Die
Flucht der Ideale
Ich lag im grünen Buchenhag
Des Abends traumverloren,
Als mir's wie dumpfer Hufeschlag,
Wie ferner, drang zu Ohren.
Und näher, immer näher trug
Das Klopfen sich und Brausen,
Bis einen flinken Reiterzug
Ich sah vorübersausen.
Wohl schönre Frauen sah ich nie
Die Silberzügel packen;
Auf schwarzen Rossen ritten sie
Mit goldenen Schabracken.
Zum Nacken floß das Haar vom Haupt
In losen Ringeln nieder
Und, was die Stirne blank umlaubt,
War Rosenzweig und Flieder.
Vom Halse fiel ein weiß' Gewand
In linden, losen Falten,
Von einem blauen Seidenband
Als Gürtel festgehalten.
Und helle Augen hatten sie,
Die leuchteten wie Sonnen,
Und solche Holde sah ich nie
Wie ihres Leibes Wonnen.
Wie lustig durch den grünen Klee
Hin ihre Flieher sprangen!
Da hört' ich mit verhalt'nem Weh',
Wie sie zum Abschied sangen:
"Es ist die Welt so öd und leer
Und alles Licht verglommen,
Seit sich die Herzen all umher
Das Gold in Sold genommen.
Vom Morgen bis zum Abend spät
Steigt Rauch aus dem Kamine,
Vom Morgen bis zum Abend dreht
Sich grollend die Maschine.
So wird vom Element gerächt,
Was er getan den Tauben;
Nun ward der stolze Herr zum Knecht
Der Räder und der Schrauben.
Leb' wohl denn, Mond im Silberkahn,
Lebt wohl, ihr stillen Tale,
Wir grüßen euch auf unsrer Bahn
Zum letzten, letzten Male.
Wir ziehen fort durch Land und Meer
Und weiter, immer weiter;
Wir ziehen zu dem Sternenheer
Hinauf die Himmelsleiter.
Hörst klopfen mit dem Finger dort
Uns leise am Portale,
So wisse, daß für immer fort
Des Lebens Ideale!"
Steinkohle
Wenn um Wald und Felsenschrofen
Winterlich der Sturmwind zieht,
Sitz' behaglich ich beim Ofen,
Drin das Feuer lustig sprüht.
Aufgehäuft zum roten Hügel,
Füllt die Kohle seinen Bau
Und mich nimmt auf ihren Flügel
Phantasie, die kühne Frau.
Zu der Flöze tiefsten Stellen
Pfeilgeschwind entführt sie mich,
Wo des Erdgeists dumpfes Rollen
Also läßt vernehmen sich:
"Was daher in kecken Wagen
Schwarz und braun der Knappe bricht,
War in grauen Vorweltstagen
Waldverschlucktes Sonnenlicht.
Lange lag's, im Holz gebunden,
Tatlos in der Erde Schoß;
Seinem Grabe nun entwunden,
Seiner Fesseln ist es los.
Mit dem Eisenhufe fliegt es
Über Land und Meere fort,
Über Nacht und Dunkel siegt es
Wie des Himmels Sterne dort.
Sei es, daß die Erde wanke,
Bleibt es dennoch ewig wahr;
Nimmer stirbt ein Lichtgedanke,
Der im Weltall einmal war!"
Verdammt
Es mäht zu nächt'ger Stunde
Ein altes Weib im Feld
Und, hat es beendet die Runde,
Aufs neu' die Sense gellt.
Denn wo es noch eben in Stoppeln,
Da wuchs schon wieder das Heu;
So muß es die Streiche verdoppeln
Bis früh zum Hahnenschrei.
Kann lassen mit Sens' und Armen
Davon nicht zu kurzer Rast,
Muß mähen ohne Erbarmen,
Muß mähen in wilder Hast.
Der Schweiß rinnt von der Stirne,
Vor Müde zittert der Leib;
Man sagt, die alte Dirne
War aus dem Dorf ein Weib.
Sie ist zwar längst gestorben,
Doch hat sie darum nicht Ruh',
Hat unrecht Gut erworben
Und dieses Feld dazu.
Sie ging wie nach Gras das Fohlen
Im Leben nach Habe und Geld,
Sie hat einst gestohlen
Mit Trug das schöne Feld.
Nun muß darauf sie leiden
Die kalt' und heiße Pein,
Für Untreu' und falsches Eiden
Für immer des Teufels sein.
Herbsttag
Baumbestand'ne, kleine Hügel,
Drum sich windet schwer ein Bach.
Gib der Phantasie die Flügel,
Wenn im Herbst die Nebel wach.
Graue Hexen siehst du schreiten
Schwanken Schrittes durch das Tal,
Ihre Schleppen, wo sie gleiten,
Wird die Wiese braun und fahl.
Wie die Woge in dem Meere
Wallt's in schilfbedecktem Moor
Und ein dumpfes Miserere
Dringt dir klagend an das Ohr.
