In
einer Waldgegend
Vergangenheit und Gegenwart
Gefallen sich allda zu grünen,
Und frische Lebensbäche rinnen
Dem Wandrer zu, der willig harrt.
Viel milder spricht die Zither
Durch blätterreiches Gitter;
Und selbst die Klage schallt
Melodischer im Wald.
Von Einsamkeit umschlungen,
Mit treuen Freundeshänden,
Sollst du, was hier entsprungen,
Den fernen Lieben senden.
Vorruf
Wann der Kuckuck
Ruft im Haine,
Und Aurikeln
In dem Scheine
Der Sonn' erblüh'n:
Fühl' ich Wange,
Und Busen glüh'n.
Denn die Mahnung ist ergangen,
Innern Frühling zu erschaffen;
Unverdrossen angefangen,
Eh' die Sehnen dir erschlaffen!
Über dieses Lebens Mühen,
Über des Genusses Lücke,
Zimmere dir eine Brücke
Aus den liebsten Melodien.
Myrthen bilden das Geländer,
Wie auch Knospen heller Rosen;
Und als Schmetterlinge kosen
Träume um die blühenden Ränder.
Resultat
Wer trocknete die Tränen,
Die ich für mich geweint?
Wo war, bei bangem Sehnen
Nach Linderung, der Freund?
Ich spähte in den Wolken,
Sie zogen glänzend fort;
Ich lauschte im Gebirge,
Umsonst —kein tröstend Wort!
So stählten ernste Jahre
Den neugebornen Mut;
Ich rudere und fahre
Auf dichterischer Flut.
Am See
Sitz' ich im Gras am glatten See,
Beschleicht die Seele süßes Weh;
Mit Aeolsharfen klingt mich an
Ein unnennbarer Zauberwahn.
Das Schilfrohr neiget seufzend sich,
Die Uferblumen grüßen mich,
Der Vogel klagt, die Lüfte weh'n —
Vor Schmerzeslust mocht' ich vergeh'n!
Wie mir das Leben kräftig quillt,
Und sich in raschen Strömen spielt,
Wie's bald in trüben Massen gärt,
Und nun zum Spiegel sich verklärt!
Bewußtsein meiner innern Kraft
Ein Wonnemeer in mir erschafft:
Ich stürze mich in seine Flut,
Und ringe um das höchste Gut.
O Leben bist so himmlisch schön
In deinen Tiefen, deinen Höh'n!
Dein freundlich Licht soll ich nicht seh'n,
Den düstren Gang zum Orkus geh'n?
Auch du bist mir das Höchste nicht:
Ich opfre heiter dich der Pflicht.
Ein Strahlenbild schwebt mir voran,
Und mutig wag' ich Alles dran.
Das Strahlenbild ist oft betränt;
Wie es durch meinen Busen brennt.
Die Tränen weg vom Wangenrot —
Und dann in tausendfachen Tod!
Du warst so menschlich, und so hold.
Und gut, o deutscher Leopold!
Die Menschheit füllte Dich so ganz,
Und reichte Dir den Opferkranz.
Und hehr geschmückt sprangst Du hinab,
Ein Retter in das Wellengrab.
Vor Dir erblichen, Fürstensohn!
Thermopyla' und Marathon.
Liane
Hast du Lianen nicht geseh'n?
Ich sah sie zu dem Teiche geh'n.
Durch Busch und Hecken rennt er fort,
Und kommt zu ihrem Lieblingsort.
Die Linde spannt ihr grünes Netz,
Aus Rosen tönt des Bachs Geschwätz;
Die Blätter rötet Sonnengold,
Und Alles ist der Freude hold.
Liane fährt auf einem Kahn,
Vertraute Schwäne nebenan.
Sie spielt die Laute, singt ein Lied
Wie Liebe in ihr selig blüht.
Das Schifflein schwanket, wie es will.
Sie senkt das Haupt, und denket still
Nur ihn — der im Gebüsche ist,
Sie bald in seine Arme schließt.
Der Hirt
Du Turm! zu meinem Leide
Ragst du so hoch empor,
Und mahnest grausam immer
An sie, die ich verlor.
Sie hängt an einem Andern,
Und wohnt im Weiler dort.
Mein armes Herz verblutet,
Vom schärfsten Pfeil durchbohrt.
