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Minnelieder 2
 

Nach einer Leichenbegleitung
Die schlummernde Entzweihte
Verlust
Die Ruinen
Wiedersehen
Im Parke
Beim Tanze
Der Zank mit der Rose
Winterabend
Entschuldidungsbriefchen
Weltansicht

 
Die Spinne
An ihre verklärten Geschwister
Die Rose
Ihres Vaters Tod
Der Trauernden

 

Nach einer Leichenbegleitung


Wenn sie mich einst, ach! bald, hinaus getragen,
Der Kranz im Grabe liegt, und d'rauf die Schollen,
Wenn alles aus ist, ohne Leid und Klagen
Die wen'gen Fremden lachend heim sich trollen;
Wird krampfhaft dann das treue Herz dir schlagen,
Und werden Tränen dir vom Auge rollen?
Wirst nächtlich du im Kämmerchen alleine
Noch schluchzend beten dann beim Lampenscheine?

Vielleicht wohl siehst an eines Andern Seite
Den kleinen Zug du still vorüber gehen,
Und wehrst die Träne ab, daß sie nicht gleite;
Er darf vielleicht den nassen Blick nicht sehen.
Vielleicht vergessen lang' in ferner Weite
Veratme ich mit deines Namens Wehen,
Und ach! — von Fremden wirst in späten Jahren
Du, seufzend kaum, des Sängers Tod erfahren.


Die schlummernde Entzweihte

Sie schläft; — der zarte Mund, die lieben, blassen,
Gegrübten Wangen lächeln süßen Frieden.
Nicht hätt' ich einst den frommen Scherz gemieden,
Erweckend sie, und küssend zu umfassen.

Doch ach! — seit ihre Huld mich strenge hat verlassen,
Blüht nimmermehr mir solches Glück hiernieden,
Mit ihr entzweit, und von mir selbst geschieden,
Bekämpfe ohne Sieg' ich Lieb' und Hassen.

Wohl leidet sie mit mir, die gute Seele! —
Und blickt, daß nicht zu grausam sie mich quäle,
Noch oft nach mir gar lieb und freundlich hold.

Und wenn auch flüchtig, — solcher Schmach zu dienen,
Den alten Stolz empört, — ach! Aug' und Mienen
Erbetteln doch den kleinen Gnadensold.


Verlust
Als ich sie nimmer zu sehen wähnte.

Nimmermehr dich sehen! — Nimmermehr! — —
Gott! — wie trag' ich den Gedanken? —
Erd' und Himmel dünken mich zu wanken,
Und in Chaos scheint die Welt zerronnen. —
Hat die Hölle noch in ihrer Qualen Heer
Eine nur, die grauser noch ersonnen;
So ist nicht Eden mit dem ew'gen Glück,
So ist sie der Schöpfung Meisterstück. —
Im Norden weit, am eis'gen Pol
Da ist ein Land, — nicht Land!
Nur eine Wüste grausenvoll,
Vermummt in ew'ges Grabgewand;
Da ist nicht Tag, — und auch nicht Nacht, —
Sonst schiene wohl der Sterne Pracht, —
Da brüten Finsternisse, schwarz und dicht,
Wie, eh' der Schöpfer sprach: Es werde Licht.
Da naht mit des Morgens heiligem Strahl,
Die kreisende Sonn' ein einzig Mal,
Und gießet ihr Purpurgefunkel
In's starrende Dunkel.
Dann sprühen Rubinen
Die lichten Kristallruinen
Wildzackiger Felsen von Eis.
Die hangenden Wolken erblühen
Zu schwimmenden Inseln, und glühen

Voll Rosen des Mai's.
Selbst tief in die gräuliche Eismeerwüste
Mit den ragenden Bogen
Aufsteigend erstarrter Wogen,
Und tief und durchleuchtend hinein
In der Eisberg' eherne Brüste
Dringt der rote, verklärende Schein.
Und es blühet und blitzt und schimmert zusammen
Ein Paradieseslenz voll Pracht,
Voll Strahlenblumen und Blütenflammen.
Ach! kurz, — dann von Neuem mit schauriger Macht
Verschlingt ihn die alte, unendliche Nacht.
Auch mir erlosch der heil'ge Strahl!
Ich fühl's; er leuchtet, nur ein einzig Mal.
Die alte Nacht liegt wieder rings umher
Gestaltenlos, — und ohne Schranken.
Gott! — Gott! wie trag' ich den Gedanken?
Nimmermehr sie sehen! — Nimmermehr!


