klagt dein Volk in Lied und Ode,
Gräbt in Marmor dich und Erz;
Bringt dir mit des Ruhm's Posaunen
Trost für deines Schicksals Launen,
Trost für dein gebroch'nes Herz.

Monument und Lorbeer werden
Dich verherrlichen auf Erden,
Krönen mit Vergötterung;
Bis zum Grabe nur — nicht länger
Mußt du harren, edler Sänger,
Dort blüht deine Huldigung!

Bei des Körperlebens Leiden
Mußt du dich des Ton's entkleiden,
Nicht bedürfen irdisch Brot;
In die Zukunft wirf die Blicke, —
Sätt'ge dich am fernen Glücke:
"Leben gibt dir erst dein Tod."

Ghaselen 2
1830

Für's Leben heiß und feurig glüht die Jugend;
Wie in den Adern, so vom Auge, sprüht die Jugend.
Wie heut', so morgen, dröhnt das Feld der Lust.
Nicht wird bei solchem Jagen müd' die Jugend,
Hintobend durch die Tage, frohberauscht.
Es preis't des Lebens warmen Süd die Jugend,
Nicht denkend an den ewig langen Nord.
Die ganze Welt im Schmuck nur sieht die Jugend,
Und laut ertönt ihr Losungswort: Genuß.
Doch endet bald ihr frohes Lied die Jugend, —
Das Herz wird öd und leer, der Blick wird hell,
Der Wahn zerrinnt, von hinnen zieht die Jugend,
Und in die Seele greift ein kalter Ernst.
Der Mai entschwindet, — nimmer blüht die Jugend!
Erfaß' ihn schnell den Augenblick der Gunst,
Wie Strom und Rad und Pfeil entflieht die Jugend.
—  —  —  —  —  —  —  —  —  —  —  —  —  —  —  —
Ein Engel zu den Menschen schwebt der Glaube,
Und Geist und Herz zum Höchsten hebt der Glaube.
Die Prüfung naht, — der Dulder blickt empor,
Und keinem Drangsal wankt und bebt der Glaube.
Das Grab verschlinge, was wir heiß geliebt,
Sein Alles — Letztes nicht begräbt der Glaube.
Ihm bleibt ein Trost, es glänzt ein höh'res Ziel,
Am Gut nicht, welches irdisch, klebt der Glaube.
Vom hohen Dom der Sterne glänzt das Ziel,
Nach dem verheiß'nen Himmel strebt der Glaube!
Dem Herzen Heil. dem unerfchütterlich,
Unwandelbar im Innern lebt der Glaube!
—  —  —  —  —  —  —  —  —  —  —  —  —  —  —  —
Du suchst umsonst in unsern Tagen das Glück?
Es lebt nur noch in grauen Sagen das Glück?
Du klagst, die Sorgen lasten ewig schwer,
Der Menschen Haß und Neid zerschlagen das Glück.
Betrügen um dein Leben willst du dich?
Du Armer, willst dir selbst versagen das Glück;
Das Schicksal nicht, du selber bist dein Feind,
Wenn Sorge, Wunsch und Gram zernagen das Glück.
Zu Rate sollst du mit dir selber geh'n,
Es löset freundlich deine Fragen das Glück:
"Verzage nicht, und zweifle nicht an mir!
Es bietet sich in allen Lagen das Glück.
Doch tief im Innern fließt der gold'ne Quell,
Nicht außen suche zu erjagen das Glück!
Sei warm im Herzen, im Gemüte reich,
Dann wirst du in dir selber tragen das Glück!"
—  —  —  —  —  —  —  —  —  —  —  —  —  —  —  —
Vom Vaterthrone strahlen nieder die Sterne,
Und möchten All' uns seh'n als Brüder die Sterne.
Die Menschen aber streiten fort und fort,
Und traurig schau'n der Zwietracht Hyder die Sterne.
Wohl Mancher klagt das Schicksal feindlich an,
Und ballt die Faust verwegen wider die Sterne,
Wie frech der Mensch auch sei in Wahnesnacht,
Es glänzen hell und liebend wieder die Sterne.
Den Sängern aber flimmern sie so traut;
Es singen ihre schönsten Lieder die Sterne.
Doch ewig klagen sie: "Wann sehen uns
Als eines Hauses treue Glieder die Sterne?"
—  —  —  —  —  —  —  —  —  —  —  —  —  —  —  —
O hör' es, Freundin der Kamönen! Ich liebe dich!
O hör' es, Reizendste der Schönen! Ich liebe dich!
Ich riefe laut — herzinnig aus das Wort:
— Könnt' ich zur Königin dich krönen — "Ich liebe dich!"
Doch Sänger bin ich, und dich krönt mein Lied;
In süßem Sange hör' es tönen: Ich liebe dich!
Dein Bild, den Himmel trag' ich in der Brust,
D'rum ewig möcht' ich jubeln können: Ich liebe dich!
Wenn mir der Genius die Fackel senkt,
Mein letzter Atem würde stöhnen: Ich liebe dich!
Doch — glüht mir nicht entgegen dein Gefühl,
So mögest du das Wort mir gönnen: "Ich liebe dich!"

