Was sind Xenien? hier
Xenien I. Xenien II.
Grabschrift
Wenn einst von mir die Dichtung weicht,
Hab' ich den letzten Tag erreicht;
Daß Keiner mich mit Fragen quäle!
Es kommt aus meiner tiefsten Seele.
Hyazinthe
Du zarte Blume, füllst mit tiefer Trauer
Das still betrachtende Gemüt:
Es fühlt in deinem Ursprung, deiner Dauer,
Wie jedes Schöne hier verblüht.
Viaticum
Will Einer auch mit Andern geh'n,
Sie können, — wollen nicht versteh'n;
Am besten bleibt's: allein zu sein
Mit Dir Horaz, und echtem Wein!
Sisyphus
Hinauf, hinauf, du Fels! wie lange
Dem Elenden noch widerstrebt?
Sein Auge sprüht, es glüht die Wange,
Weil er dich ewig fruchtlos hebt!
Tantalus
Kennt ihr des Tantals traurig Bild,
Der ewig nach den Früchten schielt?
Er streckt die Arme gierig hin, —
Und nichts — und nichts, ist sein Gewinn.
Glück auf!
Wer Samen auf die Felsen streut,
Er hat es immer noch bereut.
Vertraue lieber ihn den Winden:
Die werden gute Erde finden!
Dilettanten
Zartes Volk: die Dilettanten,
Leicht beglückend, leicht beglückt!
Schönes Wirken: die Bekannten
Vorbereitet und entzückt!
Welt- und Menschengeist
Ein Teil des unermess'nen Lebens
Wirkt auch in Dir, wenn gleich beschränkt,
Und im Gefühle warmen Strebens
Gewahr' den Geist, der Welten lenkt.
Schweigen
Reden deutet auf ein Streben:
Wer am Bergesgipfel sitzt,
Schaut in göttergleicher Ruhe
Wie der Strahl nach unten blitzt.
Intoleranz
Was lange studieren, sichten und fassen?
Wo möglich vernichten, oder tüchtig hassen!
Glosse
"Da haben wir's! ein reiner Egoist!"
Ich werde, guter Freund, was Du längst bist!
Zeitgenossen
Ein herrlich Rasseln saust um Dich herum:
Erst wirst Du stumm, und bald scheinst Du Dir dumm.
Dieselben
Blei habt Ihr ihm an'n Rock geheftet;
Dann ruft Ihr: lauf! und dann: er ist entkräftet!
Aufschrift lyrischer Blätter
Leises Prüfen, stilles Sichten,
Frohes Pflücken zu Gedichten.
Ägyptische Kosmologie
Die Schlange schau: sie zehrt an sich,
Geformt zu einem Ring;
Du bist mit drin — was sträubst Du Dich?
Wie jedes and're Ding.
Die Mitte füllt ein schönes Haus (xοσμος),
Die Schlange kriecht hinein, heraus;
So steht's mit Deiner Welt:
Nun tu' was Dir gefällt.
Symbolum
Über dieses Klosters Pforte
Halten sich verschlung'ne Hände:
Wem des Lebens Kranz verdorrte
Findet noch ein selig Ende.
Auf einem Grabe
Der leise Hauch, so Leben wird genannt,
Wie bald ist er auf immer ausgehaucht!
Wie bald der Funke, eh' die Flamm' entstand,
In jene düst're Nacht zurückgetaucht!
In Nacht? — warum nicht an das ew'ge Licht,
Das überall dem Menschenaug' entgeht? —
Das Geisterreich faßt sich mit Händen nicht, —
Wir glauben es, von Gräberluft umweht.
Die Locke
"Hast Du die Mythe gehört, der Sterbliche schaue verlangend
Nach der Göttin, und sie drücke den Pfeil ihm in's Herz?
Sag' uns: frevelt der Dichter am heiligen Bilde Dianen's?
Oder was ist seines Lied's etwa verborgener Sinn?"
Goethe sprach es einst aus, der allgewaltige Dichter:
"Wer sich der Liebe vertraut, hält er sein Leben zu Rat?"
Nun, so furche sich Wang', und erbleiche die bräunliche Locke,
Und dem sinkenden Blick nahe die ewige Nacht!
Hast Du doch, selig, geschaut, was wenige Sterbliche schauten,
Lebtest Wonne-berauscht, stirbst am verborgenen Glück'!
Herakles und Hebe
Ewige Jugendlust und allbeglückende Schönheit
Knüpfen o Stärke, mit dir nur den unsterblichen Bund!
Xenien II
Ich kam zu früh, ich kam zu spät:
So wird mein Leben auch verweht!
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Das Höchste darf der Mensch nicht nennen,
Soll er es lieben, es erkennen.
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Getrost! je trüber jetzt die Gärung,
Um desto froher die Verklärung!
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Der Menschheit ungelöste Fragen
Erscheinen im Dichter als sanfte Klagen.
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Mußt' ich so viele Fesseln sprengen,
Um mich in Liebe einzuengen?
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Harmonisch müssen alle Kräfte streben,
Und nach dem Rechten; hier beginnt das Leben.
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Die Kräfte geb' ich Dir, ihr Ebenmaß dazu
Doch mit dem Rechten lasse mich in Ruh'!
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Wer es doch erst zur Klarheit brächte,
Weib, Haus und Herd sei nicht das Rechtet
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So viel scheint klar: ganz folgerecht ist gut,
Und recht: wenn man so denkt und spricht wie tut.
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Laßt mich der innern Kraft vertrauen!
Sie leitet mich zu hohem Schauen.
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Wenn die Leute wimmernd klagen
Was soll erst der Dichter sagen?
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Was stellst Du Dich so ungebärdig?
Das Schicksal ist mit Dir nicht fertig!
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Es pflegt mit Eisenfaust zu packen:
Groß oder klein! wir müssen Nüsse knacken!
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Schwere Bissen gibt's zu kauen, —
Wir müssen erwürgen, oder sie verdauen.
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Rechts oder links! es gilt mir gleich;
Nur nicht in der Gemeinheit Reich!
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Das beste Futter für Kriminalisten
Sind: gefallene Idealisten.
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Verbrannte die Hitze der Liebe Blüten,
Muß man sich sorglichst vor'm Hassen hüten!
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Vernimm die bitterste der Lehren:
Vergeuden, — dann vom eig'nen Fette zehren!
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Geendet ist die Bilderjagd,
Wenn Dich einmal das Denken plagt.
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Das Denken freut, das Denken plagt,
Bis Dich das Leben tüchtig packt.
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Die Welt vermeinet mich zu binden?
Sie soll mich in den Wolken finden!
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Was kann sie mir für Lockung bieten?
Wir kennen sie, die eleganten Nieten!
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Was suchst Du nur in Tal und Flur?
"Ich bin der Freiheit auf der Spur!"
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Zehn Gebot'?
Eins macht Not!
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Soll Euch das Leben nicht verdrießen,
Müßt Ihr zu handeln Euch entschließen!
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Was an uns hängt,
Sich an uns drängt,
Müssen wir nicht uns eigen denken; —
Das erspart uns vieles Kränken.
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Der Frühling wich, der Sommer ging,
Der Herbst bereitet sich zu scheiden