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Die Klage der Paria Pannonia

Die Klage der Paria


1.
Ich schlang vor tausend Jahren als Liane
Den grünen Arm um dich als Palmenbaum;
Du aber danktest meinem Liebeswahne
Mit einem leisen Blätterrauschen kaum —
Aus Stolz, daß manche müde Karawane
In deinem Schatten Schlummer fand und Traum,
Aus Stolz, daß du getrotzt dem Glutorkane,
Aus Stolz auf deines Weines goldnen Schaum,
Da kam ein Wetter schwarz heraufgezogen,
Ein Wolkenmeer verschlang den Sonnenball —
Da schwand dein Stolz, da sahst du sturmgebogen,
Daß grünes Holz nicht taugt als Wetterwall.
Der Donner rollte, blaue Blitze flogen,
Und meine Ranken brach dein Riesenfall.

2.
Drauf weckte mich im grünen Teegefilde
Ein neuer Lenz mit seinem Sonnenkuß,
Und Fürstin nannte mich die Moschusgilde,
Das fromme Rosenvolk am gelben Fluß.
Da nahtest du von meines Duftes Milde
Herbeigelockt mit süßem Schmeichelgruß,
Doch schwarzen Treubruch führtest du im Schilde —
Der kurzen Liebe folgte Überdruß.
Dann zogst du treulos weiter, bunter Falter —
Ich sah dich flattern durch die Sommerluft,
Und welkte noch in meinem Blütenalter,
Denn mit dir flohen Farbe, Schmelz und Duft.
Da kam der Herbst, was du verbrachst, vergalt er —
Mein Kelch, Erstarrter, wurde deine Gruft.

3.
Gedenkst du noch der Zeit, wo die Libelle
Entzückt belauschte deinen Glutgesang?
In Palästina an des Jordans Quelle
Vom Mandelbaum erscholl der süße Klang,
Zu rieseln wagte kaum die heil'ge Welle,
Und furchtsam hemmte ihren leisen Gang,
Den Sänger nicht zu stören, die Gazelle —
Ich lauschte still, doch ward zu Mut mir bang.
Die Rose war's, der deine Seufzer galten;
Doch bald verklang das Nachtigallenlied,
Und nichts vermochte länger fest zu halten
Den flücht'gen Gast, der scheu die Gegend mied,
Als nach der Sonne herbstlichem Erkalten
Libelle bei dem ersten Reif verschied.

4.
Die Taube, spricht der Sündflut alte Fabel,
Flog eilig heim zum sichern Archenwall,
Der Zweig vom Friedensbaum in ihrem Schnabel
Gab Kunde von des großen Wassers Fall,
Das Aud, dem Riesen reichte bis zum Nabel.
Wo grünte mir sein Zweig im weiten All?
Denn höher als der Riesenbau zu Babel
Flogst du als Aar empor zum Sonnenball.
Ich blieb zurück auf blauem Lotoshage
Mit einem Herzen, das vergebens schlug.
Was focht dich an der Taube trübe Klage,
Dich selten zedernhoch der Fittig trug?
Sie starb aus Kummer an demselben Tage,
An dem ein Pfeil gehemmt den Adlerflug.

5.
Nach kurzer Frist, als grüne Wasserschlange
Durchschwamm ich froh den stillen Ozean.
Bald traf ich auf dem neuen Lebensgange
Dich als Delphin im Schilfgeflechte an,
Und folgend meines Herzens Flammendrange
Durchkreuzt' ich schüchtern deine Wellenbahn.
Du aber träum'risch lauschend dem Gesange
Der schönen Meerfei, die dirs angetan.
Fandst an dem Schlangenkinde nicht Gefallen,
Bemerktest nicht sein Werben liebeswarm.
Im Zackensaal rotschimmernder Korallen
In deiner grauenhaften Schönen Arm
Verbuhltest du dein Sein beim Liederhallen —
Mir aber brach das Herz der Sehnsucht Harm.