Wahn
1830

Der sich von dem gold'nen Ringe
Gold'ne Tage nur verspricht,
O, der kennt den Lauf der Dinge
Und des Herz der Menschen nicht!
                                     Gotter

Eine Welt von Idealen
Baut das Herz sich, welches liebt,
Stunden, ewig ungetrübt,
Sieht es aus der Zukunft strahlen.
Armes Herz, so oft betrogen,
Dennoch legst du Hand in Hand,
Schlingst so leicht das ew'ge Band,
Um dein ganzes Glück belogen!
Sieh, daß nicht dein Wahn zerrinne!
Seine Fackel löscht das Glück,
Und nur Schlacken sind zurück
Nach dem kurzen Rausch der Sinne.
O, wie listig legt oft nicht
Dem das Unglück seine Schlinge,
"Wer sich von dem gold'nen Ringe
Gold'ne Tage nur verspricht."

Wer im seligen Empfinden,
Das die Liebenden beglückt,
Höher, als ein Gott entzückt,
Ewig will den Himmel finden, —
Wer an Dauer glaubt der Tage,
Wo nur Lieb' um Liebe wirbt,
Freudig selbst als Opfer stirbt,
Duldend, blutend ohne Klage, —
Wer den flammenden Gefühlen
Preis sich gibt mit keckem Mut,
Wer es nie erfuhr, daß Glut
Auch zu Eis sich kann erkühlen, —
Wer die Myrte sorglos flicht,
Blind vertraut dem gold'nen Ringe, —
"O, der kennt den Lauf der Dinge
Und das Herz der Menschen nicht!"

Prüfung
1830

Es gebe guten Widerklang!
D'rum prüfe, wer sich ewig bindet,
Ob sich das Herz zum Herzen findet,
Der Wahn ist kurz, die Reu' ist lang.
                                      Schiller

Wenn du aus Tausenden gefunden
Die heißgeliebte, schöne Braut,
Wenn golden sich dein Himmel baut
Dein Arm das Höchste hält umwunden:
Da strahle eure neue Sonne
In eure Tage gleichen Glanz!
Die Freude biet' euch gleichen Kranz,
Die Brust durchström' euch gleiche Wonne!

Und stillt sich nicht das gleiche Sehnen,
Und muß oft bluten auch das Herz,
Da künde sich der gleiche Schmerz
In deinem Blick', in ihren Tränen.
Gleich sei der tiefste Herzensdrang
Zu gleichem Wollen und Vollbringen!
Die Seelen müssen sich umschlingen:
"Es gebe guten Widerklang!"

O, möge dich der Tand nicht trügen!
Erkennen sollst du Sein und Schein;
Fest muß das Glück gegründet sein,
Die schöne Hülle darf nicht lügen.
Du jagst nach einem Ideale,
Dir glänzt der Liebe hellster Stern, —
Doch sieh dich vor, oft fault der Kern,
Verborgen in der schönen Schale.

Nach Schwärmertagen, kurz genossen,
Nach bald verrauchter Trunkenheit
Wird dir die düst're Wirklichkeit
In greller Nacktheit aufgeschlossen.
Die Binde fällt, der Wahn entschwindet,
Die Liebesblicke löschen aus,
Und Furien ziehen in dein Haus, —
"D'rum prüfe, wer sich ewig bindet!"

