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Gedichte
Karl Gottfried Ritter von Leitner

Wien 1825
Gedruckt bei P. Sollinger

Wer sein Haus baut an die Straßen
Muß die Leute reden lassen.
                          
Eine alte Inschrift.
 

Vermischte Gedichte 1
 

Des Harfners Meisterspruch
Des Kindes Einschlafen
Drang in die Ferne
Der Jüngling und der Nachtschmetterling
Das Bildnis
Der Wallensteiner-Lanzknecht
Die Sterne
Des Greises Schlaflied
Der Kreuzzug

Weiß und Grün
Der Gemsjäger
Das Kind an der See
Die Reseden

Der alte Gott
Der Herr des Meeres

Des Harfners Meisterspruch


Im tiefen, alten Haine in hoher Eichen Kreis
Am grauen Sitz von Steine da sitzt der Harfnergreis,
Er starret hoch begeistert in Stern und Wolkenlauf,
Und singet laut, und meistert die Saiten ab und auf.

In langen, goldnen Locken ein Knabe sitzt dabei
Es weckt wie Trauerglocken, wie Siegesmelodei
So Wehmut und Entzücken in ihm der Harfe Ton;
Man sieht's an seinen Blicken, er ist des Sängers Sohn.

Nun schwinden und verklingen die Töne allgemach,
Die letzten nur noch singen des Waldes Elfen nach.
Der Knabe lauscht und lauschet, drauf weint er laut vor Lust,
Und fällt, vom Lied berauschet, dem Vater an die Brust,


"O Vater! lehr' mich singen so recht nach deiner Art,
Daß es muß all bezwingen die Herzen weich und hart."
Da lächelt stolz und zittert vor Vaterlust der Greis,
Und küßt ihm, tief erschüttert, der Stirne reinen Kreis.

"Mein Sohn! und willst du singen so recht nach meiner Art,
Daß es muß all bezwingen die Herzen weich und hart,
Mußt du zuerst erfahren tief-innig Schmerz und Lust,
Doch sollst du nicht bewahren es dann in stiller Brust.

Mußt aufzuhellen wagen den dunklen Herzensgrund,
Was du geheim willst tragen, das eben tue kund;
Was tief in dich sank nieder, wie in den See der Stein.
Das sinket tief auch wieder in fremde Herzen ein."

Kein Wort davon verwehet, verschlungen hat's der Sohn,
Und jede Nacht erflehet er Sang und Lautenton.
Sie saßen oft beisammen beim Saitenklang allein,
Die muntern Irrlichtflammen die tanzten dann im Hain.

Einst schwieg er plötzlich stille, der Alte, und erblich,
Die Hand, nicht war's sein Wille, am Spiel hernieder strich,
Es regte sich gelinde nur Kleid und Lockenhaar
Und Silberbart im Winde, sonst saß er marmorstarr.

Der Knabe kniete weinend vor ihm im Mondenglanz,
Und wand, die Zweige einend, ihm einen frischen Kranz.
Im heil'gen Raum der Eiche legt er ihn fromm zur Ruh,
Und deckt die teure Leiche mit grünem Wasen zu.

Er haut mit seinem Schwerte im Baum den Namen ein,
Und küßt die heil'ge Erde, und wandert aus dem Hain.
Es schaut aus goldnen Haaren gar bleich sein Angesicht;
Nun hat er Schmerz erfahren, nur, ach! — die Freude nicht.

Von Berg und Strom geführet durchzog er manches Land,
Doch schwebte unberühret die Harf' an seiner Hand.
Er horchte gern den Sängen bei Fest und Ritterspiel;
Doch schien er zu verdrängen der eig'nen Brust Gefühl.

Einst lehnt er still inmitten der Horcher, da gar mild
Ermahnet ihn mit Sitten das schönste Frauenbild:
"Du blonder Harfenknabe! wohlauf, und faße Mut,
Und tauche uns zur Labe in goldne Saitenflut."

Er schlägt die Augen nieder, und höbe sie doch gern',
Ihn dünket zart Gefieder ihr Schleier in der Fern'.
Wie Liederkeim' entwinden sich Seufzer seiner Brust:
"Ich muß vorerst empfinden des Lebens höchste Lust."

Da bebet und erblühet von stiller Glut die Maid,
Mehr als die Rose glühet und bebt am Brustgeschmeid'.
Und aus der Menge schleichet der Knabe träumend fort,
Er wanket und entweichet zum allerstillsten Ort.