6.
Du warft ein schwarzer Hengst aus Berberblute,
An dem man nicht ein weißes Härchen fand;
Nie fühltest du den scharfen Sporn, die Knute,
Zu winken brauchte nur des Reiters Hand,
Und nach des Pfeiles Art mit zorn'gem Mute
Am Kongo flogst du durch der Wüste Sand.
Gedenkst du noch der goldgehaarten Stute,
Die lustig wiehernd dir zur Seite stand,
Als du gelenkt vom kühnsten aller Dschaggas
Beim Ruf des Tamtam wie der Wind so schnell,
Durchbraust der Negerstämme Mordgefecht?
Was nützte mir zu jener Zeit des Quaggas
Dem Panther abgeborgtes buntes Fell?
Verächtlich blicktest du auf mein Geschlecht.

7.
Als Antilope lebt' ich in Bengalen;
In einer mondbeglänzten Sommernacht
Auf einem Felsenhügel, einem kahlen
Erblickt' ich dich, das Bild der Königsmacht.
Der Löwe sei's, dies sagte klar der fahlen.
Und dichtgelockten Mähnen stolze Pracht.
Nicht schöner konnte man die Stärke malen.
So hatt' ich meine Liebe mir gedacht.
In meinem Auge stand der Sehnsucht Träne.
Und ich vertraute dir mein Liebesweh;
Du aber schütteltest die krause Mähne,
Und grolltest zürnend: "Zage Törin geh!
Erkiesen würd' ich eher die Hyäne —
Nie wird des Löwen Weib ein zitternd Reh!"

8.
Stolz wogt der Zug stahlglänzender Trabanten
Der Negersklaven goldverzierte Schar,
Stolz prunkt auf silberweißem Elephanten
Der schöne Rajah mit gesalbtem Haar;
Demütig folgen ihm die Abgesandten
Der Kaste, deren Stifter Brama war,
Nun folgt ein mächt'ger Troß von Musikanten —
Wen aber trägt dies fahle Dromedar?
Ein zweites folgt — Mein Herz, was soll dein Beben?
Die goldne Sänfte birgt Sakontala,
Das Weib ihm angetraut für alles Leben,
Das meinen Abgott ohne Purpur sah.
Der Himmel deiner Liebe ward vergeben —
Stirb, fluchbelad'ne, bleiche Paria!

Pannonia

1.
Pannonia so reich an edlen Reben,
Doch auch an Herzen, die noch edler schlagen,
Ich will mein Schwert, das Lied für dich erheben,
Und am Parnasse deine Banner tragen.
Des Islam Grenzstein ward dein altes Theben
In längstversunknen, blutbefleckten Tagen;
Da hattest du als Volk vollbracht dein Leben,
Und wurdest Stoff zu Thermopylensagen.
Du lagst ein Phönix in dem Aschengrabe,
Da kam die Zeit, der weise Arzt, geschritten
Mit Lebensbalsam aus dem Oriente;
Er weckte dich mit seinem Mosesstabe,
Und neidisch tauften dich die stolzen Briten:
Neuengland auf dem alten Kontinente.

2.
Das schöne Deutschland hat zwei Silberarme,
Den reichen Freier Handel zu umfangen —
Den linken Arm, den Rhein — mit welchem Harme
Die Franken seinen grünen Strand verlangen.
Schon ringen sie mit jenem Plänklerschwarme,
Der stets dem Heer zur Schlacht ist vorgegangen —
Die Dichter sinds, laut klingt ihr Lied, das warme,
Ein scharfes Schwert, zu töten fremde Schlangen.
Der rechte Arm ist frei, ist unbezwungen,
Und sichert kraftvoll Brautschatz und Verkündung —
Nur deutsche Wimpel flattern auf dem Isther:
Doch seine Finger haben sich verschlungen,
Ein fremdes Volk bewacht die Donaumündung —
Auf Östreich! Samson! über die Philister!

