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Lyrisches 2
 

Der Liebe Herzensfülle
Was sich nicht erkaufen läßt
Wieder, und nimmer
Abschied vom Freunde
Das letzte Lied am Grab der Geliebten
Hymne an das Licht
Des toten Kindes Wiederkehr
Endlich
Als Lina sang
 
Zauber der Liebe
Gold und Eisen
Der ritterliche Minnesänger
Theon und Ida
 

Der Liebe Herzensfülle
An die Jugendfreundin

Schöne Gewalt, die verborgen ruht in der Tiefe des Herzens
Wie des Rubins ungesehene Glut im Dunkel des Bergschachts,
    Wie der Morgenstern, wenn Gewölk im Osten
       Des Tages Pforte schließt;

Schöne Gewalt, die hervordringt aus der Fülle des Herzens,
Wie aus der Knospe gewölbeten Brust die glühende Blume:
    Laß die längst verglommene Morgenröte
       Noch einmal leuchten mir!

Fremdlingin bist du mir nun, und doch so heimisch bequemend
Und so herrisch verlangend. Ich fühl' es, du wohnst in mir noch,
    Aber feindlich hält dich ein düstres Schicksal
       In schwerer Fesseln Last.

Spring' und rausche hervor, der Jugend spiegelnde Quelle!
Sprudle blinkend hervor durch der Gegenwart starrende Felswand!
    Baum des Lebens, säusle, wie einst, hellgrünend
       In Bläue des Äthers hin!

Du, an deren Hand ich in glücklichen Tagen der Jugend
Stille Maien durchflog, Du gutes Mädchen voll Seele!
    Da, in Liebe dämmernd, Gesang und Freude
       Mein Leben flügelten;

Sei mir, o Mädchen, dreimal gegrüßt, da drückender Ernst nun
Feindlich und kalt mein Herz umfaßt! O sei mir willkommen!
    Deinen Freund, Du Engel des Lichts, o schütz' ihn
       Vor Trotz und Menschenhaß!

Wie ein scheuer, bleicher Verbannter kehrt der Getäuschte
Bebend noch mal zurück in die milden Tage der Liebe;
    Fremd den Fremden, sucht er nach alten Freunden,
       Und sieht — den Leichenstein!

Da bricht blutend auf die leichtvernarbte Wunde;
Mit hochmütigem Hohn sieht sie der gefühllose Neuling —
    Und mir sinkt die Träne auf bleiche Blumen
       Verdorrter Lebenslust!

Mädchen! was soll der Verstoßene? Frohsinn, hofft' er, und Freundschaft
Würden, von Sehnsucht entflammt, voll Lieb' entgegen ihm schweben
    Mit beschwingter Eile — und sieh! ihm starren
       Nur Stolz und Eigennutz!

O so laß mich denn, Du gutes Mädchen voll Seele,
Laß mich versenken das Herz in jene beglückteren Tage,
    Wie in nachtdurchheulendem Sturm ein Schiffer
       Sein Leben Göttern weiht!



Was sich nicht erkaufen läßt

Wandrer

Bist Du nicht müde, armer Mann?
Der Schweiß Dir auf der Stirne steht!
Dein Tagwerk mit dem Tag begann,
Und endet nicht, da er vergeht.

Ackersmann

"Nie klag' ich über Müh und Not
Hab' ja gelesen Schwarz auf Weiß:
Der Mensch verdiene sich sein Brot
Durch Mühe nur und sauern Schweiß.

Mich weckt früh der Lerche Lied,
Die froh den grauen Morgen grüßt,
Und wenn ein Unmut in mir glüht,
So bet' ich und er wird versüßt."

Wandrer

O Schwelger, sei den Lüften hold!
Genieße, schwärm' in Freud' und Pracht!
Du kaufst doch nicht mit allem Gold
Des Pflügers Ruhe einer Nacht!

Wieder, und nimmer

Die Blume blüht, frisch grünt die Au
Und rings umher, all überall
Ertönt der Vögel muntrer Schall.
Die Lüfte wehen sanft und lau,
Und freundlich glänzt das Ätherblau.
      Bald aber muß der Zauber flieh'n;
      Nordwinde werden brausend ziehn,
      Und Frost und Schneelast starr und bleich
      Zerstört das holde Feenreich.

So schwelgt das Herz in Seligkeit,
Wenn uns die Göttin Jugend glänzt,
Wenn uns die Liebe blühend kränzt;
Wir sind der Lebenslust geweiht,
Und süß ist selbst der Liebe Leid.
      Doch wenn die Rosenmonde flieh'n,
      Die Jahre tief're Furchen zieh'n,
      Der Gegenliebe Echo schweigt,
      Sich uns der Lebenswinter zeigt.

