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Vermischte Gedichte 2
 

Der Rosmarin
Der Jungfrauen Gang zum Grabe
Des Sängers Braut
Vor meiner Wiege
Vor den Bildern meiner Großeltern
Der Lebenslauf des Flusses
Der Dichter und der Taucher
Veilchen auf das Grab
Die Köhlertochter
Der steirische Alpenjüngling
Totengräberlied
In Frau Louise W*s Stammbuch
Der Ertrunkene
Das Weinen

 

Der Rosmarin


Aus allen Blumen, allem Grün
Erwählt mein Lied — den Rosmarin.
Man sieht's dem schlichten Strauß nicht an,
Wie er ein Herz bewegen kann.

Die Jungfrau pflanzt ihn liebend ein,
Und trägt ihn an den Sonnenschein,
Und reicht ihm Früh'- und Abendtau,
Und blickt dabei in's ferne Blau.

Ach! ihrer Sehnsucht Seufzer geh'n
Durch sein Gesproß, wie Frühlingsweh'n:
Sie schaut nach ihm mit stiller Scheu,
Und pflegt und hegt ihn lieb und treu.

Der Zweig dafür will dankbar sein,
Und schlingt sich in die Locken ein,
Sie fühlt errötend nun den Kranz,
Und trägt ihn froh zum Hochzeittanz.

Doch lacht auch klar des Himmels Blau,
Zieht neben still das Wolkengrau;
Und blitzt ein Aug' im Freudenlicht,
Ist eines nah', das weinend bricht.

Was will der Jüngling blaß und stumm?
Er biegt die grünen Reiser krumm,
Sitzt stille, wo der Vollmond scheint,
Flicht eine Kron', und weint, und weint.

Dort d'rüben flimmert's hell, — und wacht
Dein Liebchen noch in später Nacht? —
Ach, nein! — sie schlummert tief, gar tief;
Doch süß, wie sie als Kind einst schlief.

Wie blüht der Stirne Lilienflur!
So lächeln kann ein Engel nur;
D'rum lege, der ihr Liebling war,
Den Kranz der Unschuld auf ihr Haar.

Nicht wahr, man sieht's dem Strauß nicht an,
Wie er ein Herz bewegen kann?
D'rum hab' ich auch vor allem Grün
Zum Lied erwählt — den Rosmarin.

Der Jungfrauen Gang zum Grabe

Im frühen Morgenrot des ersten Maien
Sah' ich zwei Jungfrau'n nach den Gräbern gehen,
Der Erde großes, heil'ges Auferstehen
Schien unbeachtet von den stillen Zweien.

Sie trugen Blumen, diese Ihr zu weihen,
Die ausgerungen mit des Lebens Wehen;
Auch konnt' ich Tränen in den Augen sehen,
Der Toten wohl die liebsten Spezereien.

Doch wie sie rasch auf neu begrünten Wegen
Sich näherten mit sehnsuchtvollem Eilen,
Sah'n eine Lilie sie am Grabe weilen.

Die nickte hold den Kommenden entgegen,
Dem Engel gleich, in lichten Schneegewanden,
Und sagte: Die ihr sucht, ist längst erstanden! —

Des Sängers Braut

Ich weiß ein Hüttchen eng und klein
Mit zarten Gitterspangen,
Das halt im dunklen Kämmerlein
Treu-Liebchen mir gefangen.

Ach meine gute, fromme Braut!
Ich hab' sie nie gesehen,
Nur wenn mich Sehnsuchtleid umgraut,
Vernehm' ich leis' ihr Wehen.

Dann poch' ich an ihr Gitterhaus
Mit sanft erhob'nem Finger,
Und engelrein schwebt sie heraus
Aus ihrem engen Zwinger.

Und tritt mit leisem Gruß hervor
Aus schmaler, finst'rer Pforte,
Und lispelt mir in's trunk'ne Ohr,
Gar süße Himmelsworte.

Doch kaum, daß an dem holden Laut
Die Sinne stumm sich weiden,
Muß wieder schon die treue Braut
Von ihrem Lieben scheiden.

