Süd
und Nord
Nicht Allen wird es wohl in prunkenden Gemächern,
Wo Kränze sich um Säulen schlingen;
Nicht Alle seh'n, gelagert unter Rebendächern,
Des Como grüne Wellen springen;
Nicht Alle schmauchen ruhig glühende Zigarren,
Verachtend, was die Stunden bringen,
Indes um sie von gold-umwundenen Gitarren
Des großen Cid Romanzen klingen;
Nicht Alle prassen auf der Kunst geweihtem Boden
Von bess'rer Ahnen Strahlenruhme,
Und wallen, lieb-entzückt von ihrer Sänger Oden,
In freier Schönheit Heiligtume:
Der hauset in des Nordens alten Zauberwäldern;
Der auf dem Eiland, nebelqualmend,
Auf Felsenrücken die, und die auf rauhen Feldern
Die Erde mit dem Pflug' zermalmend;
Die müssen stets gewappnet mit Gefahren ringen.
Und Leben wagen um zu leben;
Und wenn sie Einmal sich mit Macht Genuß erzwingen,
So gähnt des Todes Schlund daneben.
Doch sinnt ihr kühnes Herz, beim Rauschen schwarzer Tannen,
Gar viel unsterbliche Gedanken;
Gleich riesenhaften Alpen stehen sie, die Mannen, —
Sie dräuen, — und die Flächen wanken.
Was irgend Sterblichen des Glückes Huld verleihe,
Gering erscheint's dem ernsten Denker,
Erteilet nicht der Geist die reinigende Weihe,
Der Chaos-ordner, Schicksalslenker.
An eine Linde
Du breitest blütenschwere Äste
Hinaus in die erwärmte Luft,
Auf ihnen wiegen sich die Weste,
Und spielen mit dem würz'gen Duft.
Und Sonnenstrahlen sie vergolden,
Und Würmchen hängen gern daran,
Und Vögel ruhen aus, die holden,
Und stimmen süße Lieder an.
So breite ich auch meine Arme
Sehnsüchtig in die Welt hinein,
Auf daß der spröde Stoff erwarme,
Und Bildung nehme Ton und Stein.
Schon stehe ich seit manchen Jahren,
Und blicke liebevoll herum, —
Doch Bildung kann ich nicht gewahren,
Der Ton bleibt rauh, der Stein bleibt stumm.
Trost
Eins mit Dir, im Gleichgewichte
Deiner Kräfte, Deiner Triebe,
Wirst Du Niemanden beneiden,
Nichts bewundern, nichts verachten.
Hat doch Jeder seine Weise,
Du die Deine, sie die ihre,
Spiegelt doch in jedem Wesen,
Sich der große Schöpfer wieder!
Was den Jüngling angewidert,
Prüft des Mannes heller Auge,
Und dem reifen Greise wird es,
Hoffen wir, einst Freude geben!
Gewährung
"Um wie viel älter, Freund, bist Du geworden!
Die Zeit grub Furchen in Dein Angesicht;
Vernähm' ich nicht die wohlbekannte Stimme,
Bei Gott, ich riefe laut: Du bist es nicht!
Ein Jüngling zogst du aus dem Heimatlande,
Mit roten Wangen, goldgelocktem Haar;
Die Wangen sind nun bleich, die Locken dunkel,
Das Auge ernst, das einst so freundlich war!" —
Laß gut sein Freund! ich fühle mich zufrieden,
Und muß gerecht bekennen: ich gewann.
Den Jüngling zogen unbestimmte Triebe,
Maß und Gesetz begreift der ernste Mann.
Die schwanke Staude ist zum Baum erwachsen,
Der, stämmig, schattenreiche Äste dehnt,
Und jene nahrhaft- milden Früchte liefert,
Wonach der Jüngling frühe sich gesehnt.
Bann
Ein schwerer Fluch ward über mich verhängt:
Von schöpferischer Unruh' angetrieben,
Muß ich gestalten all mein Sein und Lieben,
Und immer ist's die Form die mich beengt.
So wühl' ich in den Adern der Geschichte,
Behorche der Natur geheime Stimmen, —
Umsonst Vollendung wünschend dem Gedichte.
Den steilsten Fels will ich ja gern erklimmen,
Von jedem Erdengute willig scheiden,
Erblickt mein Auge nur die sel'gen Weiden,
Kanaan's Blumenland mit Rebenhügeln,
Die sich in ewig klaren Strömen spiegeln;
Der Freiheit Tempel und die Friedenslauben!
