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II.
Lieder der Vergangenheit

 

Leichte Trübung
Das tote Glück
Trüber Gang
Unmut
Zu spät!
Vergangenheit
An Fr. Kleyle
Einst und jetzt
Die Jugendträume

 
Die Felsenplatte
Nebel
An meine Gitarre
An einen Jugendfreund

 

Leichte Trübung


Woher dies plötzliche Verstummen?
Und diese Wolken, kummerschwer,
Die mir dein Angesicht vermummen,
Das erst so froh gestrahlt, woher?

"Siehst du den blauen Berg dort ragen,
Der Felsen in die Lüfte hebt,
An welchen selbst die Gemsen zagen,
Und der erschrockne Jäger bebt?
Von seinem Gipfel schleudre du
Ein Steinchen spielend in die Tiefen:
Du störst der Lüfte schwanke Ruh,
Und Nebel steigen, die dort schliefen.
So warfst du, seine Kraft nicht ahnend,
Ein Wörtchen mir in meine Brust,
Ein Wörtchen, leise, aber mahnend,
Und sieh, nun stieg der trübe Wust
Von Nebelbildern alter Kränkung
Aus ihrer stillen Nachtversenkung."

Das tote Glück

Leis' umrauscht von Himmelsquellen,
Süße Sehnsucht in der Brust,
Saß ich einst die mondeshellen
Nächte da in stiller Lust.

Jene Zeit wird nimmer kommen,
Himmelsquellen sind versiegt,
All mein Sehnen ist verglommen,
Und mein Glück im Grabe liegt.

Weib, du riefst in böser Stunde
Mit dem zauberischen Blick,
Mit dem wonnevollen Munde
Schmeichelnd hin zu dir mein Glück.

Und es kam ein Kind und schmiegte,
Flehend sich in deinen Arm,
Der es mild umschlang und wiegte,
Als ein weicher Mutterarm.

Nun das Kind in Traumeswonnen
Hingeschlummert, sich verlor,
Nahmst du still und kaltbesonnen
Deinen Todesdolch hervor.

Scharf geschliffen am Gesteine
Deines Herzens war der Stahl,
Und das Kind, um das ich weine,
Atmete zum letztenmal.

Und du stießest leicht und munter,
Wie ein Steinchen in den Bach,
In das Grab mein Glück hinunter,
Sahst ihm ruhig, lächelnd nach.

Trüber Gang

Am Strand des Lebens irr' ich, starre düster
In's Todesmeer, umhüllt von Nebelflor;
Und immer wird der Strand des Lebens wüster,
Und höher schlägt die Flut an ihm empor. —
O strömt, ihr Tränen, strömt! — im Weiterirren
Seh' ich die längstverlornen Minnestunden,
Ein neckend Schattenvolk, vorüberschwirren,
Und neuer Schmerz durchglüht die alten Wunden.
Die Asche meiner Hoffnungen, die Kränze
Geliebter Toten flattern mir vorüber,
Gerissen in des Sturmes wilde Tänze,
Und immer wird's in meiner Seele trüber. —
Das Christuskreuz, vor dem in schönen Tagen
Ein Kind ich, selig weinend, oft gekniet,
Es hängt hinab vom Strande nun, zerschlagen,
Darüber hin die Todeswelle zieht. —
Seltsame Stimmen mein' ich nun zu hören:
Ein wirres Plaudern bald kommt's meinem Lauschen
Meerüber her, bald tönt's in leisen Chören,
Dann wieder schweigt's, und nur die Wellen rauschen.
Ein ernster Freund, mein einziges Geleite,
Weist stumm hinunter in die dunkle Flut;
Stets enger drängt er sich an meine Seite:
Umarme mich, du stiller Todesmut!

Unmut

Die Hoffnung, eine arge Dirne,
Verbuhlte mir den Augenblick,
Bestahl mit frecher Lügenstirne
Mein junges Leben um sein Glück.

Nun ist's vorüber; in den Tagen,
Als ihr Betrug in's Herz mir schnitt,
Hab' ich das süße Kind erschlagen,
Und mit dem Leben bin ich quitt.

Nicht mehr zum Lustschloß umgelogen,
Scheint mir die Erde, was sie ist:
Ein schwankes Zelt, das wir bezogen
— Gott habe Dank! — auf kurze Frist.

Zu lange doch dünkt mir das Brüten
Hier unter diesem schwanken Zelt;
Ergreif' es, Sturm, in deinem Wüten,
Und streu' die Lappen in die Welt!

Zu spät!

