Unicum
Du suchst in ewig unermessner Fülle,
In schwellender Unendlichkeit der Dinge;
Zum Sternenhimmel hebst Du Deine Schwinge
Und forderst, daß der Schacht sich Dir enthülle.
Du prüfst der Zeder Stamm, des Leu'n Gebrülle,
Was immer Dich als zahllos Sein umringe;
Du forschest, ob Dein Blick das All durchdringe,
Und jeder Kern nicht wieder eine Hülle.
Nur Eines kann Dir nie zum Wissen werden,
Nur Eines hat nicht Sprache, hat nicht Namen,
Läßt Deines Suchens Hand und Fuß erlahmen,
Fügt sich zu keinem Bild, zu keinem Rahmen,
Zeigt angerufen stumm nur die Gebärden:
Was Du hier bist und Keiner sonst auf Erden.
Tag für Tag
Mag das Glück wie Traum verschwinden —
Glanz der Sonne; Duft der Linden
Läßt sich nicht an's Schicksal binden,
Läßt sich finden Tag für Tag.
Auf der Welt erhöhten Bühnen
Krönt man nur den Selt'nen, Kühnen,
Doch der Schönheit darf den grünen
Kranz ich winden Tag für Tag.
Eh' ich Lust und Lenz versäume
Für des Namens Ruhmesträume,
Schneid' ich ihn in alter Bäume
Duft'ge Rinden Tag für Tag.
Wer im Rausch der Welt versunken,
Ist d'rum nicht von Freude trunken,
Doch entflammt den Götterfunken
Dein Empfinden Tag für Tag.
Glück ist blind — und auch, die's suchen!
Wandelnd unter kühlen Buchen,
Hör' ich nicht dem Schicksal fluchen
Von dem Blinden Tag für Tag.
Nicht die Seher stört ihr Wüten,
Denen ew'ge Lichter sprühten
Aus den Wolken, aus den Blüten,
Aus den Winden Tag für Tag.
Was sie dem Gemüt erwecken,
Lehrt, den Gram der Welt verdecken,
Und des Todes Märchenschrecken
Überwinden Tag für Tag.
Fromme Bücher
Aus Gottes Herzen ist die Welt entsprungen,
Als seiner Liebe, seiner Huld Erscheinung!
So spricht die Katze, wenn ihr Fang gelungen —
Die Maus doch ist nicht ganz der gleichen Meinung.
Zwar täglich kommt ein frommes Buch heraus,
Doch nirgends fand ich widerlegt die Maus.
Die bessere Welt
Wer glaubt, wer denkt im ird'schen Staube,
Erkennt die Welt als Jammertal,
Doch überwindet ihre Qual
Der Geist noch mächt'ger als der Glaube.
Der Glaube, tief von Nacht umstellt,
Kann eine bess're Welt nur hoffen;
Der Geist, die hellen Augen offen,
Ist selbst schon eine bess're Welt.
Wunder
Eins ist Glaube mit Verzichten!
Langt er nach dem Gut der Welt,
Reicht er nicht empor zum Räuber,
Der sich nie als fromm verstellt.
Heilig ist der wahre Glaube!
Daß er noch ein Herz und Haupt
Ganz erfüllt, ist größtes Wunder,
Als die Wunder, die er glaubt.
Stoa
Über Heil und Unheil schweben,
Gleichgestimmt für Tod und Leben,
Ist vielleicht das Glück;
Nichts mehr hoffen, nicht mehr wollen,
Gibt auf Erden schon den Schollen
Ihren Teil zurück.
Genug
Der Ähre Preis erschallt, wenn sie geschnitten,
Des Helden, wenn er Wunden sich erstritten.
Was willst Du, Herz, mit deiner Sehnsucht Fülle?
Du hast genug erreicht, wenn Du gelitten.
Freudenträne
Freude weint, weil ihr bewußt,
Daß sie täuscht Dein tiefes Sehnen;
In den Tränen deiner Lust
Schlummert schon die Lust der Tränen.
