| Berzsenyi Daniel
 Berzsenyi Daniel
 1780-?
 
 Der Tanz
 
 Schau, wie des Tanzes verschiedene Weise in spielendem Wechsel
 Malet den Geist des Volks, seiner Empfindungen Kreis.
 Mit drei Schritten walzet der Deutsche und dreht sich im Kreise,
 Hält die Gefährtin im Arm, führt sie die schwebende Bahn.
 Einfach ist der Deutsche in allem, und freuet sich ruhig,
 Eine umarmet er nur, liebt er, so ist er auch treu.
 Flüchtig und künstlich tanzt der Franzose, liebäugelt und 
				scherzet,
 Wechselt die Tänzerin, beut dieser, bald jener die Hand;
 Feurig ist er und rasch, in der Freude hingaukelnd wie Kinder;
 Stets doch gefällt er sich selbst, wechselt das Liebchen gar 
				oft.
 Pindar ist der Magyare, fort reißt der Begeisterung Sturm ihn,
 Drückt der Empfindungen Glut aus im entflammeten Tanz;
 Liebebewegt schwebt schmachtend er hin, wie ein zärtliches 
				Lüftchen,
 Webet im zierlichen Schritt, was ihm das Innre bewegt;
 Hell auflodernd fährt er nun auf, verschmähet das Mädchen,
 Tanzet allein voll Mut, bebend dröhnet die Erd'!
 Dies ist der Krieger Tanz, Kinizsi sprang blutigen Armes,
 Und seine Krieger so, Leichen der Feinde umher.
 Seine geheimen Regeln sind nicht von Meistern gesammelt;
 Er ist sich selber Gesetz, bändigt die eigene Glut.
 Der ist ein Mann, der zum ung'rischen Tanz ist geboren, er 
				juble!
 Männliche Stärke und Glut, spannen die Nerven ihm an.
 
 Mein Anteil
 
 Ich steh' am Ufer, ziehe ein die Segel,
 Habe der Winde Stürme kühn bestanden,
 Wirbel, Gefahren, viele tausend haben
 Hart mich bedrängt.
 
 Jetzt ist der Friede mein, ich bind' das Schiff an,
 Keinerlei Zauberbilder werden's lösen,
 Nehme ihn auf du abgeschied'ner Ort, den
 Feurigen Jüngling.
 
 Ist, wie Tarent, nicht meiner Wiese Grenze
 Reich, oder wie die herrliche Larissa;
 Glänzet die Quelle Tiburs nicht im Dunkel
 Heiliger Haine.
 
 Hab' ich doch Reben, hab' mit gold'nen Ähren
 Prangende Felder, die geliebte Freiheit
 Wohnet bei mir; soll von den gnädigen Göttern
 Mehr ich begehren?
 
 Werfe das Schicksal mich, wie's ihm gefällig,
 Trübe nur herber Mangel mir den Mut nicht. —
 Überall schau' ich glücklich und zufrieden
 Auf zu dem Himmel.
 
 Bleibe nur du mir, liebliche Kamöne,
 Überall beust du Segen meinem Leben;
 Ödeste Gegend wird zum Garten, singst du
 Zärtliche Lieder.
 
 Jagt mich nach Grönlands ew'gem Schnee das Schicksal,
 Wendet es mich zum glüh'nden Sand der Mohren,
 Schützt mich, o Muse! dort dein warmer Busen,
 Kühlt mich dein Hauch hier.
 
 Kopf und Herz
 
 Was? darum soll ich mich grämen,
 In des Lebens Frühlingsglanz,
 Weil die Falsche mich verworfen?
 Mich wird nicht, wie Biblis einst, der
 Liebe Strahl zu Wasser schmelzen;
 Nicht mit schwacher Tränen-Flut
 Netzt der Mann sein Angesicht.
 Lacht in Hybla's Wunderhainen
 Eine einz'ge Blume nur?
 Drückte Minor seine Küsse
 Nur auf Eines Mädchens Lippen?
 Nicht von Chloe's Stirne bloß,
 Fließen braune Locken nieder,
 Nicht allein in Chloe's Augen
 Barg den gold'nen Köcher Amor.
 Fort! hinaus! nun bin ich frei;
 Dank! mein Käfig ist geöffnet;
 Dank! doch, ach! was enget mich?
 Schmerzestränen quellen auf!
 Weh! es löscht die Glut des Herzens
 Nicht der Weisheit kalter Rat
 Süße Chloe! ach, ich liebe
 Dich, wie Bienen Blumen lieben,
 Und das Reh den frischen Bach.
 
 Der Frühling
 
 Öffnend den Rosenschoß erscheint der Frühling,
 Senkt sich in weichen Lüften auf die Matten,
 Zephyr's umschweben seine Balsamlocken,
 Trinken die Düfte.
 Schaffenden Äther haucht er auf die Erde,
 Und sie erwacht, die lang erstarrt geruhet;
 Zahllosen Seins gelöste Keime treten
 Grünend in's Leben.
 Erstlinge beut ihm Flora lächelnd, und es
 Blühen ihm Veilchen, Rosen, wo sie hin tritt;
 Gaukelnde Scherze, Freude und die Liebe
 Sind sein Gefolge.
 Ich auch ergieß' mein Feierlied, und hefte,
 Himmlische Emmy! eine Rosenknospe
 Dir an den Busen; schon ist sie, wie du und
 Wie wir vergänglich.
 
 An Eszti
 ungarisch für Ernestine
 
 Schön ist das Leben Eszti.
 Im Myrtenduft, in Amors,
 Und in Dione's Armen,
 Wie süß ist's Leben, Eszti!
 Es fürcht' das Glück ein And'rer
 Und wilden Meeres Wüten;
 Golkonda's reiche Schätze
 Samml' er in großen Haufen;
 Glänz' auf des Ruhmes Gipfel
 Mit weltherrschenden Kaisern,
 Und hundertfält'ger Päan
 Verkünde seine Siege.
 Ich wünsche, süße Eszti
 Mit dir, mit dir zu leben;
 Verborgen vor der Welt,
 Wo niemand uns'rer achtet,
 Wo ich nichts andres säh', als
 Dein Engels - Angesicht;
 Nur dich, du süße Einzige!
 Wo ich nichts anders hört', als
 Dein zartes Flüstern, deines
 Vieltreuen Herzens Pochen.
 
 Zufriedenheit
 
 Weder chinesische Polster erheischt die Zufriedenheit, weder
 Marmorpaläste; sie wohnt in der Hütte des armen Landmanns,
 Und in seinem schlichten Rock weit öfter, als in der
 Dame perlengeschmücktem, Ambrosia duftenden Busen;
 Stilles Strohdach wählet sie sich und die fröhlichen Chöre
 Jubelnder Hirtenkinder; sie sinkt der Natur in die Arme,
 Ihr nur reicht sie die Hand, und küßt sie mit himmlischem Kusse.
 
 Phillis
 
 Auf meinen vollen Wangen glimmt
 Ein Rosenknospen Paar;
 Auf Alabaster-Achseln schwimmt
 Mein braungelocktes Haar.
 
 Es blüht ein Paradies um mich,
 Wo alles rosig lacht;
 Zur Freude bin geboren ich,
 Und sieh', mein Herz erwacht.
 
 Es lächelt Liebe, lächelt Scherz,
 Wohin den Blick ich richt',
 Der Freud' entgegen schlägt mein Herz,
 Doch Freude fühl' ich nicht.
 
 Und atme ich den Äther auch,
 Der schönen Jugendzeit,
 Weht mir doch nicht der Balsamhauch,
 Den uns die Freude beut.
 
 Das Täubchen kann nur fröhlich sein,
 Wird wonnig nur gerührt,
 Wenn in dem grünen duft'gen Hain
 Ihr Tauber sie umgirrt.
 
 Die Abenddämmerung
 
 Erheb' dein Purpurangesicht,
 Bring' Ruhe der Natur,
 Ersteh', du sanftes Abendlicht,
 Erquick' mit Tau die Flur.
 
 Dem Aug' des Müden spende Ruh',
 Ein froher Traum sei sein;
 Der Lieb' Geheimnis hülle du
 In süßes Dunkel ein.
 
 Des Lebens schönste Rose schließt
 Sich nur verborgen auf,
 Des Lebens schönste Stunde fließt
 Verborgen ihren Lauf.
 
 Auch ich nenn' ein Geheimnis mein,
 Doch kündet's euch kein Wort!
 Ich wahr's in meines Herzens Schrein,
 Verschlossen ist es dort.
 
 Zu sagen ist mir's nicht vergönnt,
 Welch schönes Glück mir blüht,
 Nicht wie die Einzige sich nennt,
 Für die mein Herz erglüht.
 
