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Vermischte Gedichte 3
 

Die Rückkehr der Schwalbe
Die Zwillinge
Des Schifferjungen Abendfahrt
Die Grabrose
Im Frühlinge
An F.I. Ulbrich
Des Webers Schiffchen
Des Fischers Liebesglück
Des Malers Klage
Drei Lieder vom Reisen
Lieder des Einsiedel's

 

Die Rückkehr der Schwalbe


Nickst du mit dem klugen, schwarzen Köpfchen,
Kleine Schwalbe! grüßend mir hernieder
Vom Gesimse ob des Hüttchens Türe?
Unverletzt noch oben, klebt dein Nestchen,
Erst vor Jahresfrist erbaut aus Halmen,
Die du, heimlich sie dem Dach' entrupfend,
Mir gestohlen. — Ich vergeh' es gerne,
Ziehe fröhlich ein, und Brosamkörner
Seien dein, wo immer du sie findest.
Eines nur muß ich dich, Kleine, bitten:
Gönne mir, ob auch die Morgenröte
Lohend schon an meinen Wanden flammet,
Gönne, Freundin, dann mir noch den Schlummer!
Tiefer, tiefer Schlummer dünket jetzo
Mich das Beste. — Ach! im vor'gen Frühling
Traf uns Beide selten nur der Morgen
Noch im Schlummer, liederjauchzend eilten
Wir hinaus, und schweiften durch den frischen
Grünen Wald, zu Felsenbach und Hügel.
Als im vor'gen Lenz du Herberg' nahmest,
War die Freude auch mein Hausgenosse.
Ach! — warum besucht nur sie mich nimmer
Kehrt mit dir nicht wieder, liebe Schwalbe?
Und sie hat doch auch Gefieder; leider
Weiß ich's, — ach, sie ist ja fort geflogen!

Die Zwillinge

Wer reitet so rasch in den Wald hinein?
Ist's Einer? — Sollen es Zween sein?
Der Leiber zween, und Ein Gesicht,
Nicht Einer ist's, es sind Zween nicht.

Die Mutter selbst bei der heiligsten Pflicht
Sie kannt' auseinander die Zwillinge nicht,
Oft gab sie dem Einen zweimal die Brust,
Indessen der andere hungern mußt'.

Sie glichen sich Beid' an Aug' und Haar,
An Wuchs und Gang', — ein seltsames Paar!
Der Eine doch hat ein Ringlein von Gold
Und im Schloße daheim ein Mägdlein hold.

Das wurmt den Andern, der Neid macht ihn bleich:
"Der Himmel selbst wollte, wir seien uns gleich;
Und hast du ein Ringlein, ein Mädel hold,
So will auch ich ein Mädel, ein Ringlein von Gold."

Sie reiten tief in den Wald hinein
Durch dunkles Gebüsch, und wüstes Gestein.
D'rauf heulen die Rüden, es tönt Geschrei,
Ein Roß entspringet reiterfrei.

D'rauf sprenget der Eine in Saus und Braus
Auf wildem Rappen zum Forst heraus.
Den andern tragen sie hintenher,
Den hat zerrissen ein grausamer Bär.

Sie tragen ihn heim in die Burgkapell',
Und setzen herum viel Lichter hell.
Und in den braunen Betstühlen umher
Da kniete, und weinte das Burgvolk sehr.

Der Bruder schleichet gar bleich durch das Haus,
Die Leute weichen ihm schaudernd aus;
Es ist, als begegneten sie der Leich',
So sehen die blaßen Brüder sich gleich.

Er tritt mit Grauen zur Totenbahr,
Da wimmert das Mägdlein immerdar.
Den Rosenkranz hält sie in Händen fest,
Ihr Weinen die Würfel des Ästrichs näßt.

Da rollet er rauh die Weinende an:
Was weinst du und schreist um den fremden Mann? —
Und ist dein Trauter nicht lebend noch,
Da schau an dem Finger das Ringlein doch.

Sie hebet die milden Augen zu ihm:
Verzeih, Geliebter, und rede nicht schlimm;
Mir ist es nicht anders, du Trauter mein,
Als tätest du selber der Tote sein.

