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Quelle:

Gedichte
Mayrhofer Johann Baptist
Neue Sammlung

Wien 1843
Hrsg. Ernst Freih. v. Feuchtersleben

Verlag von Ignaz Klang, Buchhändler
Dorotheergasse 1105

Das Leben braust, — die Laute klingt;
Es donnert, — doch die Lerche singt.

 

I.
Der Dichter

 

Frage
Befriedigung
Der Barde unter Felsen
Verständigung
Der Dichter an das Publikum
Den Himmlischen
Sängers Los

 
Lied
An Franz
Aufgabe

 

Frage


Wie kam es denn, daß eine Welt
Von Schönheit sich vor mir erschließt,
Daß milder Glanz die Nacht erhellt,
Und wie vom Himmel niederfließt?
Daß Dichtung mit dem weichsten Moos
Die Felsen überkleidet, —
Daß ich in eines Traumes Schoß
Mich wiege unbeneidet?

Befriedigung

Der Wiesen und der Wälder Grün
Erfrischt den trunk'nen Blick,
Und in der Seele Tiefen blüh'n
Mir wieder Trost und Glück.
Die wilden Stürme sind entfloh'n,
Die Lüfte lau, die Ströme glatt, —
Und o, ein milder Zauberton
Vom Helikon Macht meine Sehnsucht satt.

Der Barde unter Felsen

Umschränkt von rauhen Klippen,
Die nackt und feindlich steh'n,
Entfließt das Lied den Lippen,
Um spurlos zu verweh'n;
Umsonst wend' ich nach Leben
Den kummervollen Blick, —
Er kehrt mit wildem Beben
Von Nacht und Tod zurück.

Hier blühen keine Blumen,
Hier weilt nicht Hirsch noch Reh,
Die Vögel selbst verstummen,
Nur ferne rauscht die See.
Die Wolken hängen düster
In's kahle Tal herein;
Der Musen treuen Priester,
Labt ihn noch Hoffnungsschein?

Ja doch! der Dichtung Schleier
Verhüllt die Wüstenei,
Er schafft sich mit der Leier
Ein Leben, schön und frei;
Bevölkert mit Heroen
Das stille Felsenland,
Und wandert mit den hohen,
Ein Bruder, Hand in Hand.

Verständigung

Reich lag das Land vor uns Erquickten,
Die See'n im Morgenstrahl gewiegt,
Als wir hinauf nach Bergen blickten,
An die sich Tal und Himmel schmiegt;
Es sollten von den Felsenhallen
Herunter Freiheits-Hymnen schallen.

Als wir zu ihnen hingelangten,
Trat Schwäche und Ermüdung ein;
Was half's, daß ihre Gipfel prangten
Im Frühlings- und im Sonnenschein?
Der keuchte, And're sanken nieder, —
Es tönten keine Siegeslieder

"Fort!" — donnerte der Gott der Berge
"Ihr Knaben, denen Kraft gebricht!
Noch gibt es Flächen für die Zwerge,
Ich dulde sie hier oben nicht!" —
Da floh'n sie; Wenige nur blieben, —
In's Buch der Taten eingeschrieben.

Der Kindheit Rosen, sie erblassen,
Des Jünglings schön're Träume flieh'n,
Und wähnt der Mann, das Glück zu fassen,
So schwindet es, ein Nebel, hin;
Er sieht's hinab zum Orkus eilen, —
Was ist, das trösten mag und heilen?

Die Kunst, die dieses dunkle Leben
Mit unbegriffnem Licht erhellt,
Auf deren Ruf sich Geister heben,
Die uns die Liebe zugesellt;
Ihr schaffend Wort, ihr tönend Werde
Versöhnt den Himmel mit der Erde.

Nun fühlt der Stein, nun denkt die Pflanze,
Das Tier wird Mensch, der Mensch wird Gott,
Die Zukunft strahlt im Jugendglanze,
Zertrümmert ist das Joch der Not, —
Und Haß und Tod schmilzt an den Flammen
Der Liebe, die nun herrscht, zusammen.

