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die Gedichte 1843
Betrachtungen
Zierlich zeichnet die Feder
Wonne auf und Harm;
Doch des Geschickes brausende Räder
Lähmen zuweilen den Arm.
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Wenn Andre sich um mich bekümmert,
Gleich war mein Schicksal auch verschlimmert
Stand ich in meiner Kraft allein,
So lachten Glück und Sonnenschein.
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Zünd' ich meine Pfeife an,
Bin ich ein gemachter Mann;
Ist die Pfeife ausgebrannt,
Bin ich weniger bemannt.
Setz' ich mich zum Kruge Bier,
Dünk' ich Bacchus selber mir:
Doch auch diese Illusion
Weicht — ich schleiche still davon.
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Ich grabe in versunknen Schachten,
Und möchte mir Idyllen pachten.
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Ein Baum, ein Tal, ein Hüttendach,
Ein Farrenkraut, ein Waldesbach,
Sind für den Dichter zu studieren.
Doch echte Qual und frische Lust,
Sie liegen in des Menschen Brust —
Das muß man zu Gemüte führen.
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An den Brunnen wird man lesen:
Daß wir ziemlich roh gewesen.
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Wie prächtig sausen hin die Pferde!
Besorge nichts — sie hält die Erde.
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Die Schwäche ist's, die Unheil bringt;
So achte Kraft, die vorwärts dringt.
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Du bist um allen Spaß gebracht.
Wann wieder dein Gemüt erwacht.
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Wenn Regenströme sich entleeren,
Muß ich den Staub von Büchern lehren.
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Willst du auch deinen Teil
An Erdengütern haben,
Die Erde wird dafür
Dein Geistiges begraben.
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Den Flachen unverständlich,
Den Tieferen erkenntlich.
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Noch bin ich leichten Kaufs entkommen:
Ich habe Lehren mir genommen.
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Wer erst die Lehre nahm,
Er hat ein böses Spiel.
Er tut des Guten
Selbst zu viel.
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Gleich der Schnecke zieh'
Deine Hörner ein;
Draußen hält man nie
Sonderlich sich rein.
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Stilles Dach! von dir umfangen,
Weichen Unruh' und Verlangen.
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Wie traulich mir die Kerze flimmert!
Ich habe nicht umsonst gezimmert;
Ich hänge mit dem All zusammen,
Was kümmern Zeiten mich und Namen?
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Du bist in einer andren Welt gereift,
Du redest Worte, die man nicht begreift,
So wird man dich noch mystisch nennen:
Denn mystisch ist, was sie nicht kennen.
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Was läßt du dich mit der Gemeinheit ein;
Willst du befleckt, wie jene sein?
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Zur Sonne strebt die Pflanze empor;
Er aber weiß es besser, der Tor.
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Wer einsam lebt, wird einsam sterben,
Und Unbekannte sollen ihn beerben.
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Wenn Staaten sanken, Throne fielen,
Wenn jeder Acker ist Ruine:
So höre auf, mit hochbetrübter Miene.
Nach deinem weggerückten Topf zu schielen.
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Laß Alles nur auf sich beruh'n:
Die Zeit wird doch das Beste tun.
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Ob überall auch Wunder ihn umringen,
Will doch der Mensch ihr Sein bestreiten;
Er pflegt hierin, so wie in vielen Dingen,
Die liebe Tierheit auszubreiten.
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Was schon gedacht, wir müssen es denken,
Wir nehmen, und glauben immer zu schenken.
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Was tadelst du die Jugend?
Sie ist die Zeit der Liebe,
Die Zeit der schönen Sehnsucht
Nach Taten und nach Ruhm:
Der Frühling der Entschlüsse,
Der kühne Strom der Tat.
Und was du nun gemächlich
Zergliederst und beschauest,
Lebendig und organisch
Gedieh es einst in dir.
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Gewohnt nur immer zu entbehren,
Zur harten Wirklichkeit verdammt,
Verwirrt den Menschen, was aus Sphären
Des seligen Olympus stammt.
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Wie viel hat dir Erfahrung abgehandelt;
Verwandle einmal dich, bald ist die Welt verwandelt.
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Ein schönes Ding die Phantasie,
Ein schöner Ding die Harmonie.
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Harmonisch müssen alle Kräfte streben,
Und nach dem Rechtens hier beginnt das Leben.
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Ins Himmelreich will Jeder ein,
Doch Keiner will gewaltig sein.
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Gewalt laß über dich ergehn,
Dann wirst du deine Wunder sehn.
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Das Haus ist gelb — nein grün — nein rot —
Ein Haus ist's, was macht ihr euch schwere Not.
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Wie auch die Knaben schelten und weinen,
Die Wahrheit bleibt im Allgemeinen.
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Ich fühle, wie es mich nach Außen drängt.
Die Sonne wirkt, die Blätter streben
In's freie, tief erwärmte Leben.
Zurück! eh' euch der Strahl versengt.
Wozu ein ungestillter Trieb
Den edlen liebesdurst'gen Seelen?
Wenn ihnen nur ein farbenloses Wählen
Des Todes, oder Kerkers blieb.
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Das Leben ist die Sphinx; — wen ihre Schöne kirrte,
Wem Sinnestaumel den Verstand verwirrte,
Er war auch ohne Rettung hin.
Ödip allein erlegt die Fragen;
Und in denselben Abgrund muß sie sinken,
Woraus die Beine ihrer Opfer blinken.
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Was Liebe sei? ein süß Vergehn
In dem geliebten Gegenstande.
Hinweg mit klügelndem Verstande,
Hinweg mit traurigem Alleinbestehn!
Mein schöner Selbst muß überfließen,
Muß sich der Tiefe einverleiben;
Muß lustig grüne Zweige treiben.
In Blüten sich und Frucht ergießen.
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Das schärfste Aug' soll nicht ermessen,
Was früher eigen ich besessen,
Es wuchre tausendfach an dir!
Im Schauen selig, sag' ich mir:
Dein Leben hast du dir entwendet,
Heil dir! ein andres ist vollendet.
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Der ärmste Mensch, er tritt ein großes Erbe an:
Der Vorwelt Bücher sind ihm aufgetan,
Es steigen Heldengeister zu ihm nieder,
Ihm rauschen Hellas ewig junge Lieder.
Die Kunst eröffnet stolze Marmorhallen,
Und in die weichen Ohren wallen
Die Klänge in des Rhythmus Tanz':
Natur beut ihm den reichsten Kranz. —
Umsonst strömt Fülle auf ihn ein,—
Er nennt sich arm, ist nicht die Scholle sein.