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Gedichte 4
 

Philoktet
Das Gespann
Fahrt zum Hades
Der zürnenden Diana
Der landende Orest
Memnon
Aurora
Hymnus der Lyderinen
Antigone und Ödip
Am Scheidewege
Prometheus
Freiwilliges Versinken
Beharren
Im Hochgebirge
Tannenhymnus
Schiffers Nachtlied
Der Gestrandete
An den Äther
Geschichte
Novalis
Besiegung der Erde
Der Selige
Das Unvergängliche
Zum Abschied

Philoktet


Da sitz' ich ohne Bogen,
Und starre in den Sand.
Was tat ich dir, Ulysses?
Daß du sie mir entwandt

Die Waffe, die dem Feinde
Des Todes Bote war;
Die auf der wüsten Insel
Mir Unterhalt gebar.

Es rauschen Vögelschwärme
Mir übers greise Haupt;
Ich greife nach dem Bogen
Umsonst — er ist geraubt.

Aus dichtem Busche raschelt
Der braune Hirsch hervor:
Ich strecke leere Arme
Zur Nemesis empor.

Du schlauer König scheue
Der Göttin Rächerblick!
Erbarme dich — und stelle
Den Bogen mir zurück.

Das Gespann

Zwei Rosse ziehen deinen Wagen:
Das weiße hin, wo Sterne ragen,
Das dunkle mit der Drohgebärde,
Voll Schaum und Glut, hinab zur Erde.

Sie werden nie in Eintracht sich gesellen;
Den Führer und den Wagen noch zerschellen,
Erbleicht dein Mut vor drohenden Gefahren,
Und lässest du betäubt die Zügel fahren.

Hältst du sie fest, magst du gelangen
Dorthin, wo deine Götter prangen.
Vernimm das Wesen deiner Sendung:
Erst kühne Fahrt, und dann Vollendung!

Fahrt zum Hades

Der Nachen dröhnt, Zypressen flüstern —
Horch, Geister reden schaurig drein;
Bald werd' ich am Gestad', dem düstern,
Weit von der schönen Erde sein.

Da leuchten Sonne nicht, noch Sterne,
Da tönt kein Lied, da ist kein Freund.
Empfang die letzte Träne, Ferne!
Die dieses müde Auge weint.

Schon schaue ich die Danaiden,
Den fluchbeladnen Tantalus;
Es murmelt todesschwangern Frieden,
Vergessenheit, dein alter Fluß.

Vergessen nenn' ich zwiefach Sterben.
Was ich mit höchster Kraft gewann,
Verlieren — wieder es erwerben —
Wann enden diese Qualen? wann?

Der zürnenden Diana

Ja, spanne nur den Bogen mich zu töten,
Du himmlisch Weib! im zornigen Erröten
Noch reizender. Ich werd' es nie bereuen:

Daß ich dich sah am buschigen Gestade
Die Nymphen überragen in dem Bade;
Der Schönheit Funken in die Wildnis; streuen.

Den Sterbenden wird noch dein Bild erfreuen.
Er atmet reiner, atmet freier,
Wem du gestrahlet ohne Schleier.

Dein Pfeil, er traf — doch linde rinnen
Die warmen Wellen aus der Wunde:
Noch zittert vor den matten Sinnen
Des Schauens süße letzte Stunde.

Der landende Orest

Dieses Tauris? wo der Eumeniden
Wut zu stillen, Pythius versprach —
Weh, die Schwestern mit den Schlangenhaaren
Folgen mir vom Land der Griechen nach!
Rauhes Eiland, kündest keinen Segen:
Nirgends sproßt der Ceres goldne Frucht.
Keine Reben blühn, der Lüfte Sänger,
Wie die Schiffe, meiden diese Bucht.

Steine fügt die Kunst nicht zu Gebäuden,
Zelte spannt des Scythen Armut sich;
Unter starren Felsen, rauhen Wäldern
Ist das Leben einsam, schauerlich!
"Allhier soll," so ist ja doch ergangen
An den Flehenden der heil'ge Spruch:
"Soll die Bogenspannerin Diana
Lösen deinen und der Väter Fluch."

Memnon

Den Tag hindurch nur einmal mag ich sprechen,
Gewohnt zu schweigen immer, und zu trauern:
Wann durch die nachtgebornen Nebelmauern
Aurorens Purpurstrahlen liebend brechen.

Für Menschenohren sind es Harmonien.
Weil ich die Klage selbst melodisch künde,
Und durch der Dichtung Glut das Rauhe runde,
Vermuten sie in mir ein selig Blühen.

In mir — nach dem des Todes Arme langen,
In dessen tiefstem Herzen Schlangen wühlen;
Genährt von meinen schmerzlichen Gefühlen —
Fast wütend durch ein ungestillt Verlangen:

Mit dir, des Morgens Göttin, mich zu einen,
Und weit von diesem nichtigen Getriebe,
Aus Sphären edler Freiheit, reiner Liebe,
Ein bleicher stiller Stern herab zu scheinen.

