Der Span
Eine Volkssage
Will euch singen von dem Schlosse,
Das auf jenem Berge stand,
Will euch singen von der Hütte
Unten an des Berges Rand.
Droben füllen tausend Kerzen
Hundert Fenster rings mit Schein,
Drunten glimmt nur noch ein Spänchen
Durch ein einzig Fensterlein.
Droben netzen Frankreichs Weine
Grafen- Fürstenkehlen jetzt,
Während unten eine Bäurin
Ihren Flachs mit Tränen netzt.
Ach, ihr Mann sitzt im Gefängnis,
Weil er jüngst beim Fron gefehlt,
Und sie spinnt für seine Lösung,
Von des Hoffens Mut beseelt.
Kann sie morgen ihn nicht lösen,
Jagt, durch Züchtigung entehrt,
Ihn der bittentaube Amtmann
Samt dem Weib von Haus und Herd.
Schon ist Mitternacht vorüber,
Schon verglimmt der letzte Span,
Das Gespinst ist nicht vollendet,
Und Entsetzen faßt sie an.
In der Stube wird es dunkel,
Dunkler noch in ihrer Brust,
Doch vom Berg, vom Schlosse tönet
An ihr Ohr der Zecher Lust.
Weib, wohin? im stieren Blicke
Den verzweifelten Entschluß?
Fort und fort zum Schloß, zum Saale
Tragt sie blitzesschnell ihr Fuß.
Stürzt zur Erde vor dem Grafen,
Hält umklammert seine Knie,
Stammelt atemlose Laute,
Tränen unterbrechen sie.
"Herr, wohl mehr denn tausend Herzen
Flackern lustig Euch allhier,
Eine gebt mir von den tausend
Und zwei Menschen rettet Ihr.
Herr, wohl mehr denn tausend Lichter
Leuchten Euch zum frohen Schmaus;
Mir zur Arbeit nur ein Spänchen
Und dies Spänchen brannte aus!
Und das Garn liegt unvollendet,
Das mir lösen soll den Mann,
Weh mir, wenn ich's, graut der Morgen,
Nicht dem Amtmann bringen kann!
Herr, ein Lichtlein nur zur Arbeit,
Und bis früh vollend' ich sie!"
Und sie klammert fest und fester
Sich dem Grafen um das Knie.
Aber der beschaut sie lüstern —
Jung und reizend ist ihr Leib —
Und er winket seinen Gästen:
"Ein willkommner Zeitvertreib!"
Drauf zum Weibe: "Gerne mehr noch,
Als du flehst, gewähren wir;
Dich begehrt nach einem Manne —
Wohl den Mann ersetz' ich dir!"
Lauter Beifallsruf der Tafler
Lobt des Frechen Übermut —
Aber in dem Blick des Weibes
Ringt Verzweiflung mit dem Mut
"Schläft denn Gott!" sie ruft's und sinket.
Doch der liebe Gott schläft nicht.
Sie erwacht in ihrer Stube,
Und die Stub' erglänzt in Licht.
Und wie eine Himmelstimme
Hören sich die Worte an:
"Sieh, ich hab' dir angezündet
Einen großen großen Span!"
Und sie blickt hinaus, welch' Anblick! —
Das ist Gottes Rächerhand! —
Widerschein war diese Helle
Von des Grafenschlosses Brand.
Am Sterbetage meines
Vaters
In kühler Erde schläft ein Greis.
Schlaf süß, schlaf süß! Dein Tag war heiß;
Dein Tagwerk hast du treu vollbracht,
Du edler Sämann, gute Nacht!
Die Saat, die sorglich du gestreut —
Getrost, mein Schläfer — sie gedeiht.
Auf deiner Locke, silberweiß,
Ruh' aus, ruh' aus, du edler Greis!
Stumm schlossest du dein Auge zu,
Gingst ohn' Ade zur ew'gen Ruh,
Still, wie ein Stern sinkt abendwärts,
Brach ohne Todeskampf dein Herz;
Nicht krank, hinfällig, alterssiech
Und mattgehetzt vom Lebenskrieg
Fand dich des Todes Genius
Und gab dir seinen Friedenskuß.
In voller Rüstung fand er dich;
Da senkte seine Fackel sich,
Und rasch wie sie verlosch dein Blick
Und fiel nicht mehr auf uns zurück;
Kein schluchzend Ach erschwerte dir
Den Flug nach Oben, und nur wir,
Die dich geliebt, wir fühlen's tief,
Wer uns in dir hinüberschlief.
Dort, wo der Menschen Wahn zerstiebt,
Dort fragt der Herr: "Hast du geliebt?"
Wohl dir! du hast's, und das so reich,
Daß dir nicht leicht ein andrer gleich.
Dein Lieben war Begeisterung
Und blieb drum auch im Greise jung
Und nur dem Höchsten zugewandt:
Der Menschheit und dem Vaterland.
Auf deiner Locke, silberweiß,
Schlaf süß, schlaf süß, du edler Greis,
Bis dich der milde Ruf des Herrn
Erweckt auf einem schönern Stern,
Wo Liebe nicht mit Kummer ringt
Und jede schöne Tat gelingt.
Indes schlaf süß, du edler Greis,
Auf deiner Locke, silberweiß.
