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Sermone
(Lange Reden)

Mephistopheles
(teuflisches)

Im Hain, am Strom,
In Frühlingsluft
Bleibst immer nur
Ein armer Schuft!
Denn lösest Du
Die Rätsel all':
Die kurze Lust,
Die lange Qual?
Wie Alles jagt,
Und Alles treibt,
Im Argen doch
Die Welt verbleibt;
Das zischt und gärt —
Und wird verzehrt!
Und haßt und liebt,
Jauchzt — und zerstiebt!
Bald wieder stumm —
Und immer dumm!
Mach' Einer diese Kinder frei!
Sie suchen wieder Sklaverei;
Hat Einer ihnen Licht gebracht,
Sie seufzen wieder nach der Nacht.
So geht es sonder Rast und Ruh' —
Gott Vater sieht geduldig zu.
Wie soll man sich dabei gebärden?
Man möchte humoristisch werden!

Mach' Einer diese Kinder frei!
Sie suchen wieder Sklaverei;
Hat Einer ihnen Licht gebracht,
Sie seufzen wieder nach der Nacht.
So geht es sonder Rast und Ruh' —
Gott Vater sieht geduldig zu.
Wie soll man sich dabei gebärden?
Man möchte humoristisch werden!

                       1.

Die Sonne schien, und unter Andern
Sah man im Park zwei Männer wandern,
Der Eine rot und wohlgenährt,
Der And're bleich und abgezehrt;
Der Eine in dem feinsten Kleid,
Des Andern Rock mit Staub beschneit;
Der Eine lustig, wohlgeborgen,
Des Andern Stirn durchfurcht von Sorgen.
Nebst ihnen sah man hier in Scharen
Zierbengel von verschied'nen Jahren,
Sich spreizend aus geblähter Brust;
Und oh, der Augen schönste Lust:
Der Tulpenflor, geputzte Frauen, —
Sie schauten und sie ließen schauen.
Mit Regenbogenfarb'nen Launen,
Mit sieggewohnten Augenbraunen,
Mit Federhut und Edelsteinen
Entzückt das gute Volk die Seinen.
Dafür bewiesen wenig Sinn
Die Zwei; sie schlenderten dahin,
Wo Alte sich auf Bänken sonnten,
Und sie mit Muße plaudern konnten.
"Nicht immer ist's erlaubt, zu fliegen!
Man muß dem Wirklichen sich fügen!"
Der Dicke spricht's, im feinen Rocke;
Dagegen murrte der Barocke:
"Das Wirkliche ist schlecht genug!
Dem Adler neid' ich seinen Flug,
Der von den dumpfen Hütten scheidet,
Sich aufschwingt, und die Luft durchschneidet,
Und , ist er je vom Fluge satt,
Auf einem Fels sein Lager hat!" —

"Freund! machten wir denn diese Welt?
Gegeben ist sie, festgestellt;
Du wirst sie nimmer umgestalten,
Und sie am Ende Recht behalten;
Was schaffst Du Dir und andern Leid?
Ernähr' Dich redlich; sei gescheit!"
""Das alte Lied in allen Sprachen!
Die Welt, Freund, ist, wie wir sie machen;
Des Menschen Wille, Kraft und Geist
Gibt allen Dingen sein Gepräge
Das ist's — was Welt und Zeit Euch heißt!
Wenn in den Schoß die Hand' ich lege,
Und ließe Alles unberührt, —
Dann hätt' ich Deinen Trost verspürt?
Meinst Du, ich fasele und dichte,
So frage Du die Weltgeschichte!
Wenn Großes, Schönes, je gedieh —
Mein Glaube tat's, — der Deine nie!
Wo meiner gilt, da wuchern Saaten,
Wo Deiner spricht, da stürzen Staaten!""

Die Sonne schien, und ward, im Wandern,
Dem Einen lästig, wie dem Andern;
Sie schieden, — in verschied'ner Richtung.
War's Wahrheit oder war es Dichtung?

                       2.