Die Ruinen

Seht ihr dort oben am Hügel
Den alten, einsamen Turm,
Die Linde dabei und die Mauern,
Zerrüttelt von manchem Sturm?

Da bin ich umher geklettert
Durch Distel, Gesträuch und Schutt,
Da wurde mir trüb' zum Weinen,
Bin sonst ein fröhliches Blut.

Da stehen an Wänden Namen,
Gar viel', oft halb verbleicht,
Die Namen sind noch vereinigt,
Geschieden die Menschen vielleicht.

Da kritzelte auch mein Liebchen
Den ihrigen an die Wand;
Nun aber such' ich vergebens
Die Züge der lieben Hand.

Der Mörtel ist abgefallen,
Hinweg der Name, wie Sie.
Ach, meiner Seele Ruinen
Bewahren ihn treuer, als die! —


Wiedersehen

Vom Scheiden hab' ich manches Lied gesungen,
Auf Trauerklängen mich voll Wehmut wiegend;
Doch ist, der Worte Sprödigkeit besiegend,
Noch keines mir vom Wiederseh'n gelungen.

Wenn sie voll Jubel kommt einher gesprungen,
Die Wangen hoch entglüht, die Locken fliegend,
Und ach! dem wilden Wonnesturm erliegend,
Stumm weinend, hält den Weinenden umschlungen;

O wer vermag die Seligkeit zu nennen,
Zu der zwei treue Herzen dann entbrennen?
Nur Engellippen sängen solch Entzücken.

Dem Menschen ist nur Schmerz und Sehnsucht eigen,
Und wenn sich ihm die Himmel offen zeigen,
Darf er's verraten nur mit stummen Blicken.

 
Im Parke
Der Rosenhain bei Grätz.

Am Gitter-Tore.
beim Kommen.

Gärtner! tue mir auf, mich lockt dies dunkle Gehäge,
Einsam ist es und still', eben dem Liebenden recht.
Weder Zweig berühr' ich noch Knospe dir; von den Bäumen
Gönne den Schatten mir nur, und von den Blumen den Duft.

Schlangenwege.

Immer krümmt sich der Pfad, und geheim durch finstere Büsche
Schleicht er zum Rosenbett, das er zu fliehen gescheint.
Lächelnd erkenn' ich in ihm mein eig'nes ängstliches Zaudern,
Wenn ich, Liebliche, dir schüchtern zu nahen gestrebt.

Rosenhecke.

Ha! — es lodert der Busch, und purpurn flammt es im Grünen,
Offenbart sich daraus leuchtend ein Gott? — Ja, mich deucht
Jener der Liebe, vor Allem aus dir, du niedliches Knöspchen!
Wahrlich, so rundet und spitzt Liebchen zum Kusse den Mund.

Das Tischchen im Baume.

Einsam sitz' ich hier oben, im Maigezweige verborgen,
Und der Hänfling wohnt nachbarlich neben im Nest.
Beide singen wir Lieder, er freudige neben dem Weibchen,
Ich wehmütige nur, ferne von der, die mich liebt.

Der Altar der Wahrheit.

Deinen Altar ich find' ihn ohne Flammen, o Wahrheit!
Ohne Asche sogar, ach! — und die Stufen bemoost.
Doch wer sollte dir dienen, da Sie selbst deiner nicht achtet
Und die Locke mir nicht, wie sie beteuerte, schickt.

Blaue Glockenblumen.

Die ihr mich Ruhenden rings umblüht, azurne Glöckchen,
Wie geschieht es, das ihr stets an ihr Auge mich mahnt?—
Stolze Blumen, ihr glaubt an Farb' ihm zu gleichen? —
                                     Vielleicht, — ja
Aber könnt ihr so lieb schauen, so freundlich? O nein!

Erdbeerplatz im Walde.

Purpurne Beer'! — ach säße mir jetzt das Liebchen zur Seite,
Listig klemmt' ich am Stiel zwischen den Lippen dich fest,
Zwäng' im Scherze sie dann, dich zu nehmen mit rosigem Schnäblein,
So für die süße Frucht tauschte ich Süßeres ein.