Schmerzensträne
Ich sah ein Kind der Blume Stern zerpflücken,
Um das Geheimnis ihres Kelch's zu schauen,
Und mit Erstaunen fand es, fast mit Grauen,
Daß auch der Kern sich furchtlos ließ zerstücken.
Der Schmerz entblättert jegliches Entzücken,
An dem die Lebensfrohen sich erbauen;
Und darf er den zerstörten Freuden trauen,
Daß sie, was ewig bleibt, ihm näher rücken?
Dem Paradies, das uns zu früh verdorrte,
Entnahm der Schmerz den Tau als letzte Würze,
Er nahm die Träne, eh' sich schloß die Pforte.
Vielleicht umhüllt die Träne stumm, in Kürze,
Was gern wir faßten in Erlösungsworte,
Auf daß die Sphinx die Welt zum Abgrund stürze!
Das Rätsel der Sehnsucht
Wenn Dir die rechte Stunde schlug,
Durchschaust Du wohl der Erde Trug,
Doch bleibt Dir die Erkenntnis fern:
Was ist der Sehnsucht tiefster Kern?
Du sahst die Welt in Nord und Süd;
Der Freuden satt, der Leiden müd'.
Das Sandkorn fragst Du, fragst den Stern:
Was ist der Sehnsucht tiefster Kern?
Du willst entrinnen ihrem Schmerz
Und drückst sie doch mit Gier an's Herz,
Denn Leben selbst ist Sehnsucht nur,
Wie schlau Dir's auch verhüllt Natur.
Ihr Trug umgibt mit Qual und Angst
Den Untergang, — den Du verlangst.
Du weißt es nicht, Du stürbest gern:
Das ist der Sehnsucht tiefster Kern.
Die blinde Welt
Ich kenne nicht des All's verborg'nes Sein und Wesen
Und kann von diesem Schmerz, dem tiefsten, nicht genesen.
Wie ruht das satte Tier! In ihm ist kein Vermissen,
Natur, in sich beglückt, ist nur in mir zerrissen.
Der Blindgeborne schwelgt in ungestörtem Frieden,
Wenn ihm kein Wissen ward, daß er vom Licht geschieden.
Der Menschengeist ist nicht das Aug' der blinden Welt,
Er ist ihr Wissen nur, daß nie sie wird erhellt.
Das Chaos
Das Chaos war ein ruhevoller Bronnen,
Der ohne Grenzen tief und weit sich dehnte,
Wo nichts das Leben, nichts den Tod ersehnte;
Umschlungen schliefen Erden drinn und Sonnen.
Da hat der See zu träumen einst begonnen;
Es schied, was innig aneinander lehnte,
In Tag und Nacht, in Mann und Weib es gähnte
Ein Abgrund plötzlich zwischen Wunsch und Wonnen.
Das ist der böse Traum, den "Welt" sie hießen!
Und ist es aus, wird alles was geschieden,
Sich neu zu sel'gem Eins zusammenschließen.
O predigt nicht Unsterblichkeit hinieden!
Ist Leben Traum, muß auch das Herz zerfließen.
Was lebt, will Rückkehr zu des Chaos' Frieden.
Willenlos
Die Zeit, die nutzlos schwand, beklage nicht.
Welch' Ziel Dir ferner winkt, das frage nicht.
Du lebst im Dienste nie begriffner Macht,
Warum und wie? Das kommt zu Tage nicht.
Sie sorgt, daß all' Dein Glauben, Walten, Tun,
Den Zweck, den sie will, überrage nicht.
Und leugnest Du's — dies Leugnen dient ihr auch!
Daß Du Dir selbst gebietest, sage nicht!
Sagt wohl der Baum, weil er die Hand nicht kennt,
Die seine Früchte nimmt: ich trage nicht!?
Auch Du vollbringst ein And'res, weil Du mußt,
Mit Deines Herzens kühnstem Schlage nicht.