Da geht er mit wankenden Schritten fort;
Sie aber weinet am stillen Ort,
Und betet und weint, bis zur Ahnenruh'
Hinunter sinket die Totentruh'.

Nach dreien Monden auf selber Stell'
Die Brautleute steh'n in der Burgkapell.
Ein Münich segnet und bindet das Paar,
Dann ziehet zum festlichen Mahl die Schar.

Sie tanzen, und singen, und springen herum,
Das Bräutlein sitzt in der Ecke stumm.
Der Bräutigam zupft sie am Kleide sacht,
Und stiehlt sich mit ihr hinaus in die Nacht.

Er zieht sie zum stillsten Gemach nach sich
Im hintersten Schloße, gar ein'amlich.
Die hangende Ampel, er bla'set sie aus,
Und öde schweiget Gehöf und Haus.

Nun zieht er sie glühend an seinen Mund, —
Da ächzt vom Turme die Geisterstund.
Da wird's in den Gängen von Tritten laut,
Da tost's an die Türe, daß Beiden graut.

"Oho! bleib' außen du schlimmer Gast,
Und laß mich genießen der wonnigen Rast.
Der Riegel ist vor; du kommst nicht herein,
Du müßtest nur Luft und Nebel sein."

Da stand ein blaßer Mann herin:
"Ich wohl nur Luft und Nebel bin."
Das Mädchen schreit, und windet sich ein:
"Herr Jesus! es ist der Bruder dein! —"

Der Tote geht an das Bett herzu:
"Nun reiche die Hand mir mein Bruder du!
Der mich zerrissen, du grausamer Bär!
Jetzt gib mir mein gold'nes Ringlein her.

Es liegt sich kalt, im Bett von Stein,
Ich hol' mir ein warmes Weib hinein."
Er zog ihm vom Finger den Hochzeitring,
Und über das Mädchen ein Schauer ging.

Der Tote schlug um den Leib das Gewand,
Und neigte stille das Haupt, und verschwand.
Er ging durch die Gänge mit doppeltem Schritt,
Es war, als ginge noch jemand mit.

Und als sich der Ritter ermannet hätt',
Da schüttelt, und rüttelt er's Mädel im Bett:
"Holla! fein Lieb! aus den Tüchern guck',
Nach Haus' ist wieder der alberne Spuk."

Sie aber blieb gewickelt ein,
Lag stumm und starr im weißen Lein.
Und wie er die Hüll' abreißt mit Gewalt,
Da küßt er ein Antlitz weiß und kalt.

Da rennt er entsetzt aus dem Brautgemach,
Er rennt, als lief' ihm die Leiche nach.
Er schreiet die grause, Tat ringsum.
Bald stack sein Schädel am Rade, stumm.

Um Mitternacht nur eröffnet sich weit
Das klaffende Totenmaul, und schreit:
Du sollst nicht begehren des Nächsten Gut,
Sein liebes Weib, und sein warmes Blut.

Des Schifferjungen Abendfahrt

Wenn überm Tal' der Abend ruht
So kühle, still und rot,
Da schweb' ich einsam durch die Flut
Im kleinen Weidenboot.

Die Wellen all' in leiser Ruh
Die schaukeln sanft den Kahn,
Und singen, ach! so hold dazu,
Wie Mutter einst getan.

Da schläft im Herz die Sorge ein,
Ich atme frei und lind,
Und lächle froh im Mondenschein,
Als wär' ich noch ein Kind.

Ich lange nach den Sternen auf,
Und werde fromm und mild,
Und werfe manchen Kuß hinauf,
Weiß selbst nicht, wem er gilt.

Es treibt mich hin, es treibt mich her,
Mir wird so süß, so graus,
Es lockt der Glanz, es lockt das Meer
In Nacht und Flut hinaus.

Ist Wiegenraum, ist Sternenflur
Das heißersehnte Land? —
Mein Boot! o trage schnell mich nur
An seinen lieben Strand.

Doch — ach! der Weihnachtbäume Grün
Das liegt verwelkt gar weit,'
Kannst nicht zurück mehr fahren ihn
Den wilden Strom der Zeit.