Die Zeit macht wieder grün die Au,
Läßt Blumen blüh'n, all überall
Ertönt der muntern Vögel Schall;
Die Zeit bringt Lüfte mild und lau
Gibt neuen Glanz dem Ätherblau.
      Doch Lieb', ist sie, den Schwalben gleich,
      Einmal entfloh'n dem Zauberreich,
      Kehrt nie ins öde Herz zurück,
      Kein Gott zwingt ihr verlornes Glück.

Abschied vom Freunde

So sollen wir denn von Dir scheiden,
Du lieber, guter Mensch und Freund?
Schwer wird's uns werden, Dich zu meiden,
Dich, der so lang mit uns vereint,
Mit jedem Tag, mit jeder Stunde,
Uns lieber ward im Lebensbunde.
Nur Eines mildert unsern Schmerz:
Dein Scheiden auch ist Gottes Wille!
Er gibt für Herzen Dir Ein Herz,
Und führt Dich hin zu Deinem Ziele!
Drum wandle freudig Deine Bahn!
Was Gott tut, das ist wohlgetan.
So zieh in Gottes Namen hin!
     Redlichkeit und froher Sinn
     Werden freudig mit Dir zieh'n.

Du mußt, o Freund, von Vielen scheiden,
Die Dich geliebt mit ganzem Herzen;
Doch wirst Du finden neue Freuden
Für den Verlust und seine Schmerzen;
Der Mensch, das Kind der flücht'gen Zeit,
Ist ja dem Wechsel stets geweiht.
Doch mag auch noch so Vieles schwinden,
Eins wirst Du ewig standhaft finden:
Das treue Herz in reiner Brust
Bleibt stets des Guten höchste Lust!
Die Blume sinkt zur Erde nieder, —
Im nächsten Frühling kommt sie wieder.
Was fällt, wird schöner aufgebaut.
Und schaust Du nun auch andre Sterne,
Du bleibst uns nahe, wenn auch ferne.
Drum wandle freudig Deine Bahn,
Und grüß uns Deine holde Braut!
Was Gott tut, das ist wohlgetan.
Zieh denn in Gottes Namen hin!
      Redlichkeit und froher Sinn
      Mögen immer mit Dir ziehn!

Das letzte Lied am Grab der Geliebten

O läg ich doch, wo Anna liegt,
Im Schoß der Erde eingewiegt!
     Ich bin so lebensmüde;
     Komm süßer, stiller Friede!
Dankbare Liebe ruft mir zu, —
Mit ihr zu teilen Grab und Ruh!

O könnt' ich's doch! Seit sie entfloh,
Ward ich nie mehr des Lebens froh.
     Mit ihr, die ich erkoren,
     Ging Alles mir verloren.
Das Dasein und die Erde ist
Seit ihrem Scheiden öd' und wüst.

Wer aber wird, sink' ich hinab,
Besuchen dann der Holden Grab,
     Am Abend und am Morgen
     Die Liebespflicht besorgen,
Und, wo still ruhet ihr Gebein
Der Liebe treuer Gärtner sein?

Wer wird ihr dann mit frommer Hand
Hinpflanzen an des Hügels Rand
     Zum Bettchen kühl und enge
     Der Lieblingsblumen Menge,
Die Rose und das Veilchen bunt,
Zu schmücken den geweihten Grund?

Wer wird, von Lieb' erfüllt das Herz,
Mit immerzu erneutem Schmerz
     Vergießen bittre Tränen,
     Vergehn in bangem Sehnen,
Der Teuren Namen rufen laut,
Ihr huldigen wie einer Braut?

Ich tat's und würde fort und fort
Ihr huldigen mit Tat und Wort;
     Doch ach! mir sind entschwunden
     In kummervollen Stunden
Gesundheit, Kraft und Lebenslicht,
Und weh mir! weinen kann ich nicht!

So nimm denn hin dies letzte Lied,
Das Dir aus treuem Herzen glüht!
     Ist es, jetzt heiß gesungen,
     An Deinem Grab verklungen,
Dann wird kein Kranz es mehr umwinden,
Es wird Dein Schmuck, Dein Name schwinden.

Hinschwinden? Kann die Sternenpracht
Der Augen je vergeh'n in Nacht?
     Kann Deiner Stimme Leben
     Je spurlos mir entschweben?
Kann ich der Mienen Zauberspiel
Vergessen und Dein Huldgefühl?

Dein heitrer Geist, Dein warmes Herz,
Gleich liebenswert in Lust und Schmerz,
     Dein Ernst so wie Dein Kosen
     Gleich Zephirn mit den Rosen,
Dein himmelreiner heitrer Sinn,
Sie könnten schwinden je dahin?

