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VII.
Vermischte Gedichte 1

 

Die Tränen
In der Krankheit
An die Melancholie
Einem Freunde ins Stammbuch
Vergänglichkeit
Trias harmonica
Zögerung
An eine Dame in Trauer
An Mathilde
Einem Knaben
Abschied
Am Grabe eines Ministers
Der Indifferentist
An die Hoffnung
In das Stammbuch einer Künstlerin
Unmögliches
Einem Ehrsüchtigen
Frage
Mein Stern
Das Herz
Reiterlied

Die Tränen


Tränen, euch, ihr trauten, lieben,
Bring' ich diesen Dankgesang!
Seid ja auch nicht ausgeblieben,
Wenn mein Herz im Liede klang;

Schlichet die bekannten Gleise
Still herab, als wolltet ihr
Meinen Schmerz behorchen leise,
Und das Lied quoll sanfter mir.

Wenn der Dolch im Busen wühlte,
Tief vom Unglück eingebohrt,
Kam der Trost von euch, und spülte
Linde die Verzweiflung fort.

O flieht keinen Wildumdrohten
Von Orkan und Wetterschein!
Naht ihm, naht ihm, Friedensboten,
Laßt den Armen nicht allein!

Ist die Nacht vorbei, so fehle
Ihm doch eure Treue nicht,
Und die Traufe seiner Seele
Netze mild sein Angesicht

Mit der Wehmut süßen Tropfen,
Daß sein Herz, war's auch gequält,
Nie verlerne doch zu klopfen
Dieser schönen Gotteswelt.

Nicht nur, wo der Herzensnager
Gram wühlt, habt ihr euern Lauf,
Auch wo Lust ihr Reisetager
Schlägt in einem Busen auf:

Ha, wie wogt das Festgetümmel
In dem engen Kämmerlein,
Wenn der ganze reiche Himmel
Überfüllend will hinein!

Und die Tränen seh' ich blinken
Auf der Wang' im Freudenglast,
Und sie zittern und sie winken
Alle Welt herein zu Gast. —

Als ich einst am Sterbebette
Eines lieben Freundes stand,
Und der Tod die Rosenkette
Kalt uns aus den Händen wand;

Weint' ich ihm die letzte Ölung,
Und — schon lag er still und blaß;
Doch in seines Auges Höhlung
Mild noch eine Träne saß,

War so heilig anzuschauen,
Wies die Sehnsucht himmelan,
Wie der Engel, den die Frauen
Einst am Grabe Jesu sah'n.

In der Krankheit

1.
Nacht umschweigt mein Krankenlager.
An der morschen Diele nur
Reget sich der kleine Nager,
Und es pickt die Pendeluhr,
Die eintönig mich bedeutet,
Daß das Leben weiter schreitet.

Über trübe, heit're Stellen
Schreitet's unaufhaltsam hin,
Wie des Stromes rasche Wellen
Blum' und Dorn vorüberzieh'n.
Immer senkt die Bahn sich jäher,
Kommt der Schritt dem Orkus näher.

Mir auch senkt sie sich, und schaurig
Weht es aus der Niederung;
Und, noch Jüngling, hör' ich traurig,
Wie aus banger Dämmerung
Meines Herzens matten Schlägen
Der Cocytus rauscht entgegen.

2.
Einsamkeit! mein stilles Weinen
Rinnt so heiß in deinen Schoß;
Doch du schweigst und hast nicht einen
Seufzer für mein trübes Los!
Legen schon die Jugendjahre
Abgeblüht mich auf die Bahre,
Wird kein Auge feuchten sich?
Wird kein Busen bänger schlagen,
Wenn sie mich zu Grabe tragen?
Liebt kein Herz auf Erden mich? —
Heißer strömt es von der Wange:
Keines, keines! fühl' ich bange.

An die Melancholie

Du geleitest mich durch's Leben,
Sinnende Melancholie!
Mag mein Stern sich strahlend heben,
Mag er sinken — weichest nie!

