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II.
Hochsommer

Meine Welt
 

Dichters Adel
Rechtfertigung
Frei!
Selbstbehauptung
Trotz
Ungebunden
Vergänglich
Erscheinung
Auflösung
Aufrecht
Einkehr
Wetterwendisch
Lebensweg

 
Ins Licht
Gottesdienst
Gleiches Los
Am Straßenrand
Befreiung
Segen der Einsamkeit

 
Charakter
Fluch
Letzter Sproß
Frank und frei!
Ziel
Unrast

 

Dichters Adel


Reck hoch deine Stirn, o mein Dichter,
Empor aus der irdischen Pein,
Umloht doch den Leib dir ein lichter,
Ein golden leuchtender Schein.

Du ruhst auf dem herrlichsten Throne,
Du einziger König der Zeit,
Du trägst auf dem Haupt eine Krone,
Vom Herrgott selber geweiht.

Dir war das gebietende Werde,
Aus nichts zu schaffen das Sein
Und Himmel und Wasser und Erde, —
O nimm sie, sie alle sind dein.

Rechtfertigung

Willst du mir den Dichter schelten,
Wenn er ohne Blüten scheint,
Wenn kein Sang in seinen Zelten,
Wenn er nicht im Liede weint?

Sieh, auch Feuerberge schweigen
Jahrelang in starrer Rast,
Eh' ein neuer Glutenreigen
Plötzlich an den Himmel faßt.

Frei!

Ich war im Leben nie gebunden
In meinem Sinn an da und dort,
Ich habe stets, was falsch, gefunden
An hohem Ton' und großem Wort.

So konnten sie mich nimmer pferchen
In diesen oder jenen Stall,
War wie die jungen, wilden Ferchen
Und all ihr Zuruf blieb mir Schall.

So steh' ich da zu dieser Stunde
Weit von den Fesseln der Partei,
Ein Stolzer auf dem eignen Grunde,
Freiheitlich nimmer, aber frei.

Selbstbehauptung

Was die Zeit langsam geschlagen,
Diese Maske eurer Wahl,
Diese Maske soll ich tragen,
Diese Maske der Moral?

Soll mein eignes Selbst verbergen,
Dies Gesicht, wie's Gott mir schuf?
Also wollt ihr ja, ihr Schergen
Aus Tendenz und aus Beruf.

Aus Moral Moral zu heucheln,
Die Idee ist zu verrucht;
Täglich, stündlich mich zu meucheln,
Ein Gedanke, gottverflucht.

Seht, in tausend Stücke schlag' ich,
Was ihr vorlegt mir zum Putz,
Und mein eignes Antlitz trag' ich
Euch und eurer Welt zum Trutz!

Trotz

Ich beug' mich nicht, Schicksal,
Trotz Weh' und Qual,
Und wenn du mich zerstampfst,
Das Herz mir zerkrampfst,
Den Leib mir schlägst mit Ruten und Schlegeln,
Mich zerkratzt mit spitzigen Nägeln.
Sieh nur zu:
Ich bin so mächtig wie du;
Du kannst mir nicht nehmen dies Herz,
Des Willens unbeugsam halsstarrig Erz.
Aufrecht steh' ich da auf der Erde
Und trotze deiner mit jeder Gebärde.

Ungebunden

Nie hab' ich mich um Gunst gekümmert
Seit all der Jahre, daß ich bin,
Und ward mir vieles auch zertrümmert,
Nie ändert' drum ich meinen Sinn.

Und jetzt, am Ende meiner Tage,
Entroll' voll Stolz ich mein Panier;
Trotz allem, was ich sonst ertrage,
Ein Eigner, Freier steh' ich hier!

Vergänglich

Wenn schneebegraben liegt das Feld,
Dann bau' ich eine Sommerwelt
Mir selber auf aus Duft und Schaum.
Ist sie auch flüchtig wie ein Traum,
Was macht's, wenn sie ein Hauch verweht,
Wenn schemenhaft ihr Licht vergeht?
Ob lebenslang das Glück dich trug,
Ob kurz nur einen Stundenzug,
Es bleibt sich gleich; am End' zerschellt,
Schaust doch in Scherben deine Welt.