In feierlicher, ernster Stunde
Verpfändest du am Traualtar
Ein heilig Wort auf immerdar,
Verfallen einem ew'gen Bunde.
D'rum prüfe mit Verstandesklarheit,
Ob ohne Falsch des Geistes Schmuck,
Der Lippen Kuß, der Hände Druck,
Ob innig sei des Herzens Wahrheit;

Ob Bürgschaft sprechen ihre Züge
Für ein beseligend Geschick;
Ob hell und offen, wie der Blick,
Die tiefste Seele vor dir liege; —
Ob sie dein Innerstes empfindet,
Und dich erkennet ganz und wahr, —
In deiner Prüfung werde klar:
"Ob sich das Herz zum Herzen findet."

O, Heil den Herzen, die gefunden,
Was sie geglaubt, gehofft, geliebt!
Ein Himmel, ewig ungetrübt,
Hält ewig liebend sie verbunden.
Doch, wehe, wenn ein Traum, ein Wähnen.
Ein Sinnentrug nur war dein Glück!
Dich führt kein Rückweg mehr zurück,
Dein Leiden sühnen keine Tränen.

Was du erstrebt mit Liebesflammen,
Ergreift der innern Hölle Brand,
Dich rettet keines Engels Hand —
Dein Truggebäude stürzt zusammen!
Des Lebensglückes Untergang
Beweinst du, armes Herz, auf immer!
Vergiß darum die Mahnung nimmer:
"Der Wahn ist kurz, die Reu' ist lang!"

Ghaselen 3
1830

Sei stets bereit! Verschont dich heut' der Tod,
Er folgt dir, — morgen wieder dräut der Tod,
Manch' Leiden klagt so schwer, so hoffnungslos,
Und doch kein einzig Herz erfreut der Tod.
Wohl gibt er, unerbittlich, nichts zurück,
Nicht eine einz'ge Tat bereut der Tod;
Doch magst du dich erwehren innern Graun's,
Es werde nicht so bang gescheut der Tod!
Ein Genius, wie einst, so sei er's noch,
Denn freundliche Erlösung beut der Tod.
Auf Gräbern baut er sich das grüne Feld,
Und Saaten, tief und sicher, streut der Tod.
Ein Jenseits winkt, es gibt ein schön'res Sein!
Das Leben, wahrer, herrlicher, erneut' der Tod.
—  —  —  —  —  —  —  —  —  —  —  —  —  —  —  —
Tief zündet seiner Hölle Glut der Neid,
Und nie verläßt das Menschenblut der Neid.
Wo immer seine Stätte wählt der Mensch,
Da findet wohlgepflegte Brut der Neid.
Verkünde nicht dein Glück! Bald lauert dein
Mit blasser, tiefverborg'ner Wut der Neid.
Wo bliebe wohl ein Glücklicher verschont?
Wo raubte nicht sein bestes Gut der Neid?
Was allzu finster andern Lastern dünkt,
Das wird ihm Lust, das eben tut der Neid.
Wenn der Gefall'ne nie mehr sich erhebt,
Dann endlich schweigt, — dann endlich ruht der Neid.

Mutterliebe
1831

Gerüstet zum Werke des Tages,
Ein düsterer Jäger stand;
In Tränen den scheidenden Jäger
Sein liebendes Weib umwand:

"O, geh' nicht aus uns'rer Hütte,
Laß ruhen Stab und Gewehr!
O, bleibe bei mir und dem Knaben,
Wir fürchten uns Beide so sehr!

Der Seuche sind wir verfallen, —
Schon wütet der Himmelsfluch!
Der Tod hat ausgebreitet
Sein schwärzestes Leichentuch!

Das Ungeheuer des Ostens,
Schon schleicht es von Haus zu Haus,
Und streckt die krampfigen Arme
Nach tausend Opfern aus."

"Erbebe nicht, treue Seele!
Wohl ernst und bös' ist das Jahr!
Doch hab' Vertrau'n auf den Himmel,
Sei stark in Not und Gefahr!

Nicht scheu' ich die tückische Schlange,
Sie aber fürchtet den Mut;
Am Abend kehr' ich zurücke,
Wenn müde mein Waidwerk ruht."

