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Betrachtung 2
 

Nicht vergebens
Die Schönheit
Im Leide
Woher?
Waldsitz
Waldgang
Naturstimmen
Blick in die Sterne
Der Preis
Innere Stimme
Das letzte Ziel
Sprüche
Rat
Das letzte Wort
Beschränktheit
Sphärengesang
Nichtsein
Ein sanftes Wort

Nicht vergebens

Was je als Gottesstimme klang den Zeiten,
Was durch die Welt geflammt als Lichtgedanke,
Es brach der Menschheit nicht die letzte Schranke
Noch konnt's Erlösung ihrem Weh bereiten.

Und sah sie je den Gott auf Erden schreiten
Und liebreich nah'n mit dem Erlösungstranke,
Sie blieb doch nur die sinnbestrickte Kranke,
Für deren Heil — stets neue Helden streiten.

Und Keinen führt an's große Ziel sein Pfad!
Doch nicht vergebens war sein Lieben, Ringen,
Mocht' auch die Welt an's bitt're Kreuz ihn zwingen.

Entkeimte seiner ausgestreuten Saat
Der Segen doch: die Welterlösungstat
An seiner eig'nen Seele zu vollbringen.


Die Schönheit

Die Schönheit dringt als Klang von gold'ner Leier,
Als Marmorbild und Farbenreiz zur Seele.
Doch was sie immer als Erscheinung wähle,
Den Baum in seiner Ruh — im Flug den Geier —

Ob sie dem Stern, der Landschaft stiller Feier,
Dem Gliederbau des Leibes sich vermähle,
Welch' irdisch Formenspiel von ihr erzähle:
Ihr selbst entsank noch nie der letzte Schleier!

In Hüllen nur enthüllt sie sich den Sinnen,
Als Wirkung nur verrät sie sich dem Geist,
Nicht als Erkenntnis ist sie zu gewinnen.

Drum ist der Wehmut voll, wer Schönheit preist;
Sie lockt nach einem fernen Ziel von hinnen,
Das sie versagt, indem sie es verheißt.


Im Leide

I.
Wohl harrt an meinem Bett der Schlummer,
Doch gerne stieß ihn weg der Kummer.
Der Traum ist's, der die Gegner eint:
Ich hab' im Schlaf mein Los beweint.

II.
lch denke mit leiser Klage,
Was wieder der Lenz gebracht:
Den Tälem sonnige Tage,
Den Wäldern kühlende Nacht.

Wie hab' ich es einst genossen,
Vereinsamt in stiller Lust!
Ich hielt den Frühling umschlossen
Und Niemand hat es gewußt.

Nun auch, da mich Qual umwindet,
Ist Keiner, dem ich's geklagt!
In keinem Auge sich findet,
Die Träne, die mir versagt.


Doch nur aus verschwieg'nen Wonnen,
Aus Qual, die den Laut verlor,
Lauscht wie aus heiligem Bronnen
Das Weltgeheimnis hervor.

III.
Tiefes Elend bitt'rer Tage!
Milder ist des Kranken Not,
Der mit jedem Herzensschlage
Näher kommen hört den Tod.

Während ich zur Lebensfülle
Reifer Manneskraft geweckt.
Hat der Gram mit bleicher Hülle
Welt mir und Natur verdeckt.


Doch nicht über Ird'sches klagen
Will der schon erlöste Geist,
Darf er doch zur Höhe ragen
Wo ein Ew'ges ihn umkreist.

Was im Busen reift der Kummer
Sprengt den Bann, der irdisch ist;
Traum ist's aus dem tiefen Schlummer
Eines Gott's, der uns vergißt.


IV.
Mit der Entsagung stillem Weh bescheide Dich!
Es atmet Duft der Ewigkeit; d'ran weide Dich!
Denn nicht im flücht'gen Lenz der Flur, des Ew'gen Hauch
Umweht im trauervollen Herbst der Haide Dich.
Zu arm dem Herzen ist die Welt, d'rum, wenn Du liebst,
Gleich knüpfst Du an die Ewigkeit durch Eide Dich.
Zu arm dem Geist ist alles Glück; wenn Du Dich fügst,
Berührt der Geist der Ewigkeit im Leide Dich!


