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Gedichte 2
 

Eine alte Geschichte
Lüge und Wahrheit
Der Nachtsturm
Herbstlied
Selam
Vedam
Der Wald
Lebewohl
Glaube, Hoffnung und Liebe
Weswegen
Miß Robena Anna Laidlaw
An Guttenbergs Denkmal
Dichterpflicht
Am Meere
Duft und Lied
Die Nacht
Das Gewitter
Die bösen Augen
Palme und Birke
Die junge Morgenländerin
Abschied
Im Gebirge
Herbstlandschaft
Auf dem Friedhofe
Die Schwimmer
Die Schlacht

 

Eine alte Geschichte


Von der steilen Bergterrasse
Strahlt die Sonne warm und hold,
Wie ein Fürst, der auf die Straße
Freundlich wirft sein blankes Gold.

Auf den Lindenzweigen schaukelt
Lustig sich der Morgenwind,
Und der bunte Falter gaukelt
Hin zur Rose pfeilgeschwind —

Einem Wand'rer zu vergleichen,
Der sich überglücklich preist,
Wenn ein grünes Tannenzeichen
Ihm den Weg zur Schenke weist.

Muntre Finkenlieder schallen
Durch den lenzgeschmückten Hain,
Ferne Hörnertöne hallen
Wie ein Ruf des Sieges drein.

Mich bedünkt, der Frühling komme
Siegend heim aus blut'gem Krieg,
Und das Blumenvolk, das fromme
Fei're jubelnd diesen Sieg.

Mich bedünkt, der Friede ziehe
In des bleichsten Bettlers Herz,
Und die letzte Träne fliehe
Als ein Nebel himmelwärts.

Mich bedünkt, der Frühling gebe
Aller Welt ein Freudenmahl,
Und die kleinste Blume hebe
Sich empor als Duftpokal.

Aber ach! nicht jeder Zecher
Kehrt so fröhlich, als er kam;
Denn im vollsten Freudenbecher
Zittert trüb ein Tropfen Gram.

Trankst du gleichfalls diesen Tropfen,
Blasser Mann im Hirtenkleid?
Deines Herzens banges Klopfen
Kündet ein unsäglich Leid.

Deine Tränen flüstern traurig,
Daß dir Glück und Freude schied,
Und durch deine Seele schaurig
Hallt der Liebe Sterbelied.

Rosse stampfen, Hörner klingen,
Ritter zieh'n das Tal entlang,
Buntgeschmückte Minstrels singen
Einen ernsten Brautgesang,

Hoch auf weißem Zelter trottet
Eine Maid im Goldtalar,
Doch des reichen Schmuckes spottet
Ihr verweintes Augenpaar.

Ihre blassen Lippen beben —
Also zittert nur ein Mund,
Welcher mit dem Schmerz fürs Leben
Schließen soll den Treuebund.

Ängstlich blickt sie auf den Hirten,
Spornt dann rasch ihr weißes Roß;
Nur ein Blatt vom Kranz aus Myrten
Trägt der Wind in seinen Schoß.

Seufzend stürzt er in die Halme,
Seine Tränen stürzen nach —
Eine taugetränkte Palme,
Deren Schaft der Sturm zerbrach.

Aus dem fernen Dörflein dröhnen
Glockenschläge dumpf und bang,
Fast wie eines Herzens Stöhnen,
Dessen Glück das Grab verschlang.

Lüge und Wahrheit

Was ist die Lüge? Ein gewandter Dolmetsch,
Der als Linguist die weite Welt durchmaß,
Und nur die Muttersprache des Gewissens,
So wie des Herzens Dialekt vergaß.

Der erst am Grabe sinnverworren stottert,
Nicht länger mehr die Worte prunkend wählt,
Und schmählich taubstumm wird am jüngsten Tage,
Wenn Gott die Taten eines Sünders zählt.

Was ist die Wahrheit? Eine blöde Fremde,
Die als ein Fehmling durch das Leben geht,
Und heimatlos im groben Pilgerkleide,
Das warme Menschenherz um Einlaß fleht.

Die selten tagelang im Busen rastet,
Und nur in wenig Herzen heimisch bleibt;
Dann aber auch als Dank dem frommen Wirte,
Den sichern Freibrief für den Himmel schreibt.

Der Nachtsturm

Der Sturmwind braust daher auf Riesenschwingen,
Rasch wie der Jugendreiz vom Antlitz flieht,
Und sollte dieses Bild veraltet klingen:
Schnell wie die Furcht in Sünderherzen zieht.