In ihren braunen Augen
War keiner Untreu Spur;
Aus ihnen sprachen Liebe
Und holde Anmut nur.
Wohin ich nun mich wende —
Der Turm, er folget mir;
O sagt' er, statt der Stunden,
Was mich vernichtet, ihr!
Nachtstück
Wann über Berge sich der Nebel breitet,
Und Luna mit Gewölken kämpft,
So nimmt der Alte seine Harf', und schreitet,
Und singt waldeinwärts und gedämpft:
"Du heil'ge Nacht!
Bald ist's vollbracht.
Bald schlaf' ich ihn
Den langen Schlummer,
Der mich erlöst
Von jedem Kummer."
Die grünen Bäume rauschen dann,
Schlaf süß du guter alter Mann;
Die Gräser lispeln wankend fort,
Wir decken seinen Ruheort;
Und mancher traute Vogel ruft,
O laßt ihn ruh'n in Rasengruft! —
Der Alte horcht, der Alte schweigt —
Der Tod hat sich zu ihm geneigt.
Lunz
Über die Berge
Zieht ihr fort;
Kommt an manchen
Grünen Ort,
Muß zurücke
Ganz allein;
Lebet wohl!
Es muß so sein.
Scheiden,
Meiden,
Was man liebt,
O wie wird
Das Herz betrübt!
Wald und Hügel,
Seenspiegel —
Schwinden all';
Hör' verschwimmen
Eurer Stimmen
Widerhall.
Scheiden,
Meiden,
Was man liebt,
O wie wird
Das Herz betrübt.
Waldreise
Höh' auf und nieder
Geht der Gang
Durch Eichenwälder,
Strom entlang.
Wie sich die Wellen
Schäumend zerschellen;
Felsen bespülen,
Tauchen und wühlen,
Uferschollen
Mit sich rollen. —
Im rohen Gelüsten
Pflanzen verwüsten,
Und im feindlichen Ergrimmen
Durch erschreckte Schluchten schwimmen!
Von hinnen enteile
Der strebende Fuß;
Zur ruhigen Hütte,
Zum stillen Genuß.
Auf der Donau
Auf der Wellen Spiegel
Schwimmt der Kahn.
Alte Burgen ragen
Himmelan;
Tannenwälder rauschen
Geistergleich —
Und das Herz im Busen
Wird uns weich.
Denn der Menschen Werke
Sinken all';
Wo ist Turm und Pforte,
Wo der Wall,
Wo sie selbst, die Starken?
Erzgeschirmt,
Die in Krieg und Jagden
Hingestürmt.
Trauriges Gestrüppe
Wuchert fort,
Während frommer Sage
Kraft verdorrt.
Und im kleinen Kahne
Wird uns bang —
Wellen drohn, wie Zeiten,
Untergang.
Der gefangene Ritter
Die Donau braust, der Forst erseufzt,
Die Wolken jagen schnell.
Sie feiern oben ein Gelag,
Und Hörner schmettern hell.
Die sind in Freiheit — ich in Haft —
O ungetreues Schwert!
Warum hast du nicht Kerkers Schmach
Vom Herren abgewehrt?
Einst ritt ich froh im kühnen Stolz
Weit über Berg und Tal;
Und kam ich heim — so schäumte Wein
Im silbernen Pokal.
Mein trautes Weib zur Seite saß
Am glatten Eichentisch,
Und um uns spielten allzumal
Die Buben blond und frisch.
Ihr Hörner oben haltet ein!
Viel trug ich — doch nicht euch:
Der Kerker hat mich abgestumpft,
Ihr macht mich wieder weich.
An Martin
Dort, wo die Sarming über Felsenkugeln springt,
Die düstre Tanne sich zum Himmel schwingt;
Auf Bergeshöh'n gebroch'ne Vesten nicken,
Und drohend in die Täler blicken, —
Da hast du mich, zu dir geeilt,
Mit Freundes Gruß und Druck geheilt.
Die Blüten hatte scharfer Reif versengt,
Die jugendlich sich vorgedrängt,
Die Blumen, so der Lenz gerötet.
Der Winter halte sie getötet.
So fanden wir, mit Ernst erfüllt.
Auf jedem Tritt des Innern Bild.
Soll Herrliches denn nie gedeihn.
Das Schöne nur vergänglich sein,
Die Zeit der Hoffnung nimmer kommen?