Woher?

Durch die Pflanze zuckt ein Beben,
Das der Wind nicht zugeführt;
Ein geheimes Wonneleben
Ist's, das ihre Blätter rührt.

Wie viel Tränen ich vergeude,
Wünsche sende himmelwärts,
Nimmer hoff' ich, daß die Freude
Wiederkomme in mein Herz.

Nimmer von des Glückes Schwinge
Werd' ich sie getragen seh'n,
Auf dem weiten Erdenringe
Wird sie nimmer mir ersteh'n.

Dennoch faßt der Freude Wittern
Mich in meines Schmerzes Gruft,
Wie den Baum ein Wonnezittern
Auch in unbewegter Luft.


Waldsitz

Wenn Du je im Wald allein gesessen,
Das Aug' versenkt in's dunkle Grün der Tannen,
Das Ohr geneigt den Quellen, die verrannen,
Rings um Dich Ruh und tief in Dir Vergessen:

O dann empfandst Du auch, sich unermessen,
Ob Dir des Daseins blauen Himmelspannen!
Das bunte Spiel der Dinge zog von dannen,
Mit keinem irdischen Gewicht zu pressen.

In solcher Stunde ward hinweggenommen,
Was hemmt — Eins mit der Ewigkeit zu werden,
Und ohne Tod bist Du zu Gott gekommen.

Die Stunde weicht den irdischen Beschwerden,
Doch ein Erkennen bleibt in Dir erglommen.
Du bist — und mehr wird nimmer Dein auf Erden.


Waldgang

Düster war die Maiennacht,
Wolkenüberhangen,
Durch des Waldes dunkle Pracht
Bin ich hingegangen.

Bäume rauschten mir an's Ohr,
Hüben an zu klagen,
Was ich je besaß, verlor,
Wußten sie zu sagen.

Brausend ihre Klage schwoll
Gleich den Orgeltönen;
Bis zum ungeheuren Groll
Stieg des Waldes Stöhnen.

Riß er jetzt sein eig'nes Weh
Aus des Schweigens Banden,
Daß ich seine Oual versteh',
Wie er mich verstanden?


Ach, umsonst! — Die Sehnsucht preist
Ein verlornes Eden,
Wo sich durften Welt und Geist
Liebend unterreden.

Die Natur, wie laut ihr Mund,
Wird nicht mehr Gedanke!
Aller Schmerzen tiefster Grund
Ist nur diese Schranke.


Naturstimmen

Klagt der Hain, der dichtbelaubte,
Rauschend fernem Glücke nach?
Weint um Freuden, frühgeraubte,
Durch das Felsgeklüft der Bach?

O, dann trauern Baum und Welle
Um ein himmlisch Wonnenspiel!
Nicht auf Erden blüht die Stelle,
Ihrer Sehnsucht letztes Ziel.

Ewig klagend rauscht die Tanne,
Weint der Bach sein schmerzlich Lied,
Bis Natur einst aus dem Banne
Des erzwung'nen Daseins flieht.

Doch die rätselvollen Stimmen
Nennen, was ich stumm empfand.
Süßer Einklang! Hold Verschwimmen
Mit dem Schmerz, der mich umwand.

Auch mein Sehnen ringt vergebens
Nach dem höchsten Glück empor,
Das ich hier im Bann des Lebens
Nie besaß und doch verlor.


Blick in die Sterne

Alle Dinge dieser Erde
Gäb' ich hin als Opfer gern,
Um zu wissen, wie die Dinge
Anzuschau'n auf einem Stern.

Und auf jenem Stern ein Wesen,
Ist gewiß der Klage voll,
Daß es ewig das Erkennen
Unsrer Erde missen soll.

Aber dieser Wesen Sehnsucht
In den Erden selber brennt,
Als die Kraft, die alle Sterne
Ewig hält und ewig trennt.

Sehnsucht ist des All's Geheimnis!
Alles Werden, Blüh'n und Glüh'n,
Nach der wandellosen Einheit
Ist's ein rastlos Hinbemüh'n.

Der Verschmelzung ewig Scheitern
Ist die Qual der Menschenbrust,
Der Verschmelzung flüchtig Traumbild
Ist der Liebe ganze Lust.