Nur in der letzten Stunde Grau'n!
O Grab, das ich nicht mehr soll schau'n,
     O Name, den zu nennen
     Der Tod nicht mehr will gönnen,
Nehmt hin der Liebe letzten Zoll,
Den letzten Hauch zum Lebewohl!

Hymne an das Licht

Mit Schlummers Rosenwangen hold erwacht
Schwebst du vom dunkeln Schoß der Mutter Nacht,
So schön, daß ihr, du anmutsvolles Kind,
Dein erster Blick ein Lächeln abgewinnt.

Als Gott zum Schöpfungsall sein: "Werde!" sprach,
Wardst du im Flug der Kraft urplötzlich wach;
Aus goldner Sonnenveste, siegeshehr,
Flog deiner Pfeile glanzbeschwingtes Heer.

Heil dir, du Wunderquelle der Natur,
Du, Lust und Schmuck und Segen jeder Flur!
Heil dir, du schöne Braut der Frühlingswelt,
Und Heil dem Wärmestoff, dir anvermählt!

Dein grenzenloses Reich zu schmücken, lacht
Des Farbenspieles wechselreiche Pracht;
Von dir beschenkt mit seinem Feierkleid,
Prangt hoch des Regenbogens Herrlichkeit.

Gedankenschnell, durchfliegst du Zeit und Raum,
Vollendet schon, wenn du begonnen kaum;
Und flög' mit dir der Erd' ein Engel zu,
Das Ziel erreicht' er früher nicht als du.

In Mondeswogen ziehst du silberrein,
Sanft schlummernd durch den heilgen Sternenhain;
Dein eigner Schimmer webt dir deinen Flor,
Und Feuerblumen blüh'n um dich empor.

Wer ist nicht Zeuge deiner Herrlichkeit!
Dir danket selbst der Glühwurm sein Geschmeid,
Und deine sanftverklärende Gewalt
Bewahrt die Nacht vor Graun und Schreckgestalt.

Entflammt dein Blick die stille Himmelsbraut,
Die hoch errötend vor dir niederschaut,
Dann weichet schwerer Träume böse Schar
Von jeder Brust, die ihre Beute war.

Die gift'ge Schlang und jedes böse Tier
Flieht schuldbewußt ins düstre Waldrevier,
Und die Natur entfernt von deiner Bahn
Dir huldigend, was dich entweihen kann.

Der Gram, in Nachtgrau'n brütend, trostberaubt,
Erhebt bei deinem Nah'n sein bleiches Haupt,
Und winkt der Sorge selbst, sich zu erfreu'n
In deiner Strahlen sanften Widerschein.

In deinem Glanze fühlt die Furcht sich kühn,
Vor deinem Feuer schmilzt ihr Frost dahin;
Durch deinen Anblick schon erfüllt mit Mut,
Gewinnt ihr Körper Kraft, ihr Auge Glut.

Im Abglanz deiner Herrlichkeit erscheint
Zahlloser Wesen Harmonie vereint;
Was bös und neidisch uns entzog die Nacht,
Gibst du zurück in neuverjüngter Pracht.

Der Rose spendest du ihr rotes Kleid,
Woran beglückte Liebe sich erfreut;
Du webst den blendend weißen Schleier mild
Der Lilie jungfräulich holdem Bild.

Das Veilchen zart, des Frühlings Wiegenkind,
Hüllst du in Windeln himmelblau und lind;
Verschwenderisch von deiner Gunst bedacht,
Prangt stolz der Tulpe Glanz und Farbenpracht.

Aus deinen Flammen saugt der Edelstein
Des Strahlenspieles glüh'ndes Leben ein;
Mit Schmerz sieht Flora einen Blumenflor,
Noch dauernder und schöner als ihr Chor.

Doch schenkst du, Licht, zu viele Gunst dem Gold;
Sei dem verderblichen doch minder hold!
Der Armut wär' ein bess'res Los gewährt,
Verliehst nicht du dem Mammon solchen Wert.

Von Gottes Thron strömt deine Glorie, Licht!
Zur Erde, die der Strahl in Farben bricht;
Der Himmel ist dein ewig reicher Quell,
Durch ihn und dich, sei Erd' und Leben hell!