Am Allerseelentage
Der Herbstwind rauscht durch's gelbe Blatt,
Der Himmel trüb', die Sonne matt,
Die Erde braun, die Berge kahl,
Schwermütig tönt die Glock' im Tal.
Der Tag verlischt in Dämmerschein
Und lautlos bricht die Nacht herein.
Die Glocke tönet immerfort,
Sie tönt ans Herz wie Geisterwort
Am Allerseelentage.
Und in der Nacht am Kirchhofweg'
Und auf dem Kirchhof wird es reg',
Ein Lichtlein dort, ein Lichtlein da,
Von Grab zu Gräbern fern und nah!
Die Lichtlein was beleuchten sie?
Gefaltne Händ', gebog'ne Knie',
Gesenktes Haupt, betränten Blick,
Des Lebens Harm, des Todes Glück
Am Allerseelentage.
Dir starb dein Kind, so lieb und traut,
Die Mutter dir, und dir die Braut,
Des Gatten Asche birgt dies Grab,
Hier senkten sie den Freund hinab.
Was liebend einst dein Herz gepflegt,
In stiller Grub' ist's eingehegt,
Gebenedei't des Herren Will',
Zünd' an dein Licht und bete still
Am Allerseelentage.
Und ist nicht glücklich ihre Ruh?
Nur deinen Schmerz beweinest du;
Und ist der Friede nicht ihr Teil?
Und hoffst du je ein andres Heil?
Du weinst, und zählst den Lichtlein nach:
Wie viel der Tod dir Blüten brach,
O zähl' doch auch am Himmel dann
Die Sterne nach, die er gewann
Am Allerseelentage.
Doch du mein Herz, o sage mir:
Wie viele Lichtlein zünd' ich dir?
Wo ist der Friedhof angelegt,
Der deiner Toten Gräber hegt?
Dein Hoffen, deinen Lebensmut
Und deine Lieb', dein höchstes Gut?
Wer trägt ein Lichtlein dir herzu
Am Allerseelentage?
Maria Empfängnis
Der Menschheit höchster Adel ward dem Weibe!
Als Gott entfalten wollt' aus zartem Triebe
Das fleischgewordne Wort, die Saat der Liebe,
Vertraut' er ihn des Weibes schönem Leibe;
Drum, wie sich auch der Stolz des Mannes sträube,
Wie dreist er auch das Recht des Stärkern übe:
Vom Weib' ging aus der Himmelsstrahl der Liebe,
Des Heils Geburt und Reich ging aus vom Weibe.
Maria hat vom heil'gen Geist empfangen,
Den Geist der Liebe in sich aufgenommen,
Daß er durch sie auf Erden sich verbreite!
Ihr Frauen! fühlt ihr nicht ein wonnig Bangen,
Nicht euer Herz in frommer Glut entglommen,
Wenn ihr bedenkt, wozu der Herr euch weihte?
Christnacht
Die Lieb' ist in die Welt gekommen,
Sie liegt, ein Kind, in dunkler Krippe,
Ein Lächeln spielt um seine Lippe,
Und rings stehn tief bewegt die Frommen.
Das Kind ward Mann, die Welt zu reinen,
Und als er sprach die tiefsten Lehren,
Da konntet ihr die Worte hören:
"Ihr müsset sein, wie diese Kleinen."
So kommt denn her, ihr lieben Kleinen,
Empfangt in euren reinen Händen
Des heil'gen Kindes reichste Spenden;
Seid ihr vor allen doch die Seinen!
Ihr Großen auch mit Kinderherzen —
Die Lieb' ist in die Welt gekommen,
Und hat den Schmerz hinweggenommen,
Und heilt auch jetzt noch eure Schmerzen!
Die Lieb' ist in die Welt gekommen,
Sie liegt, ein Kind, in dunkler Krippe,
Wie himmlisch lächelt seine Lippe,
Und wie bewegt stehn rings die Frommen!
Ostern
Die Liebe hat das Werk vollendet,
Wozu der Vater sie entsendet,
Die Liebe hat ihr Werk vollbracht:
Gelehrt, geheilt, entbehrt, gewacht;
Zuletzt dem Tod sich hingegeben,
Auf daß wir Andern möchten leben!
Verkauft, verleugnet und verhöhnet,
Mit einem Dornenkranz gekrönet,
Die Stirne feucht von blut'gem Schweiß,
Am Kreuz dem Spott der Menge preis —
Seht ihr das Kind aus jener Krippe:
"Vergebung" lächelt seine Lippe;
"Vergebung, Vater, meinen Feinden,
Und ew'ges Leben meinen Freunden!"
Die Lippe sagt's, das Auge bricht.
Seht, da verlischt der Sonne Licht,
Und Donner rollen, Gräber beben,
Daraus die Toten sich erheben!
Der Mond lischt aus, die Stern' erbleichen,
Und nie geseh'ne Schreckenszeichen
Erfüllen Erd' und Firmament,
Empört ist jeglich Element,
Dem Chaos gleich schwillt das Getriebe,
Denn, die es zähmt', ist tot: die Liebe.
Und bange Nacht liegt auf den Landen;
Da tönt der Ruf: Er ist erstanden!
Die Lieb' ist auferstanden, hört!
