Unser Schicksal
Am Morgen wonnig Weben,
Am Abend Schnee und Wind,
So tappen wir durchs Leben,
Ein unbedachtes Kind.
Die Uhr macht ihre Runde,
Der Zeiger fällt und klimmt,
Weiß keiner von der Stunde,
Was sie ihm gibt und nimmt.
Fügung
Der Tag will blauen.
Was aus dem Grauen
Jetzt sich will schälen,
Lust oder Schmerz,
Warum dich quälen?
Mußt dich bequemen,
Mußt es doch nehmen,
Törichtes Herz!
Abendsegen
Wie erquickend und wie labend
Nach des Tages Not und Qual,
Ach, welch stiller, sanfter Abend
Neigt sich segnend auf das Tal.
Ernteschwer und schlummermüde
Schaut um sich er alles Land
Und ein süßer, süßer Friede
Rinnt ihm leise aus der Hand.
Heimweh
Am Himmel sacht die Sonn' verglüht,
Im Feld die Rinder grasen,
Vom Walde hör' ein weiches Lied
Ich lind herüberblasen.
Es nehmen mich die Töne ganz
Mit ihrem Weh' gefangen
Und nach der Heimat Licht und Glanz
Ein brünstiges Verlangen.
Vom Schornstein auf ins Abendblau
Wächst schwarz des Rauches Säule
Und vor dem Haus der Vater, grau,
Sitzt auf dem Stein der Meile.
Im Grase spielt das Brüderlein
Froh mit dem alten Hunde;
Der aber schaut so traurig drein,
Als fühlt' er meine Wunde.
Scheidender Tag
Übermüdet sinkt der Tag.
Seine Arbeit ist beendet.
Was so reich er uns gespendet,
Liegt beschlossen in dem Hag.
Alle Winde sind zur Ruh'
Und der Berge Gluten starben;
Vor dem Tal und seinen Farben
Zieht die Nacht den Vorhang zu.
Noch ein letzter fahler Schein
In des Waldes letztem Dämmern;
Einen Specht noch hör' ich hämmern,
Bald schläft der auch müde ein.
Abendwolkentreiben
Es liegt der Abendhimmel
Im leuchtenden Barock,
Es tummeln die Wolkenschimmel
Die Reiter in Hos' und Rock.
Die Frauen im Rosenkleide
Mit grauem Silberdruck,
Die Herren im Jägerkleide
Und goldenem Tressenschmuck.
Um sich die Windspielhunde
Mit lautem Hussa Hopp.
Sie reiten in der Runde
Im Trabe und Galopp.
Die Sonn' vom Firnensitze
Schaut lange lächelnd zu;
Dann mit der Fingerspitze
Winkt gnädig sie zur Ruh'.
Wie dann von Ross' und Leuten
Die Riesenbühne leer,
Zieht Nacht mit sachtem Schreiten
Den Vorhang davor her.
Selbstbesinnung
Silberne Wolken mit goldenem Mast
Verschiffen des Tages gesegnete Last,
Wollen zum Hafen heim mit der Fracht,
Eh' sich noch öffnen die Tore der Nacht.
Herz und du selber, du säumst und du zauderst,
Hälst dich versonnen beim Nachbar und plauderst,
Denkst nicht der Ernte, die noch zu schneiden,
Da es doch Abend, die Sonne im Scheiden?
Abendfriede
Auf den Bergen ist zerglommen
Nun der Sonne letzter Glast
Und die Wolken sind zerschwommen
Mit des Purpurs schwerer Last.
Sachte, sachte, wie verstohlen
Schwebt die Nacht vom Himmelszelt
Und es geht auf sanften Sohlen
Süßer Friede durch das Feld.
Bringt die Herzen und die Winde,
Alles, alles nun zur Ruh'
Und mir fallen leise, linde
Meiner Augen Tore zu.
Feierabend
Es wird Nacht,
Nun ist vollbracht
Dies Tagwerk. In Müh' und Sorgen,
In saurem Schweiß hab' ich's geborgen.
Geb' der Herr mir die Ruh'
Und den Segen dazu.
Sein ist die Macht.
Schaffen und Rasten
Der Tag seit früh am Morgen,
Was hat er nicht gemacht,
Wie war er schwer in Sorgen,
Bis jedes er bedacht.
Wie eilte er behende
Durch Anger, Wies' und Feld,
Bis alles seine Hände
Geordnet und bestellt.
Bis jede Blum' die Farbe
Und jeder Baum die Frucht,
Der Acker seine Garbe,
Das Huhn die junge Zucht,
Bis jedes Tier sein Futter
Und jedes Kraut sein Naß;
Kaum daß einmal geruht er,
Ruft eines ihn wieder baß.
So sinkt er todesmüde
Am Abend und verwacht.