Des toten Kindes Wiederkehr

Lilienbleich und marmorkalt
Lag des holden Kindes Leiche
Auf der Bahr im Todesschlaf,
Eine Blume unter Blumen,
Lächelnd wie im süßen Traum.
Aber an dem kleinen Sarg,
Tiefen Schmerz in jeder Miene,
Tränenlos das starre Auge,
Saß die Mutter und der Vater;
Trösten wollten sie einander,
Aber trostlos waren Beide,
Marmorbilder der Verzweiflung;
Zwischen ihnen lag der kleine
Engel wie in Himmelsruhe.
Endlich floß vom Aug' der Mutter
Eine glühend heiße Träne,
Und sie sagte leise ächzend:
"Gott der Gnade! Einmal nur
Laß das holde Kind mich schauen,
Das ich unterm Herzen trug!
Einmal nur laß mich mein Kind,
Drücken an das Mutterherz!
Einmal nur, o Gott! laß mich,
Einmal nur den Mutternamen
Von des Kindes Lippen hören!" —

"Einmal nur," (so sprach der Vater)
"Laß, o Gott, aus ihren offnen
Augen einen Strahl mir leuchten,
Der mir durch die Erdennacht
Strahle dann als Himmelslicht!
Einmal nur, o Gott! dann sei
Meines Kindes Vater Du,
Bis Dein Himmel mit der Mutter
Und dem Kinde mich vereint!" —

Und die Bitte ward erhört.
Zarter Rosenschimmer floß
Um des Kindes blasse Wange,
Und die Augen fest geschlossen,
Öffneten sich und hervor
Drang ein schöner Himmelsstrahl.
Die Gestalt der kleinen Leiche
Hob sich neu belebt empor,
Und aus ihren Purpurlippen
Tönten sanft die Zauberworte:
         "Mutter! Vater!"

Mit dem Wahnsinn des Entzückens
Warf die Mutter und der Vater
Auf den Sarg sich und auf's Kind,
Und vier Arme schlangen sich
Um den Liebling festzuhalten
Ihn für alle Ewigkeit,
Und drei Herzen schlugen laut, —
Schlugen bald den letzten Schlag,
Denn zu übermäßig war
Des Entzückens Todessturm!
Und die Mutter und der Vater
Sanken still auf's stille Kind.
Und die letzte Träne floß,
Eine Träne ew'ger Freude,
Denn die Mutter und der Vater
Waren mit dem Kind vereint,
Wo kein Schmerz der Trennung weint.

Endlich

War der Tag auch noch so schön,
Endlich türmt sich's in den Höhn;
Blitze rasen, Eichen splittern,
Zinnen stürzen Berge zittern.
Lebenspilger sei nicht bange!
Währt die Nacht auch noch so lange, —
    Endlich geht die Sonne auf,
    Segen folget ihrem Lauf.
    Endlich naht die gute Stunde,
    Endlich heilt die Herzenswunde,
    Endlich bringt ein Augenblick
    Dir das langentbehrte Glück.

Winters Grimm tilgt von der Flur
Jede frohe Lebensspur;
Frost erstarrt des Armen Glieder,
Leblos sinkt der Vogel nieder.
Lebenspilger sei nicht bange!
Starrt der Winter noch so lange, —
    Endlich muß der Frühling blühn,
    Und Du wirst vor Freude glühn.
    Trotz weicht endlich sanften Weisen,
    Endlich schmilzt das harte Eisen,
    Endlich fällt zu Staub das Bein,
    Und der Tropfe höhlt den Stein.

Lange hielt die Krankheit dich
Auf dem Lager bleich und siech;
Schwacher ward die Hoffnung immer,
Matter jeder Lebensschimmer.
Doch, mein Pilger, sei nicht bange!
Währt ein Leiden noch so lange, —
    Endlich, glänzt, oft nah dem Tod,
    Der Genesung Morgenrot.
    Endlich winkt die goldne Ähre,
    Wo sich würgten Feindesheere,
    Endlich ruht die wilde See,
    Endlich blüht die Aloe.

Rasch entzündet, kühn und mild,
Phantasie ein Kunstgebild,
Doch darstellend es vollenden
Kann nur Fleiß mit schwielen Händen.
Darum, Pilger, sei nicht bange!
Was soll währen, reifet lange.
    Endlich prangt das Werk, geweiht
    Staunender Unsterblichkeit;
    Endlich glühn von Sonnenscheine
    In den Klüften Edelsteine,
    Endlich stirbt der Flammen Wut,
    Endlich trocknet Tränenflut.

Geht der Krug auch noch so oft
Zu dem Brunnen, — unverhofft
Fällt er endlich doch in Trümmer;
Endlich kommt oft spät, doch immer!
Drum, Freund Pilger, sei nicht bange!
Nichts währt ja hienieden lange.
    Kieselherzen werden weich,
    Bettler werden endlich reich,
    Und nichts ist so fein gesponnen,
    Endlich kommt es an die Sonnen.
    Endlich stürzen Fels und Stadt,
    Und aus Wüsten keimt die Saat.