Sie sind! Denn ohne diesen schönen Glauben
Müßt' ich des Daseins schales Spiel verachten, —
Und keine Macht soll mir ihn jemals rauben!
Der Ahnung Blick durchdringt die düstern Schachten,
In denen mit geheimnisvollem Flimmern
Der Wahrheit bann-umstrickte Blumen schimmern:
Hinab, um ihre Bande zu zertrümmern!
Müssen und Sollen
Hoffen und wagen,
Brüten und Zagen,
Gaukeln und spaßen,
Lieben und hassen,
Scheiden und Einen,
Lachen und weinen,
Bitteres Härmen,
Trunkenes Schwärmen,
Glühendes Leben,
Schauer daneben, —
Mußt es erfahren,
Menschliches Herz!
Wenn es gelänge
In dem Gedränge,
Dich nur zu finden,
Dich zu ergründen,
Könntest regieren,
Regeln und führen
Wollend gestalten
Alle Gewalten!
Bist du besonnen.
Sind sie zerronnen:
Sollst es erfahren
Menschliches Herz!
Der schützende Ring
Was hindert, daß des Meeres Schlund
Die mürbe Erde nicht verschlinge?
Sie klammert ängstlich sich am Ringe
Porphyr's, des festen, und Granit's.
Und Schichte sich an Schichte fügt,
Und bildet Täler, bildet Flächen,
Mit breiten Strömen, klaren Bächen, —
Die Welt wird möglich durch den Ring.
Zerbröckelt ihn die Hand der Zeit,
So löst in Trümmer sich das Ganze,
Und stürzt in wildem Todestanze
Zurück in's grausenvolle Nichts.
Wenn sich der göttlichen Idee
Gedank' und Tat des Menschen weihen,
Und, Glied an Glied, sich folgsam reihen,
Gefunden ist für ihn der Reif.
Lösung
Wenn alle, alle Güter scheiden,
Uns Liebe, Lenz und Hoffnung meiden,
Das Leben uns auf uns beschränkt, —
Da fühlt sich erst der Geist, und denkt.
Und schüttelt dieses Körpers Bande,
Und schauet in die sel'gen Lande,
Die freien, denen er gehört,
Und trotzt dem Schmerz, der ihn betört.
O ernste Lust des Geisterlebens!
Die Erde ringt mit dir vergebens, —
Du siegst, und gießest deinen Frieden
Auf ihn, den Erdenglück gemieden.
Gegensatz
Soll ich mir etwas wünschen,
So sei es der Kontrast,
Der uns gewaltig, eisig,
Mit Feindeshänden faßt;
Der sich ganz unverhohlen
Verkündet und erklärt,
Und jedem edlen Streben
Durch Grabesdunkel wehrt.
Wen er besiegt, verdienet
Ein niederträchtig Los;
Wer sich bewußt ist, spannet
Das rettende Geschoß.
In heilige Ruinen
Dringt ein verlor'ner Strahl:
Da knie' und wein' und bete
Vor deinem Ideal!
Warnung
Willst Du nur sein, und nimmer scheinen,
Verzichte auf der Menschen Lob,
Begrabe Dich in düstern Hainen,
Treu der Idee, die Dich erhob.
Hast Du nicht Kraft, geh' in's Gewimmel,
Wo List und Schwäche Rollen spielt,
Und Leichtsinn nach dem Flitterhimmel
Mit nimmersatter Gierde zielt.
Wagst Du, die Larve abzulegen,
Und zeigst ein menschlich Angesicht?
Weh Dir! die kalten Masken hegen,
Weil Du sie störst, das Strafgericht.
Die Träne weisen diesen Steinen,
Den glänzenden, ist Raserei:
Was Dich bewegt, berührt ja Keinen
Im ewig öden Einerlei!
Treue
Was frommen Worte, frommen Zeilen,
Die uns den Geist nur lieblich binden?
Die Tat allein vermag zu heilen,
In Treue nur ist Heil zu finden.
Denn, wird die Lüge Herr und Meister,
Vergiftend Auge, Herz und Lippen, —
O wohin flüchten edle Geister?
In Wälder? oder unter Klippen?
Die Liebe wird zu losem Spiele,
Die Kraft gebannt an morsche Krücken,
Das Recht läßt sich nicht mehr erblicken,
Es zweifeln Alle, jammern Viele.