O, könnt' es ihr Kuß ihm sagen,
Wie ihr im Innern gescheh'n!
Sie starrt ihm nach in die Ferne,
Als gält' es kein Wiederseh'n.

Und — war's die geheime Ahnung,
Bald fühlt sie ein seltsam Grau'n, —
Es sank ihr im tiefsten Busen
Das gottergeb'ne Vertrau'n.

Und Angst und eisige Kälte
Durchzucken ihr Gebein;
"So kehren — erkennt sie schaudernd —
Die Boten des Todes ein!"

Doch — auch in der schrecklichen Stunde
Gedenkt sie der Mutterlust,
Und all' die Liebe zum Leben
Durchglüht ihr die sterbende Brust.

Den Knaben will sie umfassen:
"Der Tod, der sich mein nicht erbarmt,
Er muß doch des Kindes schonen,
Das seine Mutter umarmt!

Wie schläfst du, Knabe, so friedlich!
Wie träumst du so kindliches Glück!"
— Schon breitet die Mutter die Arme —
Was schaudert sie plötzlich zurück?

Es tönt ein Schrei des Entsetzens;
"O Knabe! Reiß' mich von dir!
Allmächtiger! Schleud're mich nieder!
Ich morde mein Kind mit mir!"

— Sie darf ihr Kind nicht berühren, —
Ihr leisester Hauch ist Gift; —
Es muß erbarmenlos töten,
Wo es Lebendige trifft.

Und aus dem zerriss'nen Herzen,
Im schrecklichsten Kampfe — stieg
Der himmlischen Mutterliebe
Gerechtester — heiligster Sieg.

Sie will zur Stätte des Todes
Sich wählen ein anderes Haus;
Dort hauchten schon die Bewohner
Die legten Seufzer aus.

"Leb' wohl, o mein Kind, auf immer!
Mein Alles warst du mir!
Der Himmel möge dich schützen!
Die Mutter nimmt er dir!"

Und Tränen strömten zur Erde,
Da sie die Hütte verschloß;
Es waren die heiligsten Tränen,
Die je ein Auge vergoß.

Sie geht, — da ruft aus der Hütte
Das süße — das schmerzliche Wort:
"O Mutter, herzliebe Mutter!
Verlaß mich nicht! Geh' nicht fort!"

Und tiefer noch preßt ihr der Knabe
Den krampfhaften Todesschmerz,
Mit tausend Messern durchbohrt er
Das arme Mutterherz.

Sie blickt zur geliebten Hütte, —
Da wankt der zitternde Fuß, —
Sie gäbe dem teuern Kinde
Nur einen — einen Kuß!

Doch auch die letzten Küsse
Verweigert ihr das Geschick;
Sie darf ihr Kind nicht mehr segnen, —
Doch — Segen auch ist ja ihr Blick.

Und inniger fleht der Knabe:
"O, Mutter; geh' nicht von mir!"
""Wir kommen bald wieder zusammen,
Dort geht nicht die Mutter von dir!""

Und wie das Herz war gebrochen,
Die Stimme der Mutter brach,
Mit der sie den schrecklichen Abschied —
Den Abschied vom Kinde sprach:

"Dem Vater viel tausend Grüße!
Leb' wohl, leb' wohl, mein Kind!
Einst sieht die Mutter dich wieder —
Geliebtes — geliebtes Kind!"

Sie betet — sie fühlt sich gerüstet,
Und dankend blickt sie hinauf; —
Mit gräßlichem Staunen nahm sie
Ein Haus von Sterbenden auf.

Der Tag war niedergesunken, —
Da rasselten dumpf an's Haus
Die Räder des schwarzen Wagens —
Der trug die Mutter hinaus. —

Beim Tanze
1831

Euterpe, zieh' den Reih'n, den flüchtig schnellen,
Hinauf den Saal, im heiteren Vergnügen!
Die Lust des Tanzes trinkt in vollen Zügen!
Hinauf — hinab — auf seinen leichten Wellen!

Den Born der Freude lasset sprudelnd quellen:
Er ströme, wenn es auch die Alten rügen;
Sie müssen sich der frohen Jugend fügen,
Dem Strome läßt sich nichts entgegen stellen.