Einsiedelei.

Gerne war ich allein als Knabe schon, und ich träumte
Einsam in Klausen und Wald, einsam auf Inseln mich gern'.
D'rum auch jetzt, erweiset sie gleich' sich immer mir freundlich,
Bin ich jedoch allein immer am liebsten — mit ihr.

Die Trauerweide.

Weide! — dacht' ich mir oft, — mit deinen hangenden Schleiern,
Neige dich liebend einst über mein einsames Grab.
Doch, Gott Lob! — umschlösse mich jetzt der Rasen, so beugte
Eine schön're Gestalt weinend sich über mich hin.

Die Birke.

Abgelegt hat die Birke mit meinem Namen die Rinde,
Und ein anderer füllt prangend den schneeigen Raum:
Doch sie streifet auch ihn bald ab, und jeden, wie meinen:
Mädchen, hüte dich wohl, daß du der Birke nicht gleichst.

Abendstern.

Tiefer dunkelt der Himmel, es steigt am östlichen Rande
Groß der Abendstern einsam und glänzend empor.
Mädchen! so stieg auch dir in's blaue Auge die Träne,
Als du zum ersten Mal lispelnd: "Ich liebe dich!"— sprachst.

Opfersäule.

Unter der Linde Dach wem erhebt sich die grauliche Säule?
Sieh! — gemeißelt am Rand les' ich: "Den Nymphen des Hain's."
Blumen brach ich bei euch, und flocht sie der Lieben zum Kranze,
Dankbar Eine davon leg' ich auf euern Altar.

Rückseite des Parkes.

Mählich verläuft der Park in Berg' und natürliche Waldung;
Bäume jedoch und Fels dünken noch immer mich Park.
Himmlisches Nachgefühl der ersten Liebe, — der schönsten,
Rosig umweb' auch du lange die Wirklichkeit mir.

Am Gittertore,
beim Fortgehen.

Gärtner, schließe mir auf! — es schweigt das Dunkel. —
                                       He, Gärtner!
Nur der fallende Bach rauschet vom Felse. — Wohlan!
Über Hecken bin ich ja oft und über Zäune gesprungen,
Hatte die Traute mich heimlich in's Gärtchen bestellt.

Beim Tanze

Lustig ertönen
Flöten und Geigen,
Schwebende Schönen
Kreisen im Reigen.

Lieblich von runden
Armen umwunden,
Flieg' ich im wirbelnden,
Sausenden Lauf
Lustig hinunter,
Lustig herauf.
Aber das sanfte,
Trauliche Schmiegen,
Aber das zärtliche
Schweben und Wiegen
Mit der Geliebten
Ist es doch nicht.

Blauliche Augen
Schalkhafter Laune,
Funkelnde Schwarze,
Sanfter Braune;
Leuchten mich an.
Aber sie trachten
Nicht nach den meinen,
Aber sie schmachten
Mir nicht entgegen,
Zärtlich verlegen,
Mild bis zum Weinen.

Lippen, der Rosen
Schön're Geschwister,
Tauschen mit holdem,
Leisem Geflüster
Heitere Reden,
Lächeln und grüßen;
Aber sie neigen
Nicht mit beredtem
Sehnendem Schweigen
Sich nach den meinen
Glühend in Küssen
Sich zu vereinen.

Lustig zum Reigen
Mögen ertönen
Flöten und Geigen,
Schwebende Schönen,
Laßt mich hinweg! —

Sei mir willkommen
Waldiges Dunkel,
Kühles Gehäg'!
Scherzende Vögel
Spielen Verstecken,
Rings die Gebüsche
Leise durchirrend,
Suchen und finden sich,
Jagen sich schwirrend
Rings durch die Hecken.
Und in dem Laube,
Und in den Blüten
Blättert der Wind,
Wie in dem Bilder-
Buche das Kind.