Da müssen Wunder sich begeben,
Die Toten aus den Gräbern steigen,
Und blutigrote Flammen zeigen
Den Weg zu einem neuen Leben.
Lehre
Begrabe Deinen alten Geist, —
Ein neuer wird ersteh'n,
Der wird die Welt und Deine Brust
Mit Morgenhauch' umweh'n.
Verwandelt so, verwandle Du,
Was Du erreichen kannst;
An Deinen Werken soll man schau'n:
Daß Du an Kraft gewannst.
Nimm Alles auf, und bild' es um,
Verschmilz es eng mit Dir:
Zum Haben sind wir doch zuletzt
Und nicht zum Darben hier.
Offenbarung
Der Winter weicht; die braunen Berge
Umwirkt ein jugendliches Grün:
Die Lerche steigt, die Bäche rinnen
Liebkosend neben Veilchen hin.
Den Pfirsichbaum an dunkler Latte
Hat Frühlingsodem angehaucht,
Nun drängt er Knospen vor und Blüten,
In zartes Rosenblut getaucht.
Aurikeln auch, die lichten Kinder
Enttaumeln froh der Erde Schoß,
Und selbst dem Wald, dem silbergrauen,
Entkeimet das smaragdne Moos.
So steht Natur seit tausend Jahren,
Bereit sich zu verjüngen da,
Und die geschäft'gen Horen bringen
Nur wieder was seit je geschah.
Wir Alle müssen nur vollziehen
Was Universum's Seele denkt,
Die, nach stets unerforschtem Plane,
Das Streben unsrer Gattung lenkt.
In Einsamkeit, in stillen Nächten,
Wird Dir die Ahnung zugeweht:
Daß, unverrückbar unsrer Torheit,
Ein Ziel, an das wir müssen, steht.
Hat erst der heil'ge Schmerz der Liebe
Gewirkt, ist unser Busen rein,
Wie aufgelöst im großen Ganzen:
So tritt für uns der Himmel ein.
Denn alle Not und alle Sorge
Berührt die Glut der Liebe nicht:
Sie wärmt und leuchtet, — und tut gerne
Auf alles Übrige Verzicht.
Fluch
Oft zuckt mir durch den bangen Sinn
Ein Blitz mit glühend roten Flammen, —
Und Nacht und Nebelqualm zusammen
Entweichen, und das Land wird grün.
O könnte ich den Lichtstrahl halten:
Mein Leben wäre dann geschlichtet,
Der Kampf, der es zerstört, gerichtet,
Und milde, tröstende Gestalten
Umschwebten mich! — Doch — wieder Nacht!
Und frisch erneuert sich die Schlacht.
So wälzen mich empörte Wogen
Zum wüsten Schlunde donnernd mit, —
Der Hoffnung milde Sterne logen,
Und, was ich fürchtete, geschieht.
So sei es denn! doch will ich ringen,
Bis meine letzte Kraft erlischt,
Mit meinem Blut den Boden düngen
Den Boden, den mein Blut erfrischt;
Sei er gesegnet, sei verdammt!
Vergebens nicht hab' es geflammt!
Zauber
Scheu' ich die spitzen Felsen
Wo grauer Nebel raucht?
Beb' ich, wann aus den Grüften
Verwesung mich umhaucht?
Ich fürchte nur — mich selber;
Wer mir den tiefen Grund
Der innern Scheu enthüllte —
Er machte mich gesund!
Ich blicke in das Wasser:
Ein Bild, das meinem gleicht,
Es flimmert mir entgegen,
Gebrochen, licht und leicht;
Ich fühl's wie auf die Schulter
Ein riesig Wesen steigt:
Mein Ich — das mir kein Spiegel
Und kein Gewässer zeigt.
D'ran scheitert jede Formel,
Die sonst Gespenster bannt;
Es will sich nicht verdichten,
Es bleibet unerkannt.
Da mir es abzuspiegeln
Die Fläche immer fehlt —
Wo find' ich, was die Schöpfung
Und diese Brust beseelt?
Bewegung
März 1835
Wieder zweigt es in dem Haine,
Knospe drängt an Knospe sich,
Und das Sonnenlicht, das reine,
Grüßt die Erde wonniglich.
Schwingt die Lerche sich zu Lüften,
Blieb' des Menschen Geist zurück?
Weggewendet von den Grüften,
Fordert Leben nur der Blick.