Erscheinung

Vor dem Fenster unbeweglich
Starrt ein tiefes, dunkles Moor
Und ein Etwas flattert kläglich
Drinnen in dem scharfen Rohr.

Zu den Höhen möcht' es schwingen
Seinen Fittich, schwer betaut;
Meine Tränen, lass' sie springen;
Hab' ich selbst mich doch geschaut.

Auflösung

Alles, was ich schuf und dachte,
Alles, alles das zerrann.
So versieg' ich stetig, sachte
Wie das Bächlein in dem Tann.

Wie ein ferner, leiser Schimmer
Füllt Vergang'nes noch den Sinn
Und ich weiß oft selber nimmer,
Ob ich atme, ob ich bin.

Aufrecht

Wie oft ich auch im Leben irrte,
Wie manches Schlimme ich auch tat,
Was immer auch das Herz mir wirrte,
In einem wich ich nie vom Pfad:

Nie war mir weh des Daseins Enge,
Der Erde Gut ein höchstes Ziel.
Nie buhlt' ich um die Gunst der Menge
Und zwang in Fesseln mein Gefühl.

Und wenn ich zagte, wenn ich bangte,
Ob auch vollendet stund der Dom,
Stets gab ich, was das Werk verlangte,
Aus voller Brust den ganzen Strom.

So kann dereinst am Tag des Richtens
Ich sagen laut vor Gottes Thron:
Mir galt vom Anfang meines Dichtens
Das Werk allein als höchster Lohn.

Und hab' ich sonst mein Pfund vergraben
Und kann es weisen nicht im Licht,
Durch eines mag ich Gnaden haben:
Ein feiler Mietling war ich nicht.

Einkehr

Oben dreht der Sterne Reigen
Ewig sich um einen Pol.
Welch ein tiefer Schmerz zu eigen
Dir, mein Herz, versteh' ich wohl.

Was ich sann und was ich dachte,
Was ich gestern erst getan,
Das Gedachte, das Vollbrachte,
Heut wie fremde schaut's mich an.

Bin so wie die Abendwolke,
Die am Sommerhimmel wallt;
Bin wie Lieb' und Haß im Volke,
Steter Wandel mein Gehalt.

Wetterwendisch

Sieh', du nennst mich wetterwendisch,
Weil ich so und anders sing',
Weil ich heute vaterländisch,
Allerweltsam morgen kling'.

Freund, das ist's ja, was auf Erden
Erst den wahren Dichter schafft,
Daß er stets zu anderm Werden
Sich dem eignen Selbst entrafft.

Lebensweg

Vieles hab' ich heiß erstritten,
Manches hab' ich schwer durchlebt,
Niemals schritt ich in der Mitten,
Wo der breite Weg sich hebt.

Immer hatt' ich die Devise,
Sah nach Gold ich ihre Brunst:
Lass' den andern Heu und Wiese,
Einz'ger Lohn sei dir die Kunst.

Ins Licht

Weil ins Licht mein Herz ich weite,
Schein ich dir ein blöder Tor.
Steht nicht mit der Nacht im Streite
Immerdar der Sternenchor?
Lass' mich lodern, lass' mich brennen,
Bis ins Innerste entflammt.
Ist es heilig doch zu nennen,
Weil es von der Gottheit stammt.

Gottesdienst

Von des Alltags Flut umronnen,
Nicht in Kirchen eingesponnen,
Die den Ausblick mir verwehren,
Will ich meinen Gott verehren.

Laßt hinauf mich zu den Karen,
Wo die Steinlawinen fahren,
Wo der Alpenrosen Gluten
Selbst den Felsblock überbluten.

Wo vom Horst die Adler schweben,
Sich die letzten Wände heben.
Da will ich den Altar bauen,
Will den Herrn ich selber schauen.

Wenn aus Wetterstrahl und Sonnen
Herfließt seiner Allmacht Bronnen
Über mich und diese Erde,
Dank' ich's jubelnd seinem "Werde"!