Da kommt mit lindem Linde
Sein dunkles Weib, die Nacht.
Sie hat ihn ausgezogen
Und still in voller Pracht
Am hohen Himmelsbogen
Das Bett für ihn gemacht.
Der Sterne Kerzen brennen
Um ihn mit mildem Schein.
Nun wird er ruhen können
Und selig schläft er ein.
Nachtseligkeit
O ewige Nacht, laß mich kommen zu dir!
O seliges Denken: los sein von mir!
Wie wollt' ich mich schmiegen, ein glückselig Kind,
An deinen Busen mich lehnen, so weich und so lind;
Wie wollte ich saugen mit durstigem Zug,
Vergessenheit trinken nimmer genug,
Wenn alles schwände, wenn alles wich'! —
Schlage, o Nacht, deine Flügel um mich!
Sammlung
O heilige Stille der Nacht!
Unfaßbar geheimnisvoll Weben!
Nach all dem Ringen und Streben
In tausend Gestalten entfacht:
Aus Herzen und Blüten und Flammen
Zieht sich alles Leben zusammen
Im enge gezirkelten Kreis.
Linde und leis
Sind alle Kräfte des Seins
Nun wieder gesammelt in Eins.
Des Lebens Wehe und Lust
Sind beide, beide entschlafen
Und wie die Schiffe im Hafen
Ruhet jeder Wille der Brust.
Nacht
Wie so feierlich die Nacht!
Groß und dunkel stehn die Bäume
Und der Wolken Silberschäume
Wallen friedlich, still und sacht.
In dem Garten welcher Duft!
Weiße Lilien glühn gleich Kerzen
Und wie liebesschwere Herzen,
In sich schauernd, bebt die Luft.
Traumverloren pulst die Brust!
Weiche Wehmut, wehes Sehen
Strebt gleich dunkelfarbnen Schwänen
Einem Ziel zu unbewußt.
Weg der Mond vom Himmel dort!
Wieder jetzt dir selbst zu eigen,
Magst auch du dich niederneigen,
Seele, jetzt zum Heimatport.
Vorüber
Es ist die Zeit der Gespenster,
Ich bin allein im Haus
Und schaue durchs offene Fenster
In die schweigende Nacht hinaus.
Um den Mond liegt ein Hof, ein trüber,
Aus fahlen Wolken geballt,
Auf der Straße geht etwas vorüber,
Mich fröstelt es eisig kalt.
Ich sehe es huschen in Laken,
In weißen, kommt mir für,
Ich hör' eine Klinke knacken,
Es war an des Nachbars Tür.
Ich denk an den Kranken, den müden,
Da klingt's wie ein röchelnder Schrei!
Herr, gib seiner Seele den Frieden —
Er war's — nun ist's vorbei.
Mondnacht
Aus Schlaf und Traum bin ich erwacht,
Vom Monde erhellt liegt das Fenster
Und weist an der Uhr die Zeit der Gespenster.
Brütend dumpf liegt die Nacht.
Draußen der Wind zerschellt den Atem der Kehle
Und aus des Brunnenrohrs offener Seele
Rauscht's kaum mehr sacht.
Voll geheimnisvoller Pracht
Tief aus der Erden
Will neues Werden
Empor ins Sein,
Was ins Leben
So sich will heben,
Beklemmend und schwer
Wuchtet's auf mich her.
Daß es zum Guten sich wende,
Still falt' ich die Hände.
Memento
Wär' doch die finstre Nacht vorbei
Und würd' es wieder licht;
Von ferne tönt ein grauser Schrei,
Ich seh' den Schreier nicht.
Ein Etwas wandelt zu mir her,
Wie Katzen schleicht's durch's Gras,
Ich spür' schon seinen Atem schwer
Und doch, ich weiß nicht was.
Ich fühl', wie's mit dem Fang mich greift
Und mir die Kehle packt.
Herrgott, was da im Dunklen schleicht,
Schon hat sich's eingehakt.
Es ist ein fleischlos Händpaar,
Das mit der Hippe droht,
Um mich, o heil'ge Engelschar, —
Er ist's, es ist der Tod!
Verklärung
Wenn der Herbst mit frost'gem Gliede
Seine letzte Ernte klaubt,
Sonnenselig, sommermüde
Senkt die Sommerblum' ihr Haupt.
Bei dem Schicksal will ich werben
Mit des Herzens schwerstem Zoll:
Laß auch mich so herrlich sterben,
Gleich wie sie der Gottheit voll.
Zuflucht
Schon hat der Herbst in tiefe Trauer
Rings eingehüllt den Föhrenwald;
Vom Berge dringt ein Regenschauer
Mir in die Seele Eisigkeit.
Wo obers Kreuz dort eine Weide
Zum Schirme reckt den breiten Ast,
Da will auch ich in meinem Leide
Mich setzen still zu kurzer Rast.