Denn was lebet, darf noch hoffen
Daß es sich die Form erringt,
Daß es, kämpfend, ernst und offen,
Alle Hemmungen bezwingt.
Hat der Geist die Form gefunden,
Die, wie Haut dem Körper paßt,
Ist der Zwiespalt auch verschwunden,
Und des Tages schnöde Last.
Wie des Flusses klare Quelle
Munter über Kiesel fließt,
Wie, auf abgelegener Stelle,
Veilchen über Veilchen sprießt:
Denk' und wirke unverdrossen,
Über die Bewegung klar;
Hast Du ihr Dich angeschlossen,
Bleibst Du kräftig, bist Du wahr!
In der Schmiede
1.
Dumpfer Schlag, berußte Essen,
Irre Funken, blaues Licht,
Schmiedevolk, wie es vermessen
Glühend Erz mit Zangen bricht,
Sitzen Dir zur Schilderei; —
Zeichne treu, und male frei!
Fest, in abgemess'nem Schwunge
Dröhnt der Hammer, Form-erteilend,
Und die Flut mit kühler Zunge
Leckt die Räder, tätig eilend;
Schweiß in Perlen netzt die bleichen
Angesichter; — sind es Leichen?
Doch die Unerschrock'nen schaffen
Pflugschar, Sensen, helle Waffen;
Die zur ernsten Zunft gehören,
Muß die Flamme früh zerstören:
Doch sie sind in Todesnacht
Kraft zu wecken noch bedacht.
2.
Den Becher in die Wellen werfen
Mit ernstem Blick, sei königlich!
Doch höher ist's, den Mut noch schärfen,
Wenn Jugendtraumes Glanz verblich.
Wirf alle Trümmer nur zusammen,
Und schmilz sie in den roten Flammen, —
D'rauf schwing' den Hammer, um zu schmieden:
Denn Schmieden nur gewähret Frieden.
Daß gülden nicht, noch silbern Dein Gebilde,
Daß es aus Erz, — was trauerst Du?
Blüht nicht die Kunst auf Mavors Schilde
Wie an der Venus Gürtel? — Schmiede zu!
Leben
Der Täuschung Zauber sind vernichtet.
Die Berge drohen kahl und hoch;
Dich, der zu Sternen einst gerichtet
Den kühnen Flug, besiegt das Joch.
So ist es Tausenden ergangen
Die sich der Wirklichkeit entschwangen,
Die jedem nichtigen Triebe grollten,
Und eine Welt beseelen wollten.
Des Äther's Hauch verletzt die Lunge,
Der Leben gab, verdirbt das Leben,
Die Hymnen sang, erlahmt, die Zunge;
So harrest Du, daß And're geben:
Du Armer! höre auf zu hoffen, —
Nicht ringe mit der Dürftigkeit!
Als des Genusses Tore offen —
Was dachtest Du an Ewigkeit?
Verstumme! dieses Lebens Spanne
Genügt mir nicht; so streb' ich weiter;
Ich wurzle nicht, wie jene Tanne, —
Sind doch Gestirne meine Leiter!
Ich folge ihnen, wie sie wallen,
Hinan! Du lebe wie Du willst!
Ich wand're in der Dichtung Hallen
Wenn Du da unten Lüste stillst.
Ein jeder Geist zieht seine Bahnen,
Und achtet nicht der Hölle Schlund,
Frei schreitet er mit offnen Fahnen,
Und neue Welten macht er kund.
Der Wurm, er lebt; es lebt die Möwe,
Der Hase lebt, es lebt der Löwe:
Unendlich reich ist die Erscheinung, —
Und nur ein Gott bewahrt die Einung.
Die Kerze
Such' Weisheit auf der Gasse nicht, —
Dir blühe sie im stillen Zimmer:
Wie lehrreich ist der Kerze Licht,
Und wie befriedigend ihr Schimmer!
Des Feuer's urgewalt'ge Macht
Bewegt sich hier in enger Schranke,
Und blinkt, ein Stern in trüber Nacht,
Und wirkt, ein göttlicher Gedanke.
Vom Triebe der Zerstörung frei,
Gießt sie ihr Licht nach allen Seiten,
Und deutet an: was Größe sei,
Die wirken soll im Drang der Zeiten.
Nicht jene Größe, die mit Blut
Der Brüder uns're Erde dünget;
Nein, jene, die voll Glaubensmut
Entsagend, opfernd, sich verjünget.