Gleich Felsen haben sich vom Nachtorkane
Gepeitscht die Meereswogen aufgetürmt, —
Gleich Felsenblöcken, drauf ein Neutitane
Ein bahnverschlag'nes Schiff den Himmel stürmt.

Windmühlenkampf! Den holzgetürmten Kraken!
Ereilt des Meeres alter Eichenhaß,
Und drückt ihn auf den Grund, gedielt mit Wracken,
Den weder Tauchermut noch Senkblei maß.

Die Flagge keilt sich fest im Felsenriffe
Und schmückt als Kreuz das grüne Wellengrab,
Und kündet, wie so töricht diesem Schiffe
Der Mensch den stolzen Namen "Hoffnung" gab.

Der Regen fällt in Strömen, Donner schallen —
Ein Blitz fährt zischend durch das Wolkenheer,
Als ob der alte Himmel furchtbefallen
Ein Flammentau geschleudert tief ins Meer.

Der Morgen graut, die müden Donner schweigen,
Die Wolken fliehen wie ein schwerer Traum;
Der Schiffbemannung starre Leichen steigen
Gleich Seegespenstern aus dem Wogenschaum.

Das Morgenrot durchbricht den Nebelschleier,
Der fern in Osten Meer und Himmel trennt —
Ein Freudenfeuer, das zur Friedensfeier
Am Grenzstein zweier Nachbarstaaten brennt.

Herbstlied

Der Sommer hat sich empfohlen
Und zog hinunter nach Rom;
Die Nebel des Herbstes verdüstern
Den blauen Himmelsdom.

So schlägt den Schleier vors Antlitz
Ein Weib, das einst glücklich war,
Daß Niemand das Elend lese
Im blauen Augenpaar.

Die Sonne ist schläfrig geworden
Und blickt herunter so kalt,
Wie kaum ein moderner Romeo,
Des Liebschaft drei Wochen alt.

Die Bäume haben gealtert
Und wurden wie Greise kahl.
Die Blumen sind alle gestorben,
Der Rasen sieht welk und fahl.

Die Wandervögel verspotten
Laut zwitschernd die öde Flur,
Als schrieben sie Reisenovellen
Auf ihrer Südlandstour.

Nur Einer der Pilger betrauert
Das herbstlich verkümmerte Land —
Ein sterbender Schwan, der endlich
Das Ziel der Wanderschaft fand.

Er singt mit brechendem Herzen
Den ersten und letzten Gesang;
Die zitternden Töne verrauschen
Wie nordischer Hörnerklang.

Ihr Inhalt ist blutig und schaurig,
Er handelt von Knechtschaft und Mord:
So sang vor Zeiten in Hellas
Der schöne britische Lord.

Den Schwan, wie die britische Lordschaft,
Ergriff des Propheten Schmerz,
Der auf Jerusalem weinte,
Und beiden brach d'rüber das Herz.

Selam

In dem grünen Palmenhain im Perserland
Saß betrübt im Mondenschein im Perserland
Selim — möchte malen wahrlich so den Schmerz —
Ein Harem schloß neidisch ein im Perserland
Die Geliebte, der in Liebe schlug sein Herz.
Härter ist der Sehnsucht Pein im Perserland;
Denn des Argwohns Drache wacht dort Tag und Nacht,
Flieht sogar des Schlummers Schein im Perserland.
Auch Gülnare seufzte nur zu scharf bewacht,
Weinte einsam und allein im Perserland.
Blind nennt man die Liebe, und sie blickt so tief;
An der Quelle grünem Rain im Perserland
Wand sie deutsam einen Strauß als Blumenbrief.
Duft ist Wachen viel zu fein im Perserland,
Faßbar nicht für sie, was jeder West verweht.
Selim führte Selam ein im Perserland. —
Lange blieb die Sprache, die in Duft besteht,
Vom Verdachte frei und rein im Perserland.

Vedam

Sohn des Staubes, schätze hoch dies Leben, lehrte Brama,
Dich zu läutern ward es dir gegeben, lehrte Brama.
Bist kein Wurm mehr, der im Staube schmählich wühlt und kriecht,
Darfst darum nicht an der Erde kleben, lehrte Brama.
Wie dich angelockt als Aar der Sonne Strahlenlicht,
Sollst du nach dem Licht der Wahrheit streben, lehrte Brama.
Weil als Falter dich betäubt der jungen Rose Duft,
Kelt're nie als Mensch der Wollust Reben, lehrte Brama.
Wenn dich schmeichelnd diese feile Bajadere ruft,
Soll die Keuschheit dir den Gürtel weben, lehrte Brama.
Wie als Palme ruhig du empfingst den Wetterstreich,
Stehe jetzt dem Schicksal ohne Beben, lehrte Brama.
Weil den Mann entstellt die Wange furchtverkündend bleich,
Soll dir stets der Leu vor Augen schweben, lehrte Brama.
Ob man herzlos deine Tugend auch verkennen mag,
Auch verhöhnt noch bleib' ihr treu ergeben, lehrte Brama.
Einst erglänzt nach langer Zweifelsnacht der Sonnentag,
Der dir wird den letzten Schleier heben, lehrte Brama.

