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Neuere Gedichte
Kuffner Christoph

Wien 1840
Verlag und Druck von Anton Mausberger
Leipzig bei Paul Baumgärtner

Lyrisches 1
 

Die Gräber meiner Wünsche
An einen Johanniskäfer
An meine Kerze
Gedenke mein!
An den Mond
Tag und Nacht
Der Sonnenstrahl
Das Lächeln der Wahnsinnigen
Frühlingsklage
An mein Trinkglas
Der Schmetterling
Rose und Rosmarin
Als Sidonia einen Liebesbrief . . .
Blutverwandtschaft durch eine Fliege
Der taube Ehemann

Die Gräber meiner Wünsche

Wie vielmal strebt' ich, ach vergebens!
Nach manchem schönen Ziel des Lebens.
Traumhelle Zauberfarben glühten,
Und milde Hoffnungsbäume blühten.
      Die Farben verblichen,
      Die Blüten entwichen,
           Und es stand all überall
          Kalt und kahl!

Bald wühlten im betrognem Herzen
Die Skorpione wilder Schmerzen,
Bald mußt' ich, nach des Traum's Erwachen,
Des Possenspieles herzlich lachen.
      Nun samml' ich als Meister
      Der irrenden Geister
          Abgeschiedener Wünsche viel
          Zum ernsten Spiel.

Und einen Kirchhof bau' ich ihnen,
Die mir im Leben je erschienen;
Der Glutgestalten jede finde,
Befreit aus langem Irrgewinde,
      Ein Grabmahl im Stillen,
      Um sanft zu verkühlen;
          Und das Pförtchen schließ' die Ruh'
          Lächelnd zu.

Schon früh sah ich mit goldnen Strahlen
Den Ruhm mir Kränz' auf Wolken malen;
Und mit der Jugend Adlerflügel
Ließ ich zurück der Erde Hügel;
      Den Wagen der Sonne
      Bestieg ich voll Wonne,
          Und es stärkte Fieberglut
          Mir den Mut.

Doch ach! Die Wolkenkränze schwanden,
Die Schwinge sank, — bald hing in Banden
Der Mut an kahlen Dorngesträuchen;
Traumgold dem Erdenblei muß weichen! —
      Dir, Ruhmsucht, geweihet,
      Mit Dornen bestreuet,
          Sei dies aufgeschwollne Grab;
          Steig hinab!

Viel las ich von der Heldenstärke
Der Freundschaft. Welche Wunderwerke
Wollt' ich durch ihre Macht vollziehen
Bei gleicher Herzen gleichem Glühen!
      Harmonisches Streben
      Im einigen Leben
          Sah ich bis an's Ziel hinan
          Unserer Bahn.

Doch ach! Ein böser Geist entzweite,
Des Schicksals Riesenhand zerstreute,
Was einst sich in den schönsten Stunden
Zum Bund der Ewigkeit gefunden.
      Drum, Freundschaft, erhebe
      Im Nesselgewebe
          Sich dein schattenkaltes Grab —
          Steig hinab!

Und wie ein Morgenrot des Maien;
Die Nacht des Lebens zu erfreuen,
Kam Liebe aus des Äthers Bahnen
Mich lehrend, Himmlisches zu ahnen.
      Ein neues Entzücken
      Mit hehrem Beglücken
          Hob mich in ein Freudenchor
          Hoch empor.

Doch ach! sie, die ich so vergöttert,
Die Rose war so schnell entblättert.
Der Welt gelang's, den Sinn zu blenden,
Des Herzens frommen Geist zu wenden.
      Drum schmücke, falschglühend,
      Dir, Liebe, gleichblühend,
          Belladonna hier dein Grab —
          Steig hinab!

So seid ihr Wünsche, denn begraben!
Doch soll euch nicht die Erde haben.
Erhebet euch als Lichtgestalten,
Verklärt die Schwingen zu entfalten!
      Als Genien schweben
      Sollt ihr, und mein Streben
          Flügeln für die höh're Bahn
          Himmelan!