Schon hat der Lenz verblüht und ausgesungen,
Die holden Träume, seligen Gefühle
Erstarben in der bangen Sommerschwüle,
Mit der das Tatenleben angedrungen.

"Das Roß gespornt! die Wehre frisch geschwungen!"
So heißt es nun im heißen Kampfgewühle,
Bis mir der Sabbat fächelt seine Kühle,
Wann Müden mich der stille Tod umschlungen. —

Mir war's versagt, in jenen Blütentagen,
O Mädchen meiner Sehnsucht, dich zu finden.
Es suchten dich vergebens meine Klagen! —

Noch taucht mir hier und dort aus Kampfeswogen
Dein Bild herauf, doch muß es wieder schwinden.
Bald hat die Brandung es hinabgezogen.

Vergangenheit

Hesperus, der blasse Funken,
Winkt uns melancholisch zu.
Wieder ist ein Tag gesunken
In die stille Todesruh';

Leichte Abendwölkchen schweben
Hin im sanften Mondenglanz,
Und aus bleichen Rosen weben
Sie dem Toten einen Kranz.

Friedhof der entschlaf'nen Tage,
Schweigende Vergangenheit!
Du begräbst des Herzens Klage,
Ach, und seine Seligkeit!

An Fr. Kleyle

Vergib, vergib, Geliebter, dem Gesange,
Der deines Schmerzes leisen Schlummer stört,
Der dir Erinnerungen, süß und bange,
Herauf aus ihrer stillen Gruft beschwört!

Gedenkst du noch des Abends, den die Götter
Auf uns herabgestreut aus milder Hand,
So blühend, leicht, wie junge Rosenblätter,
Denkst du des Abends noch am Leithastrand?

Im Haine sprang von Baum zu Baum die Röte,
Sie wiegte sich auf Wipfeln, mischte froh
Sich in den Wellentanz, der zum Geflöte
Der Nachtigallen rasch vorüberfloh.

Wir aber schritten traulich durch die Schatten,
Und, süß geschwätzig, uns zur Seite ging
Die Hoffnung, sprach vom Himmel treuer Gatten,
Wies dir von Lottchens Hand den güldnen Ring.

Schon sah mein Blick, der in die Zukunft spähte,
In langen Reihen Wonnetage zieh'n;
Schon baut' ich kühn mit leichtem Traumgeräte
Mein früh zerfallnes Glück an deines hin. —

Sanft senkten sich in feierliches Schweigen
Die Züge der Natur, kein Lüftchen sprach,
Sie schien ihr göttlich Angesicht zu neigen,
Als sänne still sie einer Freude nach.

Die Sterne tauchten aus dem Äthermeere,
Der Weste Hauch erwachte nun im Hain,
Die Blume trank des Himmels leise Zähre,
Und selig irrten wir im Mondenschein. — —

Doch kommt ein Sturm nun über meine Saiten,
Reißt wild mir von der Leier jenen Tag,
Den schönen Tag mit allen Seligkeiten, —
Pocht mir an's Herz mit rauhem Flügelschlag.

Herein! herein! du finsterer Geselle!
Du bist in meiner Brust kein neuer Gast;
Ich öffne dir die trümmervolle Zelle,
In welcher dein Geschlecht schon oft gerast!

Des Abends, Freund, gedenk' ich jenes andern!
Ich seh' im winterlichen Dämmerlicht
Zur Kirche hin den langen Brautzug wandern,
Wo die Geliebte Treu' und Herz dir bricht.

Der Priester sprach den Segen ob dem Paare,
Mir schien ein Mordgewölb' das Heiligtum,
Ich sah die Hoffnung fallen am Altare,
Wie ward die süße Schwätzerin so stumm! —

Beflügle dich, mein Lied, denn immer trüber
Und tränenvoller stets wird deine Bahn;
O führe schnell den Freund mir da vorüber,
Wo ihn der Schauer nächtlichste umfah'n!

Vorüber, Lied, am bretternen Geschirre,
Darein der Tod gepflanzt die Rose bleich;
Fort von der Stimmen kläglichem Gewirre,
Da dumpf vernagelnd dröhnt der Hammerstreich! —

Wir sind vorbei. Der Sturm lenkt sein Gefieder
Zum dunkeln Horste der Vergangenheit,
Und Wehmut sinkt an meinen Busen wieder,
Die stille Freundin meiner Einsamkeit.

Einst und jetzt

"Möchte wieder in die Gegend,
Wo ich einst so selig war,
Wo ich lebte, wo ich träumte
Meiner Jugend schönstes Jahr!"

Also sehnt' ich in der Ferne
Nach der Heimat mich zurück,
Wähnend, in der alten Gegend
Fände sich das alte Glück.

