An
den Ischler Himmel
im Sommer 1838
Ein Scherz
Himmel! seit vierzehn Tagen unablässig
Bist du so gehässig und regennässig,
Bald ein Schütten in Strömen, bald Geträufel!
Himmel, o Himmel, es hole dich der Teufel!
Gurgelst wieder herab die schmutzigen Lieder,
Hängen vom Leibe dir die Fetzen nieder,
Taumelst gleich einem versoffnen zitternden Lumpen
Hin von Berge zu Berge mit vollem Humpen!
Warfst den Bergen die Kinder aus ihren Betten,
Alle Bäche heraus, und plump zertreten
Hast du die reifende Saat den armen Bauern;
Unband! wie lange noch soll dein Unfug dauern?
Wenn doch endlich tüchtige Winde brausten
Und dich rasch von dannen peitschten und zausten!
Aber du wirst von Stunde zu Stunde noch frecher.
Lümmelst schon dich herein bis auf unsre Dächer
Hast an harten Felsen den Kopf zerschlagen,
Und noch bist du nicht hin! seit vierzehn Tagen!
Blinder Unhold! es ist das Auge der Sonnen
Und das Auge des Monds dir ausgeronnen.
Ungastfreundlicher Strolch! die schönsten Frauen
Kamen zu baden, und das Gebirg zu schauen;
Baden können sie g'nug, doch den Hals nie strecken
Aus dem Tale, dem riesigen Badebecken.
Hätte Ischl nur dich und seine Solen,
Hätt' ich mit einem Fluche mich längst empfohlen,
Doch nebst dir und deinem Wolkengewimmel
Hat es zum Glück noch einen andern Himmel!
Der Kranich
Stoppelfeld, die Wälder leer,
Und es irrt der Wind verlassen,
Weil kein Laub zu finden mehr,
Rauschend seinen Gruß zu fassen.
Kranich scheidet von der Flur,
Von der kühlen, lebensmüden,
Freudig ruft er's, daß die Spur
Er gefunden nach dem Süden.
Mitten durch den Herbstesfrost
Schickt der Lenz aus fernen Landen
Dem Zugvogel seinen Trost,
Heimlich mit ihm einverstanden.
O wie mag dem Vogel sein,
Wenn ihm durch das Nebeldüster
Zückt in's Herz der warme Schein
Und das ferne Waldgeflüster!
Hoch im Fluge über's Meer
Stärket ihn der Duft der Auen;
O wie süß empfindet er
Ahndung, Sehnsucht und Vertrauen!
Nebel auf die Stoppeln taut;
Dürr der Wald; — ich duld es gerne,
Seit gegeben seinen Laut
Kranich, wandernd in die Ferne.
Hab ich gleich, als ich so sacht
Durch die Stoppeln hingeschritten,
Aller Sensen auch gedacht,
Die ins Leben mir geschnitten;
Hab ich gleich am dürren Strauch
Andres Welk bedauern müssen,
Als das Laub, vom Windeshauch
Aufgewirbelt mir zu Füßen:
Aber ohne Gram und Groll
Blick ich nach den Freudengrüften,
Denn das Herz im Busen scholl,
Wie der Vogel in den Lüften;
Ja, das Herz in meiner Brust
Ist dem Kranich gleich geartet,
Und ihm ist das Land bewußt,
Wo mein Frühling mich erwartet.
Das dürre Blatt
Durch's Fenster kommt ein dürres Blatt,
Vom Wind hereingetrieben;
Dies leichte, off'ne Brieflein hat
Der Tod an mich geschrieben.
Das dürre Blatt bewahr ich mir,
Will's in die Blätter breiten,
Die ich empfangen einst von Ihr:
Es waren schöne Zeiten!
Da draußen steht der Baum so leer;
Wie er sein Blatt im Fluge,
Kennt sie vielleicht ihr Blatt nicht mehr,
Trotz ihrem Namenszuge.
Der toten Liebe Worte flehn,
Daß ich auch sie vernichte,
Wie festgehaltne Lügner stehn
Sie mir im Angesichte.
Doch will ich nicht dem holden Wahn
Den Wurf in's Feuer gönnen;
Die Worte sehn mich traurig an,
Daß sie nicht sterben können.
Ich halte fest, zu bittrer Lust,
Was all mein Glück gewesen,
In meinen schmerzlichen Verlust
Will ich zurück mich lesen.