Und bang' im Mondenstrahle umwandelt er das Schloß,
Er weinet tief im Tale im kühlen Wäldermoos.
Was neigt am Fensterbogen sich aus der Schleier Kreis,
Was kommt herab geflogen auf grünen Schwingen leis?

Die Jungfrau nickt hernieder vom Fenster, spitz und schmal,
Auf grünem Laubgefieder die Rose sank in's Tal.
Er drückt die Ros' an's Herze, — sie hing an ihrer Brust, —
Er' fühlt's, er kennt zum Schmerze nun auch die höchste Lust.

Und nun den tiefsten Spalten des Sängerherzens fromm
Entrauscht mit Sturmsgewalten der heil'ge Liederstrom.
Von Tod und Liebe rauschte des Sängers erstes Lied,
Und Tal und Jungfrau lauschte, bis Nacht und Vollmond schied.

Nun sang er zu der Zither auf mancher Burg herum,
Da saßen Frau'n und Ritter im weiten Saale stumm.
Und stand er auf, sich neigend, und schritt aus dem Gemach,
So blickten alle schweigend mit naßen Augen nach.

Des Kindes Einschlafen

Ihr lieben, lieben Sterne
Im Felde von Saphir,
Wie gehet ihr nun ferne
Und fremd vorbei an mir!

Ach! euer Goldgefunkel
Wie schien's mir nah' vertraut,
Wenn ich durch stilles Dunkel
Als Kind emporgeschaut.

Ich kenne noch die Weise
Und auch den Reim dazu,
Mit dem die Mutter leise
Mich damals sang in Ruh':

"O schlumm're schlumm're, mein Liebchen!
Die Engel bewachen dein Stübchen.
Sie kommen auf gold'nen Flügelein,
Und sitzen zu dir in das Bett hinein;
Sie harfnen und singen dir Lieder in's Ohr,
Und spielen dir schöne Traume vor.
O schlumm're, schlumm're, mein Liebchen!
Sie warten schon vor dem Stübchen."

Und Mütterchen blies die Lampe aus,
Da wurd' es finster und still' im Haus';
Die Sterne nur mit dem goldenen Schein
Die glänzten durch's klare Fenster herein.
Ich dachte: "das werden die Engel sein."
Und machte getröstet die Augen zu,
Und träumte hinüber in wonnige Ruh!

Ach! da ich frisch und heiter
Noch war ein kleiner Knab,
Da stiegen Jacobs Leiter
Die Engel auf und ab.

Doch nun ist rings verschwunden
Die freundliche Magie,
Des Jünglings dunkle Stunden
Besuchen Engel nie.

Nur tote Massen eilen
Durch's schwarze Nachtrevier
Viel Millionen Meilen
Von meinem Harm und mir. —

Der Glanz, in dem sie schimmern,
Ist auch nur irdisch Licht,
Sie rollen fort, und kümmern
Sich um die Menschen nicht.

Drang in die Ferne

Vater du glaubst es nicht,
Wie mirs zum Herzen spricht,
Wenn ich die Wolken seh',
Oder am Strome steh'.

Wolkengold, Wellengrün
Ziehen so leicht dahin,
Wandern von Ort zu Ort
Weit in die Ferne fort.

Weilen und rasten nie,
Eilen als wüßten sie
Irgend ein schön'res Land,
Was noch kein Schiffer fand.

Ach! von Gewölk und Flut
Hat auch mein junges Blut
Heimlich geerbt den Drang:
Stürmisch die Welt entlang!

Vaterland's Felsental
Wird mir zu eng', zu schmal,
Ahnung und Wunsch und Traum
Findet darin nicht Raum.

Laßt mich! ich muß, ich muß
Fordern den Scheidekuß.
Vater und Mutter mein!
Müsset nickt böse sein.

Hab' euch ja herzlich lieb;
Aber ein wilder Trieb
Jagt mich waldein, waldaus,
Weit von dem Vaterhaus'.

Sorget nicht! Welch Gehäg
Einsam durchirrt mein Weg,
Monden- und Sternenschein
Leuchtet auch dort hinein.

Über ein jed Gefild
Wölbt sich der blaue Schild,
Den um die ganze Welt
Schirmend der Vater hält.