Rosmintchen! Herzensdieb, wo streift
Dein Blick nach Beute spähend, um?
Welch zarter Teint beschäftigt Dich,
Welch edler Nacken, schmachtend Aug'?
Wenn auch die Blonde spröder tut, —
Die Schwarzgelockte findet sich!
Wenn Dir die volle Ros' entgeht, —
Beglückt die Knospe nicht fast mehr? —
Dich Glücklichen erreicht die Zeit,
Und was in ihr gewaltig webt,
Dich Glücklichen erreicht sie nicht!
Die ganze Welt umstaltet sich,
Du bleibst allein unwandelbar,
Und spielst mit Nymphen, hold und fein,
Bald "brennt der Fuchs," bald "blinde Kuh!"
Die Rätsel dieses weiten Alls,
Des Alls im All, der Menschenbrust,
Der Brüder Wohl, der Brüder Schmerz,
Die Fragen, die, noch eh' es bricht,
Das wunde Herz des Ringers fragt, —
Sag', zogen sie auf Deiner Stirn'
Auch je ein leises Fältchen nur?
Ungläubig schüttelst Du das Haupt,
Wenn Jener brütet, dieser zürnt —
Daß Klippe sich auf Klippe türmt,
Das Schreiten hemmt, die Aussicht sperrt,
Daß Hoffnung täuschte, Treue log, —
Du lächelst immer! lächle fort!

                   3.

Don Ramiro, der Du teiltest
Brüderlich mit mir das Lager
In den Jahren der Entbehrung, —
Und das Brot, das abgesparte,
Und die guten, weißen Blätter,
Rauhe Verse d'rauf zu schreiben —
(Denn so, hatt' es Gott gefüget,
Daß ich hungern sollt' und weinen,
Als das Haar noch blonder wallte,
Und die Pulse stärker schlugen) —
Don! Du hast den Leib erhalten,
Doch die Seele nicht begriffen, —
Nicht den Sinn, der, mutig strebend,
Eine einz'ge Furcht nur kannte:
Dem Gemeinen zu verfallen; —
Der, je mehr die Welt geboten,
Eifriger sich abgeschlossen.
Du — und Du! auch Ihr verkennt ihn!
Denket Ihr an Frau und Kinder,
Haus und Küche mitberechnet!
Schlägt mein Herz nicht für die Menschheit,
Weil ein Weib mich nicht gebunden,
Weil mir ew'ge Himmelssterne
Lieber als zwei Augen sind?
Geiz' ich minder nach der Ehre,
Weil ich Ehren wenig achte?
Wie sie mich betiteln mögen —
Ist es doch nicht meine Sache!
Denn am Ende aller Dinge
Ist man doch nur — was man tut!
Keine Macht, sie sei die höchste
Auf der meerumfloss'nen Erde,
Kann Persönlichkeit verleihen,
Kann Talente dekretieren!
Wären mir auch Millionen,
Würd' ich leben, wie ich lebe:
Mäßig, mit erprobten Freunden;
Würde gute Bücher lesen,
Gerne grüne Räume suchen,
Und die vielgeliebten Berge
Mit den rauschenden Gewässern,
Würde singen zur Gitarre,
Und an guten Tagen — dichten;
Und — verwirrten sich die Dinge,
Meine schwachen Glieder strecken
Auf dem Divan, und entschlummern
Voll des gläubigen Vertrauens:
Daß es wieder lichter werde!

                    4.

Freundlich war's in jenem Zimmer
Luftig, räumig, grün bemalt,
Lieblich strahlte Kerzenschimmer,
Und zum Spiele schritt man bald.
Vier der Frauen und Ein Mann
Fingen sacht zu brandeln* an,
Und ein König ward erkoren.
Ob gewonnen, ob verloren,
Rühret nicht die Majestät,
Die sich stolz im Purpur bläht.
Wart! nach wenig Augenblicken
Wirst Du Dich ganz höflich bücken,
Und, wenn Glanz und Macht entwichen,
Dich begnügen mit drei Stichen!
Trotz des Spieles ernsten Sorgen
Scheint man glücklich und geborgen;
Anmut waltet und Belebung
Durch die weibliche Umgebung,
Und der Rede frische Wellen
Plätschern um den Altgesellen.
Aber leider, unvollkommen
Ist des Menschen Los hienieden!
Altgeselle wird beklommen —
Was betrübt der Seele Frieden?
Drei gesunde, hübsche Kinder —
Lärmten sie nur Etwas minder!
Dann, — immer soll er Karten geben,
Er immer, und nur Er allein!
Und, zu verbittern ihm das Leben,
Müssen moderne Ärmel sein!
Sie rauschen, und dem Festesten verwirren
Die Sinne sich, die Fantasie:
Sie rauschen, und die Kartenblätter irren,
Und finden sich zur Stelle nie!
Jahr achtzehnhundert fünf und dreißig
Schrieb Altgeselle dies Gedicht;
Im Rhythmus leider etwas schleißig,
Entbehrt es doch der Wahrheit nicht.
Der Wahrheit? welcher? —Nicht für Euch!
Für ihn allein, den mancher Streich,
Manch größerer als dieses Brandeln
Hätt' lehren sollen — klug zu handeln,
Und von der Leute Spiel und Treiben
Wie vormals, lieber wegzubleiben!