Frau Holle
Mit Kunkel und Rad
Auf schneeigem Pfad
Her von dem Wald
Kommt etwas gewallt.
Verhutzelt, voller Schorf,
Schlappt's, geht durch das Dorf,
Schlürft sich zu mir:
"Frau Holle ist hier!
Möchte gerne spinnen
Flachs oder Linnen."
Barsch weis' ich die Tür.
Krächzen zwei Raben:
"Hat keine Eile,
Über die Weile
Wirst doch dein Sterbehemd haben!"
Pestsäule
Auf dem Platz von Stein die Säule
Hat der Ahn in trüber Zeit,
Daß sie Pest und Krankheit heile,
Einst der Himmlischen geweiht.
Ob die Sonne es umgleiset,
Ob zum Wettersturm sich's wende,
Übers Dorf, das sie umkreiset,
Hebt die Heil'ge ihre Hände.
Der Heiland
Auf dem öden, starren Felde
In des Winters strenger Mitte
Unter Schnee und Eis vergraben
Eine nied're Hirtenhütte.
Durch des Fachwerks weite Ritzen
Dringt herein des Mondes Leuchten
Und dem Mann dort bei dem Weibe
Will sich Aug' und Wimper feuchten.
Hart von Tür und Tor gewiesen,
Bringt er nichts, sie zu erlaben,
Und voll Trauer in die Arme
Nimmt die Mutter ihren Knaben.
Während heiß auf seine Wangen
Ihre Tränen niedertropfen,
Hört an seine Eisentore
Sion schon die Kön'ge klopfen.
Mag ein dumpfer Sinn auch Jahre
Einem großen Herzen schweigen,
Endlich muß sich doch der Höchste
Dieser Erde vor ihm neigen.
Heilandsmahnung
Nicht mir, sprach Jesus, weint die Tränen,
Ihr Frauen da vor Romas Stadt.
Weiht sie euch selbst und euren Söhnen,
Der Seelen weint, die schlapp und matt,
Der Seelen, welche nie verspürten
In sich des ew'gen Geistes Zug,
Der Seelen, welche nie erkürten
Aus eig'nem Drang den Höhenflug.
Der vielen, denen erdgebunden
Genügte, was die Seele gab,
Ein wenig Öl für ihre Wunden
Und für die Wand'rung Brot und Stab.
Der Geister weint, der nie befreiten
Von Menschenwort und Menschentrug,
Zu denen nie aus Himmelsweiten
Ein Gotteslicht die Flammen schlug.
Der viel zu Klugen, viel zu Weisen,
Die nie sich irrten in dem Pfad,
Die, hastend in des Tages Geleisen,
Befolgten stets des Tages Rat.
Nicht ich, der unterm Kreuzesholze
Des Ideals blutend fällt,
Ihr, geistesleer im Dummheitsstolze,
Ihr seid die Ärmsten dieser Welt!
Entartet
"Die ihr erobert mir im Streite,
Tilgt Volk und Leute dieser Stadt;
Mein Herz, es ekelt solcher Beute
Und ihres Geldes bin ich satt.
Die ihr erobert mir im Streite,
Tilgt Volk und Leute dieser Stadt;
Mein Herz, es ekelt solcher Beute
Und ihres Geldes bin ich satt.
Ich will euch rein vor meinem Auge
Und nicht vermischt im wüsten Kolk,
Mit fremden Blutes gift'ger Lauge,
Ein Mischling- und ein Sklavenvolk.
Denn ich, der Gott, der einst geschlossen
Am Sinai mit euch das Band,
Ich hass' die Unzucht des Genossen
Und will ihn tilgen aus dem Land.
Ich will ihm senden meine Reiter,
Das Feuerschwert, das ihn verzehrt.
Wie Unflat ist mir und wie Eiter
Ein Volk, das selber sich entehrt.
Denn feige wird's und niederträchtig
Und tückisch, frech und ohne Scham
Und jedes Greuels wird es trächtig
Und jeder Schande wird es zahm.
Doch wenn ihr tretet als ein reines,
Als mein Geschlecht vor meinen Thron,
Dann werd' ich geben um ein kleines
Die ganze Welt in euren Fron."
So einst der Herr. Und du, vielliebes,
Mein deutsches Volk, wie steht's mit dir?
Du bist ein Sklave blinden Triebes,
Du bist der Erde brünst'ger Stier.
Du bist ein Hurer fremder Weiber
Und fremden Sitten buhlst du nach,
Mischt mit dem Weltfaum deine Leiber
Und nimmst als Hurensohn die Schmach.
Vergessen hast, was einst dein Bestes
Der finster- stolze Römer hieß,
Was an dem Tag des Wartburgfestes
Herrn Walthers Zunge an dir pries:
Die deutsche Zucht! O stiege nieder
Auch dir ein Gott von Sinai,
Kein lahmer, welker, zornesmüder,
Ein Feuergott wie dieser, sieh!