Ach! und wenn nimmermehr
Ich zu euch wiederkehr',
Lieben! so denkt: Er fand
Glücklich das schön're Land.

Der Jüngling und der Nachtschmetterling

                    
Der Nachtschmetterling

Was liegst du im Mondlicht
So still' und bleich,
Von Weiden umhangen
Am einsamen Teich?
Und schaust in die Wellen,
Und horchst dem Gebraus,
Und lächelst durch Tränen
Voll Sehnsucht hinaus? —

Es tanzen die Blüten,
Es hüpfet der Quell,
Was grämst du im Maien
Dich, junger Gesell?
Süß trillern die Flöten
Herüber vom Hain;
Sie laden zum Reigen,
Zur Liebe dich ein.

                    
Der Jüngling

Man wird, wo ich geblieben, dort nicht fragen,
Entbehrt doch sie, selbst sie mich jetzo leicht,
Ich bin zu schwach, es männlich zu ertragen;
Wenn sie entfremdet mir vorüber streicht,
Und nun, wie einstens mir in schönern Tagen,
Die weiche Hand dem neuen Liebling reicht.
Nicht spotten soll sie meiner tiefen Wehen;
Ich aber muß und werde still vergehen.

                    
Der Nachtschmetterling

Düsterer, holder
Träumer, erwach'!
Leichten Gemütes
Folge mir nach.
Über die Blumen,
Über das Grün,
Gaukelnden Fluges
Schweb' ich dahin.

Bringe der Lilie
Ständchen und Gruß,
Schlummernden Rosen
Heimlichen Kuß;
Stehle zum Veilchen
Mich in's Gehäg',
Kose, — und flatt're
Wieder hinweg.

                 
Der Jüngling

Auch du wirst einst die Eine Blume finden,
Die fest dich bannt mit zaubergleicher Macht.
Und wehe! — lodert, helle zum Erblinden,
Ihr Kelch entgegen dir in roter Pracht.
Wahnsinnig Sehnen wirst auch du empfinden,
Wenn du — die Flamme siehst in schwarzer Nacht;
Stets enger wirst du, wirrer sie umschweben,
Und nimmer lassen, — gilt es gleich dein Leben.

Das Bildnis

Sie sind's, sie sind's die Augen meiner Schönen,
Die schmachtend, selbst gemalt mich noch besiegen;
Ein heimlich Küßchen scheint ihr Mund zu wiegen,
Und Schmeichelworte, deucht mir, hör' ich tönen.

Ja! dieses Bild kann jedes Spiegels höhnen;
Sein trüber Schatten würde leichter triegen.
O könnte dankend an die Brust ich fliegen
Dir, Maler! — Stern von allen Musensohnen!

Jedoch, — hm, hm! — je mehr ich mich besinne,
Und nachzugrübeln ob der Sach' beginne,
Jemehr durchschaut mein scharfer Blick den Schleier.

Sieh doch! So also lachte sie, so strahlte
Das Sternenauge ihr, als er sie malte
Der junge Kleckser? — Ei! hol' ihn der Geier!

Der Wallensteiner-Lanzknecht
beim Trunke

He! schenket mir im Helme ein,
Der ist des Knappen Becher,
Er ist nicht seicht und, traun, nicht klein,
Das freut den wackern Zecher.

Er schützte mich zu tausend Mal
Vor Kolben, Schwert und Spießen,
Er dient mir jetzt als Trinkpokal
Und in der Nacht als Kissen.

Vor Lützen traf ihn jüngst ein Speer,
Bin fast in's Gras gesunken,
Ja! wär' er durch, — hätt nimmermehr
Ein Tröpfelchen getrunken.

Doch 's kam nicht so. Ich danke dir
Du brave Pickelhaube!
Der Schwede büßte bald dafür,
Und röchelte im Staube.

Nu, tröst' ihn Gott! Schenkt ein, schenkt ein!
Mein Krug hat tiefe Wunden,
Doch hält er noch den deutschen Wein,
Und soll mir oft noch munden.

Die Sterne

Wie blitzen
Die Sterne
So hell durch die Nacht!
Bin oft schon
Darüber
Vom Schlummer erwacht.

Doch schelt' ich
Die lichten
Gebilde drum nicht,
Sie üben
Im Stillen
Manch heilsame Pflicht.