*Brandeln
ist ein historisches Kartenspiel für vier Personen,
wobei stets drei gegen einen spielen.


                       5.

Die Sonne sprengt die feuchten Nebel,
Der Mond die nächtlichen Gewölke,
Der Fluß des Eises harte Rinde, —
Und nur der Mensch soll nicht durchdringen
Die Netze, die ihn eng umklammern?
Der Erdengott soll nicht in Freiheit,
In angestammter Würde wandeln?
Wer wagt's den Unsinn zu behaupten?
Ihm wahrlich mangelt männlich Wollen,
Das immer noch die Welt bezwungen.
Zum Sklaven macht Dich nicht die Kette,
Nur die verächtliche Gesinnung,
Die eit'le Jagd nach nicht'gen Gütern.
Du schaue fest nach dem Gewölbe
Des Himmels, und vergiß die Erde!
Und darfst Du nicht, ein glücklich Bächlein,
Durch reich beblümte Wiesen fließen,
So mische Dich, nach kühnem Strömen,
Entschlossen in des Weltmeers Wogen!

Letzte Mahnungsworte
des Waldbruders

Eines laß Dir zu tiefst einschärfen,
Perlen sollst nicht vor die Säue werfen,
Perlen, die Du aus der Tiefe hobst.
Sie halten sie, Bester, für faules Obst,
Für Abfall aus Anderer Mittagsschüsseln,
Schnuppern daran mit schmutzigen Rüsseln.
Hättest — zum Beispiel — das saub're Talent
Zur Poesie, — was man so nennt.
Gib ihnen ja nicht verborg'ne Keime,
Kräftige Wahrheit, — sondern Träume;
Ja nicht Rhythmus, — klingende Reime
Ja nicht Tannen, — beschnittene Bäume,
Ja nicht Leben, nein, Manier;
Hab' sie zum Besten, sie danken's Dir!
Woll'n nur in neuen Gewändern spazieren,
Suchen Wechsel im Ennuyiren,
Und wer's mit modischer Würde tut,
Glaub' mir, der hat sie, dem sind sie gut.
Gib ein behagliches Sonntagleben:
Trauben an Ulmen nicht, sondern an Stäben,
Milch nicht im Kübel, sondern im Glas,
Den Boden reute von Würmern und Gras,
Liebster! um Gott, nur kein Stäubchen Natur!
Nur Überhüllung, nur Politur!
Enthalte Dich sorgsam der griechischen Form, —
Sie ist zu nackt und fast enorm;
Das Kleine ist artig, das Artige wert,
Und unsere Schneider und Schnitte bewährt.
Was fällt denn dem ehrlichen Johann ein.
Daß er Orest oder Memnon will sein?
Hält er uns And're für wandernde Schwaben,
Daß er uns will nach Tauris haben?
Ist uns der lustreiche Prater doch nah,
Türkische Musik und Feuerwerk da,
Ringelspiel, Schwimmanstalt und Hanswurst —
Oh und daneben gesorgt für den Durst" —
So könnt' ich Dir's in infinitum treiben!
Du siehst, das Klügste bleibt: den Prater zu beschreiben;
Ein reiches Feld ist Deinen Blicken offen:
Der Stutzer hüpft, es kokettiren Zofen,
Dein Schuldner fährt daher mit kühnen Rossen, —
Trompeten schallen, und es wird geschossen.