Der Wald

Von nie erstiegnen Felsen überhangen
Rauscht dumpf ein Wald, ein Wald so hoch und dicht
Wenn sich ein Missetäter hier vergangen,
Den Sünder fände das Gewissen nicht.

Ein fahles Moos, farblos wie Weibertreue,
Bedeckt den Grund, der ewig kalt und naß,
Als sei er Nachts der Schlummerpfühl der Reue,
Die alles, nur das Weinen, nicht vergaß.

Vom Felsen stürzt sich schäumend eine Quelle,
Wie rasch die Flut den düstern Wald durchjagt,
Und furchtsam eilt, als wäre jede Welle
Der Seufzer Eines, der in Ketten klagt!

Die Bäume rauschen dumpf mit ihren Zweigen —
Ein Riesenheer, das trotzig Wache steht.
Dem scheuen Wand'rer drohend anzuzeigen,
Daß hier die Straße ins Verderben geht.

Im Busche lauern buntgefleckte Schlangen —
Ein Hinterhalt, der still im Dickicht harrt,
Den ränkevollen Flüchling einzufangen,
Der schlau die Riesenwache hat genarrt.

Doch tief im Wald, auf wildem Rosenhage,
Schlägt weltverlassen eine Nachtigall;
Doch was sie sang, der Liebe süße Klage,
Wer hört und teilt sie? Nur der Wiederhall!

Wie dieser Wald so still und menschenfeindlich
Und schweigsam gibt sich manches Menschenherz;
Doch tief im Innern freundlich, ach wie freundlich
Verhallt das Lied, das Lied vom Glück im Schmerz!

Lebewohl

Lebe wohl, Marie!
Welk sind unsre Rosen,
Lasse drum dein Kosen;
Auf dem Scheidestege
Wanken meine Füße,
Ohne Liebesgrüße
Zieh' ich meine Wege —
Lebe wohl, Marie!
Meine Phantasie
Denkt in allen Landen
Trotz zerbrochnen Banden,
Ob ich jetzt auch scheide,
Dich als unverloren;
Denn in meinen Ohren
Klingen deine Eide:
Dich vergeß' ich nie.

Brich ihn nicht den Schwur
Wie so viele Andre.
Wo ich immer wandre,
Sei's auf Alpenbergen,
In dem höchsten Norden,
Unter Negerhorden,
Feuerländerzwergen,
Auf des Ganges Flur,
Mein gedenke nur.
Treu durch alle Zeiten,
Auch in Sonnenweiten,
Ob auch schnell verrausche
Deines Lebens Dauer
In der tiefsten Trauer,
In des Glückes Rausche:
Halte deinen Schwur.

Nur in jener Nacht,
Wo des Herzens Bangen
Schamgefärbte Wangen
Bei verschobnem Schleier
Nackte Busenschwäne
Und der Wollust Throne
Von der Liebe Feier
Kunde dir gebracht —
Nur in jener Nacht,
Wo dich fremde Arme
Lustgeschwellte, warme
Buhlerisch umschlingen,
Fieberhaft umranken:
Könnte der Gedanken
Mich zum Wahnsinn bringen,
Daß du mein gedacht!

Glaube, Hoffnung und Liebe

Was ist der Glaube? Eine alte Muhme,
Die unter Kindern ihre Schüler wählt,
Und ihnen Mährleins von der Wunderblume,
Dem Paradies, dem grünen Nix erzählt.
Belächelt auch der Jüngling diese Sagen
Als Truggebilde, die ein Traum beschied,
Singt doch der Greis in seinen alten Tagen
Der alten Muhme träumerisches Lied.

Was ist die Hoffnung? Ein Wardein im Herzen,
Der blanke Münzen aus Versprechen schlägt,
Und jedes trübe Kind um seiner Schmerzen,
Um seines Kummers letzten Preis befrägt;
Und schätzt man dann zur Zeit der reifen Jahre
Sein falsches Gold nicht mehr bei Tausch und Kauf,
So schreibt er Wechsel zahlbar auf der Bahre,
Und schreibt die gute Firma "Himmel" drauf.