Und darf noch einen Wunsch ich hegen,
In meiner Brust ihn sorglich pflegen,
Gefährte mir zu sein hienieden —
So wähl' ich mir den Seelenfrieden.
      Er bleibe im Leben
      Mir treulich ergeben
          Und lege sich mit mir in's Grab
          Still hinab!

An einen Johanniskäfer

Du holder Fremdling, lichtentglommen,
Sei mir auf meiner Flur willkommen!
Magst hier, dich nährend, sicher wallen
Im Schmucke deiner goldnen Strahlen;
Gewähre dafür
Dein Strahlenlicht mir
Im Dunkel der Nacht!
Ständ' es in meiner Macht,
Ich würde dir mit süßem Himmelstau
Beperlen jedes Blättchen dieser Au.

Begleitest du mit deinem Glanz
Auf stiller Flur den Elfentanz?
Hängst du zu ihrer Gaukelspiele Lauf
Am feuchten Grashalm deine Leuchte auf?
Ist irgend eine Leuchte, gleich der deinen,
Geeignet, Elfenreigen zu bescheinen,
Und düstrer Mitternächte Schattendunkel
Zu scheuchen mit dem lieblichsten Gefunkel?

Kein Vogel störe deine stille Laube,
Erspähe nie dein Leben sich zum Raube!
Kein Regenguß mit wilder Flut
Vernichte dich und deine Glut!
Kein Sturm zerreiße je das Blättchen grün,
Auf welchem deine Flimmer glühn!
Du sollst nicht unter Tausenden
Wertloser Käfer untergehn!

Auf welchen Blättern pflegest du
Vorzüglich gerne deine Ruh'?
Von solchen bau' ich kühl und mild
Dir eine Laube im Gefild,
Um dich vor Regen, Sturm und Blitzen
Beim Elementenkampf zu schützen.
Du wohnst ja, holdes Kind der Stille,
Gern in des Friedens sanfter Hülle,
Genießest deinen Balsamtau
Gern in dem Schweigen kühler Au,
Und strömest aus der kleinen Zelle
So lang du lebst, dein Lichtlein helle.

Wie wenig ist der Mensch, das Kind
Ruhlosen Kampfs, dir gleichgesinnt,
Der Mensch, den Stürmen hold, die ihm sein Leben
Zerstören und mit Nacht umgeben,
Er, dem der Leidenschaften Wut
Die Seele füllt mit freud'ger Glut!
O wie viel edler ist es, so wie du,
Zu leben in dem Vollgenuß der Ruh,
Und, ihr geweiht,
Zu leuchten in der Einsamkeit!

An meine Kerze

Gefährtin du der Geisternacht,
Die freundlich leuchtend mit mir wacht,
Da ich nun dem leblosen Schlaf
Ein Stündlein raube lieb und wert;
Horch, wie der Sturmwind tobt und braust!
Horch, wie der Hölle Dämon saust,
Da er durch's Reich des Dunkels fährt!
Horch, wie des Donners Stimme brüllt,
Und alle Schrecken aus der Tiefe wühlt!
Sieh, wie der bleiche Mond von Wolk' zu Wolke flieht,
Verdunkelt jetzt, dann wieder hell entglüht!

Doch hier im schützenden Gemach
Stört dieser Sturm die Ruhe nicht.
Hier in dem stillen Heiligtum
Hält noch bei deinem sanften Licht
Das Streben nach dem edlem Ruhm
Die regen Phantasien wach.
Wer möchte spurlos sich hingeben
Dem Strome der Vergessenheit?
Wer möchte nicht der Nachwelt leben
Und in Gesängen ferner Zeit?

Ihr Stunden düstrer Einsamkeit
Seid der Erinnerung geweiht!
Aus ihrem dunkeln Grabe wallt,
Sanft wie sie war, mit holdem Gruß
Elisens blasse liebliche Gestalt.
Ach! mußt' auch dich des Todes Arm umfangen,
Die stets als Lebenszierde sollte prangen? —
Sie lächelt, — schwindet hin mit einem Kuß!

