Simsons Tod
1832
Im Tempel zu Gaza, im heidnischen Land,
An zwei der Säulen gekettet,
Des Lichtes beraubt von Feindes Hand,
Aus der er sich nimmer errettet, —
Steht Simson einst mit Entsetzen genannt.
Drei Tausend der Feinde verhöhnen den Mann,
Der grauenhaft knirscht mit den Zähnen,
Der, eisern gelegt in den Kettenbann,
Den Spott nur mit glühenden Tränen,
Mit kraftloser Wut nur entgegnen kann.
Wohl rasselt er wild, doch sein Arm ist schwach,
Und das Mark im Gebeine versieget.
Der früher das Eisen wie Halme brach,
Der gefangene Leu sich schmieget,
Und duldet mit Ingrimm seine Schmach.
Sie heulen ein furchtbares Lied der Schlacht,
Sie preisen den Götzen des Krieges,
Und jubelnd wird ihm der Dank gebracht,
Daß ihnen der Preis des Sieges,
Daß Simson gefallen in ihre Macht.
Da rafft er sich auf, da ballt er die Faust,
Da hört man mit Lauten ihn stöhnen,
Daß schier es den weiten Tempel durchbraus't,
Daß Allen, die ihn verhöhnen,
Daß selber den Heiden darob ergraus't.
Doch jetzt wird er stiller, nicht klirret sein Erz,
Er hat geendet sein Toben; —
In's Innerste drückt er den Riesenschmerz; —
Sein Haupt ist betend gehoben,
Er wendet zu Gott sein zerrissenes Herz:
"Herr Israels! der du mich schwer gestraft,
O, hast du mich ganz verlassen?
Erlöse mich, Gott, aus der schimpflichen Haft,
Von Feinden, die grimmig dich hassen, —
O, gib mir wieder die vorige Kraft!"
Und Simson fühlt sich entzünden sein Blut,
Ein Schwellen in allen Sehnen; —
Die Heiden aber in frevelndem Mut,
Verlachen mit fletschenden Zähnen
Die Allmacht des Herrn, — des Gefangenen Wut. —
Zwei Säulen umklammert Simson jetzt, —
Mit grausem Entschluß in den Mienen; —
Er hat sich ein schreckliches Ziel gesetzt! —
Der Rachegott ist ihm erschienen, —
"Ihr Heiden, erbebt! Ich siege zuletzt!" —
Er stemmt sich nun an mit den Kräften all',
Und rüttelt mit riesigen Armen; —
Da brechen die Säulen — weit donnert der Schall —
"Herr! mög'st du dich Simsons erbarmen!" —
Und Alle zerschmettert des Tempels Fall.
Stilles Weh
1832
Kennst du das Weh im Herzen,
Das tief und endlos nagt,
Das Schwerste trägt und leidet,
Nur duldet und nicht klagt?
Das Weh, das auch dem Freunde —
Dem liebsten — sich verschließt,
Weil durch die Macht der Menschen
Es nimmer heilbar ist.
O, preise deine Tage,
Wenn du es nie gefühlt
Das Wehe, das, je stiller,
Je tiefer d'rinnen wühlt.
Das leise sich am Tage
Nur in der Perle zeigt,
Die aus dem Quell des Busens
Herauf in's Auge steigt.
In langen Nähten aber
Hervor in Strömen fließt,
Und vor den kalten Wänden
Den heißen Schmerz ergießt.
Das ringsher immer finst'rer
Des Dulders Blick umfängt,
An's Herz sich immer schwerer
Mit tausend Krallen hängt. —
Bis es zernagt — zerrissen,
Hinab zur Erde fällt,
Hinab, wo keine Träne
Die Ruhe mehr vergällt.
Die Fabel von der
treuen Liebe
Nach Jean Paul
1832
Kniend an der Urne des Geliebten,
Hatt' ein Mädchen heiß geweint,
Als mit stillem Tritt der Tiefbetrübten
Freundlich ernst ein Mann erscheint.
"Weine!" — sprach der feierliche Alte,
"Leichter wird des Busens Last;
Weine, Mädchen! daß dein Schmerz erkalte,
Wenn du Lust am Leben hast!
Mögest du zu frohem Troste wissen,
Daß die Tränen, die du weinst,
Gnädig aus dem Wunderborne fließen,
Wohl bekannt als Lemnus einst.
Preise jenes Flusses Göttergabe,
Die's vermocht durch einen Trank,
Daß der heißgeliebte Mann im Grabe
In Vergessenheit versank."
"Ihn — vergessen?" — rief sie aus mit Beben, —
Wenn die Träne dies vermag,
Sei der Tag, wo du mir's kund gegeben,
Meiner Tränen letzter Tag!"
Und das Mädchen, blutend zwar von Schmerzen,
Trocknete das Auge schnell,
Und zurück zum treu'sten aller Herzen
Drückte sie den Tränenquell.
Zu den Sternen, wo der Teu're harrte,
Sah ihr Auge hell und klar,
Und so lang, bis es gebrochen starrte,
Und versiegt auf immer war. —
Entzauberung
An M.
1832
Herrlich in der Jugend Fülle,
Von der Schönheit Reiz umflossen,
Wie von Meisterhand gegossen,
Eine zauberische Hülle, —
Aufgeblüht in stillem Tale,
Auserlesen zum Beglücken,
Also hab' ich, voll Entzücken,
Dich geseh'n zum ersten Male!