So frugen wir uns tief beklommen.
"Sie kommt", riefst du, und Echo sprach
Die süßen Laute tröstend nach.
Und treu bewahrte ich den Ruf,
Der neuen Mut zu leben schuf.
Und wann die Pfade sich verlieren,
Und fast zum Untergange führen —
Denk ich, seid ihr auch nicht besonnt,
Wird's Nacht, erhellet euch der Mond.
Rückweg
Zum Donaustrom, zur Kaiserstadt
Geh' ich in Bangigkeit:
Denn was das Leben Schönes hat,
Entschwindet weit und weit.
Die Berge weichen allgemach,
Mit ihnen Tal und Fluß;
Der Kühe Glocken läuten nach,
Und Hütten nicken Gruß.
Was starrt dein Auge tränenfeucht
Hinaus in blaue Fern?
Ach, dorten weilt ich, unerreicht,
Frei unter Freien gern!
Wo Liebe noch und Treue gilt.
Da öffnet sich das Herz;
Die Frucht an ihren Strahlen schwillt,
Und strebet Himmelwärts.
Trost der Trennung
O! der Sehnsucht, nahe wohnen,
Und nicht dürfen sich erreichen;
Wünsche weicher Luft vertrauen,
Und der Welle Liebeszeichen.
Und man müht sich ab zuweilen,
Öden Raum zu überflügeln;
Doch die Erde hemmt das Eilen
Mit den Schluchten, mit den Hügeln.
Wirke recht auf deiner Stelle,
Freue dich an dem Gelingen;
Lerne selbst an dem Mißlingen
Dein Verhältnis, zu den Dingen.
Mahnung
Ich habe mich zurecht gefunden
Nach langem Streit.
Mich hat mit ihrem Kranz umwunden
Zufriedenheit.
Wie himmlisch schläft vor meinen Blicken
Die müde Welt,
Begrenzet durch der Berge Rücken,
Die Luna hellt.
Dem schwarzen Dome kühn entsprossen,
Ragt Stephans Turm;
Der greise trotzt noch unverdrossen
Der Zeiten Sturm.
Der sah viel sterbliche Geschlechter
Um sich vergeh'n;
Und denkt noch lang ein ernster Wächter
So da zu steh'n.
Er ruft zu dir, o frische Jugend
Der alten Mark:
Sei eingedenk der Väter Tugend,
Sei fromm und stark!
Nach einem Gewitter
Auf den Blumen flimmern Perlen,
Philomelens Klagen fließen;
Mutiger nun dunkle Erlen
In die blauen Lüfte sprießen.
Und dem Tale, so erblichen,
Kehret holde Röte wieder,
Und in duftigen Gerüchen
Baden Vögel ihr Gefieder.
Hat die Brust sich ausgewittert,
Seitwärts lehnt der Gott den Bogen
Und sein golden Antlitz zittert
Reiner auf versöhnten Wogen.
Kaiser Heinrich
Veilchen, Primel, und Glockenblum
Sä't Frühling wonnenreich herum.
Den Kaiser drückt die Krone:
Hinaus in die wärmende Sonne!
Er steigt auf's hohe, wiehernde Pferd
Von frischer Hoffnungslust verklärt;
Und springt herunter federleicht,
Als er ein blühend Tal erreicht.
Eine Dame glänzt, wie Schnee,
Auf dem Wiesengrün;
Tändelt mit dem roten Klee,
Wie die Blumenkönigin.
Der Kaiser nimmt vom gelben Haar
Die güldne Krone ab,
Und legt sie ihr zu Füßen dar,
Dazu den Herrscherstab;
Er spricht in seinem treuen Sinn
Zur jungen Blumenkönigin:
"So weit die Blicke schauen,
Herrsch' ich in diesen Gauen,
Sie sind mir untertan;
Stoß' ich ins Horn, so reiten
Die Krieger mit, und streiten,
Und folgen meinem Bann.
Ja selbst die fernen Meere
Erzittern meiner Macht,
Und meiner Schiffe Schwere
Erbleicht der Wogen Nacht.
Die linden Maienlüfte,
Sie lockten mich zu dir,
Und deines Atems Düfte
Zu saugen, bin ich hier.
Geliebte, Blumen winde
Um Zepter und um Kron'!
Und treue Minne finde
Den höchsten Erdenlohn."