Für ewig Satans Reich zerstört!
Die Lieb' ist, durch den Tod verkläret,
Zum Vaterthron zurückgekehret!
Und Sonn' und Sterne leuchten wieder,
Und Donner werden Jubellieder,
Das Meer tritt in sein Bett zurück,
Die Erd' erblüht in Lenz und Glück;
Die Menschen, lang' in Haß gespalten,
Seht, wie sie sich umschlungen halten!
Die Liebe hat das Werk vollendet,
Wozu der Vater sie entsendet,
Hat ihren Erdenlauf vollbracht.
Du, Tod, hast fürder keine Macht,
Du, Grab, hast fürder keine Schrecken,
Denn Liebe wird auch uns erwecken!
Pfingsten
Der Geist ist in die Welt gekommen
Und hat die Furcht hinweggenommen!
Das Licht ist himmelab gestiegen,
Die Nacht des Zweifels zu besiegen;
Der Glaube, nicht mehr unbewehrt,
Hat Feuerzung' und Flammenschwert;
Die Lieb', im Bunde mit der Kraft,
Das Lamm zum Löwen umgeschafft!
Seht ihr sie? jüngst noch zage Männer,
Jetzt kühne, feurige Bekenner;
Jüngst Fischer noch und Zimmerleute,
Jetzt Helden all' im Glaubensstreite!
Jüngst noch verleugnend ihren Herrn,
Jetzt ihn verkündend nah' und fern!
Das, heil'ger Geist, das deine Glut,
Die Liebe einend mit dem Mut!
Der Geist ist in die Welt gekommen
Und hat erleuchtet rings die Frommen,
Zu Adlern schuf er um die Tauben,
Die Weisheit fügt' er zu dem Glauben.
Sein Odem tut aus schlichtem Mund
Der Gottheit tiefste Lehren kund,
Und jeglich Volk und Land versteht
Das Wort, von seinem Hauch durchweht.
Und wieder kommen jene Kleinen,
Die einst der Herr genannt die Seinen,
In lilienweißen Festgewändern,
Geschmückt mit Blumen und mit Bändern:
Und reinen Sinns empfangen sie
Das Öl, das, sich verzehrend nie,
Des Glaubens heil'ge Flamme nährt,
Die unsre Erdennacht verklärt.
Wes Volkes auch, ihr Gläub'gen alle!
Euch ruft das Wort mit Donnerschalle:
Fortan nicht Schwache, nicht Verwaiste,
Ihr seid erfüllt von Gottes Geiste;
Drum aller Welt verkündet ihn,
Zag vor dem Herrn, vor Menschen kühn!
Der Gottheit Geist tragt ihr in euch;
Baut denn auf Erden Gottes Reich!
Abendandacht
Ein Tag dahin! Ein Tag vollbracht!
Zur Andacht ruft die stille Nacht,
Zur Andacht ruft das bange Herz;
Matt von des Tages Lust und Schmerz,
Matt von dem Kampf mit der Begier
Ruft es um Stärkung, Herr, zu dir,
Und stammelt kindlich dir den Dank,
Daß es im Kampfe nicht versank,
Daß gläubig nach der Sternenwelt
Es noch den Blick geheftet hält,
Daß es noch hofft und weint und liebt,
Versöhnt, entschuldigt und vergibt,
Daß, wie die Sterne still erglühn
Und ihre ew'gen Bahnen ziehn,
Des Busens heil'ge Flamme lebt
Und ewig zu dir, Urlicht, strebt!
Herr, jetzt, wo Sterne betend ziehn,
Sieh' auch dein Kind von Staube knie'n;
Ein pochend Herz, ein Sternenreich
Sind ja vor deinem Auge gleich.
Und du, mit deiner stillen Macht
Umschatte mich, o heil'ge Nacht,
Und du, Beschauung, ernst und mild,
Roll' auf des heut'gen Tages Bild!
Zeig mir darin mein Lug und Fehl,
Hab' auch des kleinsten Fleck's nicht hehl,
Zeig mir darin, was trüb, was rein,
Was gut, was besser mochte sein.
Nicht fürcht' ich deinen strengen Blick,
Mild ist dein Sinn, du bringst das Glück,
Das einz'ge Glück der Seelenruh',
Und schließest sanft das Aug' uns zu.
Ach, Herr! wer dich in Worten preist,
Nicht betet der zu dir im Geist,
Drum, Lippe still! Fort poche Herz,
Und du, mein Geist, stieg' sternenwärts.
Im Meer der Inbrunst untertauch',
Und löse dich in gläub'gen Hauch!
Ob hier, ob dort — das glaube fest —
Der Herr dich wieder erwachen läßt!
Neujahrsfeier
"Ein neues Jahr, ein neuer Mensch!
Ein bessres Jahr, ein bessrer Mensch!"
So laßt zum Herrn uns beten;
Und ohne Furcht und ohne Trutz
In seiner Engel heil'gem Schutz
Die neue Bahn betreten.
Was Er, der Vater, uns bestimmt,
Was Er uns gibt, was Er uns nimmt,
Mag uns ergeben finden;
Traun, die wir gläubig sä'n, die Saat:
Das gute Wort, die gute Tat,
Er läßt sie nicht den Winden!