Der verschmähten Liebe Schmerz
Foltert oft das arme Herz;
Lange schmachtet es vergebens
Nach der Krone seines Lebens.
Armer Pilger, sei nicht bange!
Währt dein Schmerz auch noch so lange, —
    Endlich endet Qual und Pein,
    Endlich wird die Holde dein!
    Endlich wird sich an den Zweigen
    Reifer Früchte Glut dir zeigen;
    Endlich wird zum Fluß der Bach
    Und der Siebenschläfer wach.

Noch vereint das schöne Band
Treuer Liebe Herz und Hand,
Und in ihre reichsten Freuden
Will das Glück Dein Leben kleiden.
Wie ist dir so wohl, so bange!
Wird es währen? ach! wie lange?
    Endlich bleicht der Schönheit Licht,
    Und des Sängers Auge bricht.
    Endlich naht dem Lebensbunde
    Bang die düstre Trennungsstunde;
    Endlich flieht die Grabesnacht,
    Und der ew'ge Tag erwacht!

Wohnt Begeistrung in der Brust,
Glüht das Herz in Himmelslust,
Und aus ew'ger Jugendquelle
Strömt der Freude Silberwelle.
Dennoch, Pilger, bist du bange
In des Lebens reichstem Drange?
    Endlich stirbt der Freude Glanz
    Welkt der Locken Rosenkranz;
    Endlich schweigt des Sängers Mund,
    Öffnet sich des Grabes Schlund;
    Endlich, endlich, — gute Nacht,
    Bis der ew'ge Tag erwacht!

Als Lina sang

Sahst Du den Mond in blassem Trauerschleier
Am düstern Himmel weinend stehn,
Um ihn des Wetzerleuchtens flücht'ges Feuer
Als Spiel der Blitze scherzend wehn?

Sahst Du den Bach sanft klagend in dem Dunkel
Der dicht verwachsen Büsche ziehn,
Und darüber hin mit flüchtigem Gefunkel
Das Spiel der Sonnenstrahlen glühn?

Sahst Du die Blum' ihr Haupt zur Erde neigen,
Hinschmachtend in der Mittagsglut,
Indes ein West, sein loses Spiel zu zeigen,
Den Stengel wiegt mit leichtem Mut?

So wollte Schmerz und Scherz sich hier vermählen
Zu einem wunderbaren Bund,
Und mußte sich dazu ein Herz erwählen,
Das klagt durch einen holden Mund.

Der Schmerz ergreift so gerne unser Leben,
Und wir sind doch so hold der Lust.
Dem Herzen bangt, wenn es sich soll ergeben,
Und Klag' und Jubel drängt die Brust.

Nur Einer Zauberin kann es gelingen,
Daß sie den Zwist durch Huld vereint:
Der Liebe! Sie kann in die Tiefe dringen,
Wie Licht selbst in die Gräber scheint.

O sei Dein Leben, Lina, hell gelichtet,
Eh Dich der Schwermut Glühen brennt!
Am wunderbarsten wird ihr Zwist geschlichtet,
Wenn ihn die Unschuld gar nicht kennt;

Wenn sie im Weinen lächelt, lächelnd weinet,
Und weil ihr fehlt der Worte Spiel,
Was dann der Kunst selbst unaussprechlich scheinet,
Im Ton ausatmet ihr Gefühl.

Zauber der Liebe

Er, dem erlosch der Liebe Schein,
Hört auf sein eigner Freund zu sein.
Er haßt die Freude, liebt den Schmerz,
Und nährt mit Qual das kranke Herz.

Ich saß im stillen Lindengang,
Das Herz so schwer, die Brust so bang;
Weil mir die Vielgeliebte fehlt,
Schien liebeleer mir alle Welt.

Und allen Blumen rief ich zu:
"Gebt Totenkranz! gebt Grabesruh!
Aus meiner Asche blühe Ihr
Ein Freudenkranz, Vergessen mir!"

Und zu mir tröstend schaut empor
Der Blumen freundlich bunter Chor.
Sie nicken, blicken, duften, glühn,
Als wollte jede für mich blühn.

Und eine Geisterstimme scholl
Mir in das wunde Herz so wohl:
"Du suchest Sie? Sie ist bei Dir,
All die Natur ein Bild von Ihr!

Wo Flöten schmachten, hold und weich,
Tönt Ihre Stimme Dir zugleich.
Das Frühlingslüftchen ist Ihr Hauch,
Der Rose Antlitz Ihres auch.