Und wolltest rascher abwärts fort,
Wie auch das Ruder schlug',
Kämst' früher doch nicht in den Port,
Als er dich sonst hin trüg'.

Die Grabrose

Schöne Rose! bist so rot,
Und mein Fritz liegt unten tot,
Bist an Glanz und Purpur reich
Und mein Jüngling ist so bleicht —

Wenig Monden sind dahin,
War sein Mund noch wie Karmin,
War der Wangen zartes Paar
Noch wie Gluten hell und klar.

Aber jüngst in einer Nacht
Hat er lang' und bang' gewacht,
Morgens endlich überfiel
Ihn ein Schläfchen, — ach! gar kühl.

Und damit ihn nichts erweck',
Oder aus dem Schlummer schreck',
Trugen sie vom Städtchen fort
Ihn an diesen stillen Ort.

Da, du böse Rose du!
Sah'st du seine tiefe Ruh,
Stahlst vom lieben Angesicht
Ihm das sanfte Morgenlicht.

Böse Rose bist nun rot,
Und mein Fritz liegt unten tot,
Bist an Glanz und Purpur reich,
Und mein Jüngling ist so bleich.

Im Frühlinge

Horch! wie die Vögel singen
In heit'rer Frühlingslust;
Laß dich zur Ruhe bringen
Du wilde, bange Brust.
Sieh! jeder Zweig an, Baume
Ist nun ein Hochzeitstrauß,
Du dachtest dir im Traume
Kein schön'res Eden aus.

Was denkst bei grünem Nasen:
Da unten ist das Grab!
Brich lieber aus dem Rasen
Die schönen Blumen ab.
Erfreut dich nur beim Binden
Des Blütenreifes Glanz,
Dann mag er keck sich winden
Zum düstern Totenkranz.

Sieh nur einmal vorunter,
Wie tut das Würmelein?
Es spinnt und webet munter,
Und sargt sich fröhlich ein.
Schau' über dich! Es schaukeln
Die Blüten sich am Ast,
Und welken sanft, und gaukeln
Herab zur grünen Rast.

Drum, spricht geheime Ahnung
Zu dir im jungen Mai
Mit wehmutvoller Mahnung,
Als ob's dein letzter sei;
Nun denn genieße innig,
Was dieser Lenz noch beut,
Wie man sich still und sinnig
Am Abendrot' erfreut.

An F.I. Ulbrich
Doktor und k.k. Professor der Rechte.
Gestorben zu Grätz am 26. Dezember 1823.


Themis hehre Gestalt erhebe sich über dem Hügel;
Der darunter liegt, wußte, und — übte, was recht.
Müßig hänge die Waag' in der Göttin ruhender Linken,
Sie bezweifelt ja nicht, welche der Schalen sich hebt;
Trauernd stütze sie sich auf das friedlich gesenkte Richtschwert,
Und des Ölbaum's Zweig lege sie still auf die Gruft!
D'runter meißelt: Er war ein echt - deutschbiederer Kraftmann,
Heiter und hell von Geist, offenen Herzens und schlicht.

Des Webers Schiffchen

Es fängt schon an zu grauen,
Mein Schiffchen, guten Tag!
Will doch einmal auch schauen,
Ob ich ein Lied vermag.

Was aber soll ich singen
Ich armer Webersmann?
Ich heb' vor allen Dingen
Von meinem Schiffchen an.

Das kann gar lustig fahren
Ganz ohne Flut und Wind,
Und nährt seit vielen Jahren
Mir treulich Weib und Kind.

Es schiffet ohne Rasten
Wohl schneller als ein Pfeil;
Und wär' um ein's mit Masten
Und Segeln mir nicht feil.

Das brächte größ're Beute;
Doch's Meer ist falsch und tief,
Wer weiß, ob ich wie heute,
Auch dann so friedlich schlief'.

Wie müßt' ich denn erzittern
Vor Wirbel, Sturm und Blitz?
Jetzt sing' ich bei Gewittern
Getrost auf meinem Sitz.