Und mußt du, lichte Freundin, ihr gleich schwinden?
In deinem Glanz dein frühes Ende finden?
Ja, du auch frönest dem Geschick.
Rastlos verzehrt von jedem Augenblick,
Seh' ich dein bleich erlöschendes Vergehn.
Matt lodert schon die Flamme deines Lebens;
Schon wankt der Docht, er sinkt, —
Und all dein Kämpfen ist vergebens!
Mit einem hastigkühnen Sprung
Auflodernd, haschest du nach Lebenskraft;
Er rettet nicht! Schon kriecht in Dämmerung
Die Flamme matt und schwach umher,
Schwankt, zittert, flimmert, — ist nicht mehr!

So schwindet auch des Genius Sonnenglanz,
So schwindet auch der Schönheit Blumenkranz
Wo lebt der Riese, der zur Zeit mag sagen:
"Zerstörerin! Ich hemme deinen Siegeswagen!"

Gedenke mein!

                    An Nina

Hörst du das Lied der Nachtigallen
Aus blüh'ndem Frühlingsbusch erschallen,
     O Nina, dann gedenke mein,
     Der bei dem Liede ruht allein,
Der glühend einst an's Herz dich drückte,
Als deine Liebe ihn beglückte,
Dem, als der schöne Bund erblühte,
Ein neuer Lebensfrühling glühte!
     Gedenke mein,
     Der unterm Hügel ruht allein!

Siehst du des Sommers Rosen glühen,
Die auch auf deinen Wangen blühen,
     O Nina, dann gedenke mein,
     Der unter Blumen ruht allein,
Der in der Liebe schönsten Stunden
Die Blumenkränze hat gewunden,
Der, wenn die Rose ihn entzückte
In dir verschönert sie erblickte!
     Gedenke mein,
     Der unterm Hügel ruht allein!

Siehst du des Herbstes Blätter fallen,
Den Nebelflor stilldüster wallen,
     O Nina, dann gedenke mein,
     Der unter Blättern ruht allein,
Der in des Lebens trübsten Stunden
In dir sein Himmelslicht gefunden,
Dem in des Kummers Nebelschleier
Die Liebe glomm als Sternenfeuer!
     Gedenke mein,
     Der unterm Hügel ruht allein!

Wenn durch des Winters Trauerhallen
Die wilden Stürme heulend schallen.
     O Nina, dann gedenke mein,
     Der unterm Schneebett ruht allein,
Der für des Lebens Todeswunden
Durch dich den Balsam hat gefunden
Den in des Lebens Eisgefilde
Die Lieb' erwärmte hold und milde!
     Gedenke mein
     Der unterm Hügel ruht allein!

An den Mond

O wäre doch mein Geist so licht wie du!
O wäre doch mein Herz, gleich dir, voll Ruh!
O könnt' ich durch des Lebens düstre Nacht
Hinwandeln, so wie du, in heitrer Pracht!
O könnte ich gleich dir, die dunkeln Stellen
Auf Erden und am Himmel sanft erhellen!
O könnte ich in wechselnden Gestalten,
Doch stets derselbe, still und einig walten,
Gleich dir, der durch die Wolken siegreich dringt,
Und alterbleich sich immer neu verjüngt!

Tag und Nacht

Ich liebe den Tag, wenn sein strahlendes Licht
Verklärend die östlichen Wolken durchbricht,
Wenn Tau wie Demanten das Blumenreich schmückt,
Der Lerche Lied Himmel und Erde entzückt.

Ich liebe die Nacht, wenn der freundliche Mond
Den dunkelnden Himmel sanftlächelnd bewohnt,
Wenn Blumen entschlummern sich wiegend in Duft,
Der Nachtigall Töne erfüllen die Luft.

Ich liebe des Tages erweckende Pracht,
Wenn Alles zu tätigem Leben erwacht,
Wenn rüstig der Landmann zur Arbeit sich regt,
Der Städte Getümmel sich hastig bewegt.

Ich liebe die Nacht, wenn im schweigenden Raum
Sie leise umgaukelt der spielende Traum,
Wenn freundlich die schimmernde Sternenschar blinkt,
Und Ruh' wie ein Engel zum Erdenrund sinkt.

Ich liebe den Tag, wenn in farbiger Glut
Das Reich der Natur und der Kunst vor mir ruht,
Die Wahrheit als Tochter des Lichtes erscheint,
Und rastloses Wirken die Menschen vereint.