Sie wallen
Hoch oben
In Engelgestalt,
Und leuchten
Dem Pilger
Durch Heiden und Wald.

Sie schweben
Als Boten
Der Liebe umher,
Und tragen
Oft Küsse
Weit über das Meer.

Sie blicken
Dem Dulder
Recht mild in's Gesicht,
Und säumen
Die Tränen
Mit silbernem Licht.

Sie weisen
Von Gräbern
Gar tröstlich und hold
Uns hinter
Das Blaue
Mit Fingern von Gold.

So sei denn
Gesegnet,
Du strahlige Schar!
Und leuchte
Mir lange
Noch freundlich und klar!

Und wenn ich
Einst liebe,
Seid hold dem Verein,
Und euer
Geflimmer
Laßt Segen uns sein!

Des Greises Schlaflied

In dem grauen Waffensaale
Saß der Greis im Abendschein,
Saß im starren Kleid von Stahle
Mit der Tochter ganz allein.

Durch das Fenster gegenüber
Sah er in die Grüne weit,
Doch sein Auge wurde trüber,
Gleich als wär' es Schlafens Zeit.

"Tochter! lang' die Harfe nieder
Von der Wand und sing dazu,
Singe deine schönen Lieder,
Sing ein altes Kind in Ruh."

Und er lehnt im Samtgestühle
Matt zurecht den Scheitel grau,
Des verglühten Tages Kühle
Weht ihm durch die Locken lau.

Und die Maid von hoher Mauer
Langt die Harf', und schlägt sie an,
Singt, und schaut in sanfter Trauer
Nach dem schwachen Eisenmann.

"O schlummre, schlumm're! dein schönstes Glück
Es blüht in vergangenen Zeiten.
O schlumm're, schlumm're! dann werden zurück
Dir himmlische Träume sie leiten."

Der Alte seufzet, und lächelt weich,
Und senket die weißen Wimpern sogleich.

"Die Schlachtengenossen im klirrenden Erz
Mit Spießen und mächtigen Degen
Sie nahen, und drücken dich wieder an's Herz,
Und strecken die Rechten, entgegen."

Dem Alten sinket vom Griffe die Hand,
Da rasselt das Schwert an's Eisengewand.

"Der Knab, den die Nixen in's Meer gezogen,
Dein lieber, dein einziger Sohn,
Er tauchet herauf aus den blauen Wogen,
Er herzet und küßet dich schon."

Da spielet die Luft durch den Spitzbart hin,
Als wühle das kosende Kind darin.

"Die Mutter steigt zu des Lebens Glanz
Herauf die verwitterte Stiege,
Im silbernen Kleide mit grünem Kranz
Erringst du sie wieder im Siege."

Da streuet der Abend Blüten herein,
Als würde von Neuem Hochzeit sein.

Eingeschlummert sank dem Alten
Nun das Haupt herab zur Brust.
Maid! wie hast die Traumgestalten
Alle du voraus gewußt? —

Wohl vom gold'nen Wams umglänzet
Bieten ihm die Freunde Gruß,
Und schon reicht sein Weib, bekränzet,
Ihm das schöne Kind zum Kuß.

Mädchen, sieh! — der Greis im Stahle
Weine nicht! er ist nun tot.
Dunkel wird's im stillen Saale,
Sanft verschied das Abendrot.

Der Kreuzzug

Ein Münich steht in seiner Zell'
Am Fenstergitter grau,
Viel Rittersleut' in Waffen hell
Die reiten durch die Au'.

Sie singen Lieder frommer Art
In schönem, ernstem Chor,
Inmitten fliegt, von Seide zart,
Die Kreuzesfahn' empor.

Sie steigen an dem Seegestad'
Das hohe Schiff hinan.
Es läuft hinweg auf grünen Pfad,
Ist bald nur wie ein Schwan.

Der Münich steht am Fenster noch,
Schaut ihnen nach hinaus:
"Ich bin, wie ihr, ein Pilger doch
Und bleib' ich gleich zu Haus'.

Des Lebens Fahrt durch Wellentrug
Und heißen Wüstensand,
Es ist ja auch ein Kreuzes-Zug
In das gelobte Land."

Weiß und Grün
An Steiermark

Wie schön sich an dem Fahnenband
Das Weiß und Grün vermählet!
Hast wohl, du liebes Vaterland,
Die Farben gut gewählet.