Ach! — und dort strahlen
Durch der Gezweige
Nicken und Schwanken
Blauliche Berge. —
Meine Gedanken
Wandern hinüber,
Sputen sich munter
Jenseits hinunter,
Schleichen durch's Tal,
Schlüpfen in's Haus,
Grüßen, — und wollen
Nimmer heraus. —

Der Zank mit der Rose

Ich sah die Flur, den Wald in grüner Hülle
Und obenhin den Himmel blau und frei,
Da floh ich rasch des wirren Volkes Fülle,
Heraus mich schleichend in den blum'gen Mai.
Und tief in Einsamkeit und süße Stille
Verbirgt mich nun des Parkes Siedelei,
Die selbst in Eichengrün und Rosenhecken
Das braune Dach sucht sorgsam zu verstecken.

Gedämpft durch dunkles Laub, ergießet innen
Sich grünlich bleich des Tages goldner Schein,
Und ladet sanft zu süßem Liebesinnen,
Wie Mondenlicht im stillen Zwielicht ein.
Gleich Silber hallt der fernen Quelle Rinnen,
Des Waldes Zweige schauern lieblich d'rein,
Und flötend singt und klingt's aus tausend Kehlen
Und lehrt mich hold die schönsten Weisen wählen.

Was schimmert dort im Lenzgesproß der Linde?
Ein Restchen Schnee, das zögernd noch nicht schmolz?
O nein! — Es girret, und mein Täubchen finde
Ich nachgeflogen hier im jungen Holz.
Seht! — flatternd prüft den Fittich schon im Winde
Der Liebe Botin, auf ihr Ämtchen stolz;
Sie äugelt her, und sperret voll Verlangen
Das Schnäblein auf, ein Briefchen zu empfangen.

Bald, bald! — Beginnend mal den lieben Namen
Auf's weiße Blatt ich schon mit gold'nem Stift;
Dann halt' ich ein, — wie ob des Arms Erlahmen, —
Und küsse froh betört die eig'ne Schrift.
Was füg' ich nun in bunter Reime Rahmen?
Ein schmeichelnd Lied von zarter Lilien-Trift
Des Busens, und von weichen Lippenrosen? —
Wie soll mit Worten ich die Ferne kosen?

Und wie ich lispelnd so von Rosen spreche,
Hebt Eine schon den schlanken Hals im Nu,
Und späht durch's Fenster auf des Tisches Fläche
Und neigt sich lauschend an's Gesims herzu.
Ei! teilst du auch der andern Mädchen Schwäche?
Pfui! — Schäme dich, rotbäckig Dirnlein du! —
Verstohlen so in fremde Briefe blicken,
Das will sich nicht für hübsche Leutchen schicken.

Schon wieder? — Neckisch Ding! von solcher Tücke
Laß baldig ab, und sei auf deiner Hut,
Daß ich nicht plötzlich dich und strafend pflücke.
Ertappt, ertappt! — Sie läßt es nicht. Schon gut!
Ob sie auch bergend nun sich duck' und bücke,
Verrät sie doch der Wangen hohe Glut.
O spare nur der Tränen schöne Wellen,
Es rührt mich nicht, wie sie auch schmachtend quellen.

Weh! — Arge! — Seht! sie sticht nach meinen Händen.
Und brennend quillt das Blut aus feinem Born;
Doch hoffe nicht dein strenges Los zu wenden,
Der scharfe Stahl verhöhnet solchen Zorn,
Und kann ich gleich das Briefchen nimmer enden
Mit wunder Hand, verletzt durch deinen Dorn:
So mögen schnell des Täubchens leichte Schwingen
Entschuldigend dich selbst der Lieben bringen.

Dann kerkert sie, die Freveltat zu büßen,
Dich in die Haft des engen Mieders ein;
Da stirbst du bald, doch wird dein Todesküssen
Wie Daunen weich, und weiß wie Schwäne sein.
Nun, Täubchen! eile flink mit tausend Grüßen
In's stille Tal noch vor dem Mondenschein,
Und schläft sie schon, so warte vor dem Fenster,
Und picke nicht; — sie glaubt ja an Gespenster.

Winterabend

Es ist so still und heimlich um mich,
Die Sonn' ist unter, der Tag entwich.
Wie schnell nun heran der Abend graut! —
Mir ist es recht, sonst ist mir's zu laut.
Jetzt aber ist's ruhig, es hämmert kein Schmied,
Kein Klempner, das Volk verlief, und ist müd,'
Und selbst, daß nicht raßle der Wagen Lauf,
Zog Decken der Schnee durch die Gassen auf.