Was ist die Liebe? Eine Heimatlose,
Die scheu und flüchtig durch die Herzen streicht,
Und beim Willkommen eine junge Rose
Als Gastgeschenk dem blöden Wirte reicht.
Zwar schließt die Rose bald ihr Blumenleben.
Was liegt daran? Das Herz fühlt ewig jung;
Denn dieser Rose welke Blätter geben
Am Grabe noch den Duft: Erinnerung?

Weswegen

Moschusreiche Düfte brechen
Aus des Lenzes jungen Rosen,
Ziehen durch die Mitternächte
Wie ein süßer Gruß der Liebe,
Und sie wissen nicht weswegen.

Sterne lugen auf die Rosen,
Ziehen durch die Mitternächte
Wie ein süßer Blick der Liebe;
Doch sie wissen nicht, weswegen
Sich im Tau die Strahlen brechen.

Wie ein Traum der Mitternächte.
Zieht in unser Herz die Liebe,
Und wir wissen nicht weswegen
Lieder statt der Düfte brechen
Aus den weichen Lippenrosen.

Doch nicht rasten darf die Liebe,
Und wir wissen nicht weswegen
Menschen sich die Schwüre brechen,
Leichter, als der Frost die Rosen
Um die Zeit der Mitternächte.

Ach wir fassen dies "weswegen"
Erst, wenn unsre Herzen brechen;
Dann erklärt der Tod der Rosen,
Das "Wozu" der Mitternächte,
Uns gewiß die ew'ge Liebe!

Miß Robena Anna Laidlaw

Zum Himmel blicken fromm die schwarzen Augen,
Als wollten sie die wahre Davidsglut
Fürs künft'ge Spiel aus seiner Sonne saugen.
Die als ein Goldschwan zieht durch blaue Flut.

Das dunkle Haar umflattert deine Wangen,
Wie eine stille, schwärmerische Nacht,
Die einem Herzen, einem sehnsuchtsbangen,
Den ersten Kuß der Liebe hat gebracht.

Die weißen Hände irren durch die Tasten —
Bald klingt es zärtlich wie ein Wiegensang,
Bald stürmisch, wie Gewitter sich entlasten,
Sobald die Schlange: Blitz der Haft entsprang —

Der Wolkenhaft, drein sie Natur verschlossen —
Ein wilder Sturm, dann wird es mählig still —
Verhallt zuletzt wie Tränen, schmerzentflossen,
Wenn uns ein lieber Freund verlassen will.

Dann blickst du fragend auf die Lauscher nieder,
Die dicht wie Sand am Meere dich umstehn,
Ob sie verstanden haben deine Lieder,
Ob du als Dolmetsch treu dein Amt versehn?

Was zweifelst du? Wozu ein Lob, ein kühles,
Wenn dir so manche Träne Bürgschaft ist,
Daß du der heil'gen Sprache des Gefühles
Wie deiner Muttersprache kundig bist?!

An Guttenbergs Denkmal

Pilger schreiten durch die Tale hin,
Ziehn gebräunt vom Sonnenstrahle hin.
Gegen Mekka eilt der Büßerzug,
Daß er seine Schuld bezahle, hin,
Silber, Gold, das man zu Münzen schlug,
Trägt das Dromedar, das fahle, hin,
Legen unter Weinen und Gebet
Sünder auf die Opferschale hin.
Und doch schrieb der türkische Prophet
Sein Gesetz mit blut'gem Stahle hin,
Und doch hallt der Menschheit trüber Fluch
Mit der Pilger Dankchorale hin.
Uns nur ruft ein heil'ger Grabbesuch —
Werft voll Andacht die Sandale hin,
Denn kein Blut und keine Träne fließt
Auf dies Leichenbett, das schmale hin:
Nur der heil'ge Quell: Weltbildung schießt
Guttenberg an deinem Male hin!

Dichterpflicht

Ihr Dichter sollt der Wahrheit Boten sein,
Im Zeitensturme die Piloten sein.
Dem Schönen widmet eure Harfenklänge,
Doch dürft ihr blind nicht wie Zeloten sein.
Vernichtend müssen eure Glutgesänge
Für Vorurteil: den Geistdespoten sein;
Doch soll die Hand, erlag des Wahnes Hyder,
Zum Frieden rasch und gern geboten sein.
Ein Bild des Lichtes sollen eure Lieder
Dem Tage gleich, dem morgenroten sein.
Ihr müßt das Erntefeld des Geistes pflegend,
Genaue Kenner tauber Schoten sein.
Drum sollen eure Lieder herzbewegend,
Doch nie bloß Nachtigallennoten sein.