Die Kinderzeit, die Knabenlust,
Der Wonnesturm der Jünglingsbrust,
Sie zieh'n an uns vorüber;
Wie stirbt so mancher schöne Wahn!
Stets ernster blickt die Zeit uns an,
Und unser Aug' wird trüber.
Drum vorwärts, vorwärts; nie zurück!
Vergangnes Leid, vergangnes Glück
Sind ausgeträumte Träume.
In Wahrheit lebt nur, wer da schafft,
Bald siecht die ungebrauchte Kraft
Und modert schon im Keime.
Doch weh', wer in der Tat allein
Das Heil sucht für sein irdisch Sein;
Ein Wintertag sein Leben!
Die Sonn' erzieht mit allem Licht
Den zarten Sproß zum Baume nicht,
Sie muß ihm Wärme geben.
Du heil'ge Wärme, die die Welt
In ihren Mutterarmen hält
Und sie mit Blumen schmücket;
Du Gottesodem, der das Herz
Verachten lehret Tod und Schmerz
Und es der Erd' entrücket;
O Liebe, die vom Himmel stieg,
Ein Kripplein sich ersah zur Wieg'
Und unter uns gewohnet,
Sich willig dar dem Henker bot;
Nun siegreich über Nacht und Tod
Im Kranz von Sonnen thronet;
Und doch so gern dies Herz von Staub,
(Der Elemente leichten Raub,)
Zur Wohnung sich erstehet —
O weil' und weih' es für und für,
Bis es einst still steht und mit dir
Zu seinem Urquell fliehet!
Der beschneite Dom
Da stehst du, riesig Denkmal
Aus einer frommen Zeit,
Die altergraue Zinne
Erglänzet frisch beschnei't.
Des Turmes steinerne Rosen,
(Noch keines Winters Raub!)
Der Strebepfeiler Kreuze
Schimmern im Flockenstaub.
Du Zinn', ihr Kreuz' und Rosen
Glitzernd im Silberschnee!
Wie ich euch so betrachte,
Faßt mich ein tiefes Weh,
Und mit bewegter Seele
Sinn' ich den Zeiten nach,
Wo Glaube Hoffnung und Liebe
In solchen Zeichen sprach,
Wo Glaube, Hoffnung und Liebe
Und frommer Herzen Ruf
Und heißer Drang zum Himmel
Noch solche Dome schuf.
Ach, wie du Dom, nun ragest,
Das Haupt mit Schnee bestreut,
So liegt auf unsern Herzen
Der schimmernde Frost der Zeit!
Ein Maimorgen
Mit dem Freund, mit der Geliebten,
Im Geleit von Lieb' und Treue,
Über mir des ungetrübten
Jungen Morgenhimmels Bläue,
Wachgeküßt von milden Lüften,
Ringsum auferstandne Keime,
Um die Häuser grüne Säume,
Die von Frühlingsodem düften! —
Also seht ihr mit den Beiden,
Die mein Busen hegt vor Allen,
Wert, das Götter mir's beneiden,
Mich in stiller Freude wallen.
Und mit ihren goldnen Blicken
Strahlt uns an die Morgensonne
Und die Freude wird zur Wonne
Und die Lust wird zum Entzücken!
Und ein warmer Hauch durchwehet
Luft und Erd' und unsre Herzen,
Und der trübe Sinn belebet
Sich zu längstversiechten Scherzen.
Freudig drängen die Gedanken
Sich wie Kinder zu dem Spiele,
Wie um duft'ge Blütenstiele
Tausend muntre Bienen schwanken.
Freund! Geliebte! Frost und Dunkel
Halt' uns nimmermehr umdüstert,
Trinkt dies rege Lichtgefunkel
Und die Wärm', ihm hold verschwistert!
O wie schön ist doch das Leben!
Darum laßt die Götterstunde,
Wo Natur und Herz im Bunde,
Ungenossen nicht entschweben!
Freu'n wir uns der jungen Triebe
Die aus Baum und Wiese sprossen,
Freu'n wir uns, daß Gott die Liebe
In die Herzen uns gegossen!
Freu'n wir uns der Himmelsbläue
Und des milden Morgenduftes,
Um uns her und in uns ruft es:
Gut ist's, daß der Mensch sich freue!
Sylvesternacht
Die Jahre steigen ab und auf
Und eines drängt das andre,
Das Schicksal lenket ihren Lauf,
Und ewig heißt es: wandre!
Ja "wandre!" ruft es immerzu,
Denn Ruh' ist Tod, und Tod ist Ruh'
Und Kampf allein ist Leben.
Leb' wohl denn, gutes altes Jahr,
Magst dich zur Ruhe legen,
Du, das so reich an Leiden war,
So überreich an Segen,
Jahr, das mir meine Fanni gab,
Wehmütig leit' ich dich zu Grab
Wie einen lieben Toten.
Und dieses Lied, das ich so weich
Als Grabgesang dir singe,
Es sei das Wiegenlied zugleich,
Das deinem Kind ich bringe.
Schon ruft die Turmuhr: Mitternacht!
Dem Schoß der Zeit entsteiget sacht
Ihr neugeborner Knabe.
Wohl lächelt er mich freundlich an!