Die Weste segeln still heran
Auf leichten Geisterflügeln,
Und tragen sie gar weit hintan
Nach fernen, fernen Hügeln.

Hinaus in öden Raum verbannt,
Wird Liebchen trüb und trüber,
Und seufzt von rauher Felsenwand
Noch sterbend mir herüber.

Und, daß, ihr Freunde! all' es wißt,
Das Haus ist meine Zither,
Und Liedchen mein, das sie verschließt,
Ist's Bräutchen hinterm Gitter.

Vor meiner Wiege

Das also, das ist der enge Schrein,
Da lag ich im Windeln als Kind darein?
Da lag ich gebrechlich, hilflos und stumm,
Und zog nur zum Weinen die Lippen krumm.

Ich konnte nichts fassen mit Händchen zart,
Und war doch gebunden nach Schelmenart;
Ich hatte Füßchen, und lag' doch wie lahm,
Bis Mutter an ihre Brust mich nahm.

Dann lachte ich saugend zu ihr empor,
Sie sang mir von Rosen und Engeln vor.
Sie sang und sie wiegte mich singend in Ruh',
Und küßte mir liebend die Augen zu.

Sie spannte aus Seide gar dämmerig-grün
Ein kühliges Zelt hoch über mich hin;
Wann sind' ich nun wieder solch friedlich Gemach?
Vielleicht, wenn das grüne Gras mein Dach.

O Mutter! lieb Mutter bleib' lange noch hier!
Wer sänge dann tröstlich von Engeln mir?
Wer küßte mir liebend die Augen zu
Zur langen, zur letzten und tiefesten Ruh'?

Vor den Bildern meiner Großeltern

Hier sitz' ich in der Abenddämm'rung Trauer
In meines Stübchens stiller Einsamkeit,
Hinblickend nach den Rahmen an der Mauer,
Worin die lieben Alten konterfeit;
Und denke wehmutvoll mit süßem Schauer
An sie, und meiner Kindheit schöne Zeit,
Und freue bei des schlichten Paar's Gemälden
Mich, wie ein Fürst bei seinen Ahnenhelden.

Es prangt der Greis im veilchenblauen Rocke
Und in der Klappenweste Silberpracht,
Die Mutter prunkt mit weißbestaubter Locke
Und mit der Perlenschnüre edler Tracht,
Ganz so, wie bei dem Klang der Sonntagsglocke
Die Frommen auf den Kirchweg sich gemacht;
Nun aber rief der Turmgeläute Schallen
Sie längst in eines großem Tempels Hallen.

Doch wie ich länger nach dem matten Blauen
Der Augen seh', wird's mehr und mehr beseelt,
Und mich erfaßt ein leises Geistergrauen,
Worin sich Freud' und stille Scheu vermählt,
Ja! diese glanzlos-starren Augen schauen
Herüber schon aus einer andern Welt.
Ihr lieben Blicke, ihr! wie gut und bieder! —
Wär' ich ein Schurk', ich schlug' die meinen nieder.

Gesegnet sei die schöne, alte Sitte,
Die uns der Väter Bild bewahren heißt,
So leben sie noch fort in uns'rer Mitte,
Wenn auch der Tod die Teuern früh' entreißt.
Und wenden wir von ihrer Bahn die Schritte,
Droht jedes Bild ein ernster Strafegeist;
Doch, wenn wir recht wie sie gewandelt hatten,
Dann lächeln von der Wand die stillen Schatten.
 
Der Lebenslauf des Flusses

                               Die Quelle

Nebel heißt mein Vater, die Mutter nennet sich Felswand;
Aber dem Vater nur bin ich im Geiste gefolgt.
Ihm gleich treibt's mich hinaus in fremde Täler und Auen,
Und in freudiger Hast spring' ich vom Berge herab.

                               Das Bächlein

Freudig an meinem Rand' erbaut sein Mühlchen der Knabe,
Und auf das taumelnde Rad blickt er zufrieden, und lacht.
Heimlich will ich's gesteh'n, mich selbst erfreuet das Spielwerk,
Und ich treib es mit Lust; bin ja noch selber ein Kind.