Der Preis

Von lebenden Gemütern
Wohl keines weiß,
Was von der Erde Gütern
Verdient den Preis.

Wenn je sein Schweigen bräche
Des Grabes Mund,
Wenn je der Tote spräche,
Er gäbe kund:

Das einzig friedensvolle,
Das höchste Gut,
Das ist die Erdenscholle,
Die auf mir ruht.

Der Erde selbst drum werde
Der höchste Preis
Von Allem, was die Erde
Zu bieten weiß.


Innere Stimme

Eine Stimme hallt
Tief im Innern,
Bald ein Hoffen, bald
Ein Erinnern.

Als Natur Dich schuf,
Scholl ihr Werde,
Nie vernahm den Ruf
Mehr die Erde.

Dich und Dich nur rief
Sie und nannte,
Was an Dir das tief
Unerkannte.

Was Du bist allein,
Still und einsam,
Nicht mit anderm Sein
Mehr gemeinsam. —

Solchem Ruf entsprang,
Was Dein eigen.
Solchen Ruf's ein Klang
Will nicht schweigen,


Sucht den Urlaut, hallt
Tief im Innern,
Bald ein Hoffen, bald
Ein Erinnern.

Bebt als Echo fort,
Leise klagend,
Um sein Schöpfungswort
Ewig fragend.

Was Gefühl und Geist
Nicht erschwingen:
Wie die Antwort heißt
Jenem Klingen,

Scheint, wenn's Auge bricht,
Als Ergänzen
Auf dem Angesicht
Still zu glänzen.


Wer Du bist — wie auch
Stürmt Dein Fragen,
Erst Dein letzter Hauch
Darf's Dir sagen.


Das letzte Ziel

        Ich glaub' nicht an die Dauer
        Jenseits der Kirchhofsmauer,
        Doch wünsch ich nur so viel
Mir als das letzte Ziel,

Wenn abgetan des Lebens Last,
Zu f ü h l e n meine tiefe Rast.


Sprüche

Wissenschaft und Poesie
Sind getrennte Kreise;
Frieden kennt der Dichter nie,
Unglück nie der Weise.
+++
Die Weltenkugel ist ein Ei,
Vom Menschengeist bebrütet,
So lang die Schale nicht entzwei,
Weiß Keiner, was sie hütet.
+++
Du gibst der schalen Nichtigkeit
Des Daseins dumme Wichtigkeit.
Wenn Du Dich leidlich schlägst hindurch,
Hat Alles seine Richtigkeit.
+++
Nicht ungenossen, was Dir ward, vergeude!
Erleuchten können Deines Seins Gebäude
Genüsse, die da steh'n als finst're Kerzen,
Des Lichts gewärtig — Deiner i n n e r n Freude.
+++
Wonach Du rangst in Tränen schwer, es soll nicht sein!
Doch ist ein Trost wie keiner mehr: es soll nicht sein!
Dies eint Dich mit dem ganzen All; ihm sprach ein Gott:
Das Glück, Dein glühendstes Begehr, es soll nicht sein!
+++
Die Einheit alles Seins verkennt, wer dreist
Den Stoff nur oder nur die Seele preist,
Denn Erd' und Himmel sind das gleiche Rätsel,
Der Körper selbst ist unbekannter Geist.
+++
Die Trauerglocke läutet
Ein sanftes Ruhelied:
Wer hat je mehr erbeutet,
Als ihm die Gruft beschied?
+++
Und droht auch Nacht der Schmerzen ganz
Mein Leben zu umfassen —
Ein unvernünft'ger Sonnenglanz
Will nicht mein Herz verlassen.
+++
O Freund! Das Trübe stellt entgegen sich dem Klaren.
Darum, bist Du betrübt, so bist Du nicht im Wahren.
+++
Was Du besitzest, kann ein Raub des Schicksals sein,
Was Du besaßest, bleibt für alle Zeiten Dein.
+++
Ein Glück, das Grund hat, geht mit ihm zu Grunde stündlich,
Und nur ein grundlos Glück ist wahr und unergründlich.
+++
Die Götter selbst sind nicht vom Schmerze losgerissen,
Und wär's auch nur, daß sie von And'rer Schmerzen wissen.
+++
Der Mensch ist Sphinx — und daß sich Zeit auf Zeit vernichte,
Die nicht sein Rätsel löst, mehr sagt nicht die Geschichte.