Einzug
Der Fürst, an seiner Helden Spitze,
Auf seinem edlen braunen Pferde,
Kehrt wieder heim zum Vatersitze,
Und grüßt die Feindbefreite Erde.
Und aus der Frauen Tulpenschwarme
Stürzt ihm die Gattin rasch entgegen;
Sie strickt um ihn die zarten Arme,
Verkündend leis des Himmels Segen.
Und als der Fürst kaum traut den Ohren,
Sieht man die Fürstin leiser winken,
Und eine Dame, blumicht wie die Horen,
Vor ihm auf ihre Knie sinken.
Die bietet ihm die anvertraute Bürde,
Verwahrt in goldgewirkten Decken —
Die Fürstin hüllt sie auf in froher Würde —
Nun staunen er und seine Recken.
Ein Knabe ist's! die reinen Engelzüge,
Wie lächeln sie so unbefangen;
Ein höher Glück, verdunkelnd alle Siege
Ist heut dem Vater aufgegangen.
Er schaukelt, und er küßt den schönen Knaben,
Und ruft begeistert zu den Seinen:
Euch, Treue, möge gleiche Wonne laben,
Und hell der Liebe Sonne scheinen!
Abendlied der Fürstin
Der Abend rötet nun das Tal,
Mild schimmert Hesperus.
Die Buchen stehen still zumal,
Und leiser rauscht der Fluß.
Die Wolken segeln goldbesäumt
Am klaren Firmament;
Das Herz, es schwelgt, das Herz, es träumt,
Von Erdenqual getrennt.
Auf grünem Hügel hingestreckt,
Schläft sanft der Jäger ein —
Doch plötzlich ihn der Donner weckt,
Und Blitze zischen drein.
Wo bist du, heilig Abendrot,
Wo, sanfter Hesperus?
Es wandelt sich in Schmerz und Not
Ein jeglicher Genuß.
Nach verlorener Schlacht
Magst deinen Blick erheitern
An Blüten und an Kräutern:
Geliebter Schäfer — einst ein Held —
Hast endlich dieses Tal erwählt.
Wie segne ich das stille Leben!
Zufriedenheit und Schönheit weben
Aus leichtem Stoff ein Paradies.
Wie sich die Welle, aufgehaucht
Vom Winde, bäumt und niedertaucht
In krummer Richtung überm Kies:
So schweben wir, vereint fortan,
Im Reigen auf dem grünen Plan,
Und Echo teilt den fernen Bergen mit:
Daß hier der Urwelt Freude blüht.
Liedesend
Auf feinem goldnen Throne
Der graue König sitzt —
Er starret in die Sonne,
Die rot im Westen blitzt.
Der Sänger rührt die Harfe,
Sie rauschet Siegessang;
Der Ernst jedoch, der scharfe,
Er trotzt dem vollen Klang.
Nun stimmt er süße Weisen,
An's Herz sich klammernd an:
Ob er ihn nicht mit leisen
Versuchen mildern kann.
Vergeblich ist sein Mühen,
Erschöpft des Liedes Reich —
Und auf der Stirne ziehen
Die Sorgen wettergleich.
Der Barde, tief erbittert,
Schlägt seine Harf' entzwei:
Und durch die Halle zittert
Der Silbersaiten Schrei.
Doch wie auch Alle beben,
Der Herrscher zürnet nicht;
Der Gnade Strahlen schweben
Auf seinem Angesicht.
"Du wolle mich nicht zeihen
Der Unempfindlichkeit:
In lang verblühten Maien
Wie hast du mich erfreut.
Wie jede Lust gesteigert,
Die aus der Urne fiel!
Was mir ein Gott verweigert,
Erstattete dein Spiel.
Vom kalten Herzen gleitet
Nun Liedeszauber ab;
Und immer näher schreitet
Vergänglichkeit und Grab."
Wie Ulfru fischt
Die Angel zuckt, die Rute bebt,
Doch leicht fährt sie heraus.
Ihr eigensinn'gen Nixen gebt
Dem Fischer keinen Schmaus!
Was frommet ihm sein kluger Sinn,
Die Fischlein baumeln spottend hin —
Er steht am Ufer fest gebannt,
Kann nicht in's Wasser, ihn hält das Land.
Die glatte Fläche kräuselt sich,
Vom Schuppenvolk bewegt,
Das seine Glieder wonniglich
In sichern Fluten regt.