Aurora

Ihr Wolken weg — daß ich den Liebling labe:
Sein bleiches Antlitz mit der Treue Funken
Verklärend; ach, in seinem Schmerz versunken,
Um Liebe fleht er aus dem Erdengrabe.

Mein Wagen fährt in luft'gen Räumen;
Ich darf den Sohn nicht in die Arme schließen,
Ihn nur mit goldnem Strahl umsäumen.

Laß deine Klagen, Memnon, mild entfließen,
Und sieh' dafür der Mutter Tränen,
Die auf Viol' und Rose glänzen.

Ihr Leben ist, von dir geschieden,
Zerstückt in Traum und müdes Sehnen,
Wenn strahlend auch von Lichtes Kränzen.

O wären Kräfte mir verliehn: zu sprengen
Das eherne Gefängnis, — deine Seele
Herauf zu retten in der Freiheit Helle —
Die Seele mit den treuen tiefen Klängen.

Hymnus der Lyderinen

Auf des Tmolus kühnster Spitze
Herrscht des Gottes Majestät,
Der aus weiter Felsenurne,
Blinkende Gewässer sä't.
Er hält sich dort verborgen
In dichter Einsamkeit;
Doch seine Quellen rinnen
Und rauschen weit und breit.

Kühlen Wellen eilen Herden,
Wild und Vögel freudig zu;
An dem Ufer suchen Hirten,
Finden Pilger süße Ruh'.
Die Wellen müssen weiter,
Verrinnen in das Meer;
Er aber waltet ewig,
Nie wird die Urne leer.

Antigone und Ödip

                  Antigene
Ihr hohen Himmlischen erhöret
Der Tochter herzentströmtes Flehn:
Laßt einen kühlen Hauch des Trostes
In Ödips große Seele wehn.

Genüget, euren Zorn zu sühnen,
Dies junge Leben — nehmt es hin;
Und eurer Rache Strahl vernichte
Die tief betrübte Dulderin.

Demütig falte ich die Hände —
Das Firmament bleibt glatt und rein,
Und stille ist's, nur laue Lüfte
Durchschauern noch den alten Hain.

Was seufzt und stöhnt der bleiche Vater?
Ich ahn's — ein furchtbares Gesicht
Verscheucht von ihm den leichten Schlummer;
Er springt vom Rasen auf — er spricht:

                   Ödip
Ich träumte einen schweren Traum.
Schwang nicht den Zepter diese Rechte?
Doch Hoheit lösten starke Mächte
Dir auf, o Greis, in nicht'gen Schaum.

Trank ich in schönen Tagen nicht
In meiner großen Vater Halle,
Beim Heldensang und Hörnerschalle,
O Helios, dein golden Licht,

Das ich nun nimmer schauen kann?
Zerstörung ruft von allen Seiten:
"Zum Tode sollst du dich bereiten;
Dein irdisch Werk ist abgetan."

Am Scheidewege

Zwei Welten sind dir aufgeschlossen:
Zu ihrer Wahl hat Schicksals Macht.
Dich auf den Scheideweg gestoßen —
Jetzt gilt der Wurf! dies sei bedacht.

Die äuß're lockt mit hellen Farben,
Mit schmeichelndem Sirenenlied;
Du schaust die Fülle goldner Garben,
Wodurch das Leben lustig zieht.

Die inn're deckt des Ernstes Schweigen,
Nicht lieblich ist sie, aber groß:
Ein See, zu dem sich Felsen neigen —
Zypressen rund herum und Moos.

Du kannst die beiden nicht verbinden?
Die äuß're gib entschlossen auf;
Du wirst Ersatz im Busen finden,
Und Palmen lohnen deinen Lauf.

Prometheus

An den Felsen angeschmiedet,
Seh' ich Lenz und Sommer scheiden;
Seh' die kahlen Riesenkuppen
Sich mit Eis und Schnee bekleiden.

Und die kräftigen Gebilde
Früher Jahre wälzen sich
Zur Erinn'rung, hohe Wogen
Rauschen und erheitern mich.

Steigt ein Rauch nur in die Lüfte,
Grüße ich die teure Flamme.
Ewig wird sie euch verkünden:
Daß sie vom Prometheus stamme.

Freiwilliges Versinken

Wohin, O Helios? in Fluten
Will ich den Flammenleib versenken,
Gewiß im Innern, neue Gluten
Der Erde nach Bedarf zu schenken.

Ich nehme nichts, gewohnt zu geben;
Und wie verschwenderisch mein Leben,
Umhüllt mein Scheiden goldne Pracht
Ich scheide herrlich, naht die Nacht.