Ihr Freunde, schlingt den Arm um eure Schönen!
Der Hauch der Liebe weht aus allen Tönen,
"Umarmung!" ruft es aus den Melodien,

Die Körper schmiegen sich den Harmonien;
So fassen auch die Herzen sich zusammen,
Und ineinander schlagen ihre Flammen! —

Der Tanz und das Leben
1831

Des Lebens Bahn sei bergig oder eben,
Im großen Tanze muß sich Jeder drehen;
Er mag mit Mißmut auf die Wirbel sehen,
Es reißt ihn fort, — da hilft kein Widerstreben.

O, wäre nur das kurze Menschenleben
Ein Tanz, wie ihn die Liebe ließ entstehen,
Wo wir, bezaubert, fast vor Lust vergehen,
Die Welt vergessend, auf und nieder schweben!

O, wär' es wie ein Tanz so schön zu leiten,
So glatt die Bahn zum leichten Vorwärtsschreiten,
So gleich der Takt, den ganzen Kreis zu messen!

O, gäb' es uns das selige Vergessen
Der Sorgen, die es enger stets umschanzen,
Wie eine Jugendnacht, die wir durchtanzen!

Meiner Unbekannten
1831

                             I.
                      Liebestrotz

Ihr Flammen meines Busens möget brennen,
Nach außen darf nicht eure Röte schlagen;
Ich will euch tief versteckt im Herzen tragen,
Ein fremdes Auge soll euch nicht erkennen! —

Auch Dich nicht, dich, die Eine, will ich nennen,
Auch Dir nicht will ich mein Geheimnis sagen; —
Ob du mich liebest, müßt' ich scheu dich fragen,
Und bitten, dich nicht kalt von mir zu trennen.

Wie mir der Strahl das Innerste durchflammte,
Mit tiefem Schweigen will ich es bewahren,
Und wenn das wunde Herz auch nimmer heilte; —

Und wenn die Glut von sieben Himmeln stammte,
Du, die ich liebe, sollst es nicht erfahren,
Bis ich es merke, daß der Strahl sich teilte.

                             II.
                        Ausbruch

Ich will nicht schwach zu ihren Füßen liegen,
Nicht Liebe fleh'n mit süßem Wortgepränge;
Wie heiß es auch mich zum Bekenntnis dränge,
Des Herzens Aufruhr soll mich nicht besiegen.

Nicht vorschnell will ich mich in Fesseln schmiegen,
Ertönet frei, ihr Lieder und Gesänge!
Am Glauben in der Liebe halt' ich strenge:
Die Seelen müssen sich entgegen fliegen.

Doch — wenn ein Blick mir kündet, höher glänzend:
Von gleichen Gluten sei ihr Herz bezwungen,
Von gleichem Drange sei ihr Blut getrieben, —

Dann soll mein Jubel, an Verzückung grenzend,
Entströmen in den höchsten Huldigungen,
Und, wie ich nie geliebt, will ich dann lieben! —

Ermannung
1832

Laßt uns denn als kräft'ge Menschen steh'n,
Immer nur die Bahn des Rechtes geh'n!
So mit Gott beschließen wir den Lauf,
Und uns Alle nimmt der Vater auf."
                                           Pannasch.

Seid gerüstet auf dem Lebensgange,
Kräftig an euch selber schließt euch an!
Fest gebietet jedem Rückfallsdrange,
Strenge macht den Willen untertan!
Alles Große — Herrliche gelingt,
Wo die Kraft sich paart dem edlen Sinne;
Freue sich an göttlichem Gewinne,
Wer den stärksten Feind — sein Ich bezwingt!
Kraft, du Schöpferin der schönsten Taten,
Unbesiegte Herrscherin der Zeit!
Später Nachwelt streu'st du deine Saaten,
Gibst den Sterblichen Unsterblichkeit!
D'rum laßt nie das Gute halb gescheh'n,
Laßt den Preis uns voll und ganz erreichen!
Schwache Geister künden sich im Weichen, —
"Laßt uns denn als kräft'ge Menschen steh'n!"