Endlich ward mir nun beschieden
Wiederkehr in's traute Tal;
Doch es ist dem Heimgekehrten
Nicht zu Mut wie dazumal.

Wie man grüßet alte Freunde,
Grüß' ich manchen lieben Ort;
Doch im Herzen wird so schwer mir,
Denn mein Liebstes ist ja fort.

Immer schleicht sich noch der Pfad hin
Durch das dunkle Waldrevier:
Doch er führt die Mutter Abends
Nimmermehr entgegen mir.

Mögen deine Grüße rauschen
Vom Gestein, du trauter Bach;
Doch der Freund ist mir verloren,
Der in dein Gemurmel sprach.

Baum, wo sind die Nachtigallen,
Die hier sangen einst so süß?
Und wo, Wiese, deine Blumen,
Die mir Rosa sinnend wies? —

Blumen fort und Nachtigallen,
Und das gute Mädchen auch!
Meine Jugend fort mit ihnen.
Alles wie ein Frühlingshauch!

Die Jugendträume

Der Jüngling weilt in einem Blütengarten,
Und schaut mit Lust des Lebens Morgenrot;
Auf seinem Antlitz ruht ein schön Erwarten,
Die Welt ist Himmel ihm, der Mensch ein Gott.

Ein Morgenlüftchen streut ihm duft'ge Rosen
Mit leisem Finger in das Lockenhaar;
Sein Haupt umflattert mit vertrautem Kosen
Ein bunt Gevögel, singend wunderbar.

Seid stille, stille, daß die flücht'gen Gäste
Ihr nicht dem Jünglinge verscheucht; denn wißt:
Die Jugendträume sind es, wohl das Beste,
Was ihm für diese Welt beschieden ist.

Doch, weh! nun naht mit eisern schwerem Gange
Die Wirklichkeit, und fort auf ewig flieh'n
Die Vögel, und dem Jüngling wird so bange,
Da er sie weiter sieht und weiter zieh'n.

Die Felsenplatte

Dort am steilen Klippenhange,
Wo der Wildbach niederschäumt,
Lehnt beim Sonnenuntergänge
Einsam still ein Mann — und träumt.

Hingesenkt das gramesmatte
Angesicht, so früh verblüht,
Starrt er auf die Felsenplatte,
Die vom Abendrote glüht.

Wie er also unabwendig
Starret auf den hellen Stein,
Werden plötzlich d'rauf lebendig
Seine lieben Fantasei'n.

Seiner Kindheit Spielgenossen
Tanzen lustig d'rüber hin
Mit der Unschuld süßen Possen,
Laden ein zu Spielen ihn.

Auch sein Mütterlein, die gute,
Wandelt lächelnd auf dem Stein,
Die so manches Jahr schon ruhte
In dem öden Totenschrein.

Und nun sieht er unter ihnen
Klar sein eignes Jugendbild,
Mit den frohen Fremdlingsmienen
Auf der Erde Schmerzgefild.

Und er hört das laute Klopfen
In des Jünglings heißer Brust,
Sieht vom Aug' ihm niedertropfen
Tränen, selig, unbewußt;

Möchte mit dem Jüngling greinen,
Daß er traut der holden Mähr;
Und auch wieder bitter weinen,
Daß er nicht der Jüngling mehr. —

Im Gebirge wird es dunkel,
Im Gebirge wird es Nacht,
Doch des Steines hell Gefunkel
Hat sich heller angefacht.

Aus dem Felsengrunde sprießen
Blumen auf mit süßem Hauch,
Und, die Stelle einzuschließen,
Säuselt rings ein Blütenstrauch;

Aus dem schwanken Blütengitter
Strahlt ein Mädchenangesicht,
Wie der Mond aus dem Gezitter
Leiser Silberwellen bricht.

Mit jungfräulichem Erröten
Flüstert sie: "bin ewig dein!"
Und von allen Zweigen flöten
Nachtigallenlieder d'rein. —

Doch die Blumen jetzt verblassen,
Traurig schweigt der dürre Strauch,
Und der Jüngling steht verlassen,
Und der Jüngling welket auch. — —

Donner hallen in den Lüften,
Und im hellen Wetterstrahl,
Zu den Füßen des Vertieften,
Zuckt der Stein jetzt, bleich und kahl.

Nebel

Du, trüber Nebel, hüllest mir
Das Tal mit seinem Fluß,
Den Berg mit seinem Waldrevier,
Und jeden Sonnengruß.

Nimm fort in deine graue Nacht
Die Erde weit und breit!
Nimm fort, was mich so traurig macht,
Auch die Vergangenheit!