 Dem stummen Mond nur ist's bewußt,
 Was mich mit Wonne kränzt,
 Wenn mir der Freudenträne Lust
 Im heißen Auge glänzt.
 
 Kißfaludi Alexander
 Kißfaludi Sándor
 1772-?
 
 Unglückliche Liebe
 
 7. Dal.
 
 Wie der Hirsch, der schwer getroffen
 Von des Jägers sichern Pfeil,
 Flieht — zu spät — die Wund' ist offen,
 Und er findet nirgend Heil;
 So hab' ich mich abgewendet,
 Als ihr Aug' in meines sah;
 Doch schon war der Pfeil gesendet,
 Schon das Weh im Busen da.
 Aber, ach, mein scheues Rennen,
 Mehrt des Giftes tödlich Brennen!
 Weh! du armes trübes Herz,
 Nie enteilst du deinem Schmerz.
 
 13. Dal.
 
 Bunter Vogel, den ich neide,
 Singst der Liebe süßes Joch,
 Du entbehrst Verstand mit Freude,
 Denn dein Pärchen rührst du doch.
 In den Adern heißes Wallen,
 Sing' ich kunstvoll Amors Macht;
 Aber unerhört verhallen
 Lieder, wunderschön erdacht.
 Glücklicher! Der Liebe Freuden
 Singst du, ich nur ihre Leiden;
 Komm, ich gebe für dein Glück,
 Gerne den Verstand zurück.
 
 22. Dal.
 
 Wie das Reh, von hurt'gen Hunden
 Aufgeschrecket, flieht und flieht,
 Bis es eine Schlucht gefunden,
 Die den Drängern es entzieht;
 So will Amorn ich enteilen,
 Ach, und bin doch stets mit ihm!
 Denn in meinem Busen weilen,
 Fühl den Gott ich wild und grimm.
 Amor seine Beute faßt,
 Wie der Luchs, der ohne Rast
 Aufgekauert nagt und quält,
 Bis das Opfer stürzt, entseelt.
 
 26. Dal.
 
 Du, des Daseins höchster Geber,
 Der du uns ins Leben rufst,
 Du, der Welten Allbeleber,
 Der den Menschen Herzen schufst,
 Warum hast du mir's erlesen,
 Dieses liebeglüh'nde Herz?
 Besser wäre mir's gewesen,
 Hättest du's geformt aus Erz.
 Vater dieses All's! nicht räche,
 Wenn ich sinnwerwirret spreche,
 Den Verstand entriß mir sie,
 Richte mich nicht, richte sie.
 
 28. Dal.
 
 Wie kann ich mein Leben tragen,
 Meines Schicksals herbe Last?
 Bin so weit von dir verschlagen,
 Die du mich beseelet hast;
 Bist die Seele meiner Taten,
 Einzig leb' ich nur in dir,
 Nimmer kann ich dein entraten,
 Und bin doch so ferne hier?
 Dein geheimnisreiches Walten,
 Liebe, niemand wird's entfalten!
 Rätsel bleibst du ewiglich,
 Liebe, wer ergründet dich?
 
 47. Dal.
 
 Groß und viel ist was ich dulde,
 Ach, mein Kummer ist so schwer!
 Doch ich trag' ihn für die Hulde,
 Ist darum nicht freudenleer.
 Lockte mit des Reichtums Fülle
 Mich das Glück in seinen Arm,
 Blieb mir dennoch fest der Wille:
 Nie verließ ich meinen Harm.
 Wenn darin sie Freude findet,
 Daß in Gram mein Leben schwindet,
 Gerne biet' ich diese Brust,
 Ihres Quälens wilder Lust.
 
 51. Dal.
 
 In des Zaubers mag'scher Helle,
 Seh' ich oft ihr Angesicht,
 Wenn ich an des Baches Welle
 Wandle, in des Mondes-Licht;
 Und ich träume, daß das Bild
 Liebeslächeln hold umflicht,
 Daß es freundlich, sanft und mild,
 Mit mir, dem Verlaß'nen, spricht.
 Ach, wie glücklich bin ich dann!
 Doch es währet nicht der Wahn! —
 Meine Seligkeit vergeht,
 Wie das Zauberbild verweht. —
 
 57. Dal.
 
 Wie so schnell ist sie verschwunden,
 Meiner Kindheit schöne Zeit;
 Kurz nur wahrten jene Stunden,
 Die mein armes Herz erfreut! —
 Lenz in steter Jugendfrische,
 Blumen auf der grünen Flur,
 Frohe Sänger im Gebüsche,
 Süße Freuden der Natur,
 Mag der Winter euch zerstören;
 Doch ihr werdet wiederkehren,
 Meiner Jugend Freuden, nie, —
 Ach, warum erwart' ich sie?
 
 87. Dal.
 
 Ach, in ihrem Herzen reget
 Mir kein freundlich Sehnen sich!
 Und in ihrem Geiste heget
 Sie Gedanken nicht an mich.
 Möcht' sie, wenn sie seufzet, denken:
 "Ach, den Seufzer hört er nicht!"
 Möcht' es doch die Schöne kränken,
 Pries ich schön nicht ihr Gesicht.
 Doch sie achtet nicht mein Treiben,
 Stets gefühllos will sie bleiben;
 Nimmer, nimmer trag' ich das,
 Lieber wäre mir ihr Haß.
 
 157. Dal.
 
 Leicht, wie Zephyrs sich zerstreuen,
 Flatternd durch das Blumental,
 Schwebt sie in der Tänzer Reihen,
 In der Lese, auf dem Ball.
 Ach, wie edel war ihr Gehen!
 Königlich war jeder Tritt,
 Wie gerundet jedes Drehen,
 Leicht und zierlich jeder Schritt;
 Und des Mundes atmend Leben,
 Und des Busens schnelles Heben —
 Wie viel Herzen, die sie sah'n,
 Legt sie tausend Fesseln an.
 
 172. Dal.
 
 In des Himmels blauen Bogen,
 Seh' ich immer, immer dich;
 In des Wassers Silberwogen,
 Seh' ich Schönste dich, nur dich.
 Seh' dich in des Tages Helle,
 In der Sonne Angesicht,
 In des Mondes Silberwelle,
 In der Sterne Zitterlicht;
 Wo ich hin die Blicke sende,
 Wo ich hin mich fliehend wende,
 Du verfolgst mich ohne Ruh,
 Grausame! o laß mir Ruh.
 
 176. Dal.
 
 Euch, ihr Musen, ehrt die Süße,
 Will euch ganz zu eigen sein,
 Schickt der fernen Freundin Grüße,
 Streut im Briefe Verse ein;
 Sie erfreut sich der Gesänge,
 Schön von Dichtern ausgedacht;
 Meiner Laute trübe Klänge,
 Die nur nimmt sie nicht in Acht;
 Magst vielleicht zu düster rauschen,
 Daß sie niemals dir mag lauschen.
 Rührt sie, ach, dein Klagen nie!
 So verstumm'. — Was singst du sie?
 
 Glückliche Liebe
 
 16. Dal.
 
 Anders ist der Welt Gesicht,
 Anders ist des Schicksals Walten,
 Anders sing' ich ein Gedicht,
 Seh' ich Alles sich entfalten;
 Anders fühl' ich jetzt das Leben,
 Selig bist du Seele mein,
 Götterkraft ist mir gegeben,
 Höher fühl' ich jetzt das Sein.
 Neu bin ich; was mich umgibt:
 Denn ich lieb' und bin geliebt;
 Anders flieget jetzt die Zeit,
 Seit sie mir sich ganz geweiht.
 
 41. Dal.
 
 Von ihr kommet, zu ihr schwebet,
 Was im Geist sich denkend regt;
 Von ihr stammet, zu ihr strebet,
 Was den Busen mir bewegt.
 Was das Schicksal löst und bindet,
 Was es baut, und was es bricht,
 Fühl' ich nur, wie sie's empfindet,
 Wie's ihr recht ist, oder nicht;
 Was zum Jubel mich begeistert,
 Wie der Kummer, der mich meistert,
 Meines Lebens Freud' und Schmerzen,
 Alles keimt in ihrem Herzen.
 
 44. Dal.
 
 Zu vollziehen meinen Willen,
 Ist ihr Denken immer wach;
 Meine Wünsche zu erfüllen,
 Späht sie meinen Blicken nach.
 Glücklich, wer die Hand gewonnen,
 Einer lieben guten Frau;
 Ihn umschweben Himmelswonnen,
 Rein und hell, wie Äther blau.
 Sie, mit süßen Liebesblicken,
 Wandelt alles in Entzücken,
 Und die Lust und Freude zieht
 Ein, wohin die Holde sieht.
 