Weltüberwindung
Wer still beglückt im Walde wohnt, vergißt die Welt;
Und wer gefangen sitzt im Turm, vermißt die Welt.
Wenn Du sie nur mit Schmerz entbehrst und doch so leicht
Sie für ein Glück verlassen kannst: was ist die Welt?
Mich dünkt, ein Ziel, das tief in Dir verborgen ruht
Berede Dich in ihr zu schau'n mit List die Welt.
Du jagst betört ihm nach und wirst bald selbst gejagt,
Und Deine Kraft und Deinen Mut zerfrißt die Welt.
Nur wem ein Gott in eig'ner Brust das Ziel erschloß,
Der überwand als Heide wie als Christ die Welt.
Trauer
Trauer hält mein Herz umfaßt,
Schwer, ach! ist des Lebens Last.
Doch gesegnet der Gebeugte,
Wie — von Frucht gebeugt — der Ast.
Selig, wer gleich ihm in Ahnung
Nahender Befreiung praßt.
Wenn Du nicht den heißen Willen,
Ferner sie zu tragen, hast —
Leichter wird des Daseins Bürde
Und ihr Druck verschwindet fast.
Drängst Du Dich mit Gier an's Leben,
Straft es bitter Deine Hast;
Bist Du stets gewillt zu scheiden,
Ehrt es Dich als edlen Gast,
Reicht zum Labetrunk die süße
Vorempfindung ew'ger Rast.
Einsamkeit
Was immer auch Dein Herz vermißt,
Es bleibt ihm Einsamkeit gewonnen!
Du schöpfst aus ihrem tiefsten Bronnen
Was immer auch Dein Herz vermißt.
Auf ihrem Grund sind reich're Wonnen,
Als Glück, das flach und irdisch ist.
Was immer auch Dein Herz vermißt.
Es bleibt ihm Einsamkeit gewonnen!
Zur Einsamkeit gelangst Du nicht
Mit Trachten nach entbehrten Dingen;
Das kann Dir flücht'ge Güter bringen,
Zur Einsamkeit gelangst Du nicht.
Du mußt Dich zur Entsagung zwingen,
Eh' sie gewährt, was Dir gebricht.
Zur Einsamkeit gelangst Du nicht
Mit Trachten nach entbehrten Dingen.
In dem, was Reiz Dich dünkt und Zier,
Ist nur der Geist der Born des Lebens,
Und andern Sinn suchst Du vergebens
In dem, was Reiz Dich dünkt und Zier.
Ergreife drum das Ziel des Strebens
Vom Anbeginn in Dir, in Dir!
In dem, was Reiz Dich dünkt und Zier,
Ist nur der Geist der Born des Lebens.
Ästhetik
Was da lebt, ist Ein Gedanke,
Seine Form die feste Schranke,
Die er nimmermehr durchbricht.
Bis zu ihm dringt kein Erkennen!
Aber darf die Form entbrennen
In der Schönheit heil'gem Licht,
Glänzt aus nun durchsicht'ger Schranke
Ahnungsweise der Gedanke.
Beruf
Wen einer Muse Weihekuß berührte,
Wem tief ein Ruf nach höherm Sein erklungen,
Der fühle sich vom selben Mut durchdrungen,
Der jedem Märtyrer den Holzstoß schürte.
Ob ihn sein Weg zu lichtem Ruhme führte,
Ob ewig Dunkel seinen Pfad umschlungen —
Der inn're Gott, den er der Welt entrungen,
Das ist der einz'ge Lohn, der ihm gebührte.
So hoch erheb' ihn seines Geistes Schwinge,
Daß er, zu hoch für wechselnd Glück und Wehe,
Sein Selbst in Eins mit seinem Gott verschlinge,
Nicht wird er ihn, ob er in Oual vergehe,
Verraten für des Glückes Silberlinge;
Er spncht zu ihm: "D e i n Wille, Herr, geschehe!"
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