Schön, wie vor dir Keine blühte,
Warst du siegend mir erschienen,
Unschuld sprach aus deinen Mienen, —
Meine trunk'ne Seele glühte! —
Zu der Götter hohem Saale
Trug mich hin ein selig Wähnen;
Freudig löste sich mein Sehnen,
Nahend seinem Ideale.
Liebe war's, die ihre Strahlen
Feurig warf in meine Tiefen;
Und die Bilder, die dort schliefen,
Wollte sie zur Wahrheit malen.
Aber — hätt' ich glauben sollen,
Daß des Weibes Zier und Seele,
Daß Gefühl — Gefühl dir fehle?
Dir, — der Holden — Zaubervollen?
Schweigend stand ich, tief getroffen,
Als ich sah den Wahn gelichtet,
Und von einem Tag vernichtet
Einer ganzen Zukunft Hoffen.
Was so glühend ich empfunden,
Was mein tiefstes Sehnen stillte,
Was so süß und ganz mich füllte,
War erloschen — und verschwunden.
Nicht dem Manne will ich gleichen,
Der in Peter's hohem Dome,
Blind für seines Sinn's Phantome,
Wollt' ein Marmorbild erweichen.
Doch Prometheus möcht' ich werden,
Um des Herzens Glück zu glauben;
Himmelsfeuer würd' ich rauben,
Für die Eine nur auf Erden! —
Dir die Flammen einzuhauchen,
Jenen Himmlischen entwendet,
Dich, du Form, so schön vollendet,
In des Lebens Glut zu tauchen!
Dich zu füllen, heiß, wie Keine,
Mit dem süßesten der Triebe,
Dich zu füllen mit der Liebe,
Schönes Bild von kaltem Steine! —
Ghasel
1832
Vom Anbeginn der Zeiten klagen die Leute,
Und täglich wird es schlimmer, sagen die Leute.
In ihre Kehlen fließt der Rebe Gold,
Es stillen jetzt, wie sonst, den Magen die Leute;
Genuß und Lust und Freude wechseln bunt,
Und dennoch füllt nur Mißbehagen die Leute?
Und dennoch werden nie die Wünsche satt?
Und ob des nächsten Schicksals zagen die Leute?
Wie wird das Leben uns'rer Zukunft sein?
So hört ihr oft und ängstlich fragen die Leute;
Und schwarz umhängen sie die schöne Welt,
Und schwere Last — im Wahne — tragen die Leute.
Ist ewig ferne denn das gold'ne Ziel?
Wonach denn mühen sich und jagen die Leute?
Mit eig'ner Hand zertrümmern sie ihr Glück,
Das Glück der Gegenwart zerschlagen die Leute.
Wohl nimmer leuchtet der Erkenntnis Stern:
Daß ewig nur sich selber plagen die Leute;
Doch, still, mein Freund, du machst sie anders nicht; —
So waren ja zu allen Tagen die Leute.
Das Vaterhaus
1832
"So leb' denn wohl, du stilles Haus!
Wir zieh'n betrübt aus dir hinaus!
Und fänden wir das höchste Glück,
Wir dächten doch an dich zurück!"
Ferdinand Raimund
Die ihr noch wohnt im Kreis der Lieben,
Ihr, die kein ernster Augenblick
Vom Vaterherd hinausgetrieben,
O, preiset selig das Geschick!
Nicht Allen ist's vergönnt, zu weilen
Im süßgewohnten, lieben Raum;
Der Kindheit schöne Stunden eilen; —
Der Frühling ist erschienen kaum —
Da kommt das Schicksal ernst gegangen,
Und weis't uns eine and're Bahn;
Mit schwankem Tritt, mit tiefem Bangen
Besteigt der Jüngling seinen Kahn;
Und muß er wandern, muß er schiffen
In's fremde Leben weit hinaus,
Da ruft er, unnennbar ergriffen:
"So leb' denn wohl, du stilles Haus!"
Du teures Haus, wo jede Stelle
Einst einen Himmel in sich schloß!
Wo eine ungetrübte Quelle,
Die Quelle gold'ner Tage floß!
Geliebtes Haus, wo ich geboren,
Wo friedlich meine Wiege stand,
Wo ich im Tanz der jungen Horen
Nur Glück genoß, nur Lust empfand!
Ihr Plätze meiner frohen Spiele,
Lebt wohl! — Leb' wohl, du lieber Ort!
Mich ruft nach einem andern Ziele
Gebietend das Verhängnis fort!
Und schmerzlich senden wir im Scheiden,
Den letzten Blick auf's teure Haus; —
Du Haus der süßen Jugendfreuden,
"Wir zieh'n betrübt aus dir hinaus!"
So heiter strahlt kein Abend nieder,
So freundlich grünt nicht die Natur,
So lieblich blüht der Mai nicht wieder,
Wie auf des Vaterhauses Flur.
Doch tiefer, als am Vaterherde
Ergreifen draußen Gram und Schmerz;
Und keines auf der weiten Erde
Schlägt wieder wie das Mutterherz.
Der Liebe feuriges Empfinden,
Das uns erzog mit tausend Müh'n,
Wir können es nicht zweimal finden,
Es kann nicht anderswo mehr glüh'n.
D'rum sendet heiß aus weiter Ferne
Die Sehnsucht Gruß und Wunsch zurück,
Und glänzten dort die hells'ten Sterne,
"Und fänden wir das höchste Glück."