 51. Dal.
 
 Nach den Menschen, nach der Sitte,
 Richt' ich nicht mein Leben ein;
 Nach der Schule strengem Tritte,
 Darf nicht, was ich dichte, sein.
 Wie ich's denke, wie empfinde,
 Leb' ich meine Tage fort,
 Wie ich es im Herzen finde,
 Tönt im Harfenklang mein Wort.
 Lebend, dichtend, o Natur!
 Folg' ich einzig deiner Spur,
 Was nicht ist, erkünstl' ich nicht,
 Spreche, wie mein Herz es spricht.
 
 53. Dal.
 
 Gott treu und dem Vaterlande,
 Schlug des alten Ungers Herz,
 Und am Weib, das sein er nannte,
 Hing er fester denn das Erz.
 Gott nicht, nicht dem Vaterlande,
 Ist jetzt treu so manches Herz,
 Und der Liebe heil'ge Bande,
 Und sein Wort, sie sind ihm Scherz.
 Gott treu und dem Vaterlande,
 Trag' ich bis zum Grabesrande,
 Eine Liebe nur im Herz,
 Wie in meiner Brust ein Herz.
 
 75. Dal.
 
 Nicht, wer eitlen Ruhm begehrend,
 Wandelt zu dem Pindus hin,
 Nicht, wer niedrig, Gold verehrend,
 Verse schmiedet um Gewinn;
 Der, wenn in der Seele Gluten
 Der Begeist'rung Funken sprüh'n,
 Wenn der Dichtung Zauberfluten,
 Die erregte Brust durchzieh'n,
 In den Saiten rauscht den Lieben,
 Lieder bietet, flammgetrieben;
 Der nur, der so dichten kann,
 Ist mein Dichter, ist mein Mann.
 
 87. Dal.
 
 Wie sich diese Stunde wendet,
 Kehrt sich ein Jahrhundert ab;
 Wenn das nächste Hundert endet,
 Ruhet, was jetzt lebt, im Grab.
 Wir auch, die jetzt tändeln, scherzen,
 Du und ich, ein glücklich Paar,
 Sind dann auch schon welke Herzen,
 Mehren der Verblich'nen Schar.
 Teure, wie? dein Auge trübe?
 Laß die Tränen, süße Liebe! —
 Wohin uns das Schicksal zieht,
 Unsre Liebe geht ja mit.
 
 130 Dal.
 
 Auf der Erde umgesehen,
 Hat sich kaum der Lebens-Sohn,
 Fühlet kaum der Freude Wehen,
 Ist sein Grab geöffnet schon.
 In des Lebens ersten Keimen
 Liegt der Tod, der herbe auch;
 Alles auf der Erde Räumen,
 Löst, Vergänglichkeit! dein Hauch.
 Freunde laßt, weil nah das Ziel,
 Uns in Kürze leben viel,
 Bis das Grab uns schließet ein. —
 Wie das Lied, ist kurz das Sein.
 
 163. Dal.
 
 Du, der Augen süßer Strahl,
 Der, daß Liebe in ihr wohne,
 Mir entdeckt zum erstenmal,
 Und daß meine Treu' sie lohne;
 Euch, ihr lang verborg'ne Funken,
 Dir, der Wangen Morgenrot,
 Die mich Armen, schmerzversunken,
 Rieft zur Lust aus tiefer Not;
 Vor der Seele schwebt ihr immer:
 Der Erinn'rung liebend Wehen,
 Macht in Wonne mich vergehen.
 
 Staune nicht, daß immer Liebe,
 Rauschet meiner Harfe Lust;
 Alle schönen, süßen Triebe,
 Alles Gute in der Brust,
 Was auf dieser Erde Weiten
 Atmet, wirket, bindet, hält,
 Was im Wechsellauf der Zeiten,
 Wundervolles zeugt die Welt:
 Blumen, so die Felder weisen,
 Sterne, die am Himmel kreisen,
 Woher quillt ihr Zauberleben?
 Sie, die Liebe, hat's gegeben.
 
 164. Dal.
 
 Neue Reize alle Tage,
 Seh' die Holde ich entfalten;
 Freuden, daß ich kaum sie trage,
 Fühl' ich täglich in mir walten;
 Täglich mehrt sich das Verehren,
 Meines Geistes für den ihren,
 Täglich meiner Liebe Mehren,
 Kann in heißer Brust ich spüren, —
 Mehr als Amor je ersonnen,
 Hast du Hymen mir gewonnen. —
 Lohn, wie mir, wird wohl auf Erden
 Selten treuer Liebe werden.
 
 168. Dal.
 
 Menschenbrust, sie kann nicht sein
 Ohne, ohne Luft;
 So sinkt, nenn' ich sie nicht mein,
 Auch mein liebend Herz zur Gruft.
 Was die Seele unserm Leben,
 Ist der Holden Liebe mir,
 Will sich so mit mir verweben.
 Daß ich sterbe, ohne ihr.
 Bis nicht meine Liebe bricht,
 Beb' ich den Gefahren nicht,
 Steh' ich in der Liebe Schutz,
 Biet' ich allen Stürmen Trutz.
 
 Csokonai Michael
 Csokonai Mihály
 1773-1805
 
 Die Jahreszeiten
 
 Ich seh' des Lenzes Rosen blüh'n
 In deinem holden Angesicht,
 Des Maientages lächelnd Licht;
 Es zieht vor deinen Blicken hin.
 
 Den Sommer fühl' ich in mir glüh'n,
 Mein Herz erträgt das Lodern nicht;
 Denn Amor sandt' die Glut so dicht,
 Mit Flammen will er es durchsprüh'n.
 
 Des Herbstes trübe Wolken stehen
 Auf meiner Stirn; der Tränen-Regen,
 Er fließet, strömt unaufhaltbar.
 
 Dein Herz durchhaucht des Winters Wehen,
 Nicht kann es Liebes-Glut bewegen,
 Und eisig ist es ganz und gar.
 
 Der Vers-Verschönerer
 
 Dünkt dir mein Liedchen jetzt nicht süß,
 Die Verse ohne Glut,
 Laß sein! — Wenn ich ein Madchen küss',
 Erregt der Wein mein Blut:
 Wird lichterloh es in mir brennen,
 Die Myrte wird mir dann zum Lohn,
 Wie einst Anakreon.
 
 An meinen Freund
 
 Auf des Parnasses wilden Höh'n,
 An der Kastal'schen Quelle,
 In Tempe's öden Gründen,
 Wirst du, o Freund, die Musen
 Vergebens künftig suchen. —
 Die alten wilden Musen,
 Ein bäurischer Apollo;
 Sie konnten wohl vor Zeiten
 In jener Gegend wohnen.
 Doch jetzt in höh'rer Wonne,
 Bewohnen sie Tokay,
 Das geisterzeugende,
 Und leben dort von Nektar.
 
 Die Erdbeere
 
 Duft des Rosmarins, der Feigen
 Honigsüße, wie des Maßlieb
 Röte, ist dem Aug', der Nase,
 Ist dem Mund gleich angenehm.
 
 Wie erst, wenn sie sich vereinen,
 Diese angenehmen Reize? —
 Schaue die gereifte Kirsche,
 Sie ist rot, und sie ist süß;
 Nardus duftet die Melone,
 Nektar ist dem Gaumen sie;
 Rosen sind wie Samt zu schauen,
 Ambra ist ihr Wohlgeruch;
 Doch der Rosmarin, das Maßlieb,
 Feige, Kirsche, die Melone,
 Und die Rose sind vereinet
 In der schonen Erdbeer Samt. —
 Gerne sieht das Aug' die Farbe,
 Ihren Honig liebt der Mund,
 Und ihr Duft erfüllt das Haupt.
 
 Dich geliebte Erdbeer' würd' ich
 Auf der Götter Tafel setzen;
 Und wenn du auch sprechen könntest,
 Und auch küssen, würdest du
 Ähnlich Lillas Lippen sein.
 
 Die arme Suse
 
 Abends ward der Befehl gebracht,
 Es war ein großes Siegel darauf,
 In einer schönen Sommernacht,
 Da weckten sie meinen Jantsi* auf.
 
 Eben war er von mir geschieden;
 Er sah mich im Traume sicherlich,
 Ruh'te in seinem Bett in Frieden;
 Es träumte ihm, wie er gehalset mich:
 
 Da rief ein trüber Trompetenstoß,
 'S hieß, gegen die Türken zöge das Heer.
 Mein Jantsi schwang sich eilig aufs Roß.
 O weh! vielleicht seh ich ihn nimmer mehr.
 