Die, was der trübe Tag erzeugt,
Durch ihren Zauberspiegel mildert,
Und vor dem Ewigen sich beugt,
Wie auch die Gegenwart verwildert.
Die liebevoll das Nächste hellt,
Weil sie die Zeit, den Raum beachtet
Wohin die Gottheit sie gestellt,
Der zu gehorchen sie nur trachtet.
Nachtviolen
1.
Nachtviolen! Nachtviolen!
Dunkle Augen, seelenvolle, —
Selig ist es, sich vertiefen
In das samt'ne Blau.
Grüne Blätter streben freudig
Euch zu hellen, euch zu schmücken;
Doch ihr schauet ernst und ahnend
In die laue Sommerluft.
Ja, so fesselt ihr den Dichter
Mit erhab'nen Wehmutsstrahlen
Trafet ihr sein treues Herz.
Und so blüht in stummen Nächten
Fort die heilige Verbindung,
Unaussprechlich, unbegriffen, —
Und die Welt erreicht sie nicht.
2.
Aus den Sternen fließt die Kühlung,
Fließt die lieblichste Erleuchtung.
Blumenkelche sind erschlossen,
Philomele klagt bezaubernd;
Alle Wünsche werden milder,
Hoffnung regt die zarten Schwingen,
Nur zuweilen rauschet eine
Welle in dem nahen Teiche.
Trift und Bäume sind verschmolzen,
Magisch glänzen die Gebirge,
Rücken näher ihre Scheitel,
Wie zu trautem Friedensgruße.
Stiller Ahnung hingegeben,
Darf der Mensch zum Himmel schauen:
Hat doch ihren Zoll die Erde!
3.
Ihr Sterne, die ihr friedlich niederscheint,
Ihr Tränen, die mein selig Auge weint,
Seid Zeugen, daß ich dem Genuß nicht fröne,
Ein Priester ew'ger Wahrheit, ew'ger Schöne.
Wie hat doch Alles herrlich sich entfaltet!
Der Geist ward offenbar, der gütig waltet
Und meine Freiheit, mein Gewissen schirmt;
Zwar hatten Wolken feindlich sich getürmt,
Zerflossen sind sie nun zum klaren Spiegel,
Und Dichtungskraft entspreitet kühne Flügel.
4.
Ein Blick in's All gibt neuen Mut,
Dem Forscher Heil, der sinnend ruht,
Gewaltig die Gestalten lenkt,
Das Blei in graue Tiefen senkt,
Der wenig will, und sich begnügt,
Daß ihn Natur im Schoße wiegt.
Du, Liebe, wehst um seinen Busen,
Sein Herz befriedigt ihr, o Musen;
So wird er, heiter im Gewirre,
An sich und dieser Welt nicht irre, —
Nie welkt, von keinem Sturm verletzt,
Von ew'ger Hoffnung Tau benetzt,
Sein reich Gefild. Er hat, wenn And're darben,
Er lebt, wann Generationen starben.
5.
Die Liebe währt; und nur die Gegenstände,
Die sie ergreift, verändern sich;
Wenn ich, wie Abälard, ein himmlisch Weib mir fände,
Vom Glück begünstigt wähnt' ich mich.
Doch wär' mein Lieben in ihr abgeschlossen,
So hätte mich das Reich der Geister ausgestoßen;
Von Euch geächtet: Kunst und Wissenschaft,
Dem All entrückt, — und die Gigantenkraft
Um Feld und Hütte schmale Pfade bahnend, —
Und über mir die Sterne traurig mahnend, —
Armselig Los! ich will es nicht,
Mir leuchte Platon's heilig Licht;
Das Ganze soll sich mir entschleiern,
Und durch mein Tun und Lied will ich es feiern.
6.
Ein Nachklang bin ich von dem Liede,
Das durch die gold'nen Sphären tönt;
Der mir geword'nen Klarheit Friede
Hat mich mit Zeit und Welt versöhnt.
Mein Streben zielt zum Unermess'nen;
Was ist mir Raum? was ist mir Zeit?
Und aus dem Alten, lang Vergess'nen
Quillt meinen Saaten Fruchtbarkeit.
Längst war die Wahrheit aufgefunden,
Das Wort verdunkelte sie nur;
Wir lauschen nun, vom Strahl entzunden,
Der Regel ewiger Natur.