Das dürre Blatt leg ich dazu,
Des Todes milde Kunde,
Daß jedes Leiden findet Ruh,
Und Heilung jede Wunde.
Erinnerung
Einst gingen wir aus einer Bergeswiese,
Tief atmend tranken wir die Blumenseelen,
Das Bächlein kam herab, uns zu erzählen
Den unvergeßnen Traum vom Paradiese.
Wir sahn das Abendrot die Gipfel färben,
Es war ein Spiel vom schönsten Alpenlichte,
Doch wandt' ich mich nach deinem Angesichte,
Das strahlte mir wie Liebe ohne Sterben.
Bald war den Bergen ihre Glut entschwunden,
Und wird vielleicht so schön nie wieder kommen;
Auch deinem Antlitz war der Strahl genommen,
Ich sah ihn nicht in allen spätern Stunden.
Hat mich vielleicht in deinen Zaubermienen
Der Widerschein der Sonne nur geblendet?
Auch dann ein Strahl der Liebe, die nicht endet,
Doch besser wär's, mir hätt' er nicht geschienen.
Gutenberg
"Schon weht es kühler auf Erden;
Es möchte Abend werden,
Es möchte werden Nacht,
Bevor durchrungen die Schlacht,
Der Menschheit altes Gefecht
Um Freiheit, Licht und Recht
Ich reiche beiden Heeren
Beschleunigend Waffen und Wehren,
Es soll ihr Letztes wagen
Die Höll' und werden erschlagen;
Daß noch ein Stündlein Frieden
Der Menschheit sei beschieden."
So dachte der Genius, der die Menschheit führt,
Als er die Stirne Gutenbergs berührt.
An Agnes
Wo kein Strahl des Lichtes blinket,
Wo kein Tau von Tränen sinket,
In die Stille nieder
Und hinaus in alle Weiten
Nächtlicher Vergessenheiten
Dringen deine Lieder.
Die entflohn und nicht mehr kamen
Freuden mit verlornen Namen
Kannst du wiederbringen;
Lauschend treten alle Schmerzen
Leiser auf in meinem Herzen,
Hören sie dich singen.
Im Vorfrühling
Am
Grabe E. Mikschik's
Ringsum sind die Berge noch verschneit,
Aber Blumen seh' ich hier, die frühen!
Blumen, schön, daß ihr gekommen seid,
Hier auf seinem frühen Grab zu blühen.
Freudig stieg er manchen Berg hinan,
Um des Frühlings Grüße zu empfangen.
Weil der Tote nicht mehr kommen kann,
Ist nun ihm der Frühling nachgegangen.
Blumen! ob ihr nicht die Freuden seid,
Die dem Toten hätten kommen sollen?
Die, gehüllt in euer lichtes Kleid,
Doch aus seinem Grabe blühen wollen?
Bei Übersendung
eines Straußes
In den trüben, in den kalten
Tagen, die uns heimgesucht,
Hat der Herbst aus ihrer Flucht
Letzte Blumen aufgehalten,
Um sie dir zu schenken!
Diesem Herbste will ich gleichen:
Wenn auf meine lauten Wälder,
Blumigen Gedankenfelder
Mir die Todeslüste streichen,
Daß sie schweigen und verblühn,
Will ich mit dem letzten Grün
Deiner noch gedenken.
Der einsame Trinker
I.
"Ach, wer möchte einsam trinken,
Ohne Rede, Rundgesang,
Ohne an die Brust zu sinken
Einem Freund im Wonnedrang?"
Ich; — die Freunde sind zu selten;
Ohne Denken trinkt das Tier,
Und ich lad' aus andern Welten
Lieber meine Gäste mir.
Wenn im Wein Gedanken quellen,
Wühlt ihr mir den Schlamm empor,
Wie des Ganges heil'ge Wellen
Trübt ein Elephantenchor.
Dionys in Vaterarme
Mild den einzlen Mann empfing,
Der, gekränket von dem Schwarme,
Nach Eleusis opfern ging.
II.
Ich trinke hier allein,
Von Freund und Feinden ferne,
In stiller Nacht den Wein,
Und meide selbst die Sterne:
Da fährt man gerne mit
In Blicken und Gedanken,
Und könnt' aus solchem Ritt
Das volle Glas verschwanken.
Der Kerzen heller Brand
Kommt besser mir zu statten,
Da kann ich an der Wand
Doch schauen meinen Schatten.