Wie tut mir so wohl der selige Frieden!
Da sitz' ich im Dunkel, ganz abgeschieden,
So ganz für mich; — nur der Mondenschein
Kommt leise zu mir in's Gemach herein.
Brauche mich aber nicht zu genieren,
Nicht zu spielen, zu conversieren,
Oder mich sonst attent zu zeigen.

Er kennt mich schon, und läßt mich schweigen,
Nimmt nur seine Arbeit, die Spindel, das Gold,
Und spinnet stille, webt und lächelt hold,
Und hängt dann sein schimmerndes Schleiertuch
Ringsum an Gerät und Wänden aus.
Ist gar ein stiller, lieber Besuch,
Macht mir gar keine Unruh' im Haus'.
Will er bleiben, so hat er Ort,
Freut's ihn nimmer, so geht er fort.

Ich sitze dann stumm im Fenster gern',
Und schaue hinauf in Gewölk' und Stern.
Denke zurück, ach! weit, gar weit,
In eine schöne, verschwund'ne Zeit.
Denk' an Sie, an das Glück der Minne,
Seufze still', und sinne und sinne. —

Entschuldidungsbriefchen

Du zürnest wohl, daß ich die letzte Woche
Versäumt den Posttermin; doch, Liebchen, koche
Zu arge Rache nicht im kleinen Herzen,
Und geh', ich rate dir, zu hastig nicht,
Es möchte dich die Eile schmerzen,
Mit deinem Vielgetreuen in's Gericht.
Vernimm, eh' du mich legst in Acht und Bann,
Die Gründe der Versäumnis; dann erst, dann,
Wenn du's vermagst, — verdamme mich.

Ein Mädchen, blond mit blütenroten Wangen
Und sanftem Aug', das fast dem deinen glich,
Hielt liebend mich im Lilienarm umfangen.
Wir saßen süßvertraut im Mondenscheine
Gesehen nur vom stillen Liebessterne;
Sie nannte sich wohl tausend Mal die Meine
Und küßte mich, und ich, — ich litt es gerne.
Ich zog sie selbst an meine Brust, und herzte
Den kleinen Schelm, und küßte, lacht' und scherzte.
Wie konnt' ich da zur Trennung mich entschließen,
Des Briefs gedenken, den ich dir versprach?
Es konnte leicht das liebe Kind verdrießen,
Wenn sein Gekos' ich scheidend unterbrach.
D'rum wirst vergeben du, daß ich geblieben;
Und nicht, wie ich verheißen, dir geschrieben.

O ziehe nicht das glühende Gesichtchen
In finst're Falten! — Offenbar
Entschuldiget mich obiges Geschichtchen.
Sei freundlich, Liebchen! — Du wirst doch nicht gar
Den kleinen Fehler schon so strenge strafen;
Hab' ich doch sonst die Stunde nie versäumt.
Und wahrlich! — hätt' ich nicht von dir geträumt,
Ich hätte nicht gewagt, sie zu verschlafen.

Weltansicht

Bin ich mit dir, du Fraue mein, entzweiet,
Und deucht getrübt mir deines Bildes Reine;
Den Besten wähn', — ob ich darob auch weine, —
Ich dann von argen Mängeln nicht befreiet.

Doch schwebst du licht, von Zweifeln nicht entweihet,
Auf Fittichen vor mir im Heil'gen-Scheine,
Dann blüht um mich ein Paradies, ich meine
Im Lasterkreis von Engeln mich umreihet.

So, wenn Gewölk der Sonne Glanz verdunkelt,
Verwelkt auch des Rubines Feuerrose,
Und selbst des Diamanten Blitz verblühet;

Doch, wenn ihr heilig Licht entschleiert funkelt,
Dann strahlt es rings, und als Juwele sprühet
Und flammt der staubgetrübte Tau im Moose.