Euch, innig kindliche Gefühle,
Verschließt kein Herz sich, kalt und roh,
Ihr weckt ja noch im Weltgewühle
Erinnerungen süß und froh!
O, sankst du mir auf ewig nieder,
Du süßdurchschwärmte Blumenzeit?
O, kehrst du niemals — niemals wieder,
Du selige Vergangenheit?
Du unvergeßlich teure Stätte!
— Und wär's ein Häuschen arm und klein,
Und wenn ich Gold und Burgen hätte,
In süßer Rührung dächt' ich dein!
Du heilig Haus, geliebt vor allen,
Wir denken dein in Leid und Glück,
Und wohnten wir in Marmorhallen,
"Wir dächten doch an dich zurück!"
Bergmanns-Lust im Sturme
1832
Die Windsbraut heult, — es sprüh'n die Blitze, —
Des Donners Stimmen schmettern wild.
Den Weidmann auf des Berges Spitze
Begeistert das erhab'ne Bild.
's ist Bergmannslust, in Sturmesgrau'n
Mit keckem Mut hinein zu schau'n! —
Hinab in's Tal, das bange zittert,
Entbraus't der grimme Wetterbach,
Und Tannen, Halmen gleich zersplittert,
Und Felsen stürzen donnernd nach!
Und hin durch's ganze Weltenall
Erdröhnt des Sturmes Widerhall! —
— Die Donner werden leiser hallen,
Und wieder strahlt des Himmels Blau,
Und ruhig wird das Bächlein wallen,
Und freundlich glänzen Feld und Au, —
Und in den Tiefen, auf den Höh'n
Wird eine Friedensfeier weh'n! —
Wohl schön ist Gottes Wundererde,
In abendlicher Purpurglut;
Wohl lieblich ist's, wenn Hirt und Herde
Im Alpentale friedlich ruht; —
Doch majestätisch ist Natur —
Erschütternd groß im Sturme nur! —
Da steht der kühne Sohn der Berge,
Ein Hochgefühl in seiner Brust!
Die Menschen unten, bleiche Zwerge,
Vergeh'n in Angst vor seiner Lust!
Ihm schwillt das Herz in Nacht und Graus,
Nach Bergmannsart im Sturmgebraus.
Wenn rings die Elemente toben,
Im Aufruhr Erd' und Himmel braus't,
Da wird des Bergmanns Brust gehoben,
Entzückt, wo das Entsetzen haus't!
Da jauchzt er in den Riesenstreit, —
Da fühlt er Siegesherrlichkeit! —
An die scheidende
Geliebte
1833
Ein Zauber war's, dem ich mich hingegeben, —
Ich glaubte süß an ungetrübte Lust;
Dem Herzen wollt' ich und dem Glücke leben,
Der still erkannten Liebe mir bewußt;
Ich fühlte mich durch alle Himmel schweben,
Denn tausend Wonnen füllten mir die Brust, —
Da schlug ein Ton mir in des Busens Tiefe,
Als ob er mich zu ew'ger Trennung riefe! —
Du, deren Namen ich so innig achte,
Für den mein Herz in heißer Regung schwillt,
Die meine Träume mir zur Wahrheit machte,
Mir meines Sehnens tiefen Drang gestillt, —
Die mir die Seele des Gefühles brachte,
Aus dem der Quell entzückter Lieder quillt, —
Du, Freundin meines innern, — wahren Lebens,
Du gehst von mir! — Die Klage hallt vergebens. —
So ziehe hin mit allen meinen Freuden,
Und mit dir trage meines Herzens Glück!
Was ich geliebt, ich seh' es in dir scheiden,
Mir bleiben Schmerz und Sehnsucht nur zurück.
Es schlägt das Herz zum Lieben und zum Leiden,
Und seine Opfer fordert das Geschick.
Ihm ist es Lust, wenn Wunsch und Hoffnung reifen,
Mit kalter Hand in's warme Herz zu greifen. —
Du ziehst von mir! — Dich trennen weite Meilen,
Und and're Lüste werden um dich weh'n; —
In andern Menschenkreisen wirst du weilen,
Und and're Bilder wird dein Auge seh'n; —
Dein Denken und dein Fühlen wird sich teilen,
Und nicht so nah' mehr wird der Freund dir steh'n; —
Doch nein! — Du denkst auch ferne deiner Lieben;
Bewährte Herzen sind zurückgeblieben. —
Nicht eines Tages Sonne wird sich senken,
Den Schleier breiten wird nicht eine Nacht,
Wo wir nicht dein in Lieb' und Wehmut denken,
Wo dir nicht wird ein geist'ger Gruß gebracht!
Und magst du fernerhin die Schritte lenken, —
Es bleibt dein Bild, fortübend seine Macht,
Und der Gedanke faßt es in den Rahmen:
"Bald kehre heim mit dem geliebten Namen!"
Grüße der Liebe
An Pauline
1833
Hin nach Osten, in die Ferne,
Zog mein Mädchen und mein Glück;
Und mit keinem Morgensterne
Kehrten sie bis nun zurück.
Wohl vom Osten, kommst du, Sonne!
Bringst zurück das gold'ne Licht,
Bringst dem Tage Glut und Wonne,
Doch du bringst nur mir sie nicht!
Kann das Auge nur im Traume
Seiner Sehnsucht Ferne seh'n?
Und in kurzgemess'nem Raume
Muß der Liebe Ruf verweh'n?
Ach, wie enge sind die Schranken,
Für des Menschen Wort und Blick!