Wohl weiß ist deiner Alpen Haupt
In Nordens kalten Gauen,
Wohl grün umwebt, und grün umlaubt
Der Lenz des Südens Auen.

Hellweiß in deiner Stollen Nacht
Die Eisenblumen blühen,
Und grün in lichter Maientracht
Die Rebengärten glühen.

Jetzt ruht der Hirte friediglich
Im Grün bei weißen Lämmern,
Und hört tiefdumpfig unter sich
Die muntern Knappen hämmern.

Droht aber stolzer Feinde Troß
Den weißen Alpenheiden,
Und läßt sein fremdes Reiterroß
Auf uns'rer Grüne weiden;

Dann kommt der Weidmann flink heran
Im grünen Jägerkleide,
Und zieht ein weißes Röckchen an
Mit blankem Kampfgeschmeide.

Und ringt um seiner Väter Grab,
Die tief im Grünen liegen,
Und läßt dem Greis' am Krückenstab
Kein weißes Härchen biegen.

Und kämpft und treibt sie wieder fort
In ihre Heimatländer,
Und schwingt an manchem fernen Ort
Die weiß und grünen Bänder.

D'rum hast du, liebes Vaterland,
Die Farben gut gewählet,
Und schön an deinem Fahnenband
Das Weiß und Grün vermählet.

Der Gemsjäger

Ich singe laut vom Gemsgebirg
In's Morgenrot hinaus,
Die Sennin springt nicht an die Tür',
Viel minder vor das Haus.

Im Lande gibt es manchen See,
In Seen manchen Salm,
Und Mädeln gibt es viel umher
Auf jeder Steireralm.

Ihr Dirnen! schaut mich einmal an!
Ich bin ein junges Blut,
Und steht mir nicht mein grün Gewand
Mein Federaufputz gut?

Wohl gucket aus der Hütte scheu
Manch rosenrot Gesicht;
Ihr Brüder, seht! wenn's einen freut;
Mich aber freut es nicht.

Nun jodelt sie, und sichelt froh
Am Hag' den grünen Klee.
Was singst du lustig mir zum Trotz
Was tust du mir so weh? —

Verstieg sich Einer, ritzt er sich
Die matten Füße an,
Und leimt sich, wenn er niederklimmt,
Mit Blut an seine Bahn.

Hast dich verstiegen in der Lieb',
Du keckes Jägerherz!
Und kommst von deiner Höh' zurück
Nicht ohne Blut und Schmerz.

Das Kind an der See

Es stehet ein Kind in der Dämmerung Grauen
Gar einsam am Strand' auf des Felsen, jäh',
Es schauet hinauf nach dem hellen Blauen,
Es schauet hinab in die stille See.

"Dort oben, dort seh' ich die Sternlein gehen,
Und unten im Meere da zieh'n sie auch,
Seh' oben den Mond in den Veilchen stehen,
Und unten im Meere da weilt er auch.

Verlassen — ach! wein' ich am öden Strande,
Im Hüttchen daheim ist's weit und leer;
Die Mutter zog fort in entfernte Lande, —
Das Mädchen hat keine Mutter mehr.

Wo schimmernd die goldenen Feuer schweben,
Wo tauig die Strahlen des Mondes weh'n,
Dort keimet uns wieder ein rosig Leben,
Dort werd' ich einst selig dich wiederseh'n."

So sagte sie leise mit bleichen Lippen,
Und machte die freundlichen Augen zu;
"Nun irr' ich herum durch des Ufers Klippen,
Und zage, und weine, und finde nicht Ruh'.

Wohl möcht' ich so gerne zur Mutter eilen,
Möcht' auch so ein Kleidchen von Glanz und Licht;
Wohl wird sie auf einem der Sterne weilen,
Ach! aber — auf welchem?— das weiß ich nicht.

Dort oben, dort seh' ich die Sternlein gehen
Und unten im Meere, da zieh'n sie auch,
Seh' oben den Mond in den Veilchen stehen,
Und unten im Meere, da weilt er auch.

O sage mir, sage, von welchem Sterne
Blickst, Mutter, auf's einsame Mädchen her?
Vom hellen dort oben in blauer Ferne,
Oder vom blaßen, der schwimmt im Meer?"