Mein Schatten! komm, stoß an
Du wesenloser Zecher!
Aus, schwinge, mein Kumpan,
Den vollen Schattenbecher!
Seh' ich den dürren Schein
In deinem Glase schweben,
Schmeckt besser mir der Wein
Und mein lebendig Leben;
So schlürfte der Hellen
Die Lust des Erdenpfades,
Sah er vorübergehn
Als Schatten sich im Hades.
III.
Schatten, du mein Sohn,
Hast dich nicht verändert,
Warst vor Jahren schon
Eben so gerändert.
Was auf Stirn und Wang'
Zeit mir eingehauen:
Jugenduntergang
Lässest du nicht schauen.
Einen Berg ich sah
Spät im Herbste ragen,
Umriß war noch da
Wie zu Frühlings Tagen.
Nicht mit seinem Grat
Gibt der Berg zu wissen:
"Meine Wälder hat
Mir der Sturm zerrissen.
Meine Herde schied
Mit den Glockenklängen,
Still das Alpenlied
Aus den Wiesenhängen."
Hohen Angesichts
Blickt der Berg in's Ferne.
Nahm der Herbst doch nichts
Seinem Felsenkerne.
Froh in's ferne Land
Will wie er ich blicken;
Und mein fester Stand
Trotze den Geschicken.
Süßes Traubenblut
Fließt aus meiner Schanze;
Rebe, teures Gut!
Seelenvolle Pflanze!
Soll für Recht und Licht
Andres Blut einst fließen,
Minder freudig nicht
Will ich meins vergießen.
IV.
Redlich, Schatten, kannst du heben
Den Pokal, mich lassen leben:
Wenn sie meinen Leib bestatten.
Bist du mitvergangen, Schatten!
Manches Auge möchte weinen;
Schatten, doch ich wüßte Keinen
Aus dem weiten Erdenringe,
Der wie du mit mir verginge.
Weil dem Sünder ohne Reue
Soll gebrochen sein die Treue,
Lassen tiefempfundne Mähren
Den Verbrecher dich entbehren.
Treuer Freund, sei mir gepriesen!
Hast mir Liebes oft erwiesen;
Will zu stolz das Herz mir glänzen.
Zeigst du still mir meine Grenzen.
Frühling
Die warme Lust, der Sonnenstrahl
Erquickt mein Herz, erfüllt das Tal
O Gott! wie deine Schritte tönen!
In tiefer Lust die Wälder stöhnen;
Die hochgeschwellten Bäche fallen
Durch Blumen hin mit trunknem Lallen;
Sein bräutlich Lied der Vogel singt,
Die Knosp' in Wonne still zerspringt;
Und drüber goldner Wolken Flug:
Die Liebe ist in vollem Zug,
An jeder Stelle möcht' ich liegen;
Mit jedem Vogel möcht' ich fliegen,
Ich möchte fort und möchte bleiben,
Es fesselt mich und will mich treiben
O Lenz, du holder Widerspruch;
Ersehnte Ruh und Friedensbruch,
So heimatlich und ruhebringend,
So fremd, in alle Ferne dringend
Das Frühlingsleuchten, treu und klar,
Erscheint dem Herzen wunderbar
Ein stehngebliebner Freudenblitz,
In Gottes Herz ein offner Ritz,
Und wieder im Vorübersprung
Ein Himmel auf der Wanderung;
Ein irrer Geist, der weilend flieht
Und bang das Herz von hinnen zieht.
Ich wandle irr, dem Himmel nach,
Der rauschend' auf mich niederbrach;
O Frühling! trunken bin ich dein!
O Frühling! ewig bist du mein!
An die Alpen
Alpen! Alpen! unvergeßlich seid
Meinem Herzen ihr in allen Tagen:
Bergend vor der Welt ein herbes Leid,
Hab' ich es zu euch hinausgetragen.
Für das Unglück steht ein Gnadenbild
Zwischen Felsen heimlich eingeschlossen,
Eine Kluft ist's, einsam, tief und wild,
Durch den Abgrund ist ein Quell gestoßen.
Wie die Brust Maria's schwertdurchbohrt
Ist zu schau'n in christlicher Kapelle,
So Natur, der heil'gen Mutter dort
Schien das Herz durchschnitten von dem Quelle.
Grauer Felsen ewig starrer Blick
Hangt hinab zur tiefgerissnen Wunde,
Und der Mensch mit seinem Mißgeschick
Lauscht dem Strom, der immer klagt im Grunde.