Der Dichter an das Publikum

Der Dichter soll in kühnen Bildern
Die Triebe und die Leidenschaft
Des Hasses wie der Liebe schildern,
Er eine Schönheit mit der Kraft!
Ein ew'ger Jüngling soll er schreiten
Durch alle Länder, alle Zeiten,
Und jede Kraft mit süßen Tönen
Zur Eintracht mahnen und versöhnen.
Nur Er soll immer ruhig bleiben
In diesem sturmbewegten Treiben;
Er soll nur schauen, nicht empfinden,
Nicht lieben, und doch Liebe künden:
"Gib' Blüten!" ruft ihr lustentglüht, —
Und fragt nicht, ob sie ihm geblüht!

Den Himmlischen

Den Müden und den Armen
Erquickt ihr mit Erbarmen,
Und kehret bei ihm ein;
Aus gold'nen Wolken senket
Den Wagen ihr, und lenket
Den stillen Geister-Reih'n.

Aus Körben streut ihr Blumen, —
Heißt Erdennot verstummen
Vor heiligem Gesang;
Ihr wärmet, süße Musen,
Mit Schöpfungsglut den Busen,
Sonst unruhvoll und bang.

Mein Blut möcht' ich vergießen
Wie gern, zu euren Füßen!
Ich stürbe froh und leicht,
Vom tiefersehnten Frieden
Umweht, den man hienieden
Doch nimmermehr erreicht!

Sängers Los

Es braust der Wind; nur kleine Sterne
Erzittern bleich am Horizont;
In schwarzer Nacht, von Menschen ferne,
Sieht man den Sänger, schmerzgewohnt.

Was irrt er auf den öden Pfaden?
Welch' seltsam Schicksal trieb ihn aus?
Warum, als ob mit Fluch beladen,
Verließ er Stadt und Herd und Haus?

Ist es des Blutes kranke Mischung?
Hat man das Liebste ihm geraubt?
Sucht er, wahnwitzig, hier Erfrischung,
Wo Sturm durch graue Zweige schnaubt?

Sein Antlitz gleicht dem einer Leiche,
In Tränen schwimmt der irre Blick;
Er setzt sich auf ein Felsenstück,
Im tiefen Dunkel einer Eiche;
Die Arme hebt er wechselnd auf,
Und läßt dem Kummer freien Lauf:
Allerschütternde Verwandlung
Drohet selbst der Fantasie, —
Opfer heischt der Tag und Handlung,
Nicht die leise Melodie,
Die, in unbelauschten Stunden
Eh'mals willig mir getont,
Und, was ich gedacht, empfunden,
Durch den Widerklang verschont.

Weh, die rauhe Macht der Zeiten
Schüchterte die Muse ein;
Immer vorwärts soll ich schreiten
Ohne sie, die mild und rein.
Feindlich reiben sich die Massen,
Und es mordet die Gewalt
Und bei solchem wilden Hassen
Wird das Herz im Busen kalt!

Vom fernen Kloster tönet das Geläute,
Ein leichter Nebel breitet das Gewebe
Hin über Wald und Feld. Den Mond verkündend,
Beginnt der gold'ne Abendstern zu funkeln.

Geliebtes Land! wo meine Väter haus'ten,
Wo sie den langen Schlummer jetzo ruh'n,
Dich heißet mich mein Schicksal meiden!
Nie schienst du mir so schön wie jetzt!

Dort liegt die Stadt, die mich gebar;
Aus Fenstern leuchten freundlich Lichter,
Des Tages Arbeit ist vollbracht, —
Man scherzt beim trauten Abendmahle.

Ich aber wende mich dem Friedhof zu —
Die stillen Hügel, die mein Liebstes decken,
Nochmals zu grüßen, und zu scheiden!
Horch!
Was tönt aus jener Hütte für ein Sang?
Wie doch der Töne milde Kraft das Herz
In seinen Tiefen wendet, und ein Land
Wie das der ersten Liebe uns erschließt!

Lied

Stern des Abends, meine Sonne,
Du erheiterst meinen Blick
Bringest mir des Friedens Wonne,
Bringest mir vergang'nes Glück!