Wird er auch immer lächeln?
Wird mir auf heißer Lebensbahn
Sein Fittig kühlend fächeln?
Birgt tückisch nicht sein heller Blick
Ein fernes, finstres Mißgeschick?
Beschützt mich meine Sterne!
Du Stern der Liebe, milde Macht,
Stillsegnend und beglückend,
Aus ihres dunklen Auges Nacht
So herrlich niederblickend;
Und du der Freundschaft reiner Stern,
So lang ihr leuchtet, will ich gern
Dem Lebenssturme stehen.
Wie er auch wüte, wird ihm doch,
Was in mir, nie zum Raube;
Und, nimmt er Alles, bleibt mir noch
Die Liebe und der Glaube:
Der Glaube an ein "Himmelswärts"
Der Glaube an ein Menschenherz
Und dieses Herzens Liebe.
Auf einer Bergwiese
Entzückungstrunken,
In Gott versunken
Blick' ich umher;
Ach, eine Wiese
So schön wie diese
Gibt's nirgend mehr!
Hier von den Feldern,
Dort über Wäldern
Lacht Sonnenschein;
Das Wandervölkchen
Leichtfert'ger Wölkchen
Wirft Schatten drein.
Des Dörfchens Zeile
Spricht: Aug'! verweile
Auf mir einmal,
Bin nett und niedlich
Und luge friedlich
Aus meinem Tal.
Sein Silberbändchen
Mit grünem Rändchen
Schlingt dort der Bach
Durch weiche Moose,
Da küßt der lose
Die Blumen wach.
Aus Gärtchens Mitte
Streckt jene Hütte
Den Giebelsaum;
Sie spielt verstecken,
Ihr hilft dich necken
Der große Baum. —
Und das verstoßne,
Das lang verschloßne
Gemüt wird frei,
Und waget wieder
Die alten Lieder
Von Lieb' und Treu!
Hebt euch, ihr Lieder,
Auf Aargefieder
Zum Himmelszelt
Im Feierkleide
Voll Lieb' und Freude,
Schön ist die Welt!
Dem Ruf der Wonne
Winkt dort die Sonne
Ein lächelnd: "Ja!"
Die Kirch' am Berglein
Mahnt: "Menschenzwerglein,
Dein Gott ist da!"
Jetzt fühl' ich wieder
Dein Schwunggefieder,
Begeisterung!
Und rasch und rege
Des Herzens Schläge!
Bin wieder jung!
Mit vollen Zügen,
Nie zu Genügen,
Trink' ich die Luft,
Schlürf' ich der Helle
Himmlische Quelle,
Schlürf ich den Duft!
Wie lugst du, Blüte,
In mein Gemüte
So traut hinein,
Mit blauem Rädchen,
Hold wie ein Mädchen,
Feldasterlein!
Wenn ich dich pflücke,
Ist's dir zum Glücke,
Wirst angehegt
Am Rand der Quelle,
Wo sanft die Welle
Des Busens schlägt;
Da wirst du ragen,
Sie wird dich tragen
Bis sanft du stirbst,
Und dir ein Stellchen
In Betbuchs Zellchen
Zum Grab erwirbst.
O schöne Gegend!
Sehnsucht erregend,
Doch stillend kaum,
In deinen Räumen
Möcht' ich verträumen
Den Lebenstraum!
Für mich und Schätzchen
Ein Sonnenplätzchen,
Und ein's im Wald;
Dann unter Bäumchen
Ein stilles Räumchen,
Bin ich einst kalt!
Das erste Grün
Du erstes Grün, du junges Grün,
Lugst gar so freundlich nach mir hin!
Dein Anblick kos't sich in mein Herz,
So harmlos wie ein Kinderscherz;
Du erstes Grün, du junges Grün
Lugst gar so freundlich nach mir hin!
Was einer Mutter Brust durchzieht,
Wenn sie den Säugling lächeln sieht,
O Grün, bei deinem Kinderblick
Ahn' ich dies höchste, stille Glück,
Das einer Mutter Brust durchzieht,
Wenn sie den Säugling lächeln sieht.
Und bist du, Grün, so lieb und licht,
Das erste stille Lächeln nicht,
Womit die neuerwachte Welt
Emporblickt zu dem Sternenzelt?
Du Kindergruß von Lieb' und Licht,
Ach, welktest du doch ewig nicht!
Die Natur und der Mensch
Im Frühlinge
Wer dich, Natur, nicht liebt, den Armen
Blick' ich mit tiefem Mitleid an,
Er trägt ein Herz, das nie erwarmen,
Nie eine Träne teilen kann.
Vom Gräschen bis zum Bergesriesen
Wie Alles doch voll Gottes Hauch!
"Gott weckt uns!" tönt es von den Wiesen,
Von Strom und Bach, von Baum und Strauch.
"Gott weckt uns, daß wir leben, blühen
Und künden seine Herrlichkeit."
Die Sonne ruft: Er hieß mich glühen
Und rollen als das Rad der Zeit.
Die Blüte spricht: ich bin erkoren
Einst Frucht zu hegen, süßen Seim,
Und, welk' ich, bin ich nicht verloren,
Mein Staub ist neuer Lebenskeim,
Hierauf der Strom: Millionen Leben
Trag' ich in meinem kühlen Schoß;
Von grünen Ufern rings umgeben,
Streck ich die Arm' in weiches Moos.