Die Spinne

Still durchblätterten wir, — ich meine mich und das Liebchen, —
Was an Liedern der Lieb' einsam und fern' ich ihr sang.
Wonnigen Ehrensold versprachen die freundlichen Augen,
Und der Lippen Rubin sollte der Zahler mir sein.
Schon umschling' ich den Leib, und halb herüber geneiget,
Beut sie verschämt den Mund, — wehe! da schreit sie und flieht.
Seltsam verblüfft entspring' auch ich dem fallenden Stuhle,
Und die hinkende Magd keichet in Ängsten herbei.
Da! — da! — ächzet sie blaß, und weis't an die Decke. —
                                          Mein Himmel!
Ein langbeiniger Punkt, hexenhaft, kreucht am Gesims.
Böse Spinne, weh' dir! — das Liebchen mir so zu erschrecken.
Schon mit dem Besen besteigt drohend die Alte den Stuhl.
Wie, von neuem Gekreisch? — Ach Gott, die täppische Alte
Stieß das garstige Tier nah' an dem Mädchen herab.
Zorn-entglüht das Gesicht, und Tränen der Angst in den Augen
Springt sie mir in den Arm, Hilfe sich suchend und Schutz,
Trippelt vor Furcht mit den Füßchen, und starret bleich auf den Ästrich
Während sie grausam, laut: "Töte sie, töte sie!" ruft.
Lächelt' ich gleich, so rührte mich doch die kindliche Unschuld,
Die oft mit der Gefahr spielt, und verzagt vor dem Nichts.
Küssen mußt' ich sie, traun, und in Ordnung schmeicheln die Locken,
Trat auf die Lieder sie gleich, die sie verworfen vor Angst.

An ihre verklärten Geschwister
über deren Tod sie sich sehr grämte.

Dort sitzt sie träumerisch im Sternenlichte
In Tränen einsam, mit erblich'nen Wangen,
Die Haare läßt sie los hernieder hangen,
Zu matt, daß sie die schon Verworr'nen schlichte.

Sie lächelt still', als ob sie im Gesichte
Die Lieben sah', die ihr voraus gegangen,
Und dieses Lächeln macht mich tief erbangen,
Daß jenen zu sie sternenaufwärts flüchte.

O winket, winket nicht, ihr Glanzgestalten!
Nicht könnte sie mein schwacher Arm erbalten,
Wollt' ihrer Sehnsucht Flug empor sie heben.

Um Gott! — winkt nichtI — Der Engel viel umschweben
Ihr Sel'gen, euch in heil'gen Palmenhainen,
O gönnt auf rauher Erde mir — den Einen.

Die Rose
zwischen den Winterfenstern.

        Traun, aus der Ferne weit
        Komm' ich bei schlimmer Zeit;
        Ach! und du fragst noch Lieb,
        Ob ich getreu dir blieb?

        Früh' in der Winternacht
        Hab' ich mich aufgemacht,
        Lustig einher und schnell
        Schritt' ich im Monde hell.

        Frostiger Nebelflug,
        Eisiger Windeszug
        Schnitt mir in's Angesicht;
        Aber ich achtet's nicht.

        Alpen hinan, hinan
        Wühlt' ich im Schnee mir Bahn!
        Schroffes Gebirg voll Eis
        Ist kein bequem Geleis'.

        Und auf der Höhe gar
        Fiel mir der Sturm in's Haar,
        Faßte mit Mörderlust
        Grimmig mich an der Brust.

        Wollte vom Fels hinab
        Stürzen mich in das Grab;
        Aber ich wehrte mich,
        Bis er mir schnaubend wich.

        Müde dann fiel ich hin,
        Dachte mir still im Sinn:
        Wenn's nicht zum Liebchen wär',
        Fänd' ich den Gang zu schwer.

        Lustig zum raschen Lauf
        Sprang ich dann wieder auf,
        Ach! — und du zweifelst doch,
        Ob ich getreu dir noch? —

Ich hielt sie fest und liebevoll umfangen,
Und sanften Vorwurf sprach mein trüber Blick.
Bald nimmt bewegt, mit reuevollem Bangen,
Sie küssend wohl das böse Wort zurück.
So hofft' ich zwar; doch mußt' ich bald ersehen,
Daß Mädchen nie ihr Unrecht eingestehen.

"Erhöhe stolz mit schlau erdachten Lügen, —"
Sprach lächelnd sie, — "des Weg's Beschwerde nicht.
Im Frühling' ist das Wandern ja Vergnügen,
Wie nun, da Rose schon die Knospe bricht."
D'rauf weiset mit dem Fingerchen, —vom Golde
Der Lieb' umglänzt, — an's Fenster mir die Holde.