 Zu seinem Quartier ging weinend ich hin,
 Bis an's Ende der Gärten ging ich ihm nach,
 Sein Marsch war mein Klaglied, fort sah ich ihn zieh'n,
 Und seufzt', wie die einsame Taube am Dach.
 
 Seinen Tschako ich reich mit Tränen begoß,
 Ich knüpfte ein trauriges Band daran,
 Zehn Rosen gab ich seinem Roß,
 So viel Hundert Küsse dem lieben Mann.
 
 Selbst meine Seele weinte in mir,
 Als Abschied genommen wir beide;
 Er sprach nur eins: "Gott sei mit dir!"
 Und umarmt' und küßt' mich mit Leide.
 
 Anmerkung:
 *Jantsi, 
				Diminutiv von János, Johann.
 
 Búczi Emil
 Búczi Emil
 1784-?
 
 Frühlings – Ende
 
 Welch eine dräuende Wolke erhebet sich
 Am blauen Himmel, rauschender Regen fällt;
 Des grimmen Nordes wildes Wüten
 Bringet Verderben den höchsten Reizen.
 
 Die Rose schwanket trüb' am verwundeten
 Gezweig; der Schauer traf den erschlossenen,
 Den schönen Kelch; es sind der Lilie
 Leuchtende Zweige im Sturm gebrochen.
 
 Das kleine Veilchen ist auch schon aufgelöst;
 Es streuet nicht mehr liebliche Düfte an
 Des Waldes dunklen Saum; hin sind die
 Zaubernden Reize des schönen Frühlings.
 
 Der Forst
 
 Ruhigen Sinnes läßt sich's in des Forstes
 Dunkeler Kühle singen, o Apollo!
 Langsamer schweben die Zephyre mit den
 Göttlichen Liedern.
 
 Freundliche Schatten, und der Wiese grüne
 Weide, der Bäche murmelndes Geräusche
 Lichten den Kummer uns'res ernsten Lebens
 Durch ihre Reize.
 
 Wenn ich euch seh', ihr schöne Matten, euch, ihr
 Leuchtenden Bäche, Lerchen, frohe Sänger,
 Bäum' und Gebüsche, naget, tötet mich nicht,
 Lastende Sorge.
 
 Grünende Schatten, eurem kühlen Schoße
 Nahet der Zorn des Hochmütigen sich nicht,
 Wenn eure grünen Blätter flüstern, wiegen
 Sanft mich Zephyr' ein.
 
 Das Bäumchen
 
 Lächle, o Drias, gnädig diesem kleinen
 Bäumchen, erweck' ihm freudighelle Blüten,
 Schütze vor Stürmen es, denn dem Gefühl hab'
 Ich es geweihet.
 
 Lächle, o Güte, mit der Wohltat reinen
 Augen dem Busen des Unglücklichen hier!
 Nimm ihn umschlingend in die weichen Arme,
 Drück' an die Brust ihn.
 
 Verdienst
 
 Es führt die Seele, die unerschrockene,
 Heil'ges Gefühl zum preislichen Ziele hin,
 Bemerk' nicht, wie die Unverschämtheit
 Immer die herrlichste Tat verspottet.
 
 Noch lebt dein Name, schirmt die Cypresse dich,
 Dies gibt Verdienst. Ob Neid auch mit scheelem Blick,
 Was Großes du getan, mißdeutet:
 Was du verdienet ums Vaterland, bleibt.
 
 Nicht der Verderben schreiende Neidesbund
 Kann würd'gen, was du tatst. Deren Stirne das
 Verdienst bekränzt, sie richten dich, und
 Nennen das Leben, das du lebst, edel.
 
 Szemere Paul
 Szemere Pál
 1785-?
 
 An die Hoffnung
 
 Du lachst mich an, sanft wie des Abends Milde,
 Wie Eos zauberreizendes Gesicht,
 Den Seufzenden, den finstres Weh umflicht,
 Und sieh'! mein Schicksal ist versöhnt, das wilde.
 
 Die Woge, Nebel, Sturm, riß vom Gefilde
 Der Heimat fort mich; Hoffnung nah'st du nicht!
 Die Stunden bringen Schmerzen nur, es bricht
 Mein Herz im Kampfe streitender Gebilde.
 
 O komm! und wiege meine Leiden ein;
 Endimion gleich, im heil'gen Rosenhain
 Laß leben mich beglückt in Götterträumen.
 
 Wie ihm Chitone naht aus lichten Räumen,
 Laß mich, wenn ich in deinen Zauberarmen
 Erwach', am Kusse meiner Braut erwarmen.
 
 Erinnerung
 
 Und wieder naht ein seliges Empfinden!
 Es hellet sich das Grau vergangener Zeit;
 Auf Rosenpfaden, die ich sinken, schwinden
 Sah, gibt zur Wonneflur sie mir Geleit.
 
 Welch eine Gottheit will sich mir verkünden,
 Wie liebend sich mein ganzes Sein ihr beut!
 Mein Herz, ich fühl' es, wird hier Ruhe finden,
 Dein Hauch, Erinn'rung hat es neu geweiht.
 
 Nein! rufe nicht verschwund'nes Licht zurück,
 Laß über mir die dicht'sten Schleier zieh'n,
 Bedeck' der hingeschwund'nen Zeiten Glück.
 
 Schon einmal sah' ich meine Freuden flieh'n,
 Ach, zwinge neu zu bluten nicht mein Herz!
 Zweimal verlieren! fühle diesen Schmerz.
 
 Isabelle
 
 Wie durch Gebüsche hüpft das Reh, das schnelle
 Wie tanzend in den Fluten spielt der Aal;
 So lebt' ich, wonnig, selig überall,
 Eh' ich dich angebetet, Isabelle.
 
 Nicht so — auflodert jetzt der Gluten Welle!
 Nicht so jetzt; nachströmt dir der Tränen Qual;
 Nie find' ich Ruhe mehr auf Berg und Tal,
 Und überall bist du der Seufzer Quelle.
 
 O Gott! indes mein Herz in Leiden bricht,
 Nennt dich ein And'rer schon am Altar sein,
 Und lächelnd wühlt ihr auf mein ganzes Sein.
 
 Wohl ziemen deinem hohen Reize Kronen,
 Dir huld'gen siehst du, die am höchsten thronen,
 Ein treuer Herz als meines triffst du nicht.
 
 Echo
 
 Du bist so still, nur leise Seufzer beben,
 Nur stumme Tränen trüben deine Wangen,
 Nach Menschen sucht dein sehnendes Verlangen,
 Ihr Mitgefühl soll Linderung dir geben.
 
 Vergebens! unempfindlich ist ihr Leben,
 Mit kaltem Blick seh'n sie dein scheues Bangen,
 Ob Nebel, Schmerz, Verlust den Pfad umfangen?
 Auf keiner Lippe wird die Frage schweben.
 
 Fort! nicht bei ihnen triffst du Leidesbrüder!
 O komm zu mir! hier spricht das Herz zum Herzen,
 O komm! dein Leid erschließ der Trauten sich.
 
 Nahm Liebes dir der Tod, so wecke mich
 Mit ihrem Namen, und ich tön' ihn wieder,
 Und lind're mit dir klagend deine Schmerzen.
 
 Das beglückte Paar
 
 Ein leises Ach! zu mir und ein Erglüh'n,
 Ein reizend Antlitz, wie der Morgen schön,
 Ein Lilienbusen, flüchtig nur geseh'n —
 Mir schwindelt und das Herz will Flammen sprüh'n.
 
 "Du bist's!" so ruf' ich aus. In Liebe kühn
 Hieß mich's entgegen offnen Arms ihr geh'n;
 Glut traf auf Glut, den Kuß des Kusses Weh'n
 Umarmend sich die Sel'gen, Beide glüh'n.
 
 "Den ich so lang gesucht, mein bist du, mein!
 Dein dieser Kuß, der meiner Liebe Pfand,
 Mein Herz und meine Seele, alles dein."
 
 Wie dies sie flüstert, sänftend meinen Brand,
 Fühl' die Gedanken ich dem Geist entschwinden;
 Es brennt in mir, das Wort kann ich nicht finden.
 
 Döbrentei Gabriel
 Döbrentei Gábor
 1786 ?
 
 Regel und Natur
 
 Regeln lese ich, wie dieses zu schreiben und jenes;
 Kaltes ermüdendes Zeug, und es vertrocknet der Geist.
 Aber les ich feuriggemalte Herzensergießung,
 Ach, wie erwärmt es mich, Tränen entstürzen dem Aug'!
 Lese und forsche; es frommt die Gebote zu wissen; entreiße
 Dann dich, auf eigenem Pfad wandle der schaffende Geist.
 