Bin schon mit dir zufrieden,
Du Schiffchen, schmal und stach.
Ich hab' ja auch hiernieden
Ein kleines, eig'nes Dach.

Mein Mädel kann schon laufen,
Und lallet, spielt und lacht,
Und hast das Hemd zum Taufen
Und Windlein erst gemacht.

In kurzem ist's ein Bräutchen, —
Man weiß schon wie das geht, —
Dann webst den jungen Leutchen
Den Lein zum Hochzeitbett.

Ach! — könnt' ich den noch sehen! —
Und ging's nur so geschwind!
Manch Jahr muß noch verwehen;
Die Braut ist noch ein Kind.

So schweb' denn, Schiffchen, schwebe!
Und kommt einst meine Zeit,
So tummle dich, und webe
Ein weißes Totenkleid.

Die Vergeltung

                 1.
       Das Ständchen

In's einsame Hintergäßchen
Da geht ein Fenster hinaus,
Da lehnet Einer im Mantel,
Und hustet vor dem Haus.

Er lauscht, und wirft manch Steinchen
An's klingende Fenster empor,
Und wartet, horcht, — — und seufzet
Aus tiefster Brust hervor:

"Sonst war dein Schlummer so leise,
Schlichst oft aus der Mutter Gemach
Mit bloßen Füßen an's Fenster
Bei meinem leisesten Ach! —

Hast oft mir den Schlüssel zum Garten
Herabgeworfen im Tuch,
Und mich in die Rosenlaube
Geladen zum Mondscheinbesuch.

Da war ja dein süßes Leben
Dein liebes Herz ich allein;
Wie kannst du ohne dein Leben
Und ohne dein Herz nun sein?"

Hast oft mich geküßt und gedrücket,
Daß mir der Atem gefehlt.
Wie oder hat das in der Schenke
Mir nur ein Bekannter erzählt? —

Mach auf! du Liebe und blicke
Mich an ein einziges Mal;
Sonst kann ich die Nacht nicht schlafen
Vor Leid und heimlicher Qual."

Er lauscht, und wirft manch Steinchen
An's klingende Fenster empor,
Und wartet, horcht, — — und seufzet
Aus tiefster Brust hervor.

Es regt und bewegt sich niemand
Im stillen Hause darin;
Nur auf der Straße, da schluchzet
Es leis und leiser dahin.

                       2.
       Der Abend in der Schenke

Im Garten beim dicken Bräuer
Da schenkt man gutes Bier,
Da gibt es schattige Bäume
Im weiten Hofrevier.

Und unter den Bäumen stehen
Der Bank' und Tische gar viel',
Da sitzen lustige Fanten
Bei Mädeln, bei Trunk und bei Spiel.

Da sitzt auch einer im Winkel
Ein blaßer, schöner Mann,
Die Kellnerin schlüpft vorüber,
Und schmunzelt ihn freundlich an.

Er reibet heftig die Stirne,
Und krümmt sich, — der arme Tropf!
Und hat er Krämpf' im Gedärme,
Wie oder Fraisen im Kopf?

Nun hallen die dumpfen Glocken
Vom alten Dom' in der Stadt;
Und jählings fährt er zum Herzen,
Wie wer den Polypen hat.

Er wirft zurück den Scheitel,
Und stöhnt: "O Gott! o Gott! —"
Begraben sie seine Mutter,
Ist etwa sein Vater tot?

Im Garten sitzen auch Fiedler,
Die fiedeln lustig im Kranz,
Hei, hopsa! — wirbelnde Walzer,
Wie Hochzeitgeiger zum Tanz.

Der Bleiche schluckt und schlucket,
Und wird dabei rot wie Blut
Und dreht nach den Musikanten
Die leuchtenden Augen voll Wut.

Er schwingt am Henkel die Kanne
Hochauf im hastigen Zug,
Und schmeißt dem nächsten Fiedler
Zum Kopf den splitternden Krug.

Da schreien und rennen alle
Zusammen in wirrer Hast,
Indessen mit tollen Sätzen
Entspringt der seltsame Gast.

                 3.
       Die stille Hochzeit

Um Abend' im tiefen Dunkel
Da steht am Hochaltar
Im Kreise weniger Freunde
Ein junges Hochzeitpaar.