Die Pappel dort: Als grüne Flamme
Brenn' ich am Opferherd der Flur,
Im Erdreich wurzelnd mit dem Stamme,
Verfolgt mein Wipfel Himmelspur.
Die Lerche jubelt in den Lüften,
Die Herde brüllt in freud'gem Drang,
Das Veilchen duftet still an Klüften
Und atmet noch zertreten Dank.
Und harmlos, unschuldvoll und heiter
Ist alles, o Natur, was dein,
Bis auf das winzigste der Kräuter!
Falsch ist und bös der Mensch allein.
Verachtend jene heil'gen Triebe,
Die selbst das kleinste Blütchen hegt,
Das Herz verschlossen für die Liebe,
Läßt ihn dein Anblick unbewegt.
Er jagt nach Träumen und vernichtet,
Was ihn da störet, schonungslos;
Er wähnt die Schöpfung sich verpflichtet
Und wühlt voll Gier in ihrem Schoß.
Er sucht und künstelt sich Genüsse
Und stumpft sich ab für edle Lust
Und trägt davon: Gewissensbisse
Und eine hohle, kalte Brust.
So rast er durch dies Lebensweilchen
Und stirbt — und macht kein Auge rot.
O du, zertretnes, stilles Veilchen,
Du stirbst doch einen schönern Tod!
Der Spaziergang
Schon hat mit mütterlichem Walten
Die Sonne wachgeküßt den Tag,
Und rings beginnt, sich zu entfalten,
Was erst in nächt'gem Schoße lag.
Schon hebt die Riesenmark der Länder,
Die Alpe, ihre blaue Wand,
Und um der Inseln grüne Ränder
Schlingt dort der Strom sein Silberband.
Die Stadt streckt ihre Kirchentürme
Und Giebel durch den Morgendampf,
Und von dem Aar bis zum Gewürme
Beginnt, was lebt, den Lebenskampf.
Ein voller Atemzug der Freude
Weckt, weitet zu Gesang die Brust,
Und zu dem alten Herzensleide
Gesellt sich seltsam junge Lust.
Wie hast du doch, du milder Morgen,
Für Blüten, wie für Herzen, Tau!
Der Geist, entladen aller Sorgen,
Sein Hoffen grünend, wie die Au,
Sein Lieben frisch und nimmer zagend,
Sein Glauben fest, unwandelbar,
Sein Streben in den Himmel ragend,
Sein Denken, Dichten wahr und klar!
Und in des Freundes heitern Zügen
Les ich entzückt das gleiche Glück.
Wie strahlt ein Antlitz voll Vergnügen
Das Schöne doppelt schön zurück!
Doch schrecklich, wer allein genießen
Und ohne Freund sich freuen kann,
Des Mitleids Träne nie vergießen,
Nie lieben wird ein solcher Mann.
Doch nun leb' wohl, du Flachgefilde,
Du weiter Schauplatz bunter Welt,
Durch tausend menschliche Gebilde
Verschönet hier und hier entstellt;
Lebt wohl, ihr breiten, offnen Matten,
Von Blumen mannigfach durchmengt,
Es ruft der Wald in seine Schatten,
Der lieblich mir den Blick verengt.
Da streckt die blitzgeweihte Eiche
Durch Buchengold den schwarzen Ast,
Dort zwischen dunklerem Gesträuche
Erglänzt der Birke weißer Bast.
Wie lugt von seinem Blätter-Rade
So harmlos das Waldmeisterlein,
Doch ohne Schonung, ohne Gnade
Kriecht ihm die Bien' ins Aug' hinein.
Die Sonne malt des Wipfellaubes
Unstete Schatten auf den Pfad,
Und von dem Duft des Blütenstaubes
Wird rings die Luft ein würzig Bad.
Das Lied des Finken schmettert helle,
Der Kuckuck ruft, die Meise pickt,
Fern rauschet die verborgne Quelle,
Die ihren Finder treu erquickt.
Dort schaut nach uns aus kluger Ferne
Ein Mutter-Reh mit seinem Kind;
Das arme Tier, es naht' uns gerne,
Wüßt' es, daß wir nicht Jäger sind.
Und solch' ein Leben voll Erbangen,
Wie Mancher lebt's und trägt die Pein;
Ach, besser ists, den Tod empfangen,
Als stets in Todesschrecken sein!
Und leise führt, versteckt sich windend,
Der kühle Steig ins heiße Feld,
Und fern, in schwülem Duft verschwindend,
Erweitet sich das Himmelszelt.
Wie dehnt mit jedem neuen Blicke
Die Landschaft ihren Rahmen aus! —
Doch, daß der Anblick ganz beglücke,
Such' ich umsonst ein schattend Haus.
Such' ich umsonst die lieben Beiden,*
Die Menschensatzung ferne hält.
Wann wird der Nektartrank der Freuden
Durch trockne Seelen nicht vergällt?
Wann reißt der Neid aus fremden Kränzen
Die Blumen, die ihm fehlen, nicht?
Darf denn kein Auge freudig glänzen?
Wird Andrer Wahn uns ewig Pflicht?