 Egeria
 
 Oft faßt mich beinah' Verzweiflung, wenn ich zu dichten
 Wünsche, und nicht es vermag, weich mich fühle und stumpf;
 Wieder ist oft mir das Dichten im Sinn nicht; es fasset mich 
				dennoch,
 Drängt mit unendlicher Kraft heimlich auflodernde Glut.
 Dann umwehen, umwogen mich tausend Bilder auf einmal,
 Und ich vergesse sogleich: war, ist, wird eine Welt.
 Fürchte mich immer, daß dies oder jenes im Schreiben 
				entschwinde,
 Und nichts bring' ich zu Stand, weil zu entflammet die Brust.
 Spiele so nicht mit mir, o Nymphe, o laß dich umarmen!
 Biete die Lippen zum Kuß, wenn es der Busen verlangt.
 
 Anmerkung:
 
 Egeria ist in der 
				römischen Mythologie die Nymphe der gleichnamigen Quelle,
 eng verbunden mit dem Heiligtum der Diana von Aricia.
 
 Enthusiast und Kenner
 
 Der Erste
 
 Wie also?
 Wenn so nicht, sag', wie denn?
 Mich tötet meines Feuers wilde Flamme,
 Daß ich erreiche, wofür ich erglüht.
 Das Schöne und das Schönste strebe ich
 Zu bilden auf die Weise, wie du's sagst.
 Daß rein mein Lied ertöne und auch stark,
 Daß Geist und Herz in Eins verschmolzen sei,
 Daß es begeist're und belehre, und
 Nur, was sich schickt, enthalte. — Tränend, ach,
 Schaut auf mein Auge zu dem schönen Ziel!
 Indem du ferner meinen Kranz gerückt,
 O sag' mir, ich beschwöre dich! sag' an,
 Wie kann ich es erringen? so? nicht so?
 Ich fühl' es gut, unfähig doch,
 Die Glutempfindung zu gestalten; ach,
 Umsonst verlebe ich mein Leben!
 
 Der Zweite
 
 Dämpf' nur in etwas deine Glut
 Und deine Flecken schwinden.
 Wenn schneegeschwellt der Wildbach aus dem Bett
 Sich murrend gießt, und Schlamm, und Zweige, Bäume,
 Lautrauschend mit sich wälzt, kannst du in ihm
 Nicht Blumen, nicht den heitern Himmel seh'n.
 Verdrießlich kehrst du ab dich von den Wogen,
 Denn nur das Reine zieht uns an. Bedenke,
 Bei jedem Kunstwerk dies, und mühe dich.
 
 Die Muse ist ein zartes Mädchen, doch
 Kannst hellaufglühend du ihr das Gewand,
 Die Locken küssen. Dem entflieht
 Sie, schamhaft ab sich wendend, der vor ihr
 Erscheint, ein ungezähmter Stürmer.
 
 Erglüh', doch nicht in wilder blinder Glut,
 Neig' dich zu ihr, sie steht dann und erweckt,
 Was du gewünscht aus zartfühlender Brust;
 Und trifft dich ihrer Augen schöne Glut,
 Entzündend dich, gib Acht! o nahe zart
 Dich ihrem Busen, dem erwärmenden,
 O küsse zart die Lippen ihr, sie hauchen,
 Berühren sie die deinen, Flammen ein,
 Die über tausend Sterne hin dich reißen,
 Entflammen dich zum Sang harmon'scher Lieder.
 
 Die Schule und das Genie
 
 Vieles vermagst du zu lernen, und viel im Gedächtnis zu wahren,
 Und wie ein Mann, der gelehrt, sprichst du, erhebst du das Wort.
 Willst du im Jüngling erwecken die Glut, daß er dich erreiche,
 Daß er behalte im Geist, was dein Buch ihn gelehrt,
 Sei dein Erbe Genie, das im reinen Äther er schaffet,
 Zeuge Großes, und zeug's Staunen gebietender Art.
 
 Des Herzens Sehnen
 
 Beglückt der, wenn sein Auge tränet,
 Ein Wesen findet, das ihn fragt: warum
 Den Busen Seufzer schwellen, seine Seele
 Umfangen ist von düstern Wolken;
 Mit gramzerstreu'nden Himmelsblicken,
 Der Lind'rung schöne Worte spricht, des Schicksals
 Gewalt'gen Streich mit glüh'nder Liebe heilt.
 Dann werfen ab wir uns're Bürde,
 Die trüben Stunden finden hier ihr Grab,
 Das ausgestorbene Gefühl erwacht;
 Dies ist der Engel, der uns glücklich macht.
 Wer ist das Wesen, dessen Blicke,
 Die Trübe uns'rer Herzen lichten?
 Der Sonne gleich erhebt sich uns're Seele,
 Sehn wir um uns sein Auge tränenvoll —
 Wie heißt's, des Stimme ans dem Herzen tönend,
 Des Grames trauriges Gefolg zerstreut,
 Das uns mit weichem Arm umschließend,
 Mir Ruh' erfüllt, zum Leben neu erwärmt?
 Du bist's, ich fühl' es flammend, Himmelskind,
 Du uns'res Schöpfers wohltätigster Hauch;
 Du bist's, die löset, unser höchstes Weh!
 O Freundschaft, du des Himmels Vorgeschmack. —
 Oft auf des Hügels Gipfel sitzend,
 Umflüstert mich des Abendwindes Hauch;
 Ich blick' um mich, sieh! an des Waldes Saum,
 Schlägt auf die Flamme fernen Feuers.
 Der Mond erscheint, der Mond in seiner Pracht,
 Ich staun' ihn an, und, Ruhe füllt mein Herz.
 Im wundervollen Reich der Phantasie
 Versinkt mein Herz, das tief sich sehnende.
 Ein teures, ein ätherisch Bild umbebt
 Mich dann, und haucht das Geisterwort:
 "Das Herz bedarf des gleichgestimmten Herzens,
 Die Seele sucht die Schwester-Seele;
 Das Herz, damit es Lethe schöpfe,
 Die Seele, daß sie ihre Seufzer teile."
 Umschlingen will mein Arm das teure Bild;
 Es ist verweht, und einsam steh' ich da.
 Ein wogend Drängen füllet meine Brust;
 Hin blick' ich, wo du wohnst, und seufze.
 
 Das Veilchen im Schnee
 
 "Wie geschieht es, daß in diesen
 Gründen einsam du erblühest,
 Veilchen, süß'rer Fluren Tochter?
 Komm! vergehe nicht in dieser
 Öden Kälte, denn nicht hier ist
 Deines schönen Kelches Heimat.
 
 "Wo ich wohne lacht ein mild'rer
 Himmel; Morgens, Abends hauchen
 Sanft're Lüfte; es erschließt dem
 Aufgang sich mein kleines Fenster,
 Durch den grünen Samt der Wiese
 Schlängelt sich ein flüsternd Quellchen.
 Dort hin will ich dich verpflanzen,
 Du seist meine erste Sorge;
 Bring' dir Wasser alle Morgen.
 Keimen böse Pflanzen neben
 Dir, will ich mit zarten Händen
 Sie entfernen. Suchest du ein
 Treues Herz, du findest, meines. —
 Dich zu pflücken wird mich kränken,
 Schlumm're ruhig deinen Winter,
 Werd' im Lenz dich wieder pflegen." —
 
 "Wohl hab' ich mich einst gesehnet,
 In beglückter milder Gegend,
 Meinen Kelch balsam'schen Lüften
 Zu erschließen, und von zartem
 Warmen Geisterhauch gewieget,
 Mein Erlöschen zu erwarten.
 Überall gewahrt' ich Frühling,
 Und ich folgte jenem willig,
 Der hierher mich trug. — Da faßte
 Mich der Nord; in welken Blättern
 Wanket kränkelnd jetzt mein Leben.
 Gerne ging ich mit dir, aber
 Schaue meine Wurzeln, wie sie,
 Beß'res hoffend, sich verzweigen!
 Wenn du mich bedauerst, ach! so
 Nimm mein Schicksal dir zu Herzen,
 Und verlaß mich, mir beschied ein
 Schweres Los der Himmel." — So das
 Veilchen. Schmerz und Scham durchbebet
 Senkte es das Haupt; ein Tröpfchen
 Tau, zur Perl' gerundet, rollte
 In den Kelch — ein Tränchen war's.
 
 Kisfaludi Karl
 Kisfaludi Károly
 1790-?
 
 Die Lebensalter
 
 Im Mutterarm geschaukelt, ohne Sorgen,
 Als Freunde, ew'ge Spiele uns geschart,
 Beginnen froh wir uns'res Lebens Morgen,
 Den Engel küssend nur der Gegenwart.
 Was in der Zukunft dunklem Raum verborgen,
 Noch hat's im Nebel nicht das Aug' gewahrt.
 In leichten Wellen schweben wir so mild,
 Altäre bauend jedem frohen Bild.
 