Es schwört mit seligem Lispeln
Die Braut die ewige Treu;
Da lacht es gellend und vielfach
Durch's finstere, hohle Gebäu.

Die Hochzeitleute, die Gäste
Sie schauen erschrocken um.
Sie sehen nichts, nur am Pfeiler
Lehnt Einer starr und stumm.

Er hält gefaltet die Hände,
Und gafft blödäugig zu,
Sonst regungslos wie die Säulen;
D'rum lassen sie ihn in Ruh.

Der Pfarrer fungieret weiter,
Er weiht den Johanniswein;
Da trinkt auf Glück und Segen
Dem Brautpaar Groß und Klein.

Nun wankt auch aus der Tiefe
Der bleiche Fremde herzu,
Und trocknet mit glühenden Lippen
Den goldenen Kelch im Nu.

Er tritt der Braut entgegen,
Und faßt sie sanft am Arm'.
Sie schaut empor, erblasset,
Und wankt, daß Gott erbarm'! —

Er pfeifet lustig, und wirbelt
Im Tanze sie um den Altar.
Der Pfarrer, die Leute schreien:
Ein Narr! ein Narr! ein Narr!

                  4.
          Die Heimfahrt

Beim Münster vor der Pforte
Da stehen zwei Kutschen bereit,
Die Kutscher fluchen Beide,
Es ist zum Fahren Zeit.

Bei einem steht auf dem Brette
In Tressen ein schmucker Lakei,
Und auf dem anderen hocket
Der Büttel der Stadtvogtei.

Der eine mit Fackeln und Wappen
Der rollet zum Hochzeitschmaus,
Der zweite mit knochigen Mähren
Der rasselt in's Narrenhaus.

Der Herr, der darinnen sitzet,
Ist gar ein freundlicher Herr,
Er nickt und nickt mit dem Scheitel,
Und grüßt und winket umher.

Er recket sich aus dem Schlage,
Und schwenkt den Hut mit Macht,
Und schreit zum anderen Wagen:
Schön' gute Nacht, gute Nacht!

Das Volk lauft neben der Kutsche
Wohl bis an's Irrenhaus,
Da hüpft mit lustigem Sprunge
Die tolle Herrschaft heraus.

Sie ladet alle zur Hochzeit
Das Volk und die Schergenwacht.
Das bringt die Mädeln zum Weinen,
Sie seufzen: Gute Nacht!

                 5.
          Vergeltung

Durch's dunkle Tor des Freythofs
Da ziehen im Abendschein
Zur selben Stunde zwei Leichen,
Zwei seltene Leichen ein.

Um eine schwanket langsam
Ein schwarzes, breites Meer,
Und mit der anderen rennen
Vier Träger schleunig einher.

Goldkränze, Sammet und Wappen
Bedecken die eine Truh',
Die zweite, die lange, schmale
Hüllt kaum ein Lappen zu.

Es halten an selber Stelle
Die Leichen alle zwei;
Die Gräber sind an einander,
Es ist so in der Reih'.

Das ganze, hohe Kapitel
Psalmiert bei einem Grab,
In's andere murmeln die Träger
Mit listigem Lächeln hinab.

Die Leute wallen nach Hause,
Da bleiben die Särge allein.
Die Sonne sinkt hinunter,
D'rauf kommt der Mondenschein.

Es wehet kühl' und kühler,
Es naht die Mitternacht;
Da wimmert's in einer Grube,
Des Sarges Deckel kracht.

Und aus dem Grabe steiget
Ein schönes, junges Weib,
Nur lose Schleier umfliegen
Den weißen, wonnigen Leib.

Sie steigt mit Jammergebärde
In's andere Grab hinein,
Und klopft an die stille Truhe
Mit ihrem Fingerlein:

"Mach auf! du Lieber und blicke
Mich an ein einziges Mal;
Sonst kann ich die Nacht nicht schlafen
Vor Leid und heimlicher Qual."

Sie klopfet, weint und flehet,
Das Kämmerchen bleibet zu.
Der Gute rastet da unten
In tiefer, unstörbarer Ruh'.