Die Sirene mag den Schwächling rühren,
Der die Brust nicht gegen sie gestählt;
Nimmer wird ihr Locken den verführen,
Der zur Führerin die Kraft gewählt.
Folgt dem Banner eurer Geisteskraft
In des Lebens vielverschlung'nen Wirren,
Laßt uns durch das Äuß're nicht beirren,
Siegend über Wahn und Leidenschaft!
Keine Klagen ob vergess'nem Lohne,
Wenn die Menschheit das Verdienst nicht kränzt,
Eigenes Bewußtsein ist die Krone,
Die in einem innern Himmel glänzt.
Haben wir das hohe Ziel erseh'n,
Rasch und kühn betreten seine Pfade!
Laßt uns ohne Wanken, fest und g'rade
"Immer nur die Bahn des Rechtes gehn!"

Glücklich, wenn die Selbstsucht ist bezwungen,
Und nicht wiederkehrt der schnöde Schmerz,
Herrlich, wenn der höchste Sieg errungen,
Und geläutert ist das Menschenherz!
Glücklich, wer den schweren Weg betrat!
Freudig legt ihm jeder seiner Tage
In der ewigen Vergeltung Waage
Heilig nieder eine Edeltat.
Was uns vom Geschicke sei beschieden,
Wenn das Leben auch nur karg verleiht,
Nimmer raubt es uns den sel'gen Frieden,
Den des Guten höh're Kraft geweiht.
Schlägt die Stunde, wo wir weiter wandeln,
Blicken wir mit Zuversicht hinauf,
Blicken froh zurück auf unser Handeln, —
"So mit Gott beschließen wir den Lauf."

Halte, Kraft der Seele! wenn im Scheiden
Heiß am Todesbett die Liebe weint,
Wenn wir fortzieh'n von des Lebens Freuden,
Von den Lieben allen, treu vereint.
Laßt uns männlich jedem Schicksal steh'n.
Laßt die Brust vom Schmerze nicht zerreißen, —
Allen ist ein Himmel ja verheißen,
Allen, welche seine Wege geh'n.
Nach der Erde ungezählten Mühen,
Nach dem Leben, oft so sehr verkannt,
Wird das Land des ew'gen Frühlings blühen,
Das hienieden Keiner — Keiner fand!
Freudig zu den Sternen blickt hinauf,
Laßt uns, fest vertrauend, gläubig hoffen!
Eine schön're Heimat ist uns offen,
"Und uns Alle nimmt der Vater auf!" —

An meine Musen
1832

Ihr Geistermädchen, kommt, und seid nicht spröde,
Ihr sollt um mich in ew'gen Tänzen schweben!
Nur eure Liebe würzt mein Sängerleben.
All' and'rer Lohn ist irdisch kalt und schnöde.

Kein Jüngling bin ich mehr, so scheu und blöde,
Daß er nur wagt, verstohl'nen Kuß zu geben;
Es ringt nach eurer Gunst mein männlich Streben,
Ihr deckt mit ros'ger Hand des Lebens Öde!

In eurer heitern Welt, der erdefernen,
Auf euren glücklichen, geliebten Sternen,
Auf euren stillen Höhen laßt mich weilen!

Die reinsten meiner Freuden fand ich oben;
D'rum nehmet hin mein Wort zum Schwur erhoben:
"Ich will mit euch mein ganzes Leben teilen!" —

Frage an die Liebe
1832

Von Liebe hab' ich manches Lied gesungen,
Sie hochgepriesen mit entflammtem Herzen;
Doch ist bei all' den frohen Liederscherzen
Dem Dichter selbst die Liebe nie gelungen.

Ich hielt, so wähnt' ich oft, ihr Glück umschlungen,
Und sah den Lebenssaal voll heller Kerzen;
Doch stets begann der Himmel sich zu schwärzen,
So oft die Liebe ihr Panier geschwungen.

Was hast du, Zürnende, mit mir beschlossen?
Wie lange bleibt mein Herz von dir verstoßen?
Wie lange wirst du noch mir feindlich grollen?