Gleiches Los

Die dürre Föhre auf felsiger Wand,
Sie lechzte im Sommer im Sonnenbrand,
Im Winter, wie tat der Frost so hart. —
So ist auch mein Herz vor Weh erstarrt.
Uns fehlte des Frühlings wonniges Wehen,
Wir mußten beide zugrunde gehen.

Am Straßenrand

O armselig Kraut am Straßenrand,
Die Blätter voll Staub und brennendem Sand;
Von jung auf in deinem Leben bedrängt,
Von Zaun und Hecke im Wachstum beengt,
Fällt dir vom Himmel kaum jemals ein Blick.
Dir macht nicht Hummel noch Heuschreck' Musik,

Warst immer allein, betrübt und vergällt,
Weit von den glücklichen Schwestern im Feld.
Nie ruhte ein Falter in deinem Schoß,
Getretenwerden dein bitteres Los.
Verlechzend im Boden, sieh',
So kamst du zu Blüten und Früchten nie.

O armselig Kraut am Straßenrand,
Wie kenn' ich so manches Herz im Land,
Am Wachstum behindert, am Dasein bedroht,
Verbringt es die Tage in Fahr und in Not.
Ohn' erquickendes Naß und sonnenden Schein
Muß fruchtlos wie du sein Leben sein.

Befreiung

Ihr habt mein Haupt umwunden
Mit einer Dornenkron',
Ihr schlugt mir tausend Wunden
Wie einstens Gottes Sohn.

Traf dich des Unglücks Hammer,
Wenn alles, alles trog,
Gelöst ist dir die Klammer,
Die dich zur Erde zog.

Gib du dein Herzblut immer,
Doch wisse, diese Welt,
Sie hat ihr Kreuzgezimmer,
Das lastend auf dich fällt.

Bist allem du entbunden,
Was zentnerschwer dich hielt,
Dann sind auch deine Wunden
Gesundet und gekühlt.

Wie Nebel auf den Matten
Im Sonnenschein vergeht,
Du selbst bist dir der Schatten,
Der vor dem Lichte steht.

Segen der Einsamkeit

Todeinsam ging ich stets der Wege
Und nie ein andrer ging mit mir;
Die Selbstbefliss'nen, geistesträge,
Sie wußten nur von einem Wir.

So hat kaum einer mich gefördert
In allem, was ich schuf und sann,
Dafür im Herzen mir gefördert,
Wenn Ränke mit dem Feind er spann.

Doch dieses auch am Lebensende,
Wie bös es fiel, vergeb' ich gern.
Es brach der Frucht die starren Wände
Und machte voller mir den Kern.

Charakter

Die mir im Leben einst verbunden,
Sie lösen alle sich nun los.
Bald steh ich wie ein Baum voll Wunden
Und aller meiner Äste bloß.

Des Blutes Band, es mocht' nicht halten
Im Streit der Herzen, längst entzweit;
So muß ein Ende sich gestalten,
Denn allzulange ging der Streit.

Denn nie verstanden sie die Minne,
Die tief in sich schloß mein Gemüt;
Sie trugen stets ein Ziel im Sinne,
Das ich voll Grausen ängstlich mied.

Sie dachten stets nur sich zu kleiden
Und an die schmale Kost der Welt,
An dieses Daseins arme Freuden,
An Essen, Trinken, Gut und Geld.

Und dieser Zwiespalt der Gefühle
Hat sich erneut mit jedem Tag,
Bis endlich sich nach langem Spiele
Ergab der letzte, schwere Schlag.

Ich tat ihn nicht, doch will ich klagen
Auch nimmer, daß es so geschah,
Will männlich als ein Mann nun tragen,
Was ich ja längst schon kommen sah!

Doch ohne Haß, wenn nach der Kehle
Auch bitt'rer Gram mir würgend greift;
Im Staube tief kriecht ihre Seele,
Zum Himmel auf die meine schweift.

Fluch

Die Sippen und die Magen,
Wie hab' ich die so lieb.
Ich könnt' sie niederschlagen
Wie Räuber, Mörder und Dieb'.

Sie haben mich betrogen,
Ums Erbe mich geprellt,
Sie haben mich in die Wogen
Des Lebens nackt gestellt.