Es regt und bewegt sich niemand
Im stillen Hause darin;
Nur durch den Freythof schluchzet
Es leis' und leiser dahin.

Des Fischers Liebesglück

Dort blicket
Durch Weiden
Und winket
Ein Schimmer
Blaßstrahlig
Vom Zimmer
Der Holden mir zu.

Es gaukelt
Wie Irrlicht
Und schaukelt
Sich leise,
Sein Abglanz
Im Kreise
Des schwankenden See's.

Ich schaue
Mit Sehnen
In's Blaue
Der Wellen
Und grüße
Den hellen,
Gespiegelten Strahl.

Und springe zum Ruder
Und schwinge den Nachen
Dahin auf den flachen,
Kristallenen Weg.

Fein-Liebchen
Schleicht traulich
Vom Stübchen
Herunter
Und sputet
Sich munter
Zu mir in das Boot.

Gelinde
Dann treiben
Die Winde
Uns wieder
See-einwärts
Vom Flieder
Des Ufers hindann.

Die blassen
Nachtnebel
Umfassen
Mit Hüllen
Vor Spähern
Des stillen,
Unschuldigen Scherz.

Und tauschen
Wir Küsse
So rauschen
Die Wellen,
Im Sinken
Und Schwellen
Den Horchern zum Trotz.

Nur Sterne
Belauschen
Uns ferne,
Und baden
Tief unter
Den Pfaden
Des gleitenden Kahns.

So schweben
Wir selig
Umgeben
Vom Dunkel,
Hoch überm
Gefunkel
Der Sterne einher.

Und weinen
Und lächeln,
Und meinen,
Enthoben
Der Erde
Schon oben,
Schon drüben zu sein.

Des Malers Klage

Seit in die dunkle Truhe
Ihr meine Liebste bargt,
Liegt meine Freud', und Ruhe
Bei ihr mit eingesargt.

Mein Aug' ist trüb' vom Weinen,
Die Wimper heiß und schwer,
Der Farben freundlich Scheinen
Ergeht mich nimmermehr.

Und wie ich ringsum wähle
Im bunten Farben- Schrein,
Es dringt mir in die Seele
Nur neuer Kummer ein.

Ach! ob ich Schwarz gewahre,
Ob heitres Weiß, — es mahnt
Mich nur an ihre Bahre
Und an ihr Grabgewand.

Einst freilich träumte milder
Die trunk'ne Fantasie,
Und düst're Leichenbilder
Erschuf sie vormals nie.

Ich ließ den Pinsel nippen
Aus rosenroter Flut,
Und dacht' an ihrer Lippen
Und ihrer Wangen Glut.

Umlockt' ich am Altare
Mit Gelb ein Englein blond,
War ich nur ihre Haare
Zu malen schon gewohnt.

Und flocht in Blumenstücke
Hellblau Cyanen ich,
Durchdrang's mich süß, als blicke
Ihr liebes Aug' auf mich.

D'rum lasset uns denn scheiden
Ihr lieben Farben mein,
Ihr mehrt nur meine Leiden
Durch der Erinn'rung Pein.

Nur, ach! nach deinem Schimmer
Du schlichtes, sanftes Grün,
Starrt sehnsuchtvoll noch immer
Mein feuchtes Auge hin.

Du schmückst, was von der Lieben
Als letzte karge Hab'
Allein mir noch geblieben,
Du schmückst ihr frühes Grab.

Drei Lieder vom Reisen

            1.
         Auszug

        Hinterm Ofen hocken
        Mögen and're,
        Mut und Neugier locken
        Mich hervor,
        Und ich wand're
        Singend durch das Tor.
Niemanden in's Haus gegangen
Kommt das Glück mit seiner Bude,
Quält nicht, wie ein Krämerjude,
Alt' und Junge zuzulangen.
Selber mußt du geh'n, und wagen
Dies und Das, und emsig fragen:
Wohnt es hier, und wandelt's dort,
Treff' ich's wohl am dritten Ort?
   Auch daheim, — ich sag' es frank und frei, —
Geht nicht alles stets nach Willen,
Manches wünscht man wohl im Stillen,
Daß es anders sei.