Führst mich oft in Felsenklüfte,
Wo der Adler einsam haust,
Tannen ragen in die Lüfte,
Und der Waldstrom donnernd braust.

Meiner Toten dann gedenk' ich,
Wild hervor die Träne bricht,
Und an deinen Busen senk' ich
Mein umnachtet Angesicht.

 
Einem Freunde ins Stammbuch

Rüstig wandelst du fort die Alpenpfade der Edlen,
    Wo die reinere Luft Busen und Stirne dir kühlt,
Pflückest vom Felsengeklipp', vom schmalen Rande des Abgrund's
    Duftende Blumen und schlingst sie zum harmonischen Kranz,
Ihn zu tragen, ein Opfer, zum Hochaltare der Menschheit,
    Ach, um welchen es stets stiller und einsamer wird:
Traurig flüstern auf ihm die Kränze der wenigen Edlen,
    Totenkränze nunmehr schöner verblichener Zeit.
Aber du wandle hinan getrost, und wäre dein Leben
    Auch nur Feier des Tod's schöner verblichener Zeit.
Kommt auf deinen Pfaden dir einst der Donner entgegen,
    Dräuend im nächtlichen Flug, fahren Orkane dich an:
Freund, dann flatt're dies Blatt vor deinen Blicken im Sturme,
    Und es rausche dir zu: "denke des liebenden Freunds!"


Vergänglichkeit

Vom Berge schaut hinaus in's tiefe Schweigen
Der mondbeseelten, schönen Sommernacht
Die Burgruine; und in Tannenzweigen
Verseufzt ein Lüftchen, das allein bewacht
Die trümmervolle Einsamkeit,
Den bangen Laut: "Vergänglichkeit!"

"Vergänglichkeit!" mahnt mich im stillen Tale
Die ernste Schar bekreuzter Hügel dort,
Wo dauernder der Schmerz in Totenmale,
Als in verlass'ne Herzen sich gebohrt;
Bei Sterbetages Wiederkehr
Befeuchtet sich kein Auge mehr.

Der wechselnden Gefühle Traumgestalten
Durchrauschen äffend unser Herz, es sucht
Vergebens seinen Himmel festzuhalten,
Und fortgerissen in die rasche Flucht
Wird selbst der Jammer, und der Hauch
Der sanften Wehmut schwindet auch.

Horch' ich hinab in meines Busens Tiefen,
"Vergänglichkeit!" klagt's hier auch meinem Ohr,
Wo längst der Kindheit Freudenkläng' entschliefen,
Der Liebe Zauberlied sich still verlor;
Wo bald in jenen Seufzer bang
Hinstirbt der letzte frohe Klang.

Vergänglichkeit! dein Hauch, als Sturmeswüten,
Wirft hingeschmettert Eichen in den Staub;
Dein Hauch, als linder West, entführt die Blüten
Dem Rosenstrauch in schmeichlerischem Raub.
Wie Blüten hier, so fächelt dort
Dein Hauch die welken Sterne fort!


Trias harmonica

Drei Seelen hab' ich offenbar,
Denn eine kann drei Dinge nicht
Zugleich vollbringen, wie sogar
Der weise Psychologe spricht.

Die eine hängt voll Liebesglut
An schönen Mund's Korallenrand;
Die and're schwimmt auf Weinesflut
Hinüber an den Götterstrand;

Die dritt' in freudigem Tumult
Braust ihre Dithyramben laut,
Und schleudert ihren Katapult
An's kalte Herz, metallverbaut.

So geht's, bis an den Bettelstab
Sie ihren Wirt, den Leib, gezehrt;
Bis jubilierend dann hinab
Die tolle Drei zur Hölle fährt.

Zögerung

Beschritten schon von seinem Reiter
Rafft auf der Weide noch das Roß
Die letzten Halme, will nicht weiter,
Bis ihm der Sporen scharfer Stoß
Gewaltig in die Seiten dringt,
Und es im Sturm von dannen zwingt.