Die Abendglut im klaren Quell
Zeigt Ihre Lieb', Ihr Wesen hell.
Wo Gutes lebt und Schönes webt,
Da siehst Du, wie Sie webt und lebt.

Und aller Reiz der Blumenflur
Ist Ihrer Reize Abbild nur.
In Bildern schwelge Dein Gefühl,
Den Schmerz verhauch im Saitenspiel!" —

Und von den schönsten Blumen wand
Ich einen schönen Kranz und band
Der Lieb' und Wehmut holde Zier
Um Saitenspiel und Stirne mir.

Und alle Blumen im Gefild
Sie drängten sich, sie horchten mild;
Sie nickten, blickten, froh und bang,
Indem ertönte mein Gesang:

Einst ging eine schöne Sonne
Mir am Morgenhimmel auf;
Mit des Hirsches Flug und Wonne
Schwärmt durch Grün und Blau mein Lauf.

Rose meiner Jugend! blühe,
Blühe mir nur einmal noch!
Sei es, daß der Frühling fliehe,
Glühst du mir nur einmal noch!

Erste Liebe! laß mich fühlen
Deine Glut noch einmal nur!
Einmal nur noch laß mich spielen
Engeln gleich auf Edens Flur!

Phantasie, web' deine Träume
Einmal nur noch um mein Herz!
Einmal nur noch, Blumen, Bäume,
Seid mir Freund' in Lust und Schmerz!

Aber ach! — vergebnes Streben!
Neu kann wohl die Blume blühn,
Des erloschnen Sternes Leben
Sah kein Auge wieder glühn.

Augenstern! es wird dein Schimmer,
Einmal Nacht, nie wieder Licht!
So, einmal dahin, glänzt nimmer,
Liebesstern, dein Himmelslicht!

Und so soll ich Sie nicht lieben,
Sie mit Ihrer Zaubermacht?
Ruhelos umhergetrieben
Ächzen durch die Trauernacht?

Seinen Schmerz selbst liebt der Kranke,
Wenn ihm neu der Morgen lacht
Und mit ihm auch der Gedanke,
Daß er lebe, neu erwacht.

So auch gleichest du, o Liebe,
Einer Wolke klein und grau;
Einsam schwebt sie hin, die trübe,
Durch das stolze Ätherblau:

Aber von den Morgengluten
Trifft ein Strahl die Trauernde,
Und — sie glüht, und aus ihr fluten
Purpurblick' auf Tal und Höh!

So, mein dunkles Herz, durchdrungen
Von der Liebe reinstem Strahl,
Sei dein Glück von dir errungen
In dem weiten Schöpfungs - All!

Dein sei alles Gute, Schöne,
Dein, was Gott und Ihr gefällt!
Daß Sie deine Liebe kröne,
Malt und hallt Ihr Bild die Welt.

Wie die Blumen dir auf Erden,
Wie die Stern' am Himmel blühn,
Dir durch Liebe eigen werden
Und in deine Seele glühn:

Füll' auch deiner Liebe Walten
Ihres Wesens Harmonie.
Und in aller Huldgestalten
Wechsel finde stets — nur Sie!

Gold und Eisen

                      Gold

Fluch dir, böses Kind der düstern Nacht,
Das in Flammen lusterglühend lacht,
Das in der Verzweiflung Hand
Trennt des Lebens heil'ges Band,
Von der Rachsucht Arm geschwungen,
Bruderherzen hat durchdrungen;
Fluch' dir, düstres Kind der Nacht
Das in Glut zur Lust erwacht!
   In freundlichem Schimmer
   Erglänze ich immer;
   Ich schmücke die strahlenden Gäste
   Bei heiliger Feier, beim jubelnden Feste,
          Und sterbe nimmer!

                      Eisen

Fluch dir, bösen Hochmuts Herr und Knecht,
Augengift lustgierigem Geschlecht!
Schuldlos waffnet' ich den Pflug,
Daß die Erde Nahrung trug,
Bis, von deinem Glanz geblendet
Habsucht mich zum Mord gesendet.
Fluch dir, Hochmuts falsches Kind,
Hell und weich, wie Nattern sind!
   Den trügenden Schimmer,
   Ich suche ihn nimmer;
   Ich wohne bei einfacher Sitte
   Im friedlichem Raume der ländlichen Hütte,
   Und nütze immer.

                      Gold

Mich zu erhaschen, drängst du dich hinab
In der Tiefe dunkles Felsengrab,
Zwingest meinen milden Schein,
Daß er diene dir allein,
Waffnest tausend freche Hände,
Daß mein Glanz dich selbst verblende;
Mich zu fesseln stürzt hinab
Machtbegier ins Felsengrab. —
   Mit freudigem Schimmer
   Erglänze ich nimmer,
   Wo Frevel mich anhaucht. Im Dunkel
   Des nächtlichen Gräuels entglüht mein Gefunkel
   Zu Höllenflimmer.