Nur die Freiheit der Gedanken
Gab uns spottend das Geschick.
— Sind die Wege denn zertreten?
Blieb der Liebe denn kein Band,
Um die Grüße d'ran zu ketten
Für ein Herz in fernem Land?
Strom, der hin nah Osten eilet,
Der du tausend Schiffer trägst,
Und an's Ufer, wo sie weitet,
Deine blauen Wellen schlägst, —
Leise eine Welle kräuselnd,
Schmiege dich zu Füßen ihr!
Wie im Liebeshauche säuselnd,
Töne sanft mein Gruß aus dir! —
Linde Weste, schnelle Schwingen
Tragen euch nach Osten fort,
Wollt' ihr mit die Grüße bringen
An's geliebte Mädchen dort?
Wolken, die dort rötlich schweben,
Segelnd über meinem Haupt,
Könntet ihr doch Nachricht geben,
Ihr, an die mein Hoffen glaubt!
Ihr, der Lüfte kleine Sänger,
Spannt auch ihr die Fittige!
Flieget ostwärts! Säumt nicht länger,
Grüßet mir die Liebliche! —
Briefe, die dahin geschrieben,
Wäret ihr auch noch so klein,
Wenn ein Fleckchen frei geblieben
Schließet meinen Gruß noch ein!
All' ihr Wandrer gegen Morgen,
Höret noch ein freundlich Wort!
Wollt ihr meinen Gruß besorgen
An den, ach, so fernen Ort?
Doch der Liebe liebste Spenden,
Die sie zart und sinnig flicht,
Blumen kann ich ihr nicht senden,
Denn die Holden wandern nicht.
Aber du, von ihr empfunden,
Meiner Lieder stiller Geist!
Der du dich in sel'gen Stunden
Uns'rer reinen Liebe weih'st,
In des Herzens tiefsten Saiten
Weck' ihr herzlichen Accord!
Meine Grüße wirst du deuten,
Und der Liebe Geisterwort.
Wenn der Tag gelegt sein Rauschen,
Und die Nacht es still bedeckt,
Möge sie den Tönen lauschen,
Die Erinnerung ihr weckt.
Und in süßer Wehmutsfeier,
Die sie vom Gewühle schied,
Denke sie: "des Freundes Leier
Weiht mir jetzt sein Abendlied."
Und in solcher Seelenstunde,
Wo sie tief den Freund erkannt,
Werd' ihr von den Grüßen Kunde,
Die ihr Liebe zugesandt! —
Dichterzuruf
An J.K.
1833
Sängerfreund! was fragst du doch
Nach dem Lächeln kalter Spötter?
Treu sind deine stillen Götter,
Und die Menschen — Menschen noch.
Ändre nicht dein heit'res Ziel!
Mit dir fühlen zarte Herzen,
Wenn die Lieder harmlos scherzen,
Wie der Kinder frohes Spiel.
Aber — sei wie Tauben weich,
Oder sei ein kühner Adler:
Immer triffst du deine Tadler,
Frosch und Krähe schreien gleich.
Darum singe ruhig zu!
Laß dein schäkernd Lied nur hallen!
Keiner ist von jenen Allen
Dauernd glücklich, so wie du!
Unbekümmert um das Wort
Der gemütlos kalten Richter,
Hüte dir das Glück der Dichter,
Singe froh und kindlich fort! —
Und der Kinder Glück, das du
Süß im Liede hast besungen,
Wende die Beseligungen
Auch dem Mann und Sänger zu! —
Der Einsame am Klavier
1834
Wie tief in der Seele füllt mich dein Klang,
Du treu geliebtes Klavier!
Du bist Harmonie! Dein Laut ist Gesang!
Es zieht mich mit Macht zu dir! —
Du freundliche Muse, die d'rinnen wohnt,
Am Abend spiel' ich mit dir!
Die ruhende Welt beleuchtet der Mond —
Du tönst — und wie wohl ist mir! —
Ich singe das Glück der Liebe vor dir,
Vertraue dir jedes Leid,
Und Alles begleitest — erwiderst du mir,
Gefährte der Einsamkeit!
Oft, wenn es im Busen mich drängt und preßt,
Wie stürmest und rauschest du wild!
Und wenn mir die Sehnsucht das Auge näßt,
Wie klingst du dann wieder so mild! —
Ob wohl oder weh' mir im Herzen geschieht,
Ich sage und klag' es nur dir!
Du tröstender Freund, du fühl'st es ja mit,
Du leidest und freust dich mit mir!
An die Natur
1834
I.
Natur! Du bist die Wahrheit!
Dein Buch ist aufgeschlagen
Seit tausendjähr'gen Tagen;
Du hältst es Jedem hin,
Und keine Lüg' ist d'rin.
Auf jedem Blatte thronet
Der Geist, der dich bewohnet;
Was deine Stimme spricht,
Ist rein, wie ew'ges Licht!
Der Mensch — im Truggewande,
Erkenne seine Schande,
Und rufe laut dir zu:
Ich bin nicht wahr, wie du!
Denn du nur bist die Wahrheit! —
II.
Natur! Du bist die Schönheit!
Du bist's im Frühlingskleide,
Wie mit dem Eisgeschmeide,
In stiller Sternennacht,
Wie in der Morgenpracht;
In kleinen Wiesenquellen,
Wie in den Meereswellen, —
Auf Bergen und im Tal,
Hier — dort — und überall!