Und fühlt der Mensch mit bleichem Beben
Den Tod ihm sitzen am Genick,
So klammert sich sein Fuß an's Leben,
Er bettelt um den Augenblick,
Bis wild der Tod die Geißel schwingt,
Und ihn mit Macht von dannen zwingt.


An eine Dame in Trauer

Vom Grabe deines treuen Mannes
Ist noch die Schaufel feucht;
O Weib, o nichts von einem Weibe!
Dein Aug' ist nicht mehr feucht?

Hinab! zuchtloses Blut der Wangen,
In's Herz, du Schandeborn!
Kann dich des Gatten Tod nicht jagen,
So jage dich mein Zorn!

Das Tränenschild, den Flor herunter,
Mit dem du dich behängt!
In dieser Kneipe wird die Träne,
Die Edle, nicht geschenkt.


An Mathilde

Schon verrauscht der Tag, und des Abends sanftere Seele
   Fließt, wie süße Musik, sänftigend uns in die Brust.
Horch, Mathilde, wie leise der West durch Blüten dahinscherzt,
   Leiser noch weht sein Hauch, kost er um deine Gestalt.
Sieh die Biene, sie wandelt von Blume zu Blume geschäftig,
   Süße Bereicherung lockt weiter die summende stets;
Also wandelt die Seele dereinst von Blume zu Blume,
   Welche zum strahlenden Kranz sich der Unendliche wand:
Also wandelt sie einst von Welten weiter zu Welten,
   Näher dem liebenden Gott, liebender, göttlicher stets.
Aber die Wechselgestalten des Lebens, sie teilen nicht alle
   Gleich der Unsterblichkeit Los, wenn uns der Ewige winkt;
Nur das Schönste des Lebens, worin der Himmel uns kund wird,
   Nimmt die Seele mit fort, schwingt sie den Sternen sich zu.
Doch die trüben Gestalten verhüllt Nacht, ewige Nacht dann.
   Heil der Stunde, die selbst dann noch uns wonnig umstrahlt!
O Mathilde, dein Auge voll himmlischer, tiefer Bedeutung,
   Blickt mir in's Auge so ernst, und so entzückend zugleich,
Daß die Seele mir bebt, o Geliebte! ahnet dir etwa,
   Daß auch diesen Moment hüllen nicht werde die Nacht?


Einem Knaben

Was trauerst du, mein schöner Junge?
Du Armer, sprich, was weinst du so?
Daß treulos dir im raschen Schwunge
Dein liebes Vögelein entfloh?

Du blickest bald in deiner Trauer
Hinüber dort nach jenem Baum,
Bald wieder nach dem leeren Bauer
Blickst du in deinem Kindestraum.

Du legst so schlaff die kleinen Hände
An deines Lieblings ödes Haus,
Und prüfest rings die Sprossenwände,
Und fragst: "wie kam er nur hinaus?"

An jenem Baume hörst du singen
Den Fernen, den dein Herz verlor,
Und unaufhaltsam eilig dringen
Die heißen Tränen dir hervor.

Gib acht, gib acht, o lieber Knabe,
Daß du nicht dastehst traurend einst,
Und um die beste, schönste Habe
Des Menschenlebens bitter weinst!

Daß du die Hand, die sturmerprobte,
Nicht legst, ein Mann, an deine Brust,
Darin so mancher Schmerz dir tobte,
Dir säuselte so manche Lust;

Daß du die Hand mit wildem Krampfe
Nicht drückest deinem Busen ein,
Aus dem die Unschuld dir im Kampfe
Entfloh'n, das scheue Vögelein.

Dann hörst du flüstern ihre leisen
Gesänge aus der Ferne her;
Neigst hin dich nach den süßen Weisen:
Das Vöglein aber kehrt nicht mehr! —


Abschied
Lied eines auswandernden Portugiesen

Sei mir zum letztenmal gegrüßt
Mein Vaterland, das feige dumm,
Die Ferse dem Despoten küßt,
Und seinem Wink gehorchet stumm.