                               Der Bach

Welch gewaltiges Rad! — Ei danke, da schleichen wir leise
Uns, ihr Wellen! vorbei, leise, sonst hört uns der Schmied.
Ach! umsonst! schon erhebe den Hammerriesen ich murrend
Als Gesell; doch in Zorn schüttelt mein Schlag das Gefild.

                               Der Fluß

Stiller bin ich geworden, doch hat die Kraft sich gestählet;
Drum auch Last auf Last bürdet das Leben mir auf,—
Nimmer werd' ich sie los; nun denn auf willigem Rücken
Trag' ich sie schweigend hinfort bis an mein Grab, an das Meer.


Der Dichter und der Taucher

Ihr schaut mich liebend an, und fragt gerührt,
Warum sich leis' des Dichters Wimper netze,
Warum die Brust, die reich so edle Schätze
In sich verschließt, nur Seufzer stets gebiert.

O seht hinaus! — dort sinkt mit stillem Grau'n
Der Taucher in des Meeres alte Tiefe;
Was besser ewig dort verhüllet schliefe,
Muß bangend er und neu verwundet schau'n.

Was wieget blaß der Schoß der Wasserflur?
Weh' ihm! — des Freundes liebe, liebe Leiche;
Er schaudert, weint; — euch aber bringt der Bleiche
Statt seiner Tränen, — seine Perlen nur.

Ein's ist noch tiefer, als die tiefe See,
Und hüllt Versunk'nes mehr noch in sein Schweigen:
Die Menschenbrust, — und da hinab zu steigen,
Ist Dichterpflicht, und — ach! sein stilles Weh'.


Veilchen auf das Grab

Kaum steigt vom heitern Spiel der Engel nieder
Die süße Kleine auf die rauhe Erde;
So nahet Leiden schon ihr und Beschwerde,
Und sie entflieht zur alten Heimat wieder.

Da rüttelt heißer Frost der Mutter Glieder,
Daß frei von Banden bald die Seele werde,
Die leise schon mit sehnender Gebärde,
Dem Flüchtling nach, erhebet ihr Gefieder.

Und sieh! — der treue Gatte steht in Trä'nen.
Sie ist hinweg! — und nur im Blauen oben
Schwebt noch das Goldgewölk, das sie erhoben.

Nun trauern wohl, die hier nach ihr sich sehnen,
Sie aber hält ihr teu'res Kind, entzücket,
Das Neugefund'ne — an das Herz gedrückte.

Die Köhlertochter

Da drinnen zwischen den Bergen
In Wald und Felsengraus,
Da steht auf einsamer Grüne
Ein kleines, rußiges Haus.

Da wohnt und schüret ein Köhler,
Der ist wohl schwarz und alt;
Sein Töchterchen aber, die Else,
Ist weiß und jung von Gestalt.


Jüngst kam ich leis' durch die Felsen,
Sie kniete am Bach', und wusch;
Da girrte heimlich, und rauschte
Ein wildes Täubchen im Busch.

Ich legte an, und es knallte;
Die Dirne ward blaß. — Ich bot
Ihr lächelnd darauf das Täubchen,
Da wurde sie wieder rot.

Sie nahm es schüchtern, und drückte
Es sanft an's Mieder voll Schmerz,
Und kos'te das blauliche Hälschen,
Und fühlte das zuckende Herz.

"Ach! schöner, freundlicher Jäger!
Wie mögt ihr so grausam sein?"
Ich sah ihr stumm in die Augen,
Und schlich in den Forst hinein.

Und oben auf stiller Alpe
Da saß ich traurig und schwieg,
Und starrte hinab, wo vom Walde
Der weiße Rauch aufstieg.

Nun hab' ich seit jenem Abend
Kein Häschen nieder gebrannt,
Das Mädel mit ihren Blicken
Hat mir die Büchse verbannt.


Ich zitter' umher, wie ein Lehrling,
Zum Heile für Gems' und Reh',
Und soll ich den Hahn abdrücken,
So tut's mir im Herzen weh'.

Der steirische Alpenjüngling

O Vaterland! o Vaterland!
Wie hab' ich dich so lieb!
Verkenne nicht in deinem Sohn
Den ernsten, heil'gen Trieb.