Am Meere

An des Stromes Mündung steh' ich träumend
Wie der Fluß des eig'nen Laufes satt;
Auf der grünen Flut, im Sturze schäumend,
Treibt ins Meer ein weißes Rosenblatt.

Warf vom Sturm verschlagen ein Matrose,
Seiner fernen Mutter eingedenk,
In die wilde See die weiße Rose,
Als der Liebe letztes Duftgeschenk.

Meine eig'ne Mutter, frühentschlafen,
Deren Arm mich einst so warm umfing,
Keinen Boten sind' ich in den Hafen,
Wo dein müdes Herz vor Anker ging!

Warf ein Knabe sie vom Felsenriffe
In den Quell des Stromes wahnberückt,
Eine kaum erblüte Rose schiffe
Bis zur Mündung duftvoll unzerstückt? —

O dann weckt der blöde Wahn des Kleinen
Mir im Busen ungleich tiefern Schmerz,
Und ich höre unter heißem Weinen
Leise fragen mein verwelktes Herz:

Menschenseele, reine, sündenlose
An dem Tag, der dir das Leben gab,
Ach! von deiner Unschuld weißen Rose
Wie viel Blätter nimmst du mit ins Grab?

Duft und Lied

Ich sah eine welkende Rose —
Ein letzter, sparsamer Duft,
Ein trüber Abschied vom Leben
Verstob in der herbstlichen Luft!

Auch weiß ich um einen Dichter —
Jene welkende Rose schied
Von seinen Lippen, verhauchend
Ein letztes mühsames Lied.

Die Nacht

Der Tag entweicht gleich einem Weiberhasser,
Der scheu entflieht, wenn sich ein Mädchen naht,
Das ihm gesteht, den trüben Blick voll Wasser:
Du bist's, der dieses Herz bezaubert hat.

Dem schönen Flüchtling blickt mit stummer Trauer
Die Nacht, die stille, schwarze Schönheit, nach;
Vom Himmel sprüht ein leiser Regenschauer
Und küßt die schlafversunknen Blumen wach.

Da öffnen ihre Knospen die Erquickten
Und hauchen freudig durch die milde Luft,
In deren Glut sie früher fast erstickten,
Den schlichten Blumendank: den süßen Duft.

Die Sterne schicken forschend ihren bleichen
Und viel besungnen Strahl ins grüne Tal,
Wie sonst Eunuchen den Harem umschleichen,
Mit blankgeschliffnem Damaszenerstahl.

Der Mond strahlt freundlich auf die Erde nieder,
Die blumenäugig ihm entgegen lacht,
Den Hain durchrauschen Nachtigallenlieder —
Wie schön, wie heiter ist die stille Nacht!

Nein, heiter nicht— klar sagen ihre Zähren
Geformt aus Regenschauer oder Tau,
Daß weder Klang noch Duft ihr Trost gewähren;
Doch nimmer trägt sie ihren Schmerz zur Schau —

Wie eine Mohrenfürstin im Seraile
Vor ihren Sklaven froh und heiter scheint,
Doch an des Auges nassem Glanzemaile
Erkennt man leicht, daß ihre Seele weint.

Die schwarze Schönheit kann es nicht vergessen.
Wie kalt der Flüchtling ihr ins Auge sah,
Und wer verschmäht geliebt hat, mag ermessen,
Wie ihr bei diesem Blicke hart geschah.

Das Gewitter

Die Wetterwolken steigen
Am Horizont empor,
Das goldne Antlitz der Sonne
Verdüstert ein Nebelflor.

Die Tannen haben verwundert
Die Sonne sich trüben gesehn
Und schütteln die grünen Häupter
Unwillig, daß es geschehn.

Und strecken die knorrigen Arme
Wie Krieger zum Fahneneid,
Und seufzen aus markigem Busen —
Sie ahnen drohendes Leid.

Sie ahnen, ihr schlimmster Gegner
Der Sturm sei aufgewacht,
Und habe die Sonne bleicher
Und sich verbergen gemacht.

So schlägt ein zagender Feldherr
Den Mantel um, wenn er flicht,
Auf daß kein feindlicher Schütze
Die goldnen Treffen sieht.

Schon flutet der Regen in Strömen,
Die Wetterwolke barst;
Der Sturm auf schnaubendem Rosse
Umkreist den Tannenharst.

Das Wetter zog vorüber,
Der Himmel sieht heiter, ist rein;
Die Sonne lächelt zufrieden:
Sie fliehen, der Tag ist mein!