   Die Muhmen, die Vettern, die Basen
Die stehen stets auf der Wacht,
Und rümpfen die weisen Nasen,
Wo man sich's nimmer gedacht.
Und dann das Klatschen! — Potz Wetter!
Man fragt und forschet: Ich bitte,
Was macht der Neffe, der Vetter?
Und trägt er noch immer vom selben Schnitte
Von selber Farbe den Frack?

Wie, spielt er Billard? — So? — raucht er Tabak? —
Ei, ist er verliebt? — Was? geht er zu Bier?
Im Grunde, — sein Reimen ist doch nur Geschmier.

   Nu, und Väterchen, fest an die Akten gebannt,
Verzieht auch manchmal die Braune,
Die Mutter, wenn ihr der Kuchen verbrannt,
Ist auch nicht immer bei Laune.
Und hägt man ein bißchen Galanterie;
(Ein bißchen, sag' ich, — das schadet doch nie)
Lobt etwa ein Häubchen, ein Band,
Und küßet wohl gar dem Mühmchen die Hand;
So schmollet das Liebchen noch obend'rein.
Wer möchte da stets zu Hause sein? —

        Hinterm Ofen hocken
        Mögen and're,
        Mut und Neugier locken
        Mich hervor,
        Und ich wand're
        Singend durch das Tor.

                  2.
               Reise

Mein Ränzelchen auf dem Rücken
Den Knotenstock in der Hand,
Frohsinn und Mut in den Blicken,
So wall' ich von Land zu Land.

Wie Weg' und Stege mich leiten,
Durchkreuz' ich Gebirg' und Feld,
Und rufe gerührt im Schreiten:
Wie schön ist die liebe Welt!

Und findet sich unter Bäumen
Ein Pilger, rastend im Wald;
Gesellt man sich ohne Säumen,
Man kennt und liebet sich bald.

Kommt etwa gegangen ein Mädchen,
So fang' ich es auf im Scherz;
Der Lieben zu Hause beim Rädchen
Wird d'rüber nicht bang' um das Herz.

In Städten und Residenzen
Geht's lustig und lärmend zu,
Vor Fahrten, Spektakeln und Tänzen
Hat Herr und Diener nicht Ruh'.

Ich geh' durch die Häuserzeile
Weit offen Augen und Mund,
Da hab' ich zu grübeln nicht Weile,
Wie sonst manch' traurige Stund'.

Ich beuge müd' in die Schenke,
Und rufe: Braten und Wein!
Oft brockt noch lustige Schwänke
Der launige Wirt mit ein.

Ich seh' erst jetzt, wie ich schmausen,
Marschieren, und schlafen kann,
Und denke nimmer mit Grausen
An Doktor und Sensenmann.

D'rum, wo ein trauriger Lappe
Sich heimlich grämet und quält,
Der nehme Ränzel und Kappe,
Und schlend're mit mir durch die Welt.

             3.
         Heimkehr

Wer springt mir entgegen
In freudiger Hast?
Ach! — halt' ich dich wieder,
Du Engel! — umfaßt!

Hast Tränen im Auge
Du herzliches Blut?
Und bist du dem Flüchtling
Doch immer noch gut?

Die Sonne verbrannte
Die Wangen ihm, schau'! —
Auch nahm's mit der Treue
Er nicht zu genau.

Wohl Manche bewahret
Ein Ringlein, sein Haar, —
Ach! schau' nicht so traurig;
Es ist ja nicht wahr.

Dein Löckchen, im Hause
Von silbernem Erz,
Da fühle, noch ruht es
Am liebenden Herz.

Wer kommt dort vom Hügel,
Und winket nach mir?
Ach! — Vater und Mutter,
Geschwisterchen, — ihr?

Herzu an den Busen,
Herzu an den Mund!
Wie ist's euch ergangen,
Ihr war't doch gesund?

Ich bring' euch viel Grüße
Von Diesem, und Dem,
Muß erst mich erinnern
Zu Hause bequem.

Bin matt und verhungert,
Spring, Schwester, voraus,
Und richt' uns indessen
Ein Schmäuschen zu Haus.