Tausendstimmig braust ein dunkler Schmerz
In des Stroms zerbrochenen Akkorden,
Und aushorchend ist des Menschen Herz
Seiner eignen Klage still geworden.
Wird des Unglücks heil'ger Sinn geahnt,
Hat der Kummer seinen Groll verloren;
Rauschend hat mich's an der Kluft gemahnt:
Schmerz und Liebe hat die Welt geboren.
Schmerz und Liebe ist des Menschen Teil,
Der dem Weltgeschick nicht feig entwichen:
Zieht er aus dem Busen sich den Pfeil,
Ist er für die Welt und Gott verblichen.
Heimweh jagt des Abgrunds wilden Schaum;
Laßt Natur die Erd' in Freuden prangen,
Schildert sie der Zukunft schönen Traum;
All ihr Herz ist Sehnen und Verlangen.
Heimweh ist es, wenn die Liebe naht,
Ist der Grund des nie gestillten Fragens,
Heimweh jede große Menschentat,
Und die Wunder himmlichen Entsagens —
Alpen, o wie stärkte mich die Rast,
Lagernd aus dem weichen Grün der Wiesen,
Krauterdüfte fächelten den Gast,
Eisgeharnischt ragten eure Riesen.
Lerche sang ihr lustverwirrtes Lied,
Schweigend strich der Adler durch's Gesteine,
Und die Gipfel, als die Sonne schied,
Schwelgten stumm im letzten Purpurscheine.
Eine Herde irrt' am Wiesenhang,
Kühe weidend pflückten ihre Beute,
Und die Glock' an ihrem Halse klang
Für die Kräuter sanftes Sterbgeläute.
Kaum vernehmbar kam der müde Schall
Jener Kluft herüber mit den Winden;
Wo so hoher Frieden überall,
Ließ die Ruh in Gott sich vorempfinden —
Frischen Mut zu jedem Kampf und Leid
Hab' ich talwärts von der Höh' getragen;
Alpen! Alpen! unvergeßlich seid
Meinem Herzen ihr in allen Tagen!
Die Poesie und ihre
Störer
Im tiefen Walde ging die Poesie
Die Pfade heil'ger Abgeschiedenheit,
Da bricht ein lauter Schwarm herein und schreit
Der Selbstversunknen zu: "Was suchst du hie?
Laß doch die Blumen blühn, die Bäume rauschen,
Und schwärme nicht unpraktisch weiche Klage,
Denn mannhaftwehrhaft sind nunmehr die Tage,
Du wirst dem Wald kein wirksam Lied entlauschen,
Komm, komm mit uns, verding uns deine Kräfte;
Wir wollen reich dir jeden Schritt bezahlen
Mit blankgemünztem Lobe in Journalen,
Heb' dich zum weltbeglückenden Geschäfte! —
Laß nicht dein Herz in Einsamkeit verdumpfen,
Erwach' aus Träumen, werde sozial.
Weih' dich dem Tatendrange zum Gemahl;
Zur alten Jungfer wirst du sonst verschrumpfen!"
Die Poesie dem Schwarm antwortend spricht:
"Laßt mich! verdächtig ist mir euer Streben;
Befreien wollt ihr das gejochte Leben,
Und gönnt sogar der Kunst die Freiheit nicht?
Euch sank zu tief in's Aug' die Nebelkappe,
Wenn euer Blick nicht straßenüber sieht,
Und wenn ihr heischt vom freigebornen Lied,
Daß es dienstbar nur eure Gleise tappe.
Ein Blumenantlitz hat noch nie gelogen,
Und sichrer blüht es mir in's Herz die Kunde,
Daß heilen wird der Menschheit tiefe Wunde
Als euer wirres Antlitz, wutverzogen
Prophetisch rauscht der Wald: die Welt wird frei!
Er rauscht es lauter mir als eure Blätter,
Mit all' dem seelenlosen Wortgeschmetter,
Mit all' der matten Eisenfresserei.
Wenn mir's beliebt, werd' ich hier Blumen pflücken;
Wenn mir's beliebt, werd' ich von Freiheit singen;
Doch nimmermehr lass' ich von euch mich dingen!"
Sie spricht's und kehrt dem rohen Schwarm den Rücken.