Wenn von dem Baum mit schwachem Klopfen
Zur Erde fällt des Regens Flut,
Da ist's, als fühlt' ich niedertropfen
Auf meine Brust des Heilands Blut.
Da ist's, als ob mit linden Armen
Er voll Erbarmen mich umfing
Und durch das Herz ein froh Erwarmen
Im Froste dieses Lebens ging.
Freu dich!
Primeln und Veilchen am Hut,
Nun wird alles, alles wieder gut!
Was die Berge auf mir gelastet,
Die Nebel, durch die ich getastet,
Das Dunkel, durch das ich gezogen,
Der Irrwisch, der mich betrogen,
Alles, was mir drückte die Seele,
Was mir würgte die Kehle,
Hat auf einmal des Lenzes Sonnen
Weggespült mit goldenem Bronnen.
Wie so lind ist der Tag!
Grün die Birken im Hag,
Der Zeisig, der sich schaukelt,
Der Falter, der selig gaukelt,
Sie sagen, sagen immerzu:
"Freu dich auch du!"
O goldene Himmelssonnen,
Wie preis' ich deinen Schein,
Den ich wie einen Bronnen
Trink gierig in mich ein.
Er kommt durch meine Glieder
Als Feuerstrom gekreist
Und kehrt zu dir dann wieder
Als liebgewordner Geist.
Abendglühen
Es liegt gleich dem heiligen Grale,
Gebadet in flimmernden Tau,
Des Himmels Riesenschale
In grünsmaragdenem Blau.
Vom blutenden Sonnenherzen,
Da es nun scheiden soll,
Rinnt wie von tropfenden Kerzen
Die ganze Schale voll.
Es rinnt in Feuergluten,
Bis sie, zum Rand erfüllt,
Urplötzlich in Purpurfluten
Auflodernd überquillt.
Ewiger Kreislauf
Still wandern die Wolken des Himmels dem Abend zu.
So aus Hast und Lärm verebbt auch dies Herz zur Ruh'.
Aus dem unfaßbar Geheimnisvollen stieg es empor,
Kehrt wieder zu ihm, ist alles wie zuvor.
Die Sterne gehen den gleichen Gang,
Die Vögel singen mit gleichem Klang.
Und doch sein Wirken. Die Welle der Zeit
Spült's fort in die dunkle Unendlichkeit.
Zweisamkeit
Draußen die Welt so still und versonnen,
Schläfrig und leise rauschte der Bronnen,
Saßen zusammen im stillen Garten,
Hatten einmal nichts zu pflegen und warten,
Waren so ganz von Ruhe umworben,
Deuchten uns lange, lange verstorben,
Waren mit allem in eins versponnen,
Waren mit allem zusammengeronnen,
Waren im Herzen voll seliger Ruh',
Wußten nichts mehr von ich und du,
Waren weit über Raum und Zeit
Irgendwo in der Unendlichkeit.
Altersfriede
Schilt mir nicht des Alters Frieden,
Den so wohlig ich empfind';
Diese Tage, diese müden,
Ach, wie sind sie sanft und lind.
Nichts mehr kann dies Herz verlocken,
Nichts mehr bringt ihm Kampf und Streit;
Nur ein Klang von fernen Glocken
Hallt ihm nach, der Lärm der Zeit.
Kein Verlodern, kein Entbrennen,
Nur ein ruhig klares Sein,
Nur ein heiliges Erkennen,
Wunschlos, selig, schließt es ein.
Gleichmut
Wein' nicht nach den kargen Freuden,
Deren Licht so bald erlischt;
Klag' nicht ob der tiefen Leiden,
Die der Tag dir aufgetischt.
Macht dich dieses auch beklommen,
Ist dir jenes auch entwischt;
Hast ja eine Welt bekommen,
Die dich wieder neu erfrischt.
Hast den Tropfen du verloren,
Rauscht im Krug noch ungemischt
Wein genug im Tanz der Horen,
Wenn die Seele durstig ist.
Eigene Art
Es brennen viel tausend Kerzen,
Hat jede ihr eigenes Licht,
O, tue nach deinem Herzen
Und hör' auf die anderen nicht!
Und bist du ein Baum mit Nadeln,
Verlange nicht Blätter und Laub;
Du hast nur jene zu adeln,
Eh' sie des Winters Raub.
Wasserrad
Es geht durch dunkles Wasser
Zur Hälfte stets ein Rad,
Wird nie im Kreisen lasser,
Geht ruhlos seinen Pfad.
Brauchst nimmer dich zu härmen,
Das einmal es genug,
Lauft ohne Hast und Lärmen
In ewig gleichem Schwung.
Ein Sinken und ein Heben,
Nie bleibt es in dem Lot,
Durchs Lichte führt das Leben,
Durchs Dunkle weist der Tod.