Der Mensch beschaut dein Blühen
Und fühlt sich oft erglühen;
Doch ach, — sein eitles Ich
Besieht am Liebsten sich; —
Doch du nur bist die Schönheit! —
III.
Natur! Du bist die Liebe!
Wer zählt die süßen Spenden
Aus deinen Mutterhänden?
Wer nennt die Kindeslust
An deiner Mutterbrust?
Wer zählt der Fülle Segen
Auf allen deinen Wegen?
Du forderst nicht, du gibst,
Du hassest nie, du liebst!
Der Mensch — mit seinen Trieben —
Wohl wähnt er, auch zu lieben;
Doch ist zu Haß und Streit
Der Wilde schnell bereit;
Denn du nur bist die Liebe! —
IV.
Natur! Du bist die Treue!
Wie auch im großen Ringe
Der Wechsel aller Dinge
Zerstört und wieder schafft:
Du bleibst dieselbe Kraft!
Jahrtausende versanken —
Wer sah dich einmal wanken?
Mit jedem jungen Jahr
Erneut' sich dein Altar!
Der Mensch — oft nach drei Tagen
In and're Form geschlagen,
Besingt, bewundert dich,
Und — lernt doch nichts für sich;
Denn du nur bist die Treue! —
V.
Natur! Du bist die Weisheit!
Wo saß auf gold'nem Throne
Mit angebor'ner Krone,
Wie du mit weisem Sinn,
Je eine Königin?
Wer gab uns ihre Schätze
Durch Lehren und Gesetze
Wie du, gerecht und klar,
Und ewig wunderbar?
Der Mensch — reißt morgen wieder,
Was heut' er baute, nieder,
Und morgen trifft sein Spott,
Dem heut' er Lorbeer'n bot;
Denn du nur bist die Weisheit! —
VI.
Natur! Du bist die Größe!
Dich feiern tausend Himmel
In jenem Lichtgewimmel,
Die Nacht — der Sterne Kranz,
Der Tag — der Sonne Glanz.
Es feiert dich die Erde
Seit jenem Wort: "Es werde!"
Dich preis't der Fels — der Sturm,
Der Blüte Staub — der Wurm!
Der Mensch — der Stolze, Kleine,
Erhebt sich, wenn er Steine
Zu Steinen füget, hoch,
Und ist so nichtig doch!
Denn du nur bist die Größe! —
VII.
Natur! Du Thron der Gottheit!
Es ist ein heilig Walten
Im Schaffen und Gestalten,
Der Odem Gottes weht
Ob Allem, was besteht!
Der Ew'ge, Unsichtbare
Schwebt über'm Hochaltare,
Der aus der Erde Kern
Aufsteigt zum höchsten Stern;
Und jene heil'ge Sieben
Ist leuchtend hingeschrieben,
Und hehr verklärt sich d'rin
Die hohe Priesterin.
Natur! Du Thron der Gottheit! —
In Schillers Album
1835
Seine Heroen nennt mit kaltem Stolze der Brite,
Und mit geschwätzigem Mund brüstet sich gallischer Ruhm;
Aber das Herz wird warm, und Begeisterung leuchtet vom Auge,
Wenn Germania spricht: "Friederich Schiller mein Sohn!" —
Dichter und Vogel
1835
Vogel! Was tat ich dir?
Sänger! Du fliehst vor mir?
Sänger ich, so wie du,
Füg' ich kein Leid dir zu.
Ob ich auch nicht so frei,
Nicht, wie du, glücklich sei,
Hab' ich doch, kleiner Freund,
Immer dir's gut gemeint.
Still mit vergnügtem Sinn
Bin ich im Walde d'rin;
Hier von den Menschen fern,
Weil' ich bei dir so gern!
Friedliche Welt um mich
Träumerisch, abendlich!
Und der du wohnest hier,
Vogel, wer gleicht wohl dir?
Flatterst von Ast zu Ast,
Üb'rall ein froher Gast,
Und wie dir wohl geschieht,
Singst du dein Freudenlied.
Dennoch auch manches Mal
Drückt mich des Neides Qual,
Und aus dem Laubendach
Blick' ich dir sehnend nach!
Wäre dein Schicksal mein:
Sänger und frei zu sein,
Und, wie du, Glücklicher,
Nichts zu bedürfen mehr! —
Könnt' ich nach deinem Brauch
Singen und wandern auch!
Sorgenlos, leicht, wie du,
Zög' ich dem Süden zu!
Sänger der freien Luft,
Hoch über Staub und Gruft,
Könnte mit dir ich zieh'n
Über die Länder hin! —
An Johanna
meine Erstgeborne
Am 28. Jänner 1835
"Was einst als Ahnung — Sehnsucht nur,
Durchdrungen deines Vaters Lieder,
Das sinke von der Himmelsflur
Als reiches Leben dir hernieder!" —
Uhland
Sei mir gegrüßt im ersten Strahl des Lichtes,
Der in dein klares, blaues Auge fällt!
Du, meines wahrsten — freudigsten Gedichtes
Geliebter Stoff, den Gott mir selbst gewählt!
Es sei gegrüßt, o Kind, dein erstes Regen!
Gegrüßt dein erster Blick — dein erster Schrei!
Laß dich das erste Mal an's Herz mir legen,
Dich segnen mit dem Kreuz der heil'gen Drei!
Gegrüßet sei von dieser Freudenträne,
Die vom entzückten Vaterauge rinnt!