Ich liebe die Nacht, wenn in dunkler Gestalt
Das Irdische schwindet, das Himmlische strahlt,
Die Leidenschaft schlummert, der Leidende ruht,
Und müde Erschöpfung Kraft sammelt und Mut.

So lieb' ich den Tag und so lieb' ich die Nacht,
Denn beide hat Gott für den Menschen gemacht;
Nicht einerlei Farbe erfreut uns im Bild;
Eintöniges hat nie mit Wonne erfüllt.

Dem Dunkel und Lichte gleich, wohnt in der Brust
Des Erdenbewohners der Schmerz und die Lust;
Hier treibt uns des Wechselnden flücht'ge Gewalt,
Dort fesselt der ewigen Schönheit Gestalt!

Der Sonnenstrahl

O milder, holder Sonnenstrahl,
Du schönster Gast im Äthersaal,
Du Zaubergürtel der Natur,
Du Schmuck der Erd'- und Himmelsflur!

Du, dem die frühe Lerche singt,
Der in den Grund der Erde dringt,
Der allen Wesen Leben spendet,
Du kommst vom Lichtquell uns gesendet!

Du bist des Daseins schönste Habe,
Und von der Wiege bis zum Grabe
Verläßt dein Wonnespiel uns nicht:
Du gibst uns Wärme, gibst uns Licht.

Wenn Stürme heulen, Donner brüllen,
Die Blitze Land und Flut erfüllen,
Erscheinst als Friedenszeichen du;
Dein erster Blick bringt Glück und Ruh'.

Du streuest Diamanten-Pracht
In dunkler Wälder düstre Nacht;
Du reifst mit glüh'ndem Lebensscheine
Im Erdenschoß die Edelsteine.

Du scheuchst mit deinem Freudenfeuer
Des dichten Nebels Trauerschleier;
Du strömst durch's schmale Fensterlein
Mild in der Armut Hütten ein.

Du schimmerst gern auf hohen Zinnen,
Doch lächelst du auch auf Ruinen,
Und von der stolzen Höh' hinab
Senkst du dich freundlich auf ein Grab.

Du spielst im blätterdichten Baum,
Spielst in der Kirche heil'gem Raum,
Spielst um des Kindes Lockenfülle,
Ruh'st auf des Greises Leichnam stille.

Du scherzest wo dich Blumen fächeln,
Du lächelst bei der Freude Lächeln,
Verklärend strahlt dein schönstes Licht
Auf reiner Schönheit Angesicht.

Doch weh dem nächtlich düstern Schlunde,
Und weh der schwarzen Lebensstunde,
Wo jeder Strahl der Sonne fern,
Des Glückes und der Hoffnung Stern!

Womit bist du in allen Reichen
Des großen Weltalls zu vergleichen?
Nur mit dem reinen reichen Geist,
Der sich in seinem Schöpfer preist!

Weiß, unteilbar, in dir vollendet,
Strömst du, zum Irdischen gewendet,
Der sieben Farben Heiligkeit,
Dem Einen, Höchsten, nur geweiht!

Das Lächeln der Wahnsinnigen

Sahst du auf der bleichen Wange
Dieses Lächeln scheu und bange,
Das so flüchtig und so kalt,
Wie ein Traum vorüberwallt?
So erscheint des Blitzes Licht,
Das aus dunkler Wolke bricht,
Und mit schnellem Glanz die Nacht
Schrecklicher und dunkler macht!
So dies Lächeln; aber nicht
Immer war es so, nicht immer!
Dieser Augen Frühlingsschimmer
Übertraf mit seinem Feuer
Einst den hellen Morgentau
Und des Himmels Azurblau,
Und den holden Rosenwangen,
Einst von Lieb' und Lust umfangen,
War des Frohsinns Lächeln treuer
Als den Blumen Licht und Tau,
Als der Silberglanz dem Quell. —