Zersplitterte Tannen bedecken
Des Waldes blutigen Plan
Wie bleiche verstümmelte Krieger,
Die Wunder des Mutes getan.

Noch glänzen die Regentropfen
Wie Tränen auf Halm und Blatt
Wohl möglich, daß eine Mutter,
Ein Weib sie vergossen hat.

Die bösen Augen

Hinweg von mir! Ich nähme dir zu Füßen
So gern im Seligwerden Unterricht;
Denn leicht vergäße Weib bei deinen Küssen
Die Kunde, wie man weint, mein Angesicht.

Dort würde seine grüne Heimat finden
Der wandernsmüde Liebesahasver;
Du könntest ihn des trüben Eids entbinden:
Nur Eine liebt ich, fürder keine mehr!

Wie bist du schön! Sprich, warf der Lenz beim Scheiden
Ins Antlitz dir sein letztes Rosenpaar?
Sag, hat ein jahrelanges tiefes Leiden
So kummerschwarz gefärbt dein Seidenhaar?

Der Klang der Stimme! Hielt in deinem Herzen
Die Nachtigall auf ihrer Südfahrt still,
Und flötet dort von überstandnen Schmerzen
Und einem Lenz, der niemals enden will.

Der schlanke Wuchs, die Alabasterarme —
Umschlingend schloßen sie den Himmel ein;
An dieser Stelle würde selbst dem Harme
Nicht länger fremd die Freudenträne sein.

Mir ist als ob ich in die Sonne sähe,
Wenn warm auf mich dein Auge niederschaut,
Und dennoch treibt es mich aus deiner Nähe
Wie einen Dieb, den vor dem Schergen graut.

Ach! diese Augen glänzend wie Cyanen
Verweisen mich in meinen alten Schmerz,
Und ihre blaue Farbe will mich mahnen:
Gedenke deiner Eide falsches Herz!

Da greif ich eilig nach dem Wanderstabe,
Und Tränen gießen über mein Gesicht,
Als sende mir von ihrem öden Grabe
Die tote Liebe zwei Vergißmeinnicht!

Palme und Birke

Am Euphrat im Walde
Ragt hoch ein Palmenbaum;
In seinem Schatten findet
Der Pilger Schlaf und Traum.

Ein muntrer Vogel schmettert
Vom Wipfel seinen Sang —
Ein Dichter dem sein erstes
Und kühnstes Lied gelang.

In Schweden, im Gebirge
Rauscht dumpf ein Birkenstamm,
Auf einem weltvergeßnen
Einsamen Felsenkamm.

Er senkt die müden Äste,
Von Frost und Schnee erstarrt —
Ein Mönch in weißer Kutte,
Der froh des Todes harrt.

Am Euphrat die Palme,
Das krumme Birkenreis,
Wem gleichen sie? — dem Menschen
Als Jüngling und als Greis.

Die junge Morgenländerin
Nach Amerlings Bilde

Wie schön du bist, vermag ich nicht zu sagen —
Du hast das Herz mir aus der Brust geblickt,
Das Morgenland hat seine Märchensagen
In dir verkörpert in die Welt geschickt.

Das Antlitz glänzend wie das Eis am Pole,
Von jenem Rosenschimmer angehaucht,
Der Memnon weckt zum leisen Lebewohle,
Wenn seine Mutter aus dem Meere taucht.

Die Haare schwarz wie einer Mutter Trauer,
Die an des frömmsten Kindes Sarge steht —
Das Auge — Sonnenschein nach Regenschauer —
Durchsichtig wie der See Genezareth.

Bist du das Liebesideal der Mauren,
Das Mohamed ins ferne Land verwies,
Auf daß beneiden lernen deutsche Giauren
Den Turbanträger um sein Paradies?

Wo ihn nach deinen Küssen süß, doch glühend,
Scherbet und weißes Honigbrot erquickt,
Wo dein verschämtes Auge liebesprühend
Ein Meer von Glück in seine Seele blickt.

Dann hast du schlau den Koran aufgeschlagen,
Weil drin des Islam Glaubensformel steht:
Ich will des schönen Weibes wegen sagen,
Nur Mohamed allein ist mein Prophet.

Bist du ein Weib aus Staub wie ich geboren,
Schön wie die Sonne noch kein Zweites sah;
Dann hat schon längst an dich sein Herz verloren
Des Morgenlandes reichster Padischah;

Dann hast du abgelegt aus List bescheiden
Des Orientes Bindendiadem,
Weil deine Schönheit hinreicht zu beeiden,
Daß dir als Herrin huldigt der Harem;

Dann tönt aus jenem fremden Perserliede,
Das eben deiner weißen Hand entsank,
Die Liebesbitte Eines, dessen Friede
In deines Auges schwarzem Meer ertrank.