 Der sel'ge Strahl der Sonne weckt uns nur
 In jener Zeit zur Freude, und zum Spiel,
 Auf uns'rer unschuldvollen Tritte Spur,
 Streut süßer Rosen die Beruh'gung viel;
 Kein Trugbild lockt uns von der Wonnen Flur,
 Der Spielplatz ist der höchsten Wünsche Ziel.
 Wir stehen lächelnd auf der Gräber Hügeln,
 Das kleinste Ding kann uns zum Himmel flügeln.
 
 Der Hoffnungsblume Knospe ist erschlossen,
 In eines neuen Lebens glüh'nden Arm.
 Verdämmernd sind, wie Träume hingeflossen,
 Des zarten Alters Freuden, einst so warm!
 Es engt die Brust, was in ihr sich ergossen,
 Die Welt, in der wir leben, dünkt uns arm.
 Sie, die der Ruhm, die Größe einst beseelt,
 Sie sind's, die wir zu Göttern uns gewählt.
 
 Wer ist es, welcher lodernd nicht gedächte,
 Zu fliegen aus des Vaterhauses Enge?
 Es beut uns eine Zauberin die Rechte,
 Sie schmückt die Welt mit magischem Gepränge;
 Wer ist es, dem es Seligkeit nicht brächte,
 Mit ihr zu stürzen in des Sturms Gedränge?
 Es rufen Schmeichelklänge uns zum Handeln,
 Wer wünschet nicht die Erde zu durchwandeln?
 
 Die Seele ahnt die Große ihrer Sendung,
 Im Sturmes - Andrang ringender Gefahren.
 Die Phantasie erglüht in selt'ner Wendung,
 Den Zweck des Glüh'ns kann nicht das Herz erfahren,
 Indes noch schlummert edlere Vollendung;
 Sucht rein're Form die Flamme zu gewahren,
 Aus fliegt der Geist von Überkraft beseelt.
 Sein Schmerz, die Lust, sind nicht von dieser Welt.
 
 Es naht in Purpur, wie des Morgens Stunde,
 'Ne Göttin in der Reize Majestät,
 Die Glut ihm deutend in des Herzens Grunde,
 Ihr Hauch um den bedrängten Träumer weht;
 Sie gibt von einem Zauberantlitz Kunde,
 In seine Träume hat sie es gesä't.
 Und wie der Pharus in des Wand'rers Nächten,
 Strahlt in die Brust sie ihm mit Himmelsmächten.
 
 Des Jünglings Liebe, was er rein empfindet,
 Sein reines Ehren, sagt was in ihm liegt.
 Ihn salbt's zum Gott, wenn Gegenglut er findet.
 Wenn ihn die Treue in den Armen wiegt,
 Ein Augenblick des Lebens Inhalt kündet,
 Im Wechselsturm die Glut stets höher fliegt;
 Ihr Sein auf Hymenswort zusammenfließt,
 Und Edens Wonn' ein Augenblick umschließt.
 
 Durch liebe Ketten bis zum Grab gebunden,
 Lebt still das Herz, in sich nur ist's erfreut.
 Der Jugend geistvoll Träumen ist entschwunden;
 Es kühlt das Blut am Sorgenweg die Zeit.
 Die Blüte fällt, doch Früchte sind gefunden,
 Schmerzlos umarmt der Mann die Wirklichkeit;
 Zum Handeln halten heil'ge Pflichten rege,
 Sie sind sein eng'res, schöneres Gehege.
 
 Wenn Räuberfessel seiner Heimat droht,
 Steigt Zorn empfindend er auf's Kampfesfeld;
 Der Freiheit Lust glüht ihm die Wange rot,
 Furchtlos beschützt das Vaterland der Held;
 Ummurret ihn auch tausendfacher Tod,
 Bis er siegt oder unter Leichen fällt.
 Hinströmet auf den Kranz den er gewonnen,
 Sein Blut, den Lohn gewähren künft'ge Sonnen.
 
 Wie Felsen nicht dem Zorn des Sturmes beben,
 An ihnen sich der Stolz des Meeres bricht;
 So bebt — als wäre sie mit Erz umgeben —
 Des Mannes Brust des Schicksals Schlägen nicht;
 Er baut, arbeitet, würfelt mit dem Leben,
 Er opfert seine Tage seiner Pflicht.
 Des Lebens Zweck und Seligkeiten sind:
 Die schöne Frau, der treue Freund, das Kind.
 
 Die Schöpfungskraft haucht an den Flammengeist,
 Sie lodert leitend durch die dunkle Nacht,
 Sein Blitzesglanz die stolze Stirn umfleußt,
 Was einst die Seele ahnend mitgedacht;
 Der Geist den Himmel und die Erd' umkreist,
 Sie sind Verwandte seiner Göttermacht;
 Sein Taucherblitz das Dunkelste erhellt,
 Als Führer für den Geist und für die Welt.
 
 Auf diesem Weg trifft uns des Lebens Sinken,
 Die Glut erlischt, die einst in uns gequillt;
 Auf unsern, Haupt seh'n wir den Winter blinken,
 Die Welt erscheint in Finsternis gehüllt;
 Das dunkle Auge sieht nur Gräber winken,
 Die Brust nur Asche des Vergang'nen füllt.
 Was einst erschien des Lebens höchster Preis,
 Fällt ohne Schmuck nun auf des Lebens Eis.
 
 Von den bewegten Bildern scheidet er,
 Dem Müden reicht die Einsamkeit die Hand,
 Die aus des Lebens aufgeregtem Meer
 Hin leitet zu des Friedens stillem Land
 Still strahlet aus der Ferne Nebelheer,
 Der zaub'rischen Erinn'rung glänzend Band;
 Wie Mondesstrahlen zittern auf den Wellen,
 Will sie der Seele düstern Altar hellen.
 
 In seiner Hütte schattenreich umlaubt
 Hat ihn der Schlaf, wie einst als Kind erfreut;
 Er hofft ein beß'res Sein nicht mehr; er glaubt,
 Besiegt die Nacht so der Vergänglichkeit.
 Beruhigt, was ihm auch das Schicksal raubt,
 Entschläft im Arm er, der ihm Liebe beut. —
 Ein And'rer tritt in seine leeren Spuren,
 Die Luft streut seine Asche auf die Fluren.
 
 Des Sängers Liebe
 
 Nicht irdisch Drängen, das sich selbst verzehrt,
 Und selbst am Ziel in Zweifels Nebel sinkt,
 Selbst im Besitz durch neue Wünsche stört,
 Und Gift aus eigner Blumen Kelchen trinkt;
 Bekümmert selbst noch dann die Sorge nährt,
 Wenn schon ihr Glanz betrüglich nicht mehr winkt,
 Die nun als Glut des Ringers Brust durchtobt,
 Statt jenes Glücks, das treulos sie gelobt.
 
 Nicht was den Staub lockt, spielendes Begehren,
 An dessen eitlem Rauch Gemeines hängt;
 Des Großen, Schönen majestätsches Ehren
 Ist's, was des Sängers warmen Busen drängt.
 Wer kann dem Blitz der Ahnungsseele wehren?
 Er bricht die Nacht, die seine Zeit umengt,
 Ihm beut des Liedes Pfeil die Himmelsmaid,
 Und alle Gegend schmückt des Frühlings Kleid.
 
 Hold lächelnd steiget auf sein Ideal;
 Es heiligt ihre Nähe sein Empfinden,
 Ihr Blick erschließt den Himmel ihn, das All,
 Des Sternenreichs Geheimnis will sie künden;
 Zu reinern Höhn zeigt sie den Pfad vom Tal,
 Sie läßt ihn tausend frohe Bilder finden,
 Doch sie nur ist es, in den heil'gen Auen,
 Zu der anbetend er vermag zu schauen.
 
 Sein kindlich Trauen wird zum freud'gen Glauben,
 Belebt sein Herz mit ew'ger Majestät;
 Er liebt! will gleich sein Los ihm nichts erlauben,
 Befiehlt's auch, daß er ewig ferne steht.
 Ihm wird ein Lohn, den nichts vermag zu rauben:
 Er opfert frei, was er sich heiß erfleht,
 Und wie der Brust die Erdenwünsche starben,
 Glänzt ihm das All in wundervollen Farben.
 
 Und was die Brust am tiefsten hat verschlossen,
 In seiner Lyra steigt es bebend auf.
 Was er gehofft, als Flamm' ist es ergossen,
 Die Woge des Gefühls eilt ihren Lauf;
 Am Himmel sieht er sie gleich Sternen sprossen,
 Des Sanges Schwingen heben ihn hinauf.
 Der Wald, der Hain tönt seine Zauberlieder,
 Er singt, und Friede senkt auf ihn sich nieder.
 