Nun es still in allen Zweigen,
Nun es traulich um mich ist,
Fühl' ich meine Wünsche schweigen,
Und der Born der Dichtung fließt.

Aus des Himmels tiefer Bläue
Labet mich dein gold'ner Schein —
Wer bewähret gleiche Treue,
Wer ist mild wie du und rein?

Du verschmähst es nicht zu blinken
In das dürftige Gemach:
Deinem Gruße, deinem Winken
Folgen Mondes Strahlen nach.

Wie es still in allen Zweigen
Und so traulich um mich ist:
Denn des Tages Stimmen schweigen,
Und der Born der Dichtung fließt!

An Franz

                         1.

Du liebst mich! tief hab ich's empfunden,
Du treuer Junge, zart und gut;
So stähle sich denn, schön verbunden,
Der edle, jugendliche Mut!
Wie immer auch das Leben dränge,
Wir hören die verwandten Klänge.

Doch, Wahrheit sei's, womit ich zahle:
Ich bin nicht, Guter, wie Du wähnst;
Du sprichst zu einem Ideale,
Wonach Du jugendlich Dich sehnst, —
Und eines Ringer's schweres Streben
Hältst Du für rasch entquoll'nes Leben.

Was ich gelallt mit schwacher Lippe, —
Hab' ich das Wahre auch erkannt?
Ich schuf, — es war ein arm Gerippe;
Hab' ich den Geist je festgebannt?
Konnt' ich den Sinn der Weltgeschichten
Erscheinen lassen in Gedichten?

Doch laß uns treu, bis sich dem Willen
Die Bildung und die Kraft gesellt,
Als Brüder redlich bau'n im Stillen
An einer schönern, freien Welt;
Sie ist es nur; der ich gesungen, —
Und ist sie, — sei das Lied verklungen!

                    2.

Fels auf Felsen hingewälzet,
Fester Grund und treuer Halt;
Wasserfälle, Windesschauer,
Unbegriffene Gewalt;
Einsamkeiten, Abendschimmer,
Hoher Burgen graue Trümmer —
Grab' sie der Erinn'rung ein!
Denn der Dichter lebt vom Sein.
Atme Du den heil'gen Äther,
Schling' die Arme um die Welt;
Und dem Würdigen, dem Großen
Bleibe mutig zugesellt.
Laß die Leidenschaften sausen
Im metallenen Akkord:
Wenn die starken Stürme brausen,
Findest Du das rechte Wort!

                       3.

          Es rinnt die Quelle
          Mit leiser Welle
          Durch Blumenauen;
          Es sausen Flüsse
          Durch Finsternisse,
          Durch Waldesgrauen.
Flächen dehnen kornbeladen
Sich zu blauen Hügeln hin,
Und die Bäume, dicht und grün,
Lieben, sich im West zu baden.
Auf Gebirgen hausen Stürme,
Und die Blitze treffen Türme,
Sonne, Mond und Sterne wallen
Über Allen.
Dich wie mich beschirmt der hohe
Gute Weltengeist,
Er, der einst mit roter Lohe
Jede Nacht zerreißt.
Laß uns denn entschlossen schiffen,
Trotz den schwarzen Todesriffen,
Und mit Lieb' und Harfentönen
Uns're ernste Fahrt verschönen!

Aufgabe

Wer Eins nur will, der ist der Starke;
Die Eiche, wo der Lüfte Sänger wohnen,
Worauf des Nebels Düfte thronen,
Erzeugt sich wachsend selbst aus innerm Marke.

Nur Kraft bedinget die Erscheinung;
Vom Willen nur erborget sie die Hülle,
Und aller Fäden weite Fülle
Sucht endlich in dem Geiste die Vereinung.

Darum: soll nicht vorüberschwanken
Die Welt, ein Traum, so müssen die Gedanken
Sich liebend an das Eine ranken,
Nicht ewig auf der Oberfläche wanken:

Des Baues Sinn mußt Du ergründen,
Dich enge mit Vergangenheit verbünden,
Und an dem Strahl der Zukunft Dich entzünden!