Und wär' ein Moses dir geboren,
Den zehnten Mann, den fräß' das Schwert
Und jedes Weib, gekauft von Mohren,
Es wäre gleichen Todes wert.
So aber droht an deinem Tage
Kein Warner dir und kein Prophet
Und tiefer an der Weltenwaage
Sinkt deine Schale, bis sie steht.
Ahnung
Es wuchtet wie Nebel dumpf und schwer
Dem Jäger über die Seele her. —
Zwei Raben haben sich was erzählt,
Er hat sie mit seinem Blei verfehlt;
Jetzt krächzen sie heiser im finstern Wald:
"Du wirst kein weiteres Jahr mehr alt,
Wir kennen die Stunde und wissen den Ort,
Wo tief im Geschröfe dein Leib verdorrt.
Nach seinem Vater schreit laut das Kind
Und eine weint sich die Augen blind,
Wenn droben laut die Lawine kracht.
Gib acht, gib acht!"
Gewittersturm
Dieses Feld,
Wie Christi Antlitz entstellt
Von tausend Wunden,
Von Hieben, Beulen und Schrunden,
Voll blutigem Schweiß
In Tagen so heiß,
Wo Glück wie Glas ging in Scherben,
Wo Tausende wühlten in qualvollem Sterben
Den Grund, wo des Todes Fiedel geklungen,
Bis schrill die Saiten gesprungen.
Dieses Feld,
Wo im Völker-Zueinanderkrallen
Das Los einer Welt gefallen,
Nun grünt es wieder und blüht empor,
Steh'n Gräser und Blumen im jungen Flor,
Singen die Vögel und fliegen die Falter,
Harft der Wind in Busch und Baum seinen Psalter.
Ist nichts gescheh'n
Als ein Frühlingsweh'n.
Hat ihm der Himmel gewaschen die Wangen,
Ist segnender Friede darübergegangen.
Ganymed
Ganymed, den zum Olympe
Einst der Aar des Zeus gehoben,
Bildnis du vom Menschenherzen,
Dem es golden winkt von oben.
Brünstig streckt nach dir die Arme,
Dich zu halten dir das Leben;
Ob du auch dein Sein verblutest,
Dennoch mußt du aufwärtsstreben.
Gesang des Pan
In Mittagshitze und Stille gebannt,
Erstarrt scheint das Leben im sengenden Brand,
Kein Vogel im Baum, kein Windhauch im Ast,
Der Tag wie erdrückt von der quälenden Last.
Gehst du am Berg dort die Halde hinan,
So triffst du vielleicht hoch droben den Pan
Mit spitzigem Bart, am Fuß den Huf,
Auf dem Polster von Reisig, den selbst er sich schuf.
Die Zottelgestalt an eine Tanne gelehnt,
Wie schläfrig er nickt und lässig sich dehnt.
Geh' nimmer zu nahe und rüttle ihn wach,
Denn Grus und Steine wirft er dir nach;
Mußt hinunter, hinunter mit fliegendem Rock
Über felsige Rinnen, über Steine und Stock.
Hörst um dich ein schrilles Gellen und Krachen.
Es ist ein wildes, entsetzliches Lachen.
Sein Scheitel im Himmel, sein Fuß im Meer,
Du armes Menschlein, wer ist wie er?
Wie die Wasser stürzen wie die Renner zu Tal,
Daß die Mähnen fliegen im dampfenden Strahl,
Wenn die Muren brechen mit Block und Stock,
Die Wälder auf ihnen als dunkles Gelock,
Wenn die Felsen splittern, die Berge beben,
Da fühlt er sein eigenstes, innerstes Leben:
"Und ihr, ihr Wichtlein mit Schaufel und Hau',
Mit eurem armseligen Lottergebau,
Mit eurem Hochmut und frevlem Ermessen,
Ihr wollt mich hinein in Bande pressen?
Ihr wollt mich mit Dämmen und Sperren fassen,
Wollt ein mich pferchen in eure Gassen?
Ihr eitlen Toren und dummen Laffen,
Wie lach' ich des Werks, das ihr geschaffen!
Ich recke mich auf zur vollen Statur
Und ihr seid gewesen in meiner Natur!
Ich schüttle die Erde mit einer Hand,
Ich werfe vom Himmel den glühenden Brand,
Ich schütt' übers Land das zornige Meer,
Ich, der Elemente Meister und Herr!
Doch wenn's mir gefällt und die Laune mich faßt
Und wenn es mich dünkt, genug sei's gespaßt,
Dann nehm' ich vom Gürtel und blase mein Horn
Und alles wird ruhig, gelind rinnt der Born.
Und wieder trägt Ähren und Früchte das Feld
Und wieder liegt golden die Sonn' auf der Welt."
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