 Ein Bild umschmeichelt sein vertrauter Sang,
 An schließen sich verwandter Brust die Lieder,
 Die Zeugen dessen, was ihn mild durchdrang,
 Sie klingen an der Heimat Ufern wieder.
 Zieh'n dunkle Wolken gleich sein Haupt entlang,
 Braust über ihm der Zeiten Sturmgefieder;
 Er steht dem Wetter kühn, wie einer stand.
 Lieb' in der Brust, die Leier in der Hand.
 
 Was schöpferisch der Glutenstrom gesungen,
 Was reizend auf den Mund haucht Phantasie;
 Er ist an des Verdienstes Ziel gedrungen,
 Glänzt in der Schönheit ewigen Magie.
 Nicht sich hat er den Strahlenkranz errungen,
 In seinem Lied lebt Er nicht, lebet sie!
 Als Göttin wird die künft'ge Zeit sie preisen,
 Sein moosig Dornengrab, wer kann es weisen?
 
 Liederquell
 
 Freude erzeuget den Klang, es erzeugen ihn Tränen und Schmerzen;
 Auf der grünenden Flur singt Philomele ihr Lied.
 Fern nicht stehen die Lieder, wenn Kraft sich und Liebe 
				vereinen,
 Heißt dich sprechen das Herz, wird deine Rede Gesang.
 
 Kölcsey Franz
 Kölcsey Ferenz
 1790-?
 
 Wunsch
 
 Rein, wie die Morgenröte, wie Hänflingsang mein Empfinden,
 Und mein ewiger Lenz, heilig sei er und froh.
 Bläulicher Flor des Abenddunkels umhülle mein Leben;
 Gegenliebe sei Schutz meiner zärtlichen Glut.
 Nahet ein Wandrer einst dem endlos schweigenden Grabe,
 Wehe des Schönheitgefühls wonniger Odem ihn an.
 
 Der Bann
 
 Amor, Apollo, Charitinnen, euch sei die Harfe geweihet;
 Glut gab Eros, den Ton Phöbos, die Grazien Reiz.
 
 An die Phantasie
 
 Umspinne mich mit deinen süßen Träumen,
 O gold'ne Phantasie, du schöne Braut!
 Ach, wiege mich in deinen Zauberräumen,
 Wie Amorn Venus wieget süß und traut!
 In meiner Buchen traulich dunklen Gängen,
 Umwehet mich dein balsamvoller Hauch,
 Und in der Philomele Festgesängen
 Erkenn' ich deine Zauberstimme auch.
 
 An deinen Busen träumend nenn' die Meine,
 Die Maid ich wieder, freu' mich ihrer Lust;
 An deinen Busen träumend, ach! wie weine
 Ich stumme Tränen früherem Verlust.
 Wenn meines Glückes Wechsel meiner Leiden
 In dein Gebiet du aufgenommen hast,
 Erscheinen heilig meine kleinen Freuden
 Und minder drückend meines Kummers Last,
 
 Es sinkt der Zukunft dunkelblauer Schleier,
 Und was geschehen wird, erspäht mein Blick,
 In meinem Busen lodert neues Feuer,
 In die Vergangenheit schau' ich zurück.
 Der Gegenwart Beschränktheit ist verschwunden,
 Die Freude heißt den Kummer weiter zieh'n;
 Mit Rosen ist mein schmaler Pfad umwunden,
 Das Schöne muß dem Mißgeschick entblüh'n.
 
 Es wiegt sich die Silphid' auf leichten Flügeln,
 Favons, ihr Wolkenhaus, durcheilend so;
 Ist so im grünen Dunkel heil'ger Hügeln,
 Im Arme des Geliebten schmelzend froh:
 So lebt der Schmetterling sein glücklich Leben
 Im Arm der Lieb', von Himmelslust gegrüßt,
 Wenn ihm der Blumen duft'ge Lippen beben,
 Er Florens auserwählte Kinder küßt.
 
 Schöne Lenka
 Lenka=Leonore
 
 Schön' Lenka harrt am Ufer schon,
 Der Fischer harrt im Kahn;
 Es summt ein Lied des Wassers Sohn,
 Und ruft das Mädchen an:
 "Zurück, zurück, du schönes Kind,
 Zu große Wogen stürmt der Wind!"
 
 Doch flehend sprach das Mädchen nur:
 "Ich muß hinüber zieh'n;
 Es grünet d'rüben eine Flur,
 Ein Hüttchen steht darin,
 Und rund um kühle Schatten sind —
 Er wartet dort; o fahr' geschwind!"
 
 "Die Woge braust, der Sturm ist da,
 Ich seh's, Gefahren sind;
 Doch immer ist die Hoffnung nah':
 Zum Ufer treibt der Wind.
 Ob Kummer dich, ob Schmerz ereilt:
 Die Freudenträn' am Ziele heilt."
 
 Schön' Lenka setzt sich in den Kahn,
 Das Steu'r der Fischer faßt;
 Und wie die grimmen Wogen nah'n,
 Und wild die Windsbraut rast,
 Spricht immerdar das schöne Kind:
 "Nur fort, zum Ufer treibt der Wind!"
 
 "Die Woge strömt vom Ufer her,
 Der Wind entgegen weht;
 Wir finden keine Rettung mehr,
 Wer Gott versucht vergeht.
 Die Woge schwillt und wirbelt sich,
 Die Flut verschlinget dich und mich."
 
 "Nein Schiffer, mit mir ist das Glück,
 Glück deinem Nachen blüht;
 Wie hell gen Abend kehr den Blick —
 Der Liebe Stern erglüht;
 Gen Abend harrt der Jüngling mein,
 Gen Abend muß ich furchtlos sein."
 
 So Lenka; schaut zum fernen Strand,
 Und sieht ihn, ihre Lust;
 In Wonne bebend streckt die Hand
 Sie hin; es flammt die Brust,
 Sie Erde, Himmel, Wog' vergißt,
 Im Blick nur Leben, Seele ist.
 
 Doch blutend schlägt des Jünglings Herz
 Am hoffnungslosen Strand;
 Es wächst der Sturm; er sieht, o Schmerz!
 Die Maid in Todes Hand.
 Und Sturm auf Sturm und Wolke flog —
 Den Nachen, weh! verschlingt die Wog'.
 
 Der Jüngling, stumm und tränenlos,
 Empfindet, denket nicht;
 Sein Weh ist wie des Grabes Schoß,
 Des Lebenskraft ihm bricht.
 Schnell, wie aus Wolken, fährt die Glut,
 Stürzt er, halb tot schon, in die Flut.
 
 Der Schwärmer
 
 Luna, du Göttin
 Auf schimmerndem Wagen,
 Höre mein Lied.
 Hoch schwebe der Sänger;
 Aber sein Blick sei
 Mild, wie du, Holde;
 Und wie der Lerche
 Sanfter Gesang,
 Töne sein Hymnos
 Wolken herab.
 
 Wem ein glühend Herz
 Im himmlischen Busen
 Die Götter gegeben,
 Der jammert nicht
 Unwürdigen Klaglaut,
 Brauset nicht auf in
 Polternder Freude.
 Auf Einem Schoß
 — Dem Schoß des Schicksals,
 Der liebenden Mutter —
 Sind sie erzogen
 Der Schmerz und die Freude.
 Mit heiterer Wehmut,
 Lusttränenden Augen
 Umarmen sie sich,
 Die Nimmerverblühenden.
 Rosen umschleiert
 Schwebest du, nah'st du
 Gold'ne Phantasie,
 In deinen Busen
 Verschwinden sie Beide.
 
 Weithin lächelnd
 Bringst du, o heilige
 Erinn'rung, in treuen
 Armen sie wieder,
 Wie die nächtliche Iris
 Wolken erhellet.
 Ich preise dich Schicksal,
 Daß du ein kindlich
 Herz mir gegeben.
 An Fanni's Busen,
 Bei meinen Zypressen
 Ist süß mir die Träne,
 Das Lächeln so süß.
 
 Tóth Ladislaus
 Tóth László
 1793- ?
 
 Die Göttin der Jugend
 
 Gnädige Göttin! Here's du geliebte
 Tochter; o Hebe, großer Taten Lohn, bald
 Braut Herakles, die Er sich im Olympos
 Siegend errungen.
 
 Preise dich selig, du, nur du beglückst die
 Mächtigen Götter. Jenen gibt der Nektar
 Blühendes Leben, welchen du die Schale
 Freundlich kredenzest.
 