Schicksal
Ich hör' eine Mühle mahlen
Und kreisen den Mühlstein drin;
Ich fühl' an Leid und Qualen,
Das ich das Mehlkorn bin.
Ich möchte die Speichen fassen,
Daß endlich das Triebrad still,
Und muß es gehen lassen,
Wie es das Schicksal will.
Gleichnis
Ein Körnlein, das ich finde
Am Wege, winzig klein,
Es schließt in seine Rinde
Ein Erdenleben ein.
Dem Acker eingebunden,
Erwächst's und blüht wie du
Und sinkt nach kurzen Stunden
Als Keim ihm wieder zu.
Weltordnung
Du wirst dich bescheiden müssen,
Was immer dein Herz versucht;
Es steht nur einmal mit Nüssen
Der Baum in der Monde Flucht.
Es ist der Lenz zu loben,
Der Winter der Rast geweiht,
Wird kein's ohne Strafe verschoben,
Hat jedes seine Zeit.
Bestimmung
Ich gehe auf einem Pfade,
Drauf nie ein Lichtstrahl gleißt;
Ich stehe auf einem Rade,
Das mit mir im Dunklen kreist.
Ich möchte so gerne wissen,
Wohin mein Leben weist,
Und werde es wandern müssen,
Bis es "zu Ende" heißt.
Einerlei
An den Häusern dieser Straße
Ein Jahrtausend ging vorbei,
Klein sein Inhalt. Wie ich's fasse,
Nur ein ewig Einerlei.
Dort im Friedhof hingebreitet
Liegt die Ernte, die es trug;
Keine Brust, die sich geweitet,
Kaum ein Herz, das stärker schlug.
Trotzdem war's ein Meer von Leiden,
Die es mit dem Fuß durchzog;
Kärglich nur die schmalen Freuden,
Eh' der Tod es niederbog;
War's nach Nahrung nur ein Streben
Ohne Mond- und Sonnenschein,
Schloß doch wohl auch dieses Leben
Gott und Teufel in sich ein.
Verbunden
Dort des Wannecks graue Schrofen,
Hier des Tales grüne Breiten;
An dem Kirchlein muß er hängen,
Müßt' mein Blick auch weitergleiten.
Goldne Kränze auf den Gräbern,
Drin bestattet meine Ahnen;
Über Zeit und Raum hinüber
Hör ich's flüstern, hör ich's mahnen:
Ritter auf dem Freiheitsrosse,
Nicht so hitzig mit dem Renner!
Wohl bist Zähler du vom Bruche,
Doch wir unten sind der Nenner!
All dein Tun und all dein Handeln
Muß nach dem Gesetz sich runden;
Nimmer kannst du uns entrinnen,
Immer bleibst du uns verbunden.
Schicksalsbecher
Es steht bei jeder Wiege
Ein dunkelfarb' Pokal,
Für jeden ein Genüge
Zu seiner Jahre Zahl.
Es ist im zugemessen
Ein Schluck für jeden Tag
Und, wollt er auch vergessen,
Laut mahnt der Stunden Schlag.
Muß ihn zur Neige trinken,
Ob willig oder nicht;
Im schaut mit ernstem Winken
Das Schicksal ins Gesicht.
Ob Gift auf seinem Grunde,
Ob Wein und süßer Met,
Hat keiner davon Kunde,
Er fühlt's erst wenn er geht.
Erst bei dem letzten Zuge,
Den bangend draus er tut,
Wird frei sein Herz vom Truge
Und weiß, was drin geruht.
Da schaut er voller Schauer
Das Seil, worauf er ging,
Die Haken an der Mauer,
Dran's ob dem Abgrund hing.
Nun wird ihm klar der Tage
Geheimnisvoller Riß;
Was früher stand in Frage,
Das ist ihm jetzt gewiß.
Mag nun ins Kissen sinken
Das schmerzensmüde Haupt;
Möcht' nimmer wieder trinken,
Wenn's nochmal ihm erlaubt.
Genug!
Also bin ich mit dir, Schicksal,
Immerdar noch nicht auf gleich
Und du bringst mir wieder Trübsal
Und aufs neue trifft dein Streich.
Ohn' Erbarmen, ohne Gnade
Fällt dein boshaft starrer Blick
Auf das letzte meiner Pfade
Wie dereinst aufs erste Stück.
Und du lachst dein gelles Lachen
So, wie immer du es tat'st,
Wenn du meinen Lebensnachen
In die tiefsten Strudel trat'st.
Was willst weiter noch erhoffen
Von erneutem Schmerz und Harm?
In das tiefste Sein getroffen
Bin ich längst von deinem Arm.
Dieses Lebens wirre Spiele,
Alle, alle hab' ich satt,
Nimm die Hand, dir grausig kühle,
Setz' mich endlich, endlich matt.
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