Wie bleich der Mond, wie matt die Stern!
So lang ich kräftig mich bewege,
Erst wenn ich ab die Krone lege,
Wird ihnen Mut und Glanz in ihrer Ferne.

Beharren

Des Herzens beste Kraft verzetteln,
Ermüdet endlich und wir sparen.
Obgleich wir Treffliches gewahren,
Mit Recht verachten wir zu betteln.

Natur übt blühende Verschwendung;
Im Geiste schlummern neue Welten,
Die Zeit verhänget edle Sendung.

Wenn sie auch von dem Baume schälten
Die zarte Rinde, Mark des Lebens
Quillt fort, und schaffet frische Äste.

Dem Sturme trotzt die grüne Veste
In sich begründet, abgeschlossen
Den Täuschungen des irren Strebens,
Der Blitze feindlichen Geschossen.

Noch schwellt der alte Mut die Adern;
Mag immerhin Gestrüppe dorren,
Und eh' es dorrt, mit Winden hadern.

Nicht was du warst, und du verloren,
Umneble der Gedanken Zinnen;
Beharre nur — du mußt gewinnen.

Im Hochgebirge

Fels auf Felsen hingewälzet,
Fester Grund und treuer Halt;
Wasserfälle, Windesschauer,
Unbegriffene Gewalt:
Einsam auf Gebirges Zinne
Kloster- wie auch Burg-Ruine:
Grab' sie der Erinn'rung ein!
Denn der Dichter lebt vom Sehn.
Atme du den heil'gen Äther,
Schling' die Arme um die Welt;
Und dem Würdigen, dem Großen
Bleibe mutig zugesellt.
Laß die Leidenschaften sausen
Im metallenen Akkord;
Wenn die starken Stürme brausen.
Findest du das rechte Wort.

Tannenhymnus

Was Blütenschmuck!
Grün, ewiges Grün
Kleidet den Tannenwald.
Warm oder kalt,
Trocken und naß,
Kümmert es ihn?
Schlanke Stämme,
In dem Boden
Fest gewurzelt;
In den Stürmen
Kronen wiegend,
Die gesichert —
Die Pygmäen
Lasset schreiten
Unter dunklen
Nadelzelten;
Oder ruhen,
Wenn's beliebet;
Oder lüstern
Nach den Finken,
Nach den Spechten,
Die auf unsren
Ästen hausen,
Aufwärts schauen.
Wir, des Haines
Ernste Riesen,
Stehn zusammen
Treu verbündet,
Eine rauschende Gemeinde.

Schiffers Nachtlied

Dioskuren, Zwillingssterne,
Die ihr leuchtet meinem Nachen,
Mich beruhigt auf dem Meere
Eure Milde, euer Wachen.

Wer auch, fest in sich begründet,
Unverzagt dem Sturm begegnet;
Fühlt sich doch in euren Strahlen
Doppelt mutig und gesegnet.

Dieses Ruder, das ich schwinge,
Meeresfluten zu zerteilen;
Hänge ich, so ich geborgen,
Auf an eures Tempels Säulen.

Der Gestrandete

Mein Schiff, es hat gestrandet
Im hohen Meer;
Mich spülte die Woge
Zum Ufer her.
Es rauschen die Wasser:
Ich liege im Grün,
Und blick' auf die Trümmer
Zum letzten Mal hin.

Der Platanus säuselt,
Und rüttelt die Blätter.
Ich singe und preise
Den himmlischen Retter.
Der alte,
Hundertgestaltete
Proteus entriß mich mit starker Rechte
Dem Grauen acherontischer Mächte.

Leb' wohl, du leicht zertrümmert Schiff,
So mich und meine Hoffnung trug;
Leb' wohl, du goldnes Zaubervlies!
Geendigt ist der wunderliche Zug.
Mein Glück blüht nimmer auf der See;
Dem grünen Land werd' ich vertrauen.
Ein Obstwald steig' empor und wallend Korn,
Und eine Hütte will ich bauen.

An den Äther

Heil'ger Äther!
Der du liebvoll
Meer und Erde,
Und die Berge
Auch umspannest;
Ach, wie gerne
Möchten dir
Die Menschen gleichen
In dem seligen Umfangen.
Doch was sehnend
Sie erreichen,
Schwindet, wie sie
Es umfangen;
Und Entwichnes
Schaffet Schmerzen.
Denn so ist
Der Mensch gesinnet:
Daß er sich
Auf Eines wendet,
Und das Andre,
Wenn auch Würd'ge,
Von sich lehnt,
Als nicht vorhanden.
Doch — du, Äther,
Breitest linde
Deinen weiten,
Frischen Mantel
Über alle Regionen.
Deinen Mantel,
Den des Morgens
Lichte Rosen,
Wie die hehren
Nachtgestirne
Wirkend schmücken.
Nicht in einem
Kern' verschlossen,
Dehnest du dich
In die Weite;
Immer freundlich
Gegenwärtig,
Zart und nährend
Einzusaugen.
Gleiche Dehnkraft
Anzueignen,
Wünschten gerne
Sich die Berge,
Die in ernsten
Gruppen starren.