Worauf erstaunt jetzt meine Blicke fallen,
Ist's Traumgesicht, ist's Feen - Zauberei?
Frisch leuchtend durch der Gläserwand Kristallen
Entzückt das Aug' ein üppig - grüner Mai,
Und aus dem Grün mit schamhaftwirrem Nicken
Seh' schüchtern ich der Rosen Schönste blicken.

        Ach! — wie sie glühet!
        Sanfter, doch rein und
        Frisch, wie der Morgen,
        Zart wie ein leichter,
        Lieblicher Traum. —
        Züchtig das grüne
        Busentuch ziehet
        Sie um die junge
        Heilige Brust.
        Ach! — wie sie himmlisch,
        Lächelt vor Milde!
        Recht wie ein Engel
        Unter den Blumen.

        Wär'st du im Lenze
        D'raußen erglommen
        Unter den warmen
        Buhlenden Lüften,
        Unter den losen
        Schmetterlings - Küssen,
        Jugend und Anmut,
        Schönheit und Unschuld
        Wären dir lange
        Flüchtig entschwunden.
        Aber so blühst du
        Einsam und stille
        Hier in dem engen
        Hause von Glas;
        Blühest noch viele,
        Heitere Tage,
        Blühest, und preisend
        Nennen dich alle:
        Jungfrau der Blumen.

Du fesselst mich mit deiner Arme Banden,
Und hebst gerührt den Blick, der Freude weint,
Hast, Liebchen, du des Sängers Wort verstanden? —
Wohl hat geheim es Beide euch gemeint,
Die Blumen hier, die man mag Jungfrau preisen,
Und dich, die Blume aus der Jungfrau'n Kreisen.

        Ja! dieser Blume
        Lasse mich gleichen, —
        Rief mit entflammten
        Auge das Liebchen, —
        Freundlich mit schönen,
        Lieblichen Bildern
        Hat sie des Sängers
        Busen erfüllt.
        Sturm und die öden
        Schneeigen Alpen,
        Und die erstorb'nen
        Eisigen Wüsten
        Hat er vergessen,
        Hold von der Einen
        Rose getäuscht.

        Ach! — so an diesem
        Glühenden Herzen
        Soll er vergessen
        Gänzlich die kalte
        Frostige Welt.
        Und durch der Liebe
        Funkelnde Sterne
        Werd' im das Leben
        Heiter zum ew'gen
        Frühling erhellt.

Ihres Vaters Tod
als sie nach langer Trennung den Sterbenden wieder sah.

Mit kaum verhalt'nem Weinen, leisem Grüßen
Kommt zögernd sie an's Krankenbett gegangen,
Des Vaters dürre Hand, die bleichen Wangen
Bedeckt sie mit der Ehrfurcht heil'gen Küssen.

Er staunt sie schweigend an mit matten Blicken,
Kann von der Teuern nimmer sie verwenden,
Ergreift die Langentbehrte bei den Händen,
Und läßt nicht ab, mit Inbrunst sie zu drücken.

D'rauf weint er laut in reichen Tränenfluten
Die Wonnen aus, die hoch die Brust ihm schwellen,
Und in der Freudentränen süßen Wellen
Erlöschen sanft des Auges letzte Gluten.

Nach ihr, nach ihr mit mild-verklärten Mienen
Sieht zärtlich man noch den Verblich'nen schauen,
Wie dankend, daß im letzten, bangen Grauen
So holder Todesengel ihm erschienen.

Der Trauernden

Wo seufzend dort die müde Trauerweide
Im Abendschein' ihr Goldgezweige wiegt,
Kniet weinend Sie auf stiller Friedhof-Heide,
Den Arm um ein gezimmert Kreuz geschmiegt,
Und hört nicht nah'n in ihrem tiefen Leide,
Dem sie sonst jubelvoll entgegen fliegt.
Du holdes Bild! verzeih', daß ich es wage,
Zu stören dich in deiner stummen Klage.

Den schlichten Kranz, den ich in schönen Stunden
Dir liebend flocht, bring' ich vollendet hier,
Und war er gleich der Freude nur gebunden,
O weise jetzt, auch jetzt ihn nicht von dir,
Und möge gleich, vom Trauerflor umwunden.
Dir ziemen nicht solch farbig heit're Zier,
Verschmähe nicht den Blütenkranz der Lieder,
Und lege still auf jenes Grab ihn nieder.