 Zeus ist unsterblich; doch ihm naht das Alter,
 Ob es auch freudig, er genoß Ambrosia.
 Himmlischen Nektar, den du ihm geboten,
 Hat er verschmähet.
 
 Läßt du mich wählen? bitte ich dich eins nur,
 Gütige Göttin, gib mir etwas Nektar;
 Freudig zu scheiden bin ich stets bereit im
 Frühling des Lebens.
 
 Der spielende Eros
 
 Als ich ein Knabe gewesen, da war meine Freundin ein Mädchen,
 Ich war der ihre; die Brust flammte uns Beiden noch nicht.
 Spielend fand uns Amor einst und flehete freundlich:
 "Lieben! ich bin fremd, lasset mich spielen mit euch."
 "Komme!" so riefen wir; gleich lehrt er uns andere Spiele:
 Liebende spielten wir jetzt, nicht mehr Gefährten allein.
 
 Liebe und Freundschaft
 
 Gramvoll weinet Achill im schön, gebordeten Schiffe,
 Daß der gewalt'ge Atrid' ihm Briseis entriß.
 Wild, wie der zürnende Leu, rast auf Er, als ihm die Kunde
 Von Patroklos Tod, eiligen Laufes genaht.
 Eros Pfeil schwächt so die Brust vorherrschender Männer,
 Reiner Freundschaft Glut gibt so gewaltige Kraft.
 
 Pränumeration
 
 Wenn meine Felder
 Belebender Regen,
 Erquickender Tau
 Befruchtete,
 
 Würden genug mir
 Blumen erblühen,
 Andern auch könnt' ich
 Geben davon.
 
 Aber es fehlet
 Jetzt mir an Wasser,
 Kann meinen Garten
 Begießen nicht.
 
 Blumen begehrst du
 Von mir vergebens,
 Wenn du sie selbst nicht
 Bewässern willst.
 
 Szent Miklosi Aloys
 Szent Miklosi Alajos
 1793-?
 
 Abends an meine Schöne
 
 Ach, wie herrlich strahlt des
 Abendrots Rubin in
 Deinen blauen Augen!
 In so hellem Feuer
 Glüht die Rose, wenn sie
 Zwischen Veilchen blühet.
 
 An ein liebendes Mädchen
 
 Zagend seufzet aus deinem Auge die Liebe, und schmachtend
 Heimlich Sehnen schwebt auf dem lieben Gesicht.
 Wenn du glüh'st, warum birgst du es? wink! selbst Amor 
				erscheinet
 Psyche verlassend, und fliegt dir in den flaumigen Arm.
 
 Die Freude
 
 Nippe, der Biene gleich, den Honig der zärtlichen Blume;
 Denn du tötest sie gleich, stürzest du gierig darauf.
 
 Beleidigung
 
 Bist du beleidigt, so kannst du dich freuen, denn süß ist 
				vergeben.
 Selbst doch beleidige nie; es beschämet, Vergebung erhalten.
 
 Mein Tempe
 
 Als sich mein Frühling erschloß, flog Bienen gleich meine Seele,
 Hierhin und dorthin herum; suchte und fand keine Kost.
 Aber, als sie dich, Chloe, geseh'n, flog nimmer sie weiter.
 Ewiges Tempe fand sie auf der reizenden Lipp'!
 
 Das Glück
 
 Dein Sklav ist, wer zu dir betet, du quälest nach Lust ihn;
 Wer keine Göttin dich nennet, belacht deine Gunst.
 
 Chloes Lippen
 
 In ihrem kleinen
 Blumengärtchen
 Pflückt eine Rose
 Die schöne Chloe.
 
 Ein frisches Bienchen
 Flog aus dem Kelche,
 Setzte sich summend
 Auf ihre Lippen.
 
 Denn schöner erschloß sich
 Die rosige Lippe,
 Als der Ambrakelch,
 Den sie verlassen.
 
 Nektar, o Bienchen,
 Wirst du nicht nippen
 Von jenem Kelche,
 Der nur mir blüht;
 
 Der mich zum Gott macht,
 Wenn meine Lippe
 In seinen süßen
 Honig sich taucht.
 
 Mein Wunsch
 
 Sturmlos fließe mein Leben hin durch die Aonischen Auen,
 Gleich dem kristallenen Bach schattig von Myrten gekühlt.
 Meiner Wonne Himmel kann manchmal ein Wölkchen umdämmern;
 Aber der Sonne gleich scheuche die Liebe sie fort.
 Leichten Sinn's mög' ich das nahende Ende erblicken,
 Und mein Auge schließ' sich in den Armen der Maid.
 Jeden Lenz entblüh' zur Erinnerung meinem Grabe
 Ein Vergißmeinnicht für mein trauerndes Lieb.
 
 An mein Lieb
 
 Daß der Himmel, ob lächelnd auch, oft Blitze versende,
 Glaubt, wer das himmlische Licht ihres Auges geschaut.
 
 Täuschung
 
 Noch ist Frühling nicht, doch hör' ich der Nachtigall Stimme?
 Täuschung: es tönte mir Lolli's silberner Laut.
 
 Göndöcz Judith
 Göndöcz Judit
 1800 ?
 
 Meine Klause
 
 Wie leb' ich meine Tage still beglückt,
 Obgleich beschirmt von niederm Strohdach nur,
 Nun im Gehölz des Lebens Müh'n entrückt,
 Der Blumen wartend nun auf grüner Flur.
 
 Der Vögel Sang erweckt mir ein Gedicht,
 Des Zephyrs Hauch, der Blätter frisches Grün,
 Stimmt froh das Herz, und Himmelshoffen spricht
 Zu mir, seh' ich der Rosenknosp' Erblüh'n.
 
 So leb' ich still, fern von des Neides Dräu'n,
 Von Sorgen frei, und doch nicht sorgenlos;
 Und ziehen hehre Freunde bei mir ein,
 Preis' ich mein Los ein göttergleiches Los.
 
 An mein Klavier
 
 Zu dir komm' ich, wenn der Freuden
 Träne mir im Auge bebt,
 Zu dir, wenn vom Pfeil der Schmerzen
 Wund das Herz, die Brust sich hebt.
 
 Dir, verschwieg'nes treues Wesen!
 Ist mein ganzes Weh vertraut,
 Lösest meiner Brust Empfinden
 Auf in ernsten Klagelaut.
 
 Bei dir naht mir die Erinn'rung,
 Ihren Fittig beut sie mir.
 Zu der hingeschwund'nen Zeiten
 Gold'nen Inseln folg' ich ihr.
 
 Treffe jene Lebens-Stunden
 Dort, die ich hier nicht mehr find',
 Die mich einst so ganz beglückten,
 Ewig nun verschwunden sind.
 
 Bei dir sitz' ich, wenn der Freunde
 Froher Zirkel mich umringt,
 In den aufgeregten Busen
 Ein des Himmels Freude dringt.
 
 Durch das Fenster zittern Strahlen,
 Von den Sternen ausgesandt,
 Und der Mond malt leise wandelnd
 Meinen Schatten an der Wand.
 
 In den Himmel fliegt die Seele,
 Dämmern sieht sie jene Zeit,
 Wo der Sphären tönend Kreisen,
 Ewig neues Leben beut.
 
 In des goldgelockten Phöbus
 Arme, sink' ich freudig hin;
 Weil die Lyra er gegeben,
 Dünkt mir, daß ich Göttin bin.
 
 Képlaki Wilhelmine
 Képlaki Vilma
 Eine Pseudonyme, die nicht genannt sein will.
 
 Er
 
 Beglückt in meines Lebens schöner Zeit
 Lebt' ich, es traf mein Herz noch kein Verlust;
 Das Schicksal stört den Frieden meiner Brust,
 Mein teurer Vater ist des Grabes Beut'!
 
 Der Tod entführt mir Armen ihn so weit.
 Ach, ihn, der meine Hoffnung, meine Lust!
 O Tod! entnehme mich des Lebens Wust,
 Führ' hin mich, wo er mir die Arme beut.
 
 Nein! — find' ich keinen Balsam meinen Wunden?
 Ich seh' des Lebens Morgen sich erschließen,
 Dem Himmel sind die Wolken all' entschwunden.
 
 Er lebt, der Engel den dies Herz gefunden;
 Ich fühle meine Tränen leichter fließen,
 Kann ich an seinem Busen sie vergießen.
 
 An eine Freundin
 
 Wenig begehre, Geliebte, so kannst du vieles erlangen,
 Nur der Mitte Pfad, ist auch jener des Glücks.
 Wer sich mehr ersehnt, als er zu erreichen im Stande,
 Ängstet das eigene Herz, macht ihm den Busen zu eng.
 
 
 
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