Abschied

Was soll dein blaß Gesicht? ich denke dein.
Uns trennt der Ruf der Pflicht, — ich denke dein.
Das Band der Liebe, das uns fest umschlang,
Dies Band aus Rosen bricht — ich denke dein.
Der Morgen kommt, mit ihm der Scheidegang,
Besät mit Dornen dicht — ich denke dein.
Durch alle Zeit, zischt wild der Wetterstrahl,
Scheint hell der Sonne Licht — ich denke dein.
Durch alles Land, sei's Alpenberg, sei's Tal.
Tönt laut mein Glutgedicht: Ich denke dein!
Stockt einst mein Blut, das sonst wie Lava rann,
Sein letzter Pulsschlag spricht: Ich denke dein!
Um keinen Gram vermindert sich auch dann
Der Liebe Vollgewicht — ich denke dein.
Doch still! Ein Wort für tausend Schwüre gilt,
Das Wort — zwar tönt es schlicht — "ich denke dein."
Frag' an dich jenseits, ob ichs redlich hielt;
Leb' wohl und weine nicht — ich denke dein.

Im Gebirge

Dumpf rauscht vom Felsen die Fichte
Und lauscht dem Wiederhall —
So späht ein geächteter Ritter
Von seines Schlosses Wall.

Der Felsenspalte entsprudelt
Die Quelle scheu und verzagt —
Ein Mägdlein, das sich furchtsam
Ins laute Leben wagt.

Sie rauscht empor zur Fichte,
Der Baum winkt zärtlich hinab.
Wie einer, welcher soeben
Sein Herz für immer vergab.

Sie tragen sich warm im Herzen
Und haben einander so gern,
Sind längst verbunden, verschwistert,
Und bleiben doch ewig fern.

Da faßt den Felsenwächter
Des Sturmes rasende Wut
Und stürzt den Ärmsten zersplittert
Hinab in die stille Flut.

Die Quelle umwogt erschrocken
Den hingeschmetterten Stamm,
Und schleudert die Wasserperlen
Weit über den Uferdamm.

So stürzt zur Totenbahre
Verzweifelnd ein bleiches Kind,
Umarmt die geliebte Leiche,
Und weint sich am Ende blind.

Herbstlandschaft

Du dauerst mich, verblühtes Talgefilde;
Der Sommer hat dich allzuwarm geküßt,
Und manche Tochter deiner Blumengilde
Durch diesen Kuß die Schönheit eingebüßt.

Sie gleicht mit ihren glutversenkten Ranken,
Drauf rot des Herbstes Lügenfarbe blinkt,
Der Buhlerin, die künstlich ihr Erkranken
Zu bergen sucht, und Mund und Wange schminkt.

Verklungen sind die muntern Finkenlieder,
Die Eiche senkt den blätterlosen Ast
Ein alter Krieger, dessen müde Glieder
Nicht länger tragen mehr des Speeres Last.

Die Weizenähren golden wie die Sonne
Hat schonungslos die Sichel hingestreckt —
So fällt das blonde Haar der jungen Nonne,
Bevor der Schleier ihre Stirn bedeckt.

Durch Regengüsse schwoll der Bach zum Flusse,
Und rauscht sturmeilig an sein fernes Ziel —
Ein scheuer Wandrer, der mit raschem Fuße
Aus einer Gegend eilt, die ihm mißfiel.

Nur matt erhellt das Tal der Sonne Schimmer,
Nie trüb im feuchten Nebelmeere schwimmt —
Ein nasses Auge Eines, der für immer
Von Glück und Liebe trauernd Abschied nimmt.

Auf dem Friedhofe

Ein Wandrer schreitet durch die Friedhofstä'tte —
Die Wolken zieh'n, kein Stern am Himmel wacht;
Wenn sich Gewissensangst verkörpert hätte,
Sie wäre nicht so schwarz wie diese Nacht.

Im nahen Felde knickt der Sturm die Ähren,
Die Fliederstaude schwankt, die Scholle staubt —
Die Tropfen fallen schwer wie Mutterzähren
Auf eines ungeratnen Kindes Haupt.

Die Stimme Gottes rollt von Grab zu Grabe,
Als ob sie donn're: Schläfer! werdet wach,
Und helft dem bleichen Mann am Wanderstabe,
Der ängstlich sucht, ihr wißt es wohl, wonach.