Aber ach! woher so schnell
Dieses Wechsels Lust und Leiden?
Wisse! Dieses Lächeln, dieser Blick,
Schau'n in die Vergangenheit zurück;
Sie suchen fernes, längstverlornes Glück!
Sie sind ein Nachhall von verklung'nen Tagen,
Die einst auf Rosenbeeten schlummernd lagen,
Sind Totenfackelschein verlorner Freuden,
Leidtragende, die sich in Trauer kleiden,
Nachdem ihr Bestes, Liebstes sie begraben,
Tief in der Erde Schoß versenkt es haben;
Sie sind Tautränen düst'rer Nacht,
Die farbenlos und trauernd warten,
Bis in des ew'gen Lebens Garten
Die Morgensonne neu erwacht.
Was frommt der glüh'nde Blick voll Lust?
Kalt und erstorben ist die Brust!
Was frommt das Lächeln auf dem Purpurmund?
Es ist ein Sonnenstrahl auf ödem Grund!
Von Außen glänzt die Freud',
Im Innern wühlt der Schmerz;
Die Wange flammt! doch blutet, ach! das Herz,
Das einst geschwelgt in Seligkeit,
Ach! der Verzweiflung nun geweiht!

O Mädchen! weine, ring' die Hände!
Erhebe Klag' und Wehgeschrei!
Nur dies wehmüt'ge Lächeln ende!
Es fordert auf zur Raserei.
Dies Lächeln, schuldlos und voll Seelenschmerz,
Und in dem Schmerz sich selber kaum bewußt,
Wird der Geist der Rache in des Schuld'gen Brust,
Und stoßt den Dolch in des Verbrechers Herz!

Frühlingsklage

Der Winter flieht;
Die Erde zieht
Ihr silbernes Geschmeid
Und ihr schneeweißes Kleid
Holdlächelnd aus.
Die Vögelein im neubelaubten Haus
Begrüßen fröhlich all
Den Mai mit ihrem Jubelschall.
Gefild und Wald entlang
Drängt sich hervor
Ein Blumenchor
Zum festlichen Empfang,
Und Alles lächelt hocherfreut
Der langersehnten Frühlingszeit.
Nur S i e, nur S i e allein
Bleibt stets noch ernst und kalt,
Indes ein holder Purpurschein
Den klaren Himmel malt,
Und, alle Wesen zu erfreu'n,
Der Liebe Hauch bezaubernd wallt.
Die Sonne glühendheiß
Zerschmolz ringsum das Eis;
Dies, dünkt mich, ist mit kalten Wogen,
In i h r e Brust nun eingezogen.
Nun glänzt ihr im Gesicht,
Wo Ros' und Lilie sich paart,
Mild und licht
Die Frühlingslust.
Doch ach! Der Winter starrt
In ihrer Brust.

An mein Trinkglas
Bei einem Festgelage

Jetzt trink' ich noch
Aus dir voll Freude
Auf meiner Freunde Wohl und Lust,
Und rufe laut aus voller Brust:
"Sie leben hoch!" —
Doch ach, mein liebes Glas! wir Beide,
Jetzt liebevoll und wonnereich,
Sind an Gebrechlichkeit einander gleich;
Wir trinken jetzt im lauten Zimmer
Auf edler Freunde Lust und Glück;
Und doch — vielleicht im nächsten Augenblick —
Wer von uns Beiden fällt zuerst in Trümmer?

Der Schmetterling

Bleib, Schmetterling! entflieh mir nicht
Mit deinem bunten Farbenlicht!
Wenn ich dich sehe, so erwacht
Die glückliche Vergangenheit,
Und in die frohe Seele lacht
Die schöne holde Jugendzeit.
Mich und mein gutes Schwesterlein,
Wie konnt' es uns gar hoch erfreu'n,
In unsrer Kindheit Frühlingstagen
Dich, lieber Schmetterling, zu jagen.
Ich stürmte. über Tal und Hügel,
Um meinen Raub
Rasch zu ergreifen;
Sie bangte schon, den Farbenstaub
Vom bunten Flügel
Abzustreifen!

Rose und Rosmarin

            An Melanie

Wenn der Liebe Knospe blüht,
Gegenliebe noch nicht glüht,
Hält in ihrem düstern Schoße
Furcht der Bangen
Glut umfangen,
Wie der Rosmarin die Rose.
     Als Furcht und Liebe nimm sie hin
     Die Rose und den Rosmarin!