Du wirst doch grausam nicht verlangen wollen:
Ein Dichter, der so oft dein Glück beschrieben,
Soll singen von der Liebe, und nicht lieben? —

Sängers Größe
1832

"Willst du mit den Erdenfreuden rechten,
Und du kennst das hohe Götterland?
Auf zu jenen Höh'n den Blick gewandt,
Bei den Sternen dir den Kranz zu flechten!"
                                             Prechtler

Wie dein Glauben, Hoffen und dein Lieben,
Hat sich Freund, dein Wünschen nicht erfüllt?
Und dir ist ein Sehnen nur geblieben,
Das der Jugend Sonne dir verhüllt?
Düster seh' ich dich in's Leben blicken,
Und vom Auge perlet stiller Schmerz; —
Laß dich nicht vom Irdischen bestricken,
Seinen Gütern fröne nicht das Herz!
Hämisch ist die Göttin dieser Gaben,
Ohne Prüfung werden sie verteilt;
Darum, wer den eitlen Wunsch begraben,
Härmt sich nicht, wenn sie vorüber eilt.
Wie auch deine Kunst verherrlicht werde,
Nimmer wird die Tückische gerührt;
Nimmer zwingst du sie zu deinem Herde,
Wenn sie nicht der eig'ne Wille führt.
Kannst du streiten mit den Schicksalsmächten,
Daß kein glänzenderes Los dir fiel?
Änderst du des Glückes Gaukelspiel?
"Willst du mit den Erdenfreuden rechten?"

Wem der seelenvolle Gott der Lieder
Liebend hold die Wiege schon bekränzt,
Wem von schöngeträumten Welten nieder
Gold'nes Licht für's inn're Auge glänzt, —
Wem der hohe Funke ward entzündet,
Und der wahre, freudige Beruf
Aus dem Göttermunde ward verkündet,
Da ihn inn'rer Drang zum Sänger schuf, —
Wem das Leben seine schön're Blüte
Auf die Flur der Ideale streut,
Wem im reichen, innigen Gemüte
Seines Herzens Jugend sich erneu't, —
Wem ein höh'res, glühendes Empfinden
Durch das tiefste Sein mit Wonne bebt,
Der kann glänzenden Ersatz wohl finden
Für das Glück, nach dem der Haufe strebt.
Reizt dich dennoch dieser kurze Tand?
Kannst du nicht Vergängliches entbehren?
Willst du abwärts deine Blicke kehren?
"Und du kennst das hohe Götterland?"

Über unsers Daseins trüber Stätte
Wölbt sich weit ein lichtumfloss'nes Zelt,
Eine große, diamant'ne Kette
Schlingt sich hin um eine gold'ne Welt.
Dahin müssen Geist und Blick sich heben,
Dahin muß des Strebens Richtung geh'n;
Mit den reinen Sphären muß dein Leben
Unentweiht, im treuen Bunde steh'n.
Und der Götterborn wird ewig fließen,
Der in Sängers tiefstem Busen quillt;
Jene Freude wird er dir ergießen,
Die dir all' das and're Sehnen stillt.
D'rum nicht irren laß es dich und schmerzen,
Wenn die Welt dich einen Träumer nennt,
Nicht empfindend, was im Sängerherzen,
Wie mit Vesta's ew'ger Flamme brennt.
Dahin, wo du deinen Stern erkannt,
Sei das reine Auge kühn gehoben!
Mutig ringe! Sieg erglänzt dir Oben!
"Auf zu jenen Höh'n den Blick gewandt!"

Wer den Ruf der Himmlischen vernommen,
Sie zu feiern durch Apollo's Sang,
Wenn die Weihe, die der Geist bekommen,
Alle Tiefen deiner Brust durchdrang, —
Wenn du, siegend über das Gemeine,
Das Erhab'ne glühend — tief erfaßt,
Und das ewig Schöne — Wahre — Reine
Ganz erkannt, und ganz ergriffen hast, —
Wenn du mit der heil'gen Glut der Saiten,
Auf den Schwingen der Begeisterung
Immer freier kannst die Flügel breiten,
Immer höher zieh'n den Ätherschwung:
Dann wirst du dem Drucke nicht erliegen,
Der des Laien Aug' mit Tränen netzt;
Dann wirst du das hohe Ziel erfliegen,
Das die Muse ihrem Liebling setzt:
Teil zu nehmen an der Götter Rechten,
Fortzuleben über Grab und Zeit,
Mit dem Anspruch auf Unsterblichkeit,
"Bei den Sternen dir den Kranz zu flechten!"