*Zwei liebe Freundinnen, welche den Spaziergang mitmachen
sollten, wurden davon durch Rücksichten der Etikette abgehalten.
Und Mittagsglut; zum Walde wieder
Drängt sie des Wandrers müdern Fuß,
Schon rauscht um ihn sein Laubgefieder
Und weht ihm gastlich kühlen Gruß.
Du, von des Lebensmittags Schwüle
Bedrängtes Herz, wann wird dir Ruh'?
Wohl einmal schließt zu ew'ger Kühle
Sich über dir die Erde zu.
An die
Darstellerin der Griseldis
Madame Rettich
Noch fühl' ich meiner Seele Saiten beben
In süßem Schmerz, in wehmutvoller Lust —
Griselden sah ich, sah das hehre Leben
Des schönsten Herzens in der reinsten Brust.
Der Dichter schuf es, doch du hast's gegeben;
Was das Genie, sich selber unbewußt,
Aus seinen Tiefen wahr und rein entfaltet,
Du hast es uns zur schönen Tat gestaltet!
Ach, ewig seh' ich's, ewig werd' ich's hören,
So wie es dir von Aug' und Lippe quoll:
"Ich hasse Niemand!" Nur in Engelchören
Klingt solch ein Ton, so lind, so liebevoll!
O wem, den Haß für ewig abzuschwören,
Nicht da sein Herz in edlem Drange schwoll,
Wer nicht versöhnt den Todfeind hätt' umarmet,
Der ist ein Marmorbild, das nie erwarmet!
Und als du kindlich jeden Schmerz getragen,
Im letzten brach dein Herz, doch nicht dein Mut,
Und als geknickt dir alle Blüten lagen,
Da zeigte sich, wie heilig deine Glut;
Das Werk des Duldens krönte das Entsagen;
Zur Wehmut wird des Schmerzes grause Wut,
Im Schatten deiner heimatlichen Bäume
Suchst du ein Grab für dich und deine Träume.
Ich folge dir, ich zieh' mit dir den herben,
Den düstern Pfad zu deiner Einsamkeit!
Ich sehe dich verwelken, dich entfärben,
Schon ist die stille Grube dir bereit,
Schon neigest du das müde Haupt zum Sterben —
Ein Engel küßt hinweg dein irdisch Leid . . . . .
Seht ihr den blinden Greis am Grabe knien?
Er segnet sie, er hatt' ihr längst verziehen!
Wohin, mein Lied? Wo irren deine Schwingen?
Nicht sandt' ich dich nach solchem Ziele aus,
Du solltest mir die Künstlerin besingen
Und folgst Griselden in des Todes Haus —
Doch wo sich Werk und Schöpfer so durchdringen,
Sucht ihr umsonst das Einzelne heraus.
Am schönsten lobet ihr des Meisters Stärke,
Vergeßt ihr seiner über seinem Werke.
An Clara Wieck
Nach ihrem 6. Klavierkonzert in Wien
Die Klänge ruh'n. Dem Ohr sind sie verklungen;
Doch, gäb's ein Raupenherz, das eingesponnen,
Von solcher Töne Lebensquell durchronnen,
Als Schmetterling sich nicht hervorgeschwungen?
Du Zauberkind! Was ist dir nicht gelungen!
Die Feuerseele hast du rasch gewonnen,
Der klare Geist fand klar dich und besonnen,
Dem Kalten hast du Staunen abgerungen.
Jetzt in den Maitag unsrer Kinderspiele,
Jetzt in die Sturmzeit kämpfender Gefühle
Versetzten deine wundervollen Töne.
Sie sind verstummt! Doch, ewig lebt das Schöne,
Das einmal nur ein warmes Herz durchdrungen;
Dem Ohr sind sie, dem Herzen nicht, verklungen!
Stammbuch-Blatt
Ein Blümlein oft, unscheinbar einfach klein,
Wir legen's fromm in unser Betbuch ein;
Sei's, weil es eine liebe Hand gepflückt,
Sei's, weil es uns ein ferner Freund geschickt,
Sei's, weil's an teurer Stätte ward gefunden,
Sei's, weil es mahnt an schön verlebte Stunden:
So halt' es auch mit diesem kleinen Blatt,
Denk', daß es Liebe dir geschrieben hat,
Daß es, zwar nicht mit Farbenpracht geschmückt,
Ein Blümlein sei, im Herzensbeet gepflückt.
Die beiden Vögel
Der Sonnenstrahl leuchtete ohne zu glüh'n,
Es waren nur Tann' und Föhre noch grün:
Da schlüpften zwei Vöglein aus Käfichts Haft
Und prüften, nun frei, der Fittige Kraft,
Und segelten durch das luftige Meer
Und blickten mit funkelnden Äuglein umher.
Auf, Schwester, das Männchen jubelnd ruft,
Wie mundet auf Stubendunst Ätherduft!
"Ach, Bruder, mich fröstelt, gewahr' ich den Schnee;
Mir wandelt beinah sich die Wonne in Weh."
Auf, Schwesterlein, schwing' dich nur mutig empor,
Hier schiebt kein hemmender Draht sich uns vor!
"Ach, Bruder, dem Durste hier nirgend ein Born,
Dem atzenden Hunger winkt nirgend ein Korn."