Ist, von Hoffnung angefacht,
Freud'ger Liebe Mut erwacht,
Wird in ihres Glückes Schoße
Sehnsucht – Leben
Sie umweben
Wie der Rosmarin die Rose.
     Als Lieb' und Sehnsucht nimm sie hin
     Die Rose und den Rosmarin!

Trübt ein feindliches Geschick,
Liebe, dir dein stilles Glück,
Lächelst doch im dunkeln Schoße,
Selbst im Schauer
Deiner Trauer,
Wie im Rosmarin die Rose.
     Als Lieb' und Trauer nimm sie hin
     Die Rose und den Rosmarin!

Trennen mit feindsel'ger Hand
Macht und List das schöne Band,
Dann versinken in dem Schoße
Wilder Schmerzen
Edle Herzen,
Wie im Rosmarin die Rose.
     Als Schmerz und Liebe nimm sie hin
     Die Rose und den Rosmarin!

Drückend ist des Lebens Nacht,
Wo die Sorg' in Tränen wacht;
Liebe läßt vom dunkeln Schoße
Ihr Entzücken
Glühend blicken,
Wie der Rosmarin die Rose.
     Als Lieb' und Leben nimm sie hin
     Die Rose und den Rosmarin!

Sinkt der Leib in's kühle Grab,
Liebe sinket nicht hinab;
Sie glüht aus dem Grabesschoße,
Lichtauflebend
Sich erhebend
Wie vom Rosmarin die Rose.
     Zum ew'gen Leben nimm sie hin
     Die Rose und den Rosmarin!

Als Sidonia einen Liebesbrief verbrannte

Sie gönnte keinem fremden Blick
Das Ihr allein beschiedne Glück,
Auf diesen Zeilen
Schauend zu verweilen.
Vor ihr spielt der Lampe Schein;
Sie hält den Brief hinein.
Die Flamm' ergreift ihn schnell;
Die Flamme lodert hell.
Sie sieht es, und ihr Herz
Erbebt vor Lust und Schmerz.
Der Brief wird, ach! des Feuers Raub;
Das Blatt, noch kaum so glühend hell,
Erlischt, und wird ein dunkler Staub.
Nacht folgt dem kurzen Flammenlichte;
Seht hier der Liebe Lust- und Wehgeschichte!

Blutverwandtschaft durch eine Fliege

                  An Nina

Die arme Fliege soll ich töten,
Mit ihrem Blut die Klappe röten
Weil sie Dich in den Finger stach?
Ach! was die kleine Schwärmerin verbrach,
Darf ich nicht strafen, muß vielmehr es lohnen.
Was zu erringen mir seit einem Jahr
Trotz allem Streben nicht gelungen war:
Vereinigung mit Dir, —
Verschafft die holde Fliege mir.
Sie zog ein Tröpfchen Götterblut
Aus Deiner Adern Rosenflut
Dann eilte sie von Dir,
Und sog auch Blut von mir
Aus kaum gefühlter Wunde.
So fließt nun unser Beiden Blut
In ihren Adern;
Wir sind durch sie vereint zum Freundschaftsbunde.
Soll ich nun mit der kleinen Schelmin hadern? —
Wollt' ich ihr Blut vergießen,
So müßte u n s e r Blut auch fließen,
Und also kann ich sie nicht hassen;
Ein schöner Irrtum war's: sie fand
Die Lilie selbst sei Deine Lilienhand,
Freiwillig flog sie dann von Dir
Und gab, des Ichors hocherfreut,
Von ihrem süßen Raube mir.
Drum muß ich ihr aus Dankbarkeit
Das Leben lassen.
Trennt uns die weite Welt als Feind
Die kleine Fliege hat uns doch vereint!

Der taube Ehemann

Vergebens brummt der großen Glocke Schall,
Vergebens brüllt des Donners Hall,
Vergebens dröhnt Kanonenschall; —
Ich sitze da mit ruhigem Gesicht
Und höre das Getöse nicht,
Nichts in dem weiten Erdenraum;
Selbst meines Weibchens Stimme
In ihrem höchsten Grimme
Vernehm ich kaum.