Vergessen hab' ich alle Lebenspläne, —
Jetzt hab' ich dich, du mein geliebtes Kind!
O sei geküßt vom heißen Vatermunde,
Der jetzt auf dich ein weihend Siegel drückt!
O sei geküßt in dieser Jubelstunde,
Die mir die Blume süßer Liebe pflückt!
Am Tage, der den Namen mir gegeben,
Empfang' ich dich, ein heiliges Geschenk!
— So schöner Fügung bleib' ich durch mein Leben
Mit dankbar frohem Herzen eingedenk.
Ich segne dich an deiner Lebenspforte
Mit allen Freuden meiner Jugendzeit!
Mit meiner Liebe höchstem Seelenworte,
Mit meines Herzens ganzer Innigkeit!
— Nicht Träume sind's, die spielend mich umschweben,
Und keine Täuschung ist mir dieser Tag;
Was mich beseligt, ist ja Sein und Leben,
Und fühlbar ist mir deines Herzleins Schlag! —
Und nicht hat mir die Poesie gelogen,
Da sie in Bildern Himmel mir gemalt:
Hier wölben sich mir zwei der blauen Bogen,
Woraus mir Gottes nächster Himmel strahlt!
Du neue, kleine Bürgerin der Erde,
Des Lebens Herr — sein Engel sei mit dir!
Auf daß dir einst erfüllt der Segen werde,
Den du als Wiegenlied erhältst von mir!
Gedeihe durch der Mutter treue Pflege,
Und werde einst ihr süßes Ebenbild!
O, daß sie auch in deinen Busen lege,
Was ihre Brust und ihre Seele füllt!
An starker Liebe sollst du einst ihr gleichen,
So innig werde, und so treu und wahr!
Den Sinn der Mutter strebe zu erreichen,
Und werde gut, wie sie, die dich gebar!
— Und soll nicht mir die gold'ne Zukunft werden,
Wie sie mein Träumen und mein Hoffen glaubt,
So lenke sie doch deine Fahrt auf Erden,
So kränze sie doch dein geliebtes Haupt!
Die Welt, wie ich im Liede mir sie schmücke,
Und was mein Sehnen legt in sie hinein,
Die Welt, in der ich innen mich beglücke,
Soll selig auch von außen um dich sein! —
Vor der Reise
An Pauline
1835
I.
Ich reise, — doch nicht such' ich and're Sterne;
Was könnt' ich dort — ein Fremdling — mir erringen?
Wen kann mein Arm so heiß, wie dich, umschlingen?
Wen grüßte wohl mein Mund, wie dich, so gerne?
Und doch — wie drängt der Geist hinaus zur Ferne!
Wie weithin will des Mannes Sehnsucht dringen!
Wie oft im Stillen wünsch' ich Körperschwingen,
Auf daß ich fremdes, neues Wissen lerne.
Die treue Muse schiffe mit, und singe!
Das Neue soll mit neuer Kraft sie schildern,
Und neuer Reiz belebe mir die Lieder!
Und doch — wie viel ich auch des Neuen bringe,
Wie reich ich wiederkehr' an neuen Bildern,
Ich bringe doch das alte Herz dir wieder! —
Mannes-Heimkehr
II.
Wie war ich einst von Sehnsucht heimgetragen!
Wie wünscht' ich mir vom Vogelflug die Schnelle,
So oft ich nach des Vaterhauses Schwelle
Heimkehrte in den gold'nen Jünglingstagen!
Der Jugendhimmel war mir aufgeschlagen,
Und all sein Glanz umfloß mich zauberhelle,
Wenn in der Eltern Freudentränenquelle
Die Perlen ihrer Liebesgrüße lagen.
Doch — was mir jetzt im Mannesherzen flammet,
Die Sehnsucht ist's, die feuriger noch brennet,
Die einem höh'ren Himmel noch entstammet.
O, sag' es, Lippe, was ich jetzt empfinde!
O, sag' es laut, wie der sich selig nennet,
Der liebend heimwärts eilt zu Weib und Kinde! —
Häuslicher Herd
1836
Was treibet ihr so nimmersatt,
Ihr Freunde, für ein Spiel?
Was jagt ihr euch so todesmatt?
Und welches ist das Ziel?
Wie strengt ihr an all' eure Kunst,
Die nun und nimmer ruht,
Und hascht nach Gold, nach Rang und Gunst,
Nach Ruhm und eitlem Gut?
Ihr müht euch ab mit schwerer Last,
Auf Wegen, steil und rauh,
Ihr klettert fort, und habt nicht Rast,
Und euer Haar wird grau.
Und euer Glück — beseht es recht!
Wohl ist's von außen licht,
Doch ist's nicht rein, und ist nicht echt,
Es hält die Probe nicht.
Nur eine Stätte — glaubt es mir —
Umschließt, was ihr begehrt;
Nur eine Stelle haben wir,
Wo sich das Glück bewährt.
Ist euch die Stätte ewig weit,
Wo wahres Glück gedeiht?
Ist's nicht der Herd der Häuslichkeit,
Von Liebe eingeweiht?
Des Lebens Sturm, der außen tobt,
Dringt nicht in diesen Port;
Ich habe seinen Schutz erprobt,
Mein Liebstes berg' ich dort.
Am trauten Herde sitzen wir,
In süßvereinter Drei;
Mein liebes Weib zur Rechten mir,
Ein Kindlein nebenbei.
Wie lieblich ist sein kleiner Scherz!
Wie selig spiel' ich mit!