So wie sie bildet, sollst Du schaffen, —
Dann wird der folgende Moment,
Mensch! Deines Wirkens Monument
Nicht spielend mehr von hinnen raffen.
7.
Gleichwie die Äste klingen
Gebeugt vom Windeshauch,
Wie sich in blauen Ringen
Verwebet zarter Rauch:
Befährt die Ahnung leise
Der Seele weites Meer,
Und ziehet ernste Kreise
Der Zukunft um uns her.
8.
Ein Pilger wall' ich über diese Erde,
Und Liebe nehm' ich, gebe sie;
Des Tages lastende Beschwerde
Verdumpfe nie mein Ohr der ew'gen Melodie!
Sie weht im blühenden Gesichte,
Sie säuselt herrlich im Gedichte;
Sie rauscht im Forst und donnert in dem Strom,
Sie leuchtet in des Himmels blauem Dom.
Unendlich Glück, unendlich Lieben,
Ihr seid kein wesenloser Schein!
Ihr werdet, mag die Form zerstieben,
Im Geiste unvergänglich sein.
9.
Der ärmste Mensch, er tritt ein großes Erbe an!
Der Vorwelt Bücher sind ihm aufgetan,
Es steigen Heldengeister zu ihm nieder,
Ihm rauschen Hellas ewig junge Lieder.
Die Kunst eröffnet stolze Marmorhallen,
Und in die weichen Ohren wallen
Die Klänge in des Rhythmus Tanz,
Natur beut ihm den reichsten Kranz. —
Umsonst strömt Fülle auf ihn ein, —
Er nennt sich arm, ist nicht die Scholle sein.
Strahlen aus Osten
1.
Als ich heischte And'rer Meinung, —
Wie ein Rohr schwankt' ich dem Winde;
Diese lobten, Jene schalten, —
Mich genierte die Umzäunung.
Wie ich es im Busen finde
Will ich reden und gestalten.
Wird mir in Europa bange,
Reis' ich über Meer und Länder:
Nil und Phrat und Niagara
Lob' ich mir, die Silberbänder;
Kaschmir's Tal und selbst Sahara —
Szenen sind sie im Gesange.
Denn durch Larve und Vermummung
Ist der Mensch zuletzt ersichtlich,
Und Verrenkung wie Verstummung
Unnatürlich — doch geschichtlich.
2.
Chaldäa's Flur erwärmt die Sonne,
Der Schäfer singt sein selig Lied:
Es trägt das Colorit der Wonne,
Die immer Eingeschloß'ne flieht.
3.
Auf der Höhen
Dunklen Wäldern
Streifen Jäger,
Lanzenschwinger,
Assur's Söhne; —
Hirsch und Rehe
Flüchten furchtsam
In das Dickicht.
Von den Höhen
In die Täler
Schreiten sie,
Als kühne Krieger,
Zu den Städten,
Marmorprangend, —
Drinnen Waren
Aufgeschichtet, —
Manches goldene Geräte.
Stürmen siegreich
Hohe Mauern, —
Was gefällt,
Gehört dem Krieger.
Blendend weiße
Arme stricken
Sich um stahlgedieg'ne Panzer.
Leuchtende Gazellenaugen,
Frische Lippen, Rosenhügel
Laden ein zu Hochgenuß.
Der Harnisch wird nun abgeschnallt,
Der Bogen weggelehnt;
Die wilde Kraft, sie ist verraucht —
Man tritt Gewerbe an.
Der Sohn der Berge lacht der Selbstverwandlung,
Bezahlt die Steuern, schweigt, — und widmet sich der Handlung.
4.
Des Indus fabelreiche Ufer,
Nachdem das Perservolk gehuldigt,
Betrat der Makedonien König.
Die Luft war mild. Die Sonne färbte
Mit reinem Gold die dunklen Wellen,
Und Riesenpflanzen hauchten Düfte.
Gefolgt von auserwählten Freunden
Ritt er zu einer stillen Gruppe
Beschaulich schweigender Brahmanen.
Die Weisen zeigten wenig Staunen,
Nur schlugen dreimal mit den Stäben
Den Boden sie, auf dem sie saßen.
"Was soll das?" frug der Heldenkönig:
""Du kommst aus weiter Ferne, König,
Um Brahma's Land zu unterjochen?
Wir sagen Dir, nicht mehr erwirbst Du,
Als dieser Raum, auf dem wir sitzen,
Genug des Raum's — zu einem Grabe!""