Da zuckt ein Blitz; bei seiner blauen Helle
Erblickt der Wandrer einen Leichenstein.
Was zitterst du? An dieser Trauerstelle
Mag wohl dein Paradies verschüttet sein.

Zwar schmückt den kalten Stein kein Leichenkarmen,
Nur eine Weide rauscht auf ihn hinab,
Als ob der Schmerz mit ewig grünen Armen
Aufreißen wolle seiner Liebe Grab.

Der Wand'rer ringt verzweifelnd seine Hände,
Und bricht ergrimmt den nächsten Ast entzwei,
Als ob er's höchst gemütlos von ihm fände,
Daß er so grün bei seiner Trauer sei.

Die Wolken flüchten sich in rascher Eile,
Der Mond glänzt silbern durch die Mitternacht,
Wie jenes Aug', aus dessen Glutemeile
Dem Wand'rer einst der Himmel hat gelacht.

Da sinkt er schluchzend hin am Sarkophage,
Im Tränenstrom ertrinkt der Stimme Schall:
Wann kehren, armes Herz, die blauen Tage,
Die du beweinst? "Einst!" ruft der Wiederhall.

Die Schwimmer

Zwei Schwimmer ringen mit der Meereswelle,
Gescheitert ist vor kurzer Frist ihr Schiff;
Doch bald versinkt der eine Schiffsgeselle,
Er ruht tief drunten am Korallenriff.

Die Nacht durchkämpft der jüngere Matrose —
Der Morgen dämmert — siedend wallt sein Blut —
Er stöhnt — er sinkt — wie eine Grabesrose
Wiegt sich die Morgenröte auf der Flut.

Aus meinen Augen brach ein Strom von Zähren,
Ich hätte vollgeweint den Ozean,
Der wogend trennt der Erde Hemisphären,
Als mich die Liebe in Verruf getan.

Sogleich erlag im Tränenwogenschlunde
Der Schiffer: Glück, als mich verriet ihr Herz;
Doch erst nach mancher todesbangen Stunde
Ertrank erschöpft der müde Schwimmer: Schmerz.

Die Schlacht

Die blut'ge Mameluckenschlacht am Nil
Am Fuße sandumstarrter Pyramiden,
Das Treffen, drin die alte Garde fiel,
Zu sehn, zu kämpfen, war mir nicht beschieden.

Doch mir im Herzen schlug man eine Schlacht;
Drin ward der Hoffnung Garde aufgerieben —
Der Kern der Jugend ist in einer Nacht
Nach Sparterart auf seinem Schild geblieben.

Das Heer der Glutgefühle rief ins Feld
Als eine andre Wlasta meine Liebe,
Und schreckverblassend wünschte mancher Held,
Daß fern die schöne Gegnerin ihm bliebe.

Der kalte, strenge Landesfürst, Verstand
Ritt siegessicher in die offnen Schranken;
Vorbrachen trotzend auf ihr Stahlgewand
Die Panzerreiter: kühne Kraftgedanken.

Doch bald zerbrach den dichten Wald aus Erz
Kartätschenhagel: frischgepflückte Rosen,
Und mancher süßer Blick fuhr tief ins Herz
Als Bajonett dem Feind, dem rettungslosen.

Auf weißem Zelter flog bald hier, bald dort
Durchs Feld der Schlacht die schöne Amazone,
Und bald zerbrach ihr Schwert: ein süßes Wort
Des strengen alten Königs Eisenkrone.

Die Panzerreiter streckten das Gewehr,
Und schwuren knirschend zu der Liebe Fahne;
Auch einer Amazone fiel es schwer,
Weil sie die Buhlschaft war vom finstern Wahne.

Die blasse Dirne schrieb sich Eifersucht,
Sie gab den Eisenreitern frische Speere.
Die Krieger prüften froh der Lanzen Wucht,
Und brachen vor gleich einem Racheheere.

An ihrer Spitze flog auf schwarzem Roß
Ins Amazonenheer ein schwarzer Ritter —
Ein Leben fraß ein jeder Lanzenstoß,
Und jeder Schwertschlag war ein Ungewitter.

"Wer bist du Knabe," frug die Liebe streng,
"Der meinen Purpurmantel denkt zu erben?
Für zwei Gebieter ist ein Herz zu eng —
Ich oder du — für Einen heißt es sterben." —

"Ich bin der Haß", sprach er mit bitterm Ton,
"Vernichtung heißt ein jeder meiner Hiebe,"
Und schwang das Schwert ein andrer Stiason,
Und traf zu Tode meine erste Liebe.