Wer es begreift des Vaters Herz,
Der weiß, wie mir geschieht.
Es lallt und lacht so selig d'rein,
In kindlich eig'ner Art,
Und langt mit Händchen, lieb und klein,
Nach mir und meinem Bart.
Und wenn im Bettchen an der Wand
Der kleine Engel schläft:
Wie übt der Mutter treue Hand
Ihr süßestes Geschäft!
Sie wacht und neigt sich d'rüber hin
So liebend und so mild;
Sie sieht den Mutterhimmel d'rin,
Der all' ihr Wünschen stillt.
Und wie sie waltet, wie sie schafft,
Und still die Pflichten übt,
Und in des Herzens reicher Kraft
Selbst ihre Sorgen liebt!
Sei trüb — sei licht des Schicksals Lauf,
Und noch so groß die Welt:
Es wohnt nicht eine Seele d'rauf,
Die's treuer mit mir hält.
Und treu gepflegt, wie jene Glut
Bei meinen Laren dort,
So glühet sanft bei treuer Hut
Auch uns're Liebe fort.
* * *
Worauf ihr immer fest und hoch
Die Hoffnung einst gesetzt:
Wohl euch, ihr Freunde! wenn euch noch
Dies Eine bleibt zuletzt.
Im Stillen preise sich der Mann,
Der so sein Los gestellt,
Hinstreckt den Arm, und rufen kann:
"Fahr hin, du kalte Welt!" —
Der alte Gräber
1836
Ein Greis, der die Leichen bettet,
Bereitet wieder ein Grab;
Das will er schon fertig haben,
D'rum strebt er so emsig hinab.
Er hat es genau gemessen,
Und gräbt, und murmelt bei sich:
"Ich kenne den Mann und die Länge,
Er war nicht größer, als ich."
D'rauf summt er ein altes Liedlein,
Häuft mutig die Erde auf,
Und wirft von dem tiefen Grunde
Viel schwere Schellen herauf.
Der Tag war stille geworden;
Noch leuchtet der Abendschein
Auf's kahle Haupt des Gräbers
In's offene Grab hinein.
Schon geht die Arbeit zu Ende,
Nun will er verlassen das Grab, —
Da rasselt mit einem Male
Der Sturz der Erde hinab.
Es flimmern die letzten Strahlen
Der Sonne, die eben schied; —
Der Gräber erscheint nicht wieder,
Tief unten verstummte sein Lied. —
Mondlandschaft am
Traunsee
1836
I.
Still lag vor mir der Berge schöne Runde;
Im See, wo sich die Wellen leise regen,
Ertönte nur der Takt von Ruderschlägen
Des Fischerkahn's, auf silberhellem Grunde.
Der Friede war mit dieser Nacht im Bunde,
Und meiner Muse konnt' ich liebend pflegen;
Ich rief ihr zu, als sie mir kam entgegen:
"Wie hab' ich mich gesehnt nah deiner Stunde!"
"Wie," sprach sie, "weißt du's erst seit diesem Tage,
Wie treu ich wandle hier an deiner Seite?
“Wie gern ich dich an diesen See begleite?"
Ich rief: "Wohlan! Wenn du's vermagst, so sage,
Und stell' es hin in dichterischem Bilde,
Was mich durchdrang in dieser Nacht der Milde!"
* * *
II.
Die Berge deckt der mitternächt'ge Schleier;
Aufragt der Traunfels unter den Kolossen;
Der See ist friedlich zwischen hingegossen,
Und d'rinnen spielt der Sterne stilles Feuer.
Da wird es hell, und herrlicher und freier —
Und Alles ist von einem Glanz umflossen,
Als sei das Allerheiligste erschlossen, —
Der Mond, ein Bote Gottes, naht zur Feier!
Sieh, eine Straße zieht er von Juwelen,
Die weithin über das Gewässer blitzen,
Die nur das Aug' des Herrn vermag zu zählen!
Die Welt verstummt mit ihren armen Witzen,
Denn höh're Glorie strahlt auf jenen Spitzen,
Als Glaubensleuchte tief'rer Menschenseelen.
III.
Du schöner Fels im weiten Traunseetale!
Wie gerne blick' ich auf zu deinen Zinnen!
Wie süß erfüllend ist des Dichters Sinnen,
Da ich dein Bild in meinem Innern male!
Rings seh' ich aus des Himmels Sternenschale
Die hellen Ströme seines Lichtes rinnen,
Und wie wenn Gold und Silber sich verspinnen,
So glänzet dein Gestein in feinem Strahle!
Ein Riesenkelch am Schöpfungshochaltare,
So stehst du jetzt vor mir, und d'rauf der klare,
Beseligende Mond mit voller Scheibe!
Am Rande schwebt er, und inmitten oben,
Als hätt' er aus dem Innern sich gehoben,
Den Kelch darstellend mit dem heil'gen Leibe.
IV.
Wie nenn' ich es, was meine Brust durchdrungen,
Als so im Monde sich die Landschaft schmückte?
Der Geist der Dichtung war's, der mich durchzückte,
Der über Sorg' und Erde mich geschwungen.
Nie war sein Gruß mir inniger erklungen,
Als dort, wo mich ein sel'ges Schau'n beglückte;
Was dort sich neu mir in die Seele drückte,
Verkünden möcht' ich es mit tausend Zungen!
Was wir in jener Berge stillen Kreisen
Als uns'rer Heimat Schmuck und Krone preisen,
Dort war's vereint in leuchtender Verklärung!