Oh!! — Vettern und Muhmen
Gott grüß euch! — so stumm?
Und nahmt ihr das Wörtchen
Beim Scheiden mir krumm?

Wohl naseweis war es,
Bereu' es fürwahr.
Die Fremden sind besser
Ja nicht um ein Haar.

Kaum guckt man beim Tore
In's Städtchen hinein,
Schon stoßen die Köpfe
Die Fenster schier ein.

Wer ist der Fremde
Im goldenen Bock?
Sein Haar seht! — ist lange,
Und kurz ist sein Rock.

He Vater! — was nehmt ihr
Das Ränzel mir ab?
Es macht mir nicht Mühe,
Leicht trüg' es ein Knab'.

Ich will nur gestehen,
Mein Säckchen ist leer; —
Doch bin ich nun fröhlich,
Was will ich nun mehr?

Lieder des Einsiedel's

1.
Seine Blumen

Ihr blühet wohl, liebe Blumen!
Ach! — ohne daß es mich freut;
Die schönsten, die ich gefunden,
Sind lange zerknickt und verstreut.

Wenn euer Pfleger geschieden,
Dann sterbet ihr alle ab;
Ihm aber erblühen dann wieder
Die schönern über dem Grab.

2.
Seine Harfe

O Harfe! dir hab' ich frühe
Vertrauet Wonne und Schmerz,
Du zogest mit mir durch's Leben
Verstehst, und tröstest mein Herz.

Dort drüben die junge Quelle
Weiß nichts von Lieben und Leid,
Sie wird's erst draußen erfahren
Im Tal' auf glühender Heid'.

Wohl plaudern die alten Fichten
In dämmernder Abendstund',
Erzählen von Sturm und Gewitter,
Sind aber nicht innerlich wund.

Mein Leben, Leiden und Lieben
Du, Harfe, weißt es allein,
Und weinst von einsamen Felsen
Mit mir in den Mondenschein.

3.
Sein Kreuz

Sie wanden dir eine Krone
Von Stachelranken um's Haupt,
Bin auch bekränzet mit Dornen,
Seitdem sich die Rosen entlaubt.

Dich hat die Lanze durchstochen;
Doch hatte dann Ruhe dein Herz.
Das meine ist auch durchbohret;
Doch zuckt es noch immer vor Schmerz.

4.
Seine Glocken

Oft, wenn ich verzag' im Kampfe,
Dann steig' ich hinan den Turm,
Und rufe: Hilfe! Hilfe!
Und läute, und läute Sturm.

Doch Wüsten ringsum und Wälder,
Mich höret kein Ohr auf der Welt.
Es könnt auch niemand mir helfen,
Als der im gestirneten Zelt.

Oft hab' ich geweint und gebetet
Im Staub gekrümmt, wie ein Wurm.
Und willst Du mich nimmer retten?
O hör'! — ich läute Sturm.

5.
Sein Grab

Dies Grab hat mir gegraben
Mein eigenes Grabescheit,
Es liegt darin als Kissen
Schon weiches Moos bereit.

Ich steige selbst hinunter,
Naht einst mein Stündlein heran.
Wer legte wohl sonst zur Ruhe
Den toten Siedlermann?

Dann falt' ich die Hand', und bete
Und dreh' am Rosenkranz,
Und schaue wartend zum Himmel
Voll rosigem Abendglanz.

6.
Sein Begräbnis

Und bin ich dereinst verschieden,
So lieg' ich im Grab' auf der Bahr;
So bin ich im Tode verlassen,
Wie ich im Leben es war.

Die Schollen am Grabesraine,
Sie rollen nicht selbst herab,
Das Kreuz, das ich gezimmert,
Es steiget nicht auf mein Grab.

Die Blumen, die ich gepfleget,
Sie geh'n nicht trauernd herzu,
Die Glocken, die ich geschwungen,
Sie läuten mir nicht zur Ruh'.

Die Harfe nur seufzet manchmal
Am Abende wunderbar, —
Und bleibet noch treu dem Toten,
Wie sie's dem Lebenden war.