                     Eisen

Mich hat strafende Gerechtigkeit
Furchtbar sich zur Rächerin geweiht.
Schließ' ich, treu des Hauses Raum,
Wiegt den Sichern sanfter Traum.
Zu mir muß die Kunst sich wenden,
Will sie groß ihr Werk vollenden,
Denn mir weicht des Marmors Macht,
Wenn der Meißel Götter schafft.
   Im Schoße der Erde,
   Am häuslichen Herde,
   Erscheine ich hilfreich dem Fröner,
   Daß leichter die lastende Arbeit und schöner
   Das Elend werde.

                    Gold

Auf der Erde forsche weit und breit:
Gleichet etwas mir an Herrlichkeit?
Leuchtet Sonn' und Sternenkranz
Freudig nicht in meinem Glanz?
Schmück' ich nicht des Königs Krone
Herrschend mit ihm auf dem Throne?
Ja, es prangt in meiner Pracht
Erd' und Himmel, Tag und Nacht,
   Fern' bleib ich dem Elend,
   Die Freude mir wählend,
   Dem Glücke zum Liebling geboren.
   So hat mich das Schicksal nur Hohem erkoren,
   Mit Stolz beseelend.

                      Eisen

Ja, an Schmuck und Prunk und eitle Zier
Weich' ich, Bild lieblosen Stolzes, dir!
Aber teilest du die Lust
Der mit dir geschmückten Brust?
Will Magnet sich freundlich zeigen,
Muß ich liebend mich hinneigen.
Selbstsucht nur mag einsam sein,
Sich bewundert lieblos freu'n.
   Und wenn mich auch halten
   Feindliche Gewalten,
   Ich sprenge die Bande, muß fliehen
   Dahin, wo die Mächte der Liebe mich ziehen,
   In Liebe walten.

                   Gold

Rein geboren, echt und makellos,
Siehst du mich schon in der Erde Schoß,
Und mein angestammtes Licht
Es bedarf der Läut'rung nicht.
Unvergänglich ist mein Reich,
Denn mir selber bleib' ich gleich;
Meines Glanzes ew'ge Pracht
Raubt mir keine Erdenmacht.
   Dich aber bedecken
   Entstellend die kecken,
   Die nagenden Nässen der Klüfte,
   Brandmalen die feindlich anhauchenden Lüfte
   Mit Rostes Flecken.

                    Eisen

In der Felsenwiege dunklem Schacht
Bin ich unrein schlackenvoll erwacht.
Schwarz entstiegen schwarzer Gruft,
Seh'n mich schaudernd Tag und Luft;
Doch die Esse, flammend sprühend,
Läutert meinen Schmelz erglühend,
Und des Hammers schwerer Fall
Adelt mich zum hellen Stahl.
   So muß sich das Eisen
   Selbstbildend erweisen;
   Gehärtet vom eigenen Schlage,
   Erhebt sich, helleuchtend im leuchtenden Tage,
           Zum Stahl das Eisen.

                  Gold

An Gehalt und innerem Gewicht
Weich' ich jedem andern Körper nicht,
Aber die gediegene Last
Wird nur schwer, nicht rauh gefaßt.
Furchtbar will mit wildem Eisen
Wilde Kraft ihr Recht beweisen,
Doch vom angebornen Thron,
Spendet Macht den milden Lohn.
   Dem Eisen muß Eisen
   Sich gräßlich erweisen;
   Es will sich das Rohe nicht fügen,
   Doch weich ist das Schöne, mag freundlich sich schmiegen
   In sanften Weisen.

                     Eisen

Blick umher, wie rings das Eisen blitzt!
All' willkommen, denn es nützt und schützt;
Hier der Pflug und dort das Schwert,
Beide sind sie hoch geehrt.
Ich erschuf des Meißels Werke,
Des Palastes Riesenstärke;
Fried' und Krieg, Gewerb und Kunst
Fleh'n mich an um meine Gunst.
   Nicht eitel zu schmücken,
   Durch Schein zu entzücken,
   Vergeud' ich mein Wirken hienieden;
   Die ehrliche Armut, den fleißigen Frieden
   Helf' ich beglücken.