Auf, Schwester, jählings zum Himmelslicht!
Hier wehrt kein Gitter, drin's Schnäbelchen bricht,
"Ach, Bruder, wir sind, uns zum Leide, gefloh'n!"
Lieb Schwester, nur unserem Zwinger zum Hohn.
"Weh, Bruder, uns töten Durst, Hunger und Frost!"
Die Freiheit, o Schwester, ist Wärme und Kost!
"O laß uns zurück, weils Fenster noch klafft,
Zurück zur rettenden, wärmenden Haft."
Und siehst du nicht, Schwester, die Berge dort,
Und die Eiche dort? Da ist unser Port!
"Die Eich' ist entlaubt, die Berge sind weit;
Leb' wohl, nicht geb' ich dir ferner Geleit."
Und sie kehrt durchs offne Fenster zurück,
Und der Herr empfängt sie mit freundlicher Tück';
Ei, spricht er, wie hast du die Flüglein beschmutzt,
Und hat sie auch gleich geputzt und gestutzt.
Und das Männchen? — Das nächste Morgerot
Fand's Männchen unter der Eiche — tot.
Das Blümlein unter
Nesseln
Schon rief der Mai, der junge Held,
Sein Blumenheer auf Wies und Feld;
Und ich stand musternd mitten drin;
Da schlich Betrachtung zu mir hin
Und flüstert' aus der Lust mich wach,
Mein Blick zog ihrem Winke nach,
Und sah, wie an der Wiese Rand
Ein Blümlein unter Nesseln stand.
Die andern Schwestern blühten, weit
Auf weichen Moosgrund hingestreut.
"Verbanntes Wesen", dacht' ich mir,
"Wie bei uns Menschen, gehts auch hier;
Auch bei den Blumen auf der Flur
Gibt's manches Stiefkind der Natur!"
Mir schwoll das Herz; ich wollte geh'n.
Da kam ein Knabe. Ich blieb stehn.
Nun ward gepflückt nach Herzenslust,
Ein Strauß zum Hut, ein Strauß zur Brust,
Ein Kränzlein für die Großmama
War fertig, eh' ich mich's versah.
Ihr Blümlein, frisch auf Moos gestreut,
Ihr habt am längsten euch gefreut;
Ihr Blümlein blau und weiß und rot,
Ein Knabe will — und ihr seid tot;
Ein Knabe horch, was schrei't dort auf?
Der Knabe ist's in vollem Lauf,
Er rennt und schluchzt, und schluchzt und rennt,
Und weis't die Hand: "Ach, wie das brennt!
Dort nach dem Blümlein haschte ich,
Da stach die garst'ge Nessel mich!"
Die Nessel? und ich blickte hin
Und sah noch frisch mein Blümlein blüh'n;
Dem unberührten Kelch' entfloß
Ein Tränlein ob der Schwestern Los.
Und oft besuch' ich nun den Ort,
Mein Blümlein lebt noch, blüht noch fort.
Ich aber denke still bei mir:
"Wie bei uns Menschen ging's auch hier!"
An Franz Schuselka
Reich' mir die Hand! Du bist ein Mann,
Bist echtes deutsches Blut,
Des hohen Pöbels Acht und Bann
Erhöht nur deinen Mut,
Dein Auge blitzt in Selbstgefühl
Und nur dem Kalten bist du kühl.
Reich mir die Hand! Hoch ist dein Sinn,
Ein Adler ist dein Herz,
Was unsrer schnöden Zeit Gewinn
Das ist dir Seelenschmerz,
Verachtest den besternten Knecht,
Und liebst den Bauer, schlicht und recht.
Klar ist dein Geist, weit trägt dein Blick,
Ein Fels ist dein Entschluß,
Und wie auch walte das Geschick,
Dein Wahlspruch ist: Es muß!
Dein Wahlspruch bleibt:
Der Mann ist frei,
Wenn er sich selber nur getreu!
Du, werter mir als weiche Lieb',
O königlicher Zorn,
Der Satan einst vom Himmel trieb,
Läuternder Feuerborn!
Wie schön von Menschenangesicht
Zuckt deines Blitzes heilig Licht!
Wie herrlich tönt dein Donnerwort
Wenn es den Heuchler schreckt,
Daß, wie der Meuchler nach dem Mord,
Er zitternd sich versteckt!
Freund, solchen Blitz, solch Donnerwort
Trägst du in dir als Waff und Hort.
Für Menschenwürd' und Männerwert
In schöner Eifersucht
Flammt höher oft dein Aug', es gärt
In deines Herzens Bucht,
Das, wo es Recht und Freiheit gilt,
In heiliger Entrüstung schwillt.
Die Flamme der Begeisterung
Erwärmet deine Brust,
Die Muse, ewig schön und jung,
Füllt dich mit Schöpferlust,
Und was durch sie du schaffest, trägt
Der Mannheit Stempel angeprägt.
Stolz fühl' ich mich dir anverwandt,
Zu gleichem Tun geweiht,
Drum reiche mir die Bruderhand,
Ihr Druck gilt einen Eid.
Ja, deine Hand! — und bleib' mein Freund
Und bis ans Grab mir wohlgemeint.
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