Sie haben Äcker und Wiesen,
Sie haben mein Haus und Feld,
Sie sollen es büßen müssen
Noch da auf dieser Welt.

Sie sollen dafür erdulden
Die kalte und heiße Pein,
Sie sollen für ihre Schulden
Leibhaftige Teufel sein.

Letzter Sproß

Wie immer eure Worte klangen
In diesem oder jenem Land,
Ihr alle, die vor mir gegangen,
Wie fühl' ich mich mit euch verwandt.

Wer weiß, von wo's euch hergetragen,
Wo einst des Ahnherrn Flagge strich;
Nur eines hör' mein Herz ich sagen:
Ich bin, was Ihr, und Ihr seid Ich.

Es war ein Stamm von kräft'gem Schlage,
Der mählich in die Äste schoß,
Es waren Männer kühner Wage,
In die sein Saftblut sich ergoß,

Ob in den Wäldern sie geschwendet,
Ob in den Dörfern sie gebaut,
Ob sie der Öfen Glut geblendet,
Ob in den Stollen sie gehaut.

Was sie getan, was sie getrieben,
Wer zeigt mir heut' davon den Riß?
Hat's keine Feder auch beschrieben,
Das Eine, Eine ist gewiß:

Ihr Lebensschiff, in Nöten schwamm es
Dem fernen, fernen Ufer zu;
In mir, dem Letzten ihres Stammes,
Kommt endlich, endlich es zur Ruh'.

Zum Grund erschöpft, leert sich die Quelle
Des Lebens hier in meinem Schoß.
Es war die letzte, letzte Welle
Und aller Zweige bin ich los.

Verronnen sind bald meine Tage,
Dann ruh', der Ärmste, ich bei euch;
Es sprang ein Sprudel einst zu Tage
Und ruht verebbet nun im Teich.

Frank und frei!

Ich schwinge den Becher,
Bin frei und bin frank.
Mir durstigem Zecher
Reich', Hebe, den Trank!

Laß scharren für Morgen
Die Narren der Zeit,
Ich hab' mich von Sorgen
Für immer befreit.

Hat's mich aus dem Dunklen
Ins Leben gelockt,
Mag hell es jetzt funkeln,
Bis wieder es stockt.

Und wenn mich mein Streben
Einst nimmermehr freut,
Kann nimmer ins Leben,
Hab' eine Ewigkeit Zeit.

Frag' nicht Buddha, nicht Mosen,
Was ist, wie's geschah,
Frag im Frühling die Rosen,
Waren millionenmal da.

Ist alles ein Schemen,
Was lebt und was ist;
Wozu dann das Grämen?
Zu kurz ist die Frist.

Ob ihr macht mich zum König
Oder ob ihr mich henkt,
Es macht mir gar wenig,
Ist euch beides geschenkt.

Es kann an mein Wesen
Weder Zeit ja noch Raum,
Was ich bin und gewesen,
War Schaum nur und Traum.

Ich schwinge den Becher,
Bin frei und bin frank;
Mir durstigem Zecher
Reich', Hebe, den Trank!

Ziel

Dieses Lebens wirre Spiele,
Werden immer sie noch neu,
Bin ich weit noch von dem Ziele
Und vom Truge noch nicht frei.

Komm doch, Tod, und übe Gnade,
Ruf den Fährmann mir herbei,
Daß ich mich in Lethe bade
Und auch sonst vergessen sei.

Unrast

Ob die Welt auch goldig lag,
Nie genügte mir der Tag,
Niemals gab es ein Genießen,
Immer hab' ich wandern müssen
Einem dunklen Weiser nach.

So, ein stets gequälter Gast,
Hab' das Leben ich verpaßt,
Bin ich durch die Zeit geschritten,
Nie befriedigt, nie gelitten,
Was auch immer sie versprach.

Und so ist gar ring die Frucht,
Die ich in der Jahre Flucht
Eingefahren hin und wieder;
Müdes Herz und matte Glieder,
Ohne Wein der weite Krug.

Freundlich leuchtet drum das Tor
Dort dem müden Wandrer vor.
Hinter schattenden Zypressen
Schau' ich einen Raum, gemessen,
Müder Seele Rast genug.