                         Gold

Kron und Zepter strahlt in meinem Schein,
Des Altares Zierde darf ich sein;
Ew'ge Liebe tu' ich kund;
Mich erwählt der treue Bund,
Ihn mit lichtem Ring zu schmücken,
Frei sich zeigend allen Blicken;
Golden glänzt beim Hochzeitsmahl
Wein und Becher, Gast und Saal.
   Mein strebendes Wesen,
   Kaum sichtbar gewesen,
   Es dehnt sich vom Körnchen zur weiten
   Umfassenden Fläche, muß kühn sich verbreiten,
   Zum Sieg erlesen.

                       Eisen

Flach auf Flächen breitet sich dein Licht,
In die Tiefe aber dringt es nicht.
Schattenbleichem Siechtum schafft
Meine Stärke neue Kraft;
In den Menschen darf ich dringen,
Darf dem Leib Genesung bringen,
Purpurglut dem frischen Blut
Und der Seele Lebensmut.
   Von nächtlichem Bette
   Aus felsiger Kette
   Befrei' ich dich, Gold, und mein Spaten
   Baut Jedem noch, den sie zur Erde bestatten
   Die Schlummerstätte.

Der ritterliche Minnesänger

Im Arm ruht mir die goldne Laute,
Zur Seite mir das Eisenschwert,
Und Beide grüß' ich als Vertraute,
Und Beide sind mir lieb und wert.
     Kämpft nicht länger, Gold und Eisen,
     Rang und Würde zu beweisen!
     Wenn feindlich in dem Leben,
     Kräfte sich zum Streit erheben;
     So vereint der Sänger sie,
     Liebend in der Menschenbrust,
     Zu Harmonie
     Und Himmelslust.
         Gesang tönt aus der Seele Tiefen,
         Gesang ist Blütengeist des Lebens,
         Und nimmer tönt er vergebens.

Milde Kräfte, die noch schliefen,
Er ruft sie an's Tageslicht;
Wilde Kräfte kühnen Strebens
Ordnen sich und hadern nicht,
Wo die Macht des Liedes spricht;
Die Natur gehorchet ihr.
    So folgt denn, Gold und Eisen mir;
    Und höret an, wie euch beschieden
    Vereinte Kraft hienieden.

Gold schmücke, Eisen schütze
Die Schönheit und den Fürstenthron;
Das hellgeschliffne Schwert
Sei nur in edler Hand geehrt,
Das sonnenlichte Gold
Dem Wert nur und der Wahrheit hold!
Dem Frevel biete Eisen Hohn,
Gold nur dem Rechte strengen Lohn!
Der Mühe, dem Bedürfnis sei,
Du hartes Eisen, immer treu!
Gold gewähre freier Kunst,
Ungesucht die freie Gunst.
     Wie Mann und Weib gesellt euch Beide,
     Wie Macht und Glanz, wie Ernst und Spiel.
     Wie Streng' und Milde, Schmerz und Freude,
     Und erzeugt das Hochgefühl:
Daß der Sieg das Streben krönt,
Lust des Lebens Last verschönt.

Theon und Ida
Wechselgesang der Liebe

             Theon

Du mein Alles, Du mein Leben!
Ewig bleib' ich Dir ergeben.
Heiß wie meines Herzens Blut
Lodre meiner Liebe Glut!

                   Ida

Du mein Freund, o Du mein Leben!
Wer kann Glück wie Du mir geben?
Nur mit meines Herzens Blut
Ende meiner Liebe Glut!

                Theon

Läg' ich krank, aus Deinen Augen
Würd' ich mir Genesung saugen;
Drückte Kummer mich und Schmerz,
Himmel wäre mir Dein Herz.

               Ida

Ohne Dich fänd' ich hienieden
Keine Freude, keinen Frieden.
Auserwählter! nur in Dir
Lächelt Tod und Leben mir.

               Theon

Dich zu lieben, zu besitzen,
Dich zu fesseln, zu beschützen
Biet' ich meine Kräfte auf;
Dein Glück sei mein Heldenlauf.

                  Ida

Dir folg' ich auf weiter Erde,
Mit dir trag' ich gern Beschwerde
All mein Glück bau' ich auf Dich,
Denn Du bist die Welt für mich.

                 Theon

Wenn einst dieser Mund erbleichet,
Der Dir jetzt noch Küsse reichet,
Werd' ich Dir aus dieser Welt
Noch als Schutzgeist zugesellt.

                     Ida

Zwäng' das Schicksal mich zu leben,
Wenn sie schon Dein Grab erheben,
Lebt' ich doch mir selbst nicht mehr,
Von Dir träumend bang und schwer.

                   Beide

Gönn', o Himmel, stets uns Beiden
Gleiche Schmerzen, gleiche Freuden!
Ein Herz, Ein Ziel, Ein Glück, Ein Gott,
Wie im Leben so im Tod!