Wohl schlief das Kind in deinem Arm,
Du gabst, was Knaben freuen kann,
Der Jüngling fand ein Liebchen warm;
Doch keine Freiheit fand der Mann.

Im Hochland streckt der Jäger sich
Zu Boden schnell, wenn Wildesschar
Heran sich stürzet fürchterlich;
Dann schnaubt vorüber die Gefahr:

Mein Vaterland, so sinkst du hin,
Rauscht deines Herrschers Tritt heran,
Und lässest ihn vorüberzieh'n,
Und hältst den bangen Atem an. —

Fleug, Schiff, wie Wolken durch die Luft,
Hin, wo die Götterflamme brennt!
Meer, spüle mir hinweg die Kluft,
Die von der Freiheit noch mich trennt!

Du neue Welt, du freie Welt,
An deren blütenreichem Strand
Die Flut der Tyrannei zerschellt,
Ich grüße dich, mein Vaterland!


Am Grabe eines Ministers

Du fuhrst im gold'nen Glückeswagen
Dahin den raschen Trott,
Von keuchenden Lüsten fortgetragen,
Und dünktest dir ein Gott!

Wie flogen des Pöbels Rabenschwärme
Dir aus dem Weg' so bang,
Da sie hörten der Geißel wild Gelärme,
Der Räder Donnerklang!

Ein weinender Bettler, stand am Wege
Das arme Vaterland,
Und flehte dich an um milde Pflege
Mit aufgehob'ner Hand;

Doch wie auch klagte die bitt're Klage,
Wie auch die Träne rann:
Du triebst mit gellendem Geißelschlage
Vorüber dein Gespann! —

"Halt!" schlug nun eine grause Stimme
An dein entsetztes Ohr,
Es stürzt' ein Räuber mit Hohn und Grimme,
Der Tod, vom Wald hervor;

Und hieb die Stränge mit scharfem Schwerte
Vom Wagen, riß mit Macht
Dich fort, trotz Flehen und Angstgebärde,
In seine finst're Nacht. —

Das Vaterland mit Lachen und Singen
Hält Wacht an deinem Grab;
Scheucht Tränen und Seufzer und Händeringen
Fort mit dem Bettelstab!


Der Indifferentist

Ob du, ein Sokrates, den Schierlingsbecher
Auf's Wohl des Vaterlandes lächelnd trinkst;
Ob du, ein schnöder, teuflischer Verbrecher,
Vom Henkerbeil getroffen, fluchend sinkst;

Ob dein Genie sein Werk den raschen Zeiten
Geschleudert, ein Gebirg, in ihre Bahn,
Daß sie an seinem Fuß vorüberschreiten,
Und grauend seine Gipfel starren an;

Ob nichts dein langes Leben war hienieden,
Als für's Gewürm des Grabes eine Mast;
Ob du, der Menschheit Fesseln anzuschmieden,
Ein toller Held die bange Welt durchrast:

Ist just so wichtig, als: ob nur im Kreise
Einförmig stets das Aufgußtierchen schwimmt,
Ob es vielleicht nach rechts die große Reise,
Vielleicht nach links im Tropfen unternimmt.


An die Hoffnung

Hoffnung! laß allein mich wallen,
Gaukle nicht um meine Bahn!
Deine Sterne sind gefallen,
Und mich täuscht kein holder Wahn!

Dieser streckt nach einer Krone
Seine Hand verwegen aus;
Doch ihn stoßt der Tod mit Hohne
In sein enges, kühles Haus.

Und ein Andrer hat errungen,
Was der Erste nur gewollt;
Hat die höchste Höh' erschwungen:
Throne wanken, wenn er grollt.