3.
Erwacht bei diesem Donnerruf, Magyaren,
Die Bande, Samson, mit dem Schwerte spalte!
Ein schönes Weib mit schwarzgelockten Haaren,
Mit Augen hell, als ob der Blitz drin walte,
Mit Händen weißer, als die Flocken waren,
Die uns im Herbst gebracht der Nord, der kalte,
Mit Lippen — kein Blumist noch hat erfahren,
Ob es im Mund vielleicht nicht Rosen halte:
Dies schöne Weib buhlt listig mit dem Volke,
Und möcht' es gern in tiefen Schlummer wiegen
Durch süße Küsse, duftig weiche Rede.
In Osten aber steigt die Wetterwolke —
Auf Ungarn! Wollt ihr kämpfen, wollt ihr siegen,
So flieht die Delila, die Landtagfehde!

4.
Beachtet nicht die donnernden Zeloten,
Die Furcht im Herzen, Trotz im Munde haben,
Und selbst die Tauben, diese Friedensboten,
Verlästern möchten als des Unheils Raben.
Im Zeitensturme wählt euch zu Piloten
Die hellsten Kopfe, tragen sie auch Schwaben,
Nicht die Gewohnheit, diesen Urdespoten,
Der, was ihm Neu, verketzernd will begraben.
Was frommen jetzt lateinische Pandecten,
Die Frucht von eurer Vater bangem Sinnen,
Als die Mongolenreiter sie erschreckten.
Aus ihrem Schimmel mögen sich gewinnen
Die freie Zehrung klebrige Insekten —
Ihr braucht den Geist der Zeit — der ist nicht drinnen!

5.
Das Handelsrecht ist jetzt der Koran worden,
Dran alle Volker fest zu glauben schwuren,
Und sein Gesetz, schon längst befolgt im Norden,
Kam blattweis an auf euern grünen Fluren.
Den Neupropheten, wollt ihn nicht ermorden!
Er findet leicht verborgner Übel Spuren,
Und machte bettelnde Nomadenhorden
Zum reichen Volk durch seine Wunderkuren.
Er wird verzinsen euer Pfund genauer;
Drum eilt auf seinen Pfad mit raschem Schritte,
Und Astorfindig wird der ärmste Bauer.
Dann wird durch Sensarie nicht reich der Brite,
Und Ungarn bleibt auch ohne China's Mauer
Europa's großes, ew'ges Reich der Mitte!

6.
Was nützen euch des Gama Wellenpfade,
Zu viele Meilen hat der Weg zum Nile;
Laßt Briten messen ferne Breitegrade,
Und lenkt nach Trapezunt die schwanken Kiele.
Drum scheut euch nicht vor einem kalten Bade,
Ein kühner Seemann kommt zuletzt zum Ziele;
Doch streng bewacht die Handelsbundeslade:
Den Donaustrom durch Schiffe schnelle, viele.
Zur Werfte eilt, als jage euch die Knute,
Fällt rasch die Eichen, nagelt fest die Scheiter.
Und dann ins Meer hinaus mit kaltem Blute!
Erklimmt getrost die strickgeflochtne Leiter —
Ein Schiff, Magyar, ist doch die schnellste Stute!
Hinauf! Warst stets ein bügelfester Reiter!

7.
Im Hafen Saida's halten Britenschiffe,
Des Sultans Recht beweisend mit Kanonen,
Und Türkenbarken rudern durch die Riffe —
Ihr Lotse ist das Glück, die Fracht sind Kronen.
Der Bootsmann ruft zum Sturm mit hellem Pfiffe,
Und Turbans fallen wie im Herbst die Drohnen;
Prinz Fritz erfaßt mit zrinikeckem Griffe
Den Aar, das Bild von östreichs Nationen.
Da jubelt laut der Brite, Türke, Druse,
Doch bleibt er ihrem Lob ein stummer Danker,
Und lugt ins Meer — vielleicht nach einem Wracke?
O nein, er fragt der Weltgeschichte Muse:
Geht an der Donaumündung bald vor Anker
Ein Linienschiff mit gelb und schwarzer Flagge?