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Quelle:

Mastalier Carl
Gedichte

Wien 1774
in der von Ghelenschen Buchhandlung
 

                              Der Prater
 

 Willkommen, schönste Insel! voll Entzücken
 Sing ich von dir; und Ister* höre zu.
 Schwimmt doch auf seinem langen, grünen Rücken
             Kein schöner Land, als du!
 
*Donau
 
 Kaum zeigt der Frühling sich im Rosenkleide:
 Kaum streut er Veilchen auf dein Lustrevier:
 Sieh! da erwacht die lang gehemmte Freude:
             Da eilen wir zu dir.
 
 Wann Weichlinge noch nichts vom Tage wähnen.
 Empfängt mich schon des Praters samtne Flur;
 Hier malt sich mir mit allen ihren Szenen
             Die lächelnde Natur.
 
 Hier atm' ich nur Gesundheit und Vergnügen
 Aus reinen und balsam'schen Blüten ein;
 Und Zephyre, die scherzend mich umfliegen,
             Verwehen Gram und Pein.
 
 Hier singen mir der Nachtigallen Chöre
 Ein Morgenlied: das schmeichelt Seel' und Ohr.
 Indes steigt Titan aus dem fernen Meere
             Mit frischerm Strahl hervor:
 
 Vergüldet dann der nahen Berge Spitzen,
 Und spiegelt, Ister! sich in deiner Flut.
 Allein wenn du mich kühlst, und Bäume schützen,
             Was acht' ich seiner Glut?
 
 Bald wandl' ich durch die Meilenlange Gänge,
 (Worauf der Bäume finstre Wölbung hängt,)
 Eh noch der Wagen rasselndes Gedränge
             Staub in die Schatten mengt.
 
 Bald ruhen wieder meine müden Füße
 Auf weichem Grün, das aus der Erde bricht,
 So angenehm, so sorgenfrei, und süße
             Ruht sichs in Städten nicht.
 
 Dann irrt mein Blick durch Fluren und Gehege,
 Und kommt verschönert überall zurück.
 Da hebt die sich, mein Geist wird rege,
             Und fühlt sein ganzes Glück.
 
 Dort strömt aus fernen norischen Gebieten
 Die Donau her, der Flüsse Königin;
 Hier streut der West nur erst geraubte Blüten
             Mir vor die Füße hin.
 
 Dort wühlt ein mutig Schwein in grünen Matten,
 Stolz auf sein Glück und seine Sicherheit;
 Hier weiden frohe Tiere, weil den Gatten
             Kein Blei, kein Feuer dräut.
 
 O weidet nur geschwind, ihr lieben Herden!
 So lang euch Zeit und Raum noch günstig sind,
 Bald wird der Wald zur zweiten Hauptstadt werden.
             O weidet nur geschwind!
 
 Seht, wie sich schon ganz Wien aus vollen Toren
 Herüberdrängt, und diese Wohnung wählt!
 Die schwüle Stadt hat ihren Wert verloren,
             Und nur die Au gefällt.
 
 Schon suchet man im Schatten einer Linde
 Das frische Kühl, das von der Hauptstadt flieht,
 Die eng, und unbesucht von freierm Winde
             In voller Sonne glüht.
 
 Schon lebt der ganze Hain; die Städter dringen
 Tief in des Frühlings bunten Aufenthalt:
 Und laute Freude rauscht itzt auf den Schwingen
             Der Weste durch den Wald.
 
 Doch welche neue Lust blitzt aus den Zügen
 Der frohen Bürger, was entzückt sie? Wie?
 Hast du, o schöner Wald! noch mehr Vergnügen,
             Mehr Freuden, zeig' mir sie!
 
 Ha Joseph kommt! wie tönt es durch den Prater,
 Wie rauschts so lieblich von der Donau her?
 Er kommt, der Erde Glück, des Volkes Vater,
             Er kommt, was wünscht ihr mehr?
 
 Schön bist du, lieber Lustwald! doch wie lange
 Warst du es mehr für Tiere, als für mich?
 Nun wandl' ich frei im Busch, im Schattengange:
             Ganz, ganz genieß ich dich.
 
 Dankt, Bürger! dankt dem Stifter eurer Freude!
 Und wollt ihr würdig danken, bannt den Schmerz
 Hinweg, ergötzt euch; allgemeine Freude
             Ist Wonne für sein Herz.
 
 Doch seht! schon lauschet hinter düstern Linden
 Die Dämmerung: nun zieht sie sich herauf:
 Der Sonne bleiche, letzte Strahlen schwinden,
             Vollendet ist ihr Lauf —
 
 Doch nicht der Freuden. Ruht, ihr sanften Kehlen
 Des Walds! kein Nordwind stör' euch eure Ruh.
 Früh morgens hör' ich wieder Philomelen,
             Und euren Liedern zu.
 
 Itzt öffnet sich die vaterländ'sche Bühne:
 Ein jedes will Thalien wieder sehn.
 Lang blieb sie außen, doch itzt Clementine* —
             Wer kann da widerstehn?
 
 O trauet doch der schlauesten der Musen,
 Traut ihrem sanften Lieblingsdichter nicht:
 Bald seh ich euch der Wehmut Dolch im Busen
             Und Tränen im Gesicht.
 
 Erst reizet sie durch sittsam muntre Scherze
 Der edlern Freunde feineres Gefühl,
 Doch eh ihr euchs verseht, dringt sie ans Herze,
             Und herrschet wie sie will.
 
 Doch kann euch sanfte Wehmut mehr erquicken,
 Als lauter Scherz, der nur die Lung' empört;
 Bereitet euch zu noch erhabnern Stücken;
             Ihr seid des Thamos** wert.
 
 Anmerkung des Dichters:


*Ein rührendes Drama von dem K.K. Staatsrat Freiherr von Gebler.
**Ein heroisches Drama des obgenannten Verfassers,
welches am 4. April 1774 zum erstenmal aufgeführt wurde.