Hoffnung! o warum entzündest
Du sein Herz zum stolzen Plan,
Da du schmeichelnd ihm verkündest
Einen Weltteil untertan?!

Über Völkern klirrt die Kette,
Da sein Schritt nach Osten stürmt;
Bang ruft eins dem andern: rette!
Von der Schreckensmacht umtürmt.

Nun ergreift ihn sein Verhängnis,
Reißt ihm Kron' und Purpur ab,
Schleudert ihn in's Meergefängnis;
Bald verschlingt ihn dort sein Grab. —

In der Nächte stiller Feier
Hebt der heiligen Natur
Kühn ein Forscher ihre Schleier,
Und verfolget Gottes Spur.


Denn du lässest schön erglänzen
Ihm ein Mal der Ewigkeit,
Enkel seine Gruft bekränzen; —
Und ihn lohnt — Vergessenheit!

Nach der Liebe treuem Glücke,
Das er nirgends finden soll,
Kehrt ein Andrer seine Blicke,
Dir vertrauend, sehnsuchtsvoll.

Ach, sie liebt ihn, der Entglühte
Hält sie wonnevoll umstrickt;
Doch der Liebe zarte Blüte
Wird im Rausche bald zerknickt! —

All' dein Wort ist Windesfächeln;
Hoffnung! dann nur trau' ich dir,
Weisest du mit Trosteslächeln
Mir des Todes Nachtrevier!


In das Stammbuch einer Künstlerin
Erinnerung an einen Spaziergang

Nach langem Wege durch die Sommerschwüle
Rauscht' uns ein Wald entgegen seinen Gruß;
Uns übergoß die Luft mit süßer Kühle,
Die Blätternacht mit ihrem Labekuß.
Und wie wir aus den heißen, hellen Triften,
Wo mühend sich der Mensch dem Leben weiht,
In's Waldgeheimnis weiter uns vertieften,
Und in den Schatten Gottes: Einsamkeit; —
So flohen deine heiteren Gespräche
Fort von des Lebens wüstem, steilem Hang
Waldein, und wandten sich als klare Bäche
Durch's Labyrinth der Kunst mir leisem Klang.
Auf ihren Wellen bebten die Gestalten
Von all' den Blumen, die ihr Lauf berührt;
Ich aber sah, nachhangend ihrem Walten,
Die froherstaunte Seele mir entführt.


Unmögliches

Bevor mein Blick den Zauber noch getrunken,
Der, wie die Farbenpracht am Demant glüht,
Dich tausendfach, doch immer neu, umblüht;
Horcht' ich dem Freund, in Ahnungen versunken.
Wir seh'n des Berges Haupt in Purpur prangen,
Wenn schon die Sonne sank und Dämmerung
Den Hain umflort: so strahlt' Erinnerung
An dich, Geliebte, von des Freundes Wangen.
Begeistert taucht' er in des Busens Tiefen
Den Pinsel, und er malte warm und mild
Dem sel'gen Horcher dein entzückend Bild,
Gefühle weckend, die seit lange schliefen.
Doch wie's dem Dichter nimmer will gelingen,
Des Busens Drang in's enge Wort zu zwingen,
Hinüber uns in seine Welt zu singen;
So hat der Freund vergebens dich gemalt,
Sie nicht erreicht, die göttliche Gestalt,
Und deiner Seele stille Allgewalt.

Einem Ehrsüchtigen

Laß das Ringen nach der Ehre;
Lieber all' dein heißes Streben
In den eignen Busen kehre,
Und du lebst ein schön'res Leben.

Frage

O Menschenherz, was ist dein Glück?
Ein rätselhaft geborner,
Und, kaum gegrüßt, verlorner,
Unwiederholter Augenblick!


Mein Stern

Um meine wunde Brust geschlagen
Den Mantel der Melancholei,
Flog ich, vom Lebenssturm getragen,
An dir, du Herrliche, vorbei.