Dir weih' ich, was ich hab' und bin,
Du bist mein höchstes Gut;
Für dich entströmt mein Lied der Brust,
Und, tut es Not, — mein Blut.

Wie bist du bräutlich angetan
Mit duft'gem Blütenschnee,
Wie woget, glänzt und rauscht im Tal
Der Ähren gold'ner See!


Und ha! — wie drängt den Sternen zu
Sich keck der Alpen Schar!
Ein solcher Thron dem Höchsten nah,
Ziemt nur dem deutschen Aar

Kein frecher Fremdling trotze sich
In diese Kreise ein,
Wir dulden's nicht. Wo Berge steh'n,
Muß Recht und Freiheit sein.

Mit unsern Leichen füllen wir
Die engen Felsweg' an,
Daß nicht herein der stolze Feind
Mit Joch und Ketten kann.

D'rum, Vaterland! wenn heimlich du
Im Schacht dein Eisen baust,
So denke mein, und stähle mir
Ein Schwert für meine Faust.

Mich lockt nicht, wie ein töricht Kind
Der Waffen eitler Glanz,
Nach ihrem Klange sehn' ich mich
Beim wilden Schwertertanz.

Und, wenn in's volle, heiße Herz
Der kühle Stahl mir fährt,
Jauchz' ich: Willkommen, süßer Tod!
Dein hab' ich lang' begehrt.


Totengräberlied

Wie doch so schnell der Mensch vergißt,
Daß er aus schlechtem Ton nur ist,
Und daß das Krüglein, wie man spricht,
Zum Brunnen wandert, bis es bricht.

Wohl singt, und schreitet der Kaplan
Zum Kirchhof manchem Zug voran,
Und wandelt keck einher und hin,
Und bleibt am Ende selbst herin.

Und ich, — ich grabe manches Grab,
Und steig' herauf, und steig' hinab;
Zu guter Letzt kommt doch ein Tag,
Wo ich nicht mehr heraus vermag.

Gott Lob! mein Urteil fürcht' ich nicht;
Weil ja die Bibel selber spricht:
Wer Gräber denen Toten macht,
Der hat ein gutes Werk vollbracht.

In Frau Louise W*s Stammbuch
unter eine gewählte Harfe

Sei mir Louise gegrüßt! die als Jungfrau liebte der Knabe,
Die als sittige Frau tiefer der Jüngling verehrt,
Möge dir niemand je des Lebens Harfe verstimmen,
Wie oft die Deinige ich einst als ein tändelndes Kind.


Der Ertrunkene

Als vom Ufer entfernt die stürmische Flut mich umher warf,
Glitt in fliegender Hast brausend ein Nachen heran.
Froh hin streckt' ich die Hand nach dem Lenker des rettenden Bootes,
Weh! — und zu spät erkannt' Charon, den Finsteren, ich.

Das Weinen

Gar tröstlich kommt geronnen
Der Tränen heil'ger Quell
Recht wie ein Heilungs- Bronnen,
So bitter, heiß und hell.
Darum du Brust voll Wunden,
Voll Gram und stiller Pein',
Und willst du bald gesunden,
So tauche, da hinein.

Es wohnt in diesen Wellen
Geheime Wunderkraft,
Die ist für wehe Stellen
Ein linder Balsamsaft.
Die wächst mit deinen Schmerzen,
Und fasset, hebt und rollt
Den bösen Stein vom Herzen,
Der dich zerdrücken wollt'.

Das hab' ich selbst empfunden
Hier in dem Trauerland,
Wenn ich, vom Flor umwunden,
An lieben Gräbern stand.
Da schalt in irrem Wähnen
Ich selbst auf meinen Gott,
Es hielten nur die Tränen
Der Hoffnung Schiffchen flott.

Drum, halt dich auch umfangen
Der Schwermut trübste Nacht,
Vertrau' in allem Bangen
Der Tränen Zaubermacht.
Bald, wenn vom heißen Weinen
Dir rot das Auge glüht,
Wird neu der Tag erscheinen;
Weil schon der Morgen blüht.