Forellen zappeln hin und her.
Doch bleibt des Fischers Angel leer.
Sie fühlen, was die Freiheit ist;
Fruchtlos ist Fischers alte List.
Die Erde ist gewaltig schön,
Doch sicher ist sie nicht!
Es senden Stürme Eiseshöh'n;
Der Hagel und der Frost zerbricht
Mit einem Schlage, einem Druck,
Das gold'ne Korn, der Rosen Schmuck —
Den Fischlein unter's weiche Dach,
Kein Sturm folgt ihnen vom Lande nach.
Mondenschein
Draußen ist Mondenschein.
Die Strahlen flimmern durch die Scheiben
In's enge Kämmerlein:
Wie soll ich Armer ruhig bleiben?
Die Schatten meiner Freunde steigen auf
Vor meiner Seele, es beginnet
Erinnerung den schmerzenreichen Lauf,
Und die verhaltne Zähre rinnet.
Die ich zur Not durch Tätigkeit bezwang,
Die Schwermut naht in stummen Nächten
Es stockt im Busen frischer Lebensdrang,
Denk' ich, was düstre Parzen flechten.
Verschonet denn das tödliche Geschoß
Des Mannes Kraft, der Jugend Blume?
Die Helden überdecket traurig Moos,
Vergessenheit nagt an dem Ruhme.
Erblühet wohl ein Frühling andrer Welt
Der Schönheit auserkornen Söhnen?
Die schöpferisch die Welt beseelt
Mit Liedern lieblicher Camönen.
Ein Rasenhügel, mit dem Kreuz bepflanzt,
Verbirgt verblichne Herrlichleiten;
Worüber Leichtsinn, wie Manaden, tanzt,
Und jauchzende Geschlechter gleiten.
Denn roter Mai ist da — das Blut erbraust.
Und jagt zu heitern Wechselreigen:
Was kümmert dich, wer in der Tiefe haust?
Bekränze dich mit Kirschenzweigen!
Nur hurtig durch das bunte Leben fort,
Weil Winde noch die Segel schwellen;
Wer wird sich mit dem grauenvollen Dort
Der raschen Stunde Lust vergällen?
Und achtlos um der Menschen töricht Tun
Jagt Helios die Flammenpferde:
Wie aber — wenn die keusche Göttin nun
Herunterschaut auf ihre Erde?
Sie hüllet sich im Wolkenschleier ein.
Ihr Zorn verschmilzt in heil'ge Trauer
Um unser Los — dann wirft sie ihren Schein
Auf eines Kirchhofs alte Mauer.
Schlaflied
Es mahnt der Wald, es ruft der Strom:
"Du holdes Bübchen zu uns komm!"
Der Knabe naht, und staunt, und weilt,
Und ist von allem Schmerz geheilt.
Aus Saaten flötet Wachtelschlag,
Mit irren Lichtern spielt der Tag;
Und auf den Blümlein in der Au
Erglänzt des Himmels feuchter Tau.
Ins hohe Gras legt er sich hin:
Laßt über sich die Wolken zieh'n —
An Mutter Erde angeschmiegt,
Hat ihn der Traumgott eingewiegt.
Um Mitternacht
Was willst du Mondenschein von mir!
Was jagst du, unruhvoller Plager,
Mich in die Nacht hinaus vom Lager?
Nun muß es sein — ich folge dir!
Er drängt mich wieder zu dem Neste,
Worinnen Geister drohend brüten,
Und der Zerstörung Schauer wüten:
Zur morschen, eingesunknen Veste.
Mein Herz', sei eisig und gestählt,
Ihr Sehnen bietet auf die Stärke;
Halt, Auge, aus! du sollst die Werke
Erblicken einer unerforschten Welt.
Es stürme denn heran die Jagd,
Die wilde, nächtlicher Phantome —
Zu mischen mich mit ihrem Strome,
Beschlossen sei es und gewagt.
Nicht so, ihr Geister, müßt ihr kommen.
Den Donner eures Grimmes kann ich tragen,
Doch diese Töne, diese sanften Klagen,
Sie haben mir den Mut benommen.
Wie soll ich trösten, soll ich helfen.
Warum führt ihr aus dunkler Pforte
Den Schmerz zu mir durch flötende Akkorde,
Verjünget wieder ihn, o träumerische Elfen?
|