Vom Himmel deiner Augen stiegen
Wie Engel Tränen niederwärts
An deinen holdgerührten Zügen,
Und priesen mir dein gutes Herz.

Und alle Welten um mich schwanden,
Mein Leben starrt' in seinem Lauf,
Im süßempörten Busen standen
Die alten Götter wieder auf.

Da riß der Sturm von dir mich wieder
Hinaus in seine wüste Nacht;
Doch strahlt nun Frieden auf mich nieder,
Ein Stern mit ewig heller Pracht.

Denn wie, vom Tode schon umfangen,
Der Jüngling nach der holden Braut
Die Arme streckt mit Glutverlangen
Und sterbend ihr in's Auge schaut:

So griff nach deinem holden Bilde
Die Seele, schaut es ewig an,
Sieht nichts vom trüben Erdgefilde,
Fühlt nicht die Dornen ihrer Bahn.

Entriss' auch einst der Tod mir strenge,
Was mir das Leben Liebes gab;
Er nehm' es hin! doch Eines ränge —
Ich ränge kühn dein Bild ihm ab.


Das Herz

Scheitert unsre Brust an Klippen,
Hingeschellt von Sturmeswut;
Trinkt mit aufgeriss'nen Lippen
Unsre Wunde Schmerzensflut;

Schöpft das Herz dann hastig bange
Aus der Brust den Tränenguß,
Weil es sonst vom Wellendrange
Überflutet sterben muß:

Dann wird auch der Sturm beschworen,
Helle wird die Finsternis,
Es vertünchen milde Horen
An der Brust den Wundenriß.

Aber ist das Herz ein zages,
Wenn die Brust die Woge trinkt;
Starrt es ob des Klippenschlages
Störrisch, müßig — und versinkt;

Ist's ein wildes ungezäumtes,
Wird es im Tumulte scheu,
Todestrunken glüht und schäumt es,
Und zertrümmert sein Gebäu.

Wenn dann auch der Himmel heiter
Und mit lindem Hauche weht,
Sanft der Strom hinwiegt die Scheiter;
Für die Toten ist's zu spät.

Doch ihr Schifflein, hört, ihr andern!
Seid ihr auch dem Sturm entwischt,
Ruhig mögt ihr weiter wandern,
Aber nicht gehöhnt, gezischt:

Wie der Nachen ward zertrümmert!
Wie das Herz im Strom ersoff!
Warst wohl auch zu leicht gezimmert!
Warst wohl auch aus schlechtem Stoff!

Hütet euch, ihr andern, hütet!
Denkt an eurer Fahrten Rest;
Denn die Nacht der Zukunft brütet
Manchen Sturm im dunkeln Nest.


Reiterlied

Wir streifen durch's Leben im schnellen Zug,
Ohne Rast wie die stürmische Welle;
Wir haschen die Frucht im Vorüberflug,
Und schlummern nicht ein an der Quelle;
Wir pflücken die Rose, wir saugen den Duft,
Und streuen sie dann in die flatternde Luft.

Der Friedliche sitzet und lauert bang,
Bis das Glück ihm poch' an die Türe.
Noch späht er bei'm Sterbeglöckleinklang,
Ob das Glück an der Klinke nicht rühre;
Wohl rührt sich die Klink', und es tritt herein,
Erschrick nicht, du Armer, — es ist Freund Hein!

Der Reiter verfolgt das entlaufende Glück,
Er faßt's an den fliegenden Locken,
Und zwingt es zu sich auf den Sattel zurück,
Und umschlingt es mit wildem Frohlocken:
"Mußt reiten mit mir durch Nacht und Graus,
Durch Strom und Geklüft zum blutigen Strauß!"

Wir sprengen hinein in die laute Schlacht,
Es tanzen die wiehernden Rosse
Dahin, wo der Donner am stärksten kracht,
Weit voran dem trippelnden Trosse:
Dem Reiter kredenzt auf sein stürmisch Gebot
Den ersten, den feurigsten Trunk der Tod!