Tag für Tag gewährt Erscheinung
Treue Richte treuem Streben,
Und wer die Natur nur ahnte,
Nähert sich dem echten Leben.

Geschichte

Du blätterst in Annalen,
Und sinnest, was geschah;
Und ewig ist die Dichtung,
Die Liebe immer da.
Und seiner Gattung Leben
Verjüngt und unbegrenzt,
Vom Lichte der Heroen
Und Weisen angeglänzt.

Novalis

Wir lesen, daß nach wilden Regengüssen
Die Friedenstaube naht mit heitren Grüßen
Mit sich den grünen Ast der Rettung tragend;
Da jubelten, die in die Arch' geschlossen,
Und ihres Dankes heiße Zähren flossen.
Denn traurig waren sie, am Heil verzagend.

So sangest du dein Lied in rauhen Zeiten
Wo Menschen feindlich gehn einander schreiten
Weil Bruderliebe ihnen fremd geworden.
Den Frühling maltest du dem kalten Norden
Gebotest Halt dem Wahn' und grimmen Zorne,
Und öffnetest der Liebe süße Borne.

Du, Seher, banntest uns den Geist der Reben,
Entschleiertest der Urgebirge Leben,
So auch die ew'ge Sehnsucht stiller Nächte; —
Vorhandne, aber unbegriffne Mächte.
Versöhnend, Milder, gleich dem Regenbogen
Sollst du die Generation umspannen;
Es legen sich vielleicht der Selbstsucht Wogen,
Und rein und selig schiffen wir von dannen.

Besiegung der Erde!

Wer euch, ihr festen Berg', ergründet,
Die Arbeitsstätte grauer Zeiten,
Und weiß den Riesenbau zu deuten;
Wer seine Lampe angezündet

An Flammen, die verborgen brennen
Besitzet wohl das Recht, zu hellen
Die Finsternisse, so noch walten,

Und Dinge wahrhaft zu benennen;
Er darf mit seines Wissens Wellen
Granit umfluten und zerspalten.

Er kündet uns den langen Frieden,
Der nun die Erde überschattet;
Da jedes Element geschieden.

Dem Pflanzenreiche ist gestattet
Sich fröhlich sprossend auszubreiten,
Den Tieren Raum auf lichten Weiden.

Nun darf der Mensch nach Herrschaft ringen,
Des Sieges Banner kühn entspreiten;
Sich auf der Erde Nacken schwingen.

Der Selige

Das dunkle Los von Millionen
Ist: harter Sinnlichkeit zu dienen,
Zu zittern unbekannten Zonen;
Da nicht des Glaubens Licht erschienen.

Ein Teil ermattet im Bemühen,
Daß Inneres nach Außen gelte;
Doch tötet der Gesinnung Blühen
Zu leicht des Tages scharfe Kälte.

Der Selige allein ist unbekümmert:
Wie die Erscheinung sich gestalte —
Denn Gott, der lenkt, ist noch der alte.

Hoch über Erdennebeln schimmert
Dem klaren Auge und Gemüte
Die ew'ge Schönheit, ew'ge Güte.

Das Unvergängliche

Hin ist das Paradies. Die Wissenschaft
Wühlt forschend um in den Ruinen,
Und auch die Kunst mit ernstem Sinnen
Versuchet ihre schöpferische Kraft.

Laßt eine Welt von Himmelsbildern
Vor dem erstaunten Blick entstehn,
Und, idealen Schmerz zu mildern,
Gestimmte Aeolsharfen weh'n.

Doch ihre Schöpfungen verschwinden, —
Wir müssen uns am Menschen halten;
Aus ihm kann vieles sich entfalten,
Sprengt er die Ketten, so ihn binden.

Wann von der Wölbung Sterne fallen,
Und Meer und Land begraben wird,
Muß noch das Wort, das heil'ge, schallen.
Das uns zu Aller Vater führt.

Zum Abschied

Die kurze Strecke wandre mit,
Bis mich Gebirg und Wald empfängt;
Dann folg' ich dem verschlungnen Pfad'
Am Strome, der die Klippen drängt.

Hat gleich der Mai das samtne Tal
Mit Blütenflocken überschneit;
Viel traulicher, als Licht und Schmelz,
Ist alten Haines Düsterkeit.

Von Fichtenhöhen blick' ich dann
Auf dich im stillen Tal zurück..
Du rufest mir, ich winke dir —
Kein Raum vernichtet unser Glück.