Rat

Werschwende nicht Dein tiefstes Sein,
Was Du nicht bist, das wird nicht Dein.

Du tränkst den Sand mit Herzensblut,
Er wird doch nicht zum Rosenhain.

Verschmerz' es bald und lern' von ihm —
Eh' er dich deckt — verschlossen sein.

Du ruhst schon hier in Deinem Geist,
Wie einst in Deinem Grab, allein.

Das letzte Wort

Den Mangel eines letzten Wort's beklagt
Der Zug der Sehnsucht, der das All beseelt,
Der Geist, dem seines Born's Erkenntnis fehlt,
Der tiefe Schmerz, dem jeglich Wort versagt.
Die Schöpfung war bei sechsten Tages Neigen
Vollendet nicht, sie ward nur abgebrochen,
Das letzte Schöpfungswort ist nicht gesprochen,
Der Ruhetag begrub's in seinem Schweigen.

Beschränktheit

Wenn die Ahnung einen Himmel preist —
Ist vielleicht die Welt vollendet Glück
Und des Menschen engen Sinn und Geist
Faßbar nur ein abgebrochen Stück?

Ihr Geheimnis trägt die Pflanze vor,
Doch ihr sprechend Atmen hört kein Ohr,
Wie Dein Herz auch pocht bei Dir vergebens
Um Verständnis seines tiefsten Lebens.


Sphärengesang

So lang die Sterne kreisen
Am Himmelszelt,
Vernimmt manch Ohr den leisen
Gesang der Welt:

"Dem sel'gen Nichts entstiegen.
Der ewgen Ruh',
Um ruhelos zu fliegen —
Wozu? Wozu?"

Nichtsein

Wenn oft die Welt als Wahnbild vor mir steht
Und im Gemüt ein heil'ger Schauer weht,
Dann scheint die Lust, die höchste, nicht zu frommen
Und Glück und Elend sind in Eins verschwommen.
An's tiefste Leben hörbar pocht der Geist
Des Nichtseins, der sein stilles Reich verheißt.


Ein sanftes Wort

I.
Ein sanftes Wort gleich Aeolsharfenklängen!
Doch droht's die Klammern der Natur zu sprengen,
Und was Jahrtausende gebaut, zerschellt
Am sanften Wort einst — nicht von dieser Welt!

Als der Natur das sanfte Wort erklungen,
Sind sieben Schwerter ihr in's Herz gedrungen.
Der Geist ward Herr! O, schmerzensvoller Bruch!
Das sanfte Wort war Donner ihr und Fluch.

Jerusalems lang eifersücht'ge Hügel
Froh lieh'n dem Wort sie ihrer Lüfte Flügel.
Es flog zur Siebenhügelstadt wie Brand,
Es flog zum Ida, der's entsetzt verstand.

Verschüttet wird der Nektar! Doch nicht krachen
Die Säulen wieder des Olymps vom Lachen.
Der Götter üppig Mahl ward Wehgesang,
Und ihrer Bilder edler Marmor sprang.

II.
Die Erde müßte bersten, wenn sie trüge
Was ihren festen Bau verkehrt in Lüge.
Sie trägt nur was zuletzt ihr eig'ner Raub
Und nimmer, was nicht Staub von ihrem Staub.

Drum die Unendlichkeit des sanften Wortes,
Des unergründlich, todessüßen Hortes,
Umspannt sie mit der Satzung engem Zelt,
Mit einem Säulendach — von dieser Welt.

Der Himmel ist aus Holz der Welt gezimmert,
Von Racheglut der Hölle Schlund durchschimmert.
Geschaffen nach des Menschen Ebenbild
Ist jener Gott, der richtet und vergilt.

Wie traurig stehn am Ölberg die Zypressen!
Sie sinnen, ob das sanfte Wort vergessen,
Ob wieder nur auf Endlichkeit gestellt —
Vermehrt noch um ein Jenseits — diese Welt.