An meine Gitarre

Gitarre, wie du hängst so traurig!
Die Saiten tönen nimmermehr,
Die längst zerrissnen wanken schaurig
Im Abendwinde hin und her.

Auch deine Saiten sind zerrissen,
Es schweigt dein süßer Liederklang,
Seit in des Busens Finsternissen
Mir jede frohe Saite sprang.

Mir sank der Freund voll Jugendblüte
Hinunter in die Todesflut;
Die meiner Lieb' entgegenglühte,
Nun bei den kalten Toten ruht.

Doch will ich euch nun frisch besaiten,
Dich, meine Leier, dich, mein Herz!
Rückbannen die entfloh'nen Zeiten,
Die alte Lust, den alten Schmerz.

Hinaus in's Dunkel jener Eichen!
Dort findet sich der alte Lauf;
Dort stören wir die Liederleichen
Aus ihren stillen Gräbern auf.

Wenn erst die Lieder nur erwachen,
Dann ruft, dann zieht ihr lauter Chor
Die Lieben all' in meinen Nachen
Aus dunkler Todesflut empor.

Es klingt! — doch flieh'n im scheuen Fluge
Die Töne auf von meiner Hand;
So eilt, verspätet, nach dem Zuge
Das Vöglein über's Heideland.

Nun bin ich meines Herzens Meister!
Nun rauscht wie einst der Sturmakkord!
Schon springen die versunk'nen Geister
Herauf, herauf an meinen Bord!

O du, mein Freund, so treu und bieder!
Wohl mir, du bist mir wieder nah!
Dein süßes Wort auch hör' ich wieder:
Mein holdes Mädchen, bist du da? —

Doch nein! mich höhnten finstre Mächte!
Wo ist der Freund? das blonde Kind?
Der Nebel reicht mir keine Rechte;
Durch blonde Disteln saust der Wind!

An einen Jugendfreund

Des Lebens holder Zauber ging vorüber,
Ich klage, daß die Jugend mir verloren;
Doch Eines macht mir noch die Klage trüber:
Die Treue brach, die du mir einst geschworen.
Nicht meint' ich, daß vor uns das teure Erbe
Verblich'ner Jugend — ihre Freundschaft sterbe.

Du eiltest im Vergessen; ungeduldig
Warfst du dem Tod aus deiner Brust entgegen,
Was du nur allzubald dem herben schuldig,
Wenn's einmal aus ist mit des Herzens Schlägen.
Nicht wolltest du die Treu' im Busen halten
Bis an der Gruft gebieterisch Erkalten.

Wenn du tief schlummerst unter deinem Hügel,
Nichts mehr erfährst vom holden Lenzerwachen,
Wie laue Winde dann mit leichtem Flügel
Die Rosenglut am Strauch lebendig fachen,
Wie süß dann singen in den grünen Hallen
Von Rosenduft berauschte Nachtigallen:

Dann wäre früh genug der Freund vergessen,
Den du geliebt in deinen Jugendtagen,
Des volles Herz, gleich glühend, unermessen,
Dem Jugendideal und dir geschlagen.
Er hielt den Traum umarmet und dein Lieben,
Und Beides sah er märchenhaft zerstieben.

Gleichwie Nachtlüfte weh'n in Blütenhagen,
Wehmütig säuseln, doch kein Blatt entführen;
Wie Nachtigallen durch die Büsche klagen,
Doch keine Rose je zu Tode rühren:
So sollte dieses Lied mit seinem Trauern
Durch deine reiche Freudenblüte schauern.

Jedoch umsonst, daß ich dem Lied geböte,
Es will nicht ahmen leiser Lüfte Zittern,
Und nicht im Hain das klagende Geflöte;
Sein rauher Klang will deine Freude schüttern.
Hat doch der Frost, der nur von dir gekommen,
Von meinem Herbstgrün auch viel fortgenommen.

Das muß die sanften Klagetöne schärfen,
Seh' ich den Freund, mir einst vor allen teuer,
Mein Herz im frohen Übermut verwerfen;
Und zünden muß des Stolzes zürnend Feuer.
Dies Herz war oft von Gottes Flammen helle,
Nicht der Verwerfung Staub ist seine Stelle.

Ich kann es meiner Klage nicht verwehren,
Daß sie dich führe längstverlass'ne Pfade,
Und daß sie dich, vielleicht auch deine Zähren,
Zu einem trüben Abschiedsfeste lade;
Denn unsre Freundschaft will ich nun bestatten
Auf ewig in der Wehmut tiefern Schatten.