Der Rationalist und
der Poet
"Freund, du sitzest hier auf weichem Moose,
In's Geruchzeug duftet dir die Rose,
Um dein Antlitz Frühlingswinde wallen,
Und da drüben lärmen Nachtigallen
Darum singst du hier ein Lied versöhnend,
Weich und duftig, lind und zärtlich tönend
Säßest du auf einem harten Stumpfe,
Käme dir der Duft von einem Sumpfe,
Spürtest du den Herbstwind frostig wehen,
Wärst du hier umkrächzt von rauhen Krähen:
Ha! ich wette, hart und widrig klänge,
Kühl und rauh, was deine Muse sänge
Wäre dort die Wolke losgebrochen,
Hättest du dich ohne Lied verkrochen
Hundert Dinge stören dir's Gehege,
Weisen deiner Phantasie die Wege,
Hundert Mitarbeitern bist du pflichtig:
All dein Dichtertreiben find' ich nichtig"
Also spricht der Rationaliste,
Der den Dichter heimlich hat belauert,
Stolzer Hahn aus dem Versstandesmiste,
Daß dem Dichter vor dem Wichte schauert.
Dichter spricht: wenn Vögel, Blumen, Winde,
Und das ganze liebe Lenzgesinde
Meinem Liede helfen, wird's ihm frommen,
Und es wird der Welt zu Herzen kommen
Hätt' ich rauhen Felsensitz erklettert,
Schwül bedrückt von einer Sumpfeswolke,
Rauh umkrächzt von einem Rabenvolke,
Oder auch von Hagelschlag umwettert:
Säng' ich! und in meinem Liede schalten
Ließ' ich gern auch die Naturgewalten
Aber gleich entflüchten Lust und Schmerzen,
Dringt heran mir ein Gesicht wie deines
Kalt genug, mir trotz des Maienscheines
Aus der Welt die Poesie zu merzen.
Passiver und aktiver
Beifall
Der scharfe Geist hat euch geschwind durchdrungen,
Und bald empfängt er eure Huldigungen;
Den tiefen aber sollt ihr selbst durchdringen.
Drum wird ihm eure Liebe spät gelingen.
Form
Ist die Form auch festgeschlossen,
Immer noch ist's kein Gedicht,
Wenn um den Gedanken nicht
Stetig sich das Wort gegossen.
Werfen noch die Worte Falten,
Kein lebend'ger Leib, nur Kleid.
Was sie wecken, Lust und Leid,
Wird im Hörer bald erkalten.
Hört den losen Kern er klappern,
Wie Toneisenklapperstein,
Mag das Wort gemeistert sein,
Ist es doch nur dürres Plappern.
Irrtum
Was Ihr Bild nennt unverständig
Ist nur Gleichnis, kalt und hohl,
Wo der Geist nicht ein Symbol
Mit der Sprache zeugt lebendig.
Und das Ringlein Salomonis,
Das die Diwen zwinget ein,
Zaubermächtig, es ist kein
Tertium comparationis.
An einen Dichter
Nur wer sich mit eignen Kräften
Durch das Dickicht einen Pfad schafft,
Kann den Kranz sich dauernd heften,
Kunst ist keine Kameradschaft.
Düngst du deinen Ruhm in Scherben
Mit dem Mist der Schmeicheleien,
Wird er übernacht dir sterben;
Laß ihn wachsen wild im Freien.
Dann nur mag sein Hauch dich stärken,
Wenn er dir aus Dornenwegen
Und nach heiß vollbrachten Werken
Überraschend blüht entgegen.
Zweierlei Vögel
Strichvogel Reflexion,
Zugvogel Poesie,
Singt jeder andern Ton,
Und andre Melodie.
Strichvogel hüpft und pfeift
Und pickt von Ast zu Ast,
Und höchstens einmal streift
Zu Nachbarn er als Gast.
Er ruft: Freund! bleib' im Land
Und redlich nähre dich:
Es wagt um Fabeltand
Ein Narr nur weiter sich
O halte deinen Flug
Von Meer und Stürmen fern,
Die Sehnsucht ist Betrug,
Hier picke deinen Kern!
Zugvogel aber spricht:
Du Flattrer, meinen Flug
Und Zug verstehst du nicht:
Klug ist hier nicht genug.
O, picke immer zu,
Und bleib auf deinem Ast,
Wenn keine Ahnung du
Von meiner Ahnung hast.
Doch pfeif's nicht aus als Wahn
Und Narrenmelodei,
Daß hinterm Ozean
Auch noch ein Ufer sei.
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