Der Heros d'rauf in seinem Griechisch:
"Ihr Herrn! ich kenne diese Sprache;
Bekomm' Euch wohl die fromme Ruhe!
Mein Element ist die Bewegung."
5.
Von weißem Morgenlicht umflossen
Erzittern Fichtenwipfel kühlem Hauche;
Die Dämm'rung ballt sich auf zu Nebelrauche,
Da rauschet Helios herauf mit Feuerroßen.
Nun glüh'n die Berge, röten sich Gewässer,
Die Sterne flimmern blaß — und blässer —
Gut ist die Nacht, der Morgen besser.
Der Morgen, wo der Mensch, frisch denkend
Und wirkend, noch Gelingen hofft,
Noch unbetäubt, in's Inn're sich versenkend,
Was ewig fromme, treuer stofft.
Er fühlt sich näher der Gemeinde,
Der unbefleckten, unsichtbaren,
Die es mit Brüdern redlich meinte,
Und ihnen wollte offenbaren,
Was uns're Gattung nährt: das Schöne.
Der Brust entzittern milde Töne,
Die Liebe sagt: sie sind von meinen,
Die Sehnsucht spricht: es sind die meinen, —
Und während Lieb' und Sehnsucht streiten,
Berührt des Höchsten Hand die Saiten.
6.
Ein Rosenantlitz ohne Falten,
Ein Auge wie es Falken ist beschieden,
Die Stirn, wo Gottgedanken walten,
Dem reinsten Marmor zu vergleichen,
Und Bart und Haar, wie Schnee zu schauen,
Erfüllen uns mit ehrfurchtvollem Grauen.
Ein glänzend weiß Gewand, umgürtet
Von edler, breiter Purpurbinde,
Fließt Erdwärts nieder, stolz sich blähend,
Den Priesterkönig zu verschleiern.
Pythagoras, den tausend Geister feiern,
Tritt in den Kreis der Auserkornen,
Ein Schöpfer zu den Neugebor'nen, —
Und Lyren rauschen, Hymnen schallen,
Die mit dem Weihrauch aufwärts wallen:
7.
Hymne der Kythagoräer
Von dem Osten, aus dem Meere,
Steigt die Sonne auf, die hehre;
Millionen Lebenskeime
Streut sie aus durch alle Räume,
Webt dem Lenz das goldne Kleid,
Und gestaltet sich die Zeit.
Darum wird nach Ostens Sphären
Stets das Menschenaug' sich kehren.
Laß uns, Ew'ger, wie Dein Bote,
Wärmen und zugleich befruchten,
Und, wie Er, mit hellem Rote
Färben die verborg'nen Schluchten:
Reines Nahen, rein Entschwinden
Soll die Brüder hier verbinden.
8.
Als Er von hinnen schied, ließ Er den Kelch
Zurück, den Jüngern seiner Liebe Zeichen:
Sie sollten ihn nur Jenem, der da glaubt
An göttliche Verkörp'rung, reichen;
Nicht ihnen, die ihn frech verleugnen,
Der, geistig, für das Geist'ge starb,
Und, über Zeit und Raum erhaben,
Aus allen Völkern Bürger warb.
Was greifst Du nach dem Kelch, Du, dessen Hand nicht rein?
Du, dessen Herz schlägt für der Erde Nichts?
Nacht ist Dein Element, und Fäulnis ist Dein Sein:
Er schwebte hoch und frei im Element des Lichts.
9.
Als Apollonius der Mutter Schoß entsprungen,
Von hundert Schwänen war ein Lied erklungen,
Und seine Kraft ist, rein und unbezwungen,
Durch Erdenschlamm und Finsternis gedrungen.
Mit Wundern hat die Sage ihn verdeckt,
Umsonst der Flamme Gierde ihn beleckt,
Demütig sich vor ihm der Leu gestreckt,
Und Tote hat er wieder aufgeweckt.
Vor seinem Auge lag die Zukunft offen;
Erhaben über Furcht und menschlich Hoffen,
Verwebt er seinen Geist in allen Stoffen;
Den unvergänglichen, den er gelassen
Ein heilig Erbe denen, die da hassen
Der Sinne grobe, widerwärt'ge Massen.
Gießt er nicht segnend Öl in unsre Wunden,
Die wir, in brüderlicher Kraft verbunden,
Vom Strahl der Schönheit wonnevoll entzunden,
Uns unter'm Oriflamm der Weisheit eingefunden?
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