Und wellend hin fließen die sanften Klänge
Durch's düstere, lauschende Felsenheer,
Und leise, wie lockende Engelsänge,
Widerhallt es: — Im Meer! — im Meer! ——

Da bieget das Kind sich mit holdem Sehnen
Hinaus in die Flut von des Felsen jäh',
Und sinkt mit dankenden Freudentränen
Hinab in die blaue, ruhige See.

Die Reseden

Am Fenster des Burschen im Glase klar
Da duftet ein frisches Resedenpaar,
Noch ist's was Seltenes heuer,
Der Bursche hält es auch teuer.

In frühester Früh', er schläft sonst gern',
Da steht er auf mit dem Morgenstern',
Und springet zum Brunnen munter
Mit Glas und Blumen hinunter.

Er hatte sonst immer, wenn er studiert',
Ein jedes Blatt mit Tobak balsamiert,
Jetzt lies't er in seinem Buche
Viel lieber beim Blumengeruche.

Und schlendert er aus, so schaut er am Tor
Noch einmal verstohlen zum Fenster empor
So dreht er noch einmal die Blicke
Am Straßenende zurücke.

Sitzt Abends er in der Schenke beim Bier,
Zerschreien die andern die Wände schier;
So sitzet er stumm bei den Kannen,
Und denket lächelnd von dannen.

Wenn Einer dann von Reseden spricht,
Ein Schalk; — so stecket der arme Wicht
Verschämt in den Krug die Nase,
Verkröche sich gern' in dem Glase.

Und kommt er nach Haus' im Mondenschein,
So fällt ihm noch lange zu schlafen nicht ein,
Lehnt neben den Blumen gerne,
Und schauet hinauf in die Sterne.

Ei, ei! du schönes Resedenpaar,
Am Fenster des Burschen im Glase klar!
Dahinter muß etwas stecken; —
Und willst du mir's nicht entdecken?

Der alte Gott


Zum Gott jetzt haben mit gelehrten Brauen
Sie "All" und "Ich" und was weiß ich? gemacht.
Und beten nicht zu ihm? Wozu erdacht
Ist dann ein Gott, auf den sie nicht vertrauen?

Er ist's doch, dem sie ihre Tempel bauen,
Der sie im Elend stärkt, im Glück bewacht,
Aus Zweifelsqual erlöst und aus der Nacht
Des Grabes rettet — Nicht? Mich faßt ein Grauen!

O laßt am alten, treuen Gott mich halten,
Zu dem ich hoffend darf die Hände falten,
Und "Vater" rufen, wie ein Kind es ruft;

Der all' mein Haar gezählt und jede Zähre,
Der gegen Tod und Teufel steht zur Wehre
Und siegreich aufsprengt meiner Toten Gruft.

Der Herr des Meeres

Zu Southamton am Strande
Mit Zepter und mit Kron',
Im Purpur — Prachtgewande
Sitzt König Knut zu Thron;
Und laut erbrausen die Wogen.

Dem Winke seiner Brauen
Harrt stumm sein Mannenheer,
Doch seine Augen schauen
Kühn über's weite Meer;
Und laut erbrausen die Wogen.

Drauf wirft die Löwenmähne
Des Haupthaar's grau und lang
Mit Stolz zurück der Däne,
Der Englands Volk bezwang;
Und laut erbrausen die Wogen.

"Von diesem goldenen Stuhle
Bis heim zum blauen Belt,
Von Southamton bis Thule
Ist mein die nord'sche Welt."
Und laut erbrausen die Wogen.

"Und Du trotz deinem Grollen,
Uraltes Meer! — fortan
Sollst mir Gehorsam zollen
Als treuer Untertan;
Und laut erbrausen die Wogen.

"Willfährig meine Flotten
Soll tragen breit und stark
Dein Nacken zu den Schotten
Und heim nach Dänemark;"
Und laut erbrausen die Wogen.

"Zinspflichtig Deine Schätze
Den Küsten spüle zu;
Doch wag' es nicht, und netze
Mir, Deinem Herrn, den Schuh';"
Und laut erbrausen die Wogen.

Und wie er's ruft am Throne,
Rollt stolz die Flut herbei
Und schleudert wie im Hohne
Zum Bart' ihm ihr Gespei,
Und laut erbrausen die Wogen.

Er aber wirft vom Scheitel
Den Kronenreif ins Meer,
Ruft: "Menschenmacht ist eitel,
Dem Herrn allein die Ehr'!"
Und laut erbrausen die Wogen.