Der Zauber einer Mondnacht lag darüber,
Die Seele quoll vom Liederdrange über,
Und einem schönen Traume ward Gewährung.
V.
Das Schloß am See, des Freundes Haus war stille,
Er ruhte süß im Frieden mit den Seinen;
Ich war allein und dachte an die Meinen,
Und mich beseligte des Herzens Fülle.
Und doch vom Aug' gebannt schien Wunsch und Wille,
Der Ruhe milder Atem weckte keinen;
Ich gab mich hin der Nacht, der göttlich reinen,
Und spät erst sucht' ich meines Lagers Hülle.
Das klare Licht, der Lust geheimes Wehen,
Das Wellenspiel im schönsten uns'rer Seen, —
Wie stimmten sie zu süßen Fantasien!
Ich konnte nicht zurück vom Fenster treten,
Der Allmacht Wunder trieb's mich anzubeten,
Und auf die Knie schien es mich zu ziehen. —
Das Castrum
Ernst hallten des Domes Glocken, —
Die Feier hab' ich geseh'n,
Die jährlich die lebenden Krieger
Dort für die toten begeh'n.
Hoch oben von einem Fenster
Hab' ich hinunter geschaut
Auf's hochgetürmte Castrum,
Das ganz aus Waffen erbaut.
— Für so viel tausend Tote
Ein einziger Sarkophag!
Für so viel versunkene Leben
Nur Ein Gedächtnistag!
Wozu auch eigene Gräber
Für jeden eigenen Schmerz?
Birgt deren doch auch so viele
Das kleine Menschenherz!
Rings um das Castrum standen
Acht eiserne Masken herum,
Die waren wohl auch so hohl nicht
Im alten Rittertum.
Sie steh'n als stumme Wächter
So ernst und täuschend dort,
Als wär' aus diesen Larven
Nicht längst das Leben fort.
Und um die ernsten Männer
Aus tiefer Vergangenheit,
Da reihten sich modische Krieger,
Wie's Jetzt an die einstige Zeit.
Und als am Hochaltare
Der Priester die Wandlung begeht,
Da beugten sich Aller Häupter
In Andacht zum Gebet.
Und nur die acht Ritterlarven
Die blieben aufrecht steh'n,
Nur ihrer Helme Feder
Schien luftbelebt zu weh'n.
Da fühlt' ich ein heimlich Grauen,
Und mir zu Mute ward:
Vergänglicher, als Vergang'nes,
Sei selbst die Gegenwart!
Ihr Schweigen
An Sie
Spiegelt nicht in Baches Welle
Freundlich ab sich jedes Bild,
Wie in einer Freundes-Seele
Wahr und treu und unverhüllt?
Tönt nicht von den Felsenwänden
Jeder Laut so treu zurück,
Gleich als ob sie mitempfänden
Fremden Schmerz und fremdes Glück?
Sieh', wie Bach und Fels erwidern,
Sympathie ist rings herum!
Du nur bleibst bei meinen Liedern,
Du allein nur, peinlich stumm!
Cottillonfigur
War jüngst bei einem Tanze,
Da ging es gar lustig her;
Die hundert Lichter bestrahlten
Ein wogendes Freudenmeer.
Die Jünglinge Alle zierte
Ein schwarzes Feierkleid,
Die Mädchen im weißen Schmucke,
Und Blumen in's Haar gestreut.
Sie hielten sich die Hände
Verschlungen so warm, so fest,
Als wär's die Kette der Wesen,
Die nimmer sich trennen läßt.
Da zogen zuletzt die Männer
Ein schwarzes Kreuz im Tanz,
Um das die Mädchen sich wanden
Als weißer Rosenkranz.
Süß schwelgten die jungen Tänzer,
Schön war die Figur enthüllt;
Ich aber stand bei Seite,
Von dem Gedanken erfüllt:
Wie doch in diesem Leben
Nichts Neues mag gescheh'n!
So hab' ich schon oft im Friedhof
Dasselbe Bild geseh'n!
Abendruhe
Des Abends gold'ne Rosen blühen
Rings auf der Berge Reih'n,
Und lichte Nebelstreifen ziehen,
Umhüllend Tal und Hain.
Die Winde hüpfen, launig spielend,
Hin über'n stillen See,
Und necken träumerische Wellen
Noch einmal in die Höh'.
Süß tönt vom nahen Walde nieder
Der Vöglein Schlummerlied,
Und alle Wellen gaukeln müder,
Und jedes Lüftchen flieht.
Und leise singt, und immer leiser,
Das Vöglein sich in Ruh',
Ein großes, klares Liebesauge
Sieht allen Schläfern zu.
Sylvesternacht
1837
Mir träumt', ein alter Recke
Mit silbergrauem Haar,
In weißer Leichendecke,
Läg' auf der Totenbahr'.
Als man ihn wollt' begraben,
Sah ich vom Bahrtuch schnell
Sich heben einen Knaben,
Gar frisch und rosig hell.
Auf seinen Wangen brannte
Das Leben wonniglich,
Doch wer den Alten kannte,
Fand bald, daß er ihm glich.
Vergessen ward der Tote,
Eh' er versunken noch,
Dem jugendlichen Gotte
Rief Alles: Lebe hoch!
— Ernst wacht' ich auf vom Traume, —
Vor meinen Blicken lag
Im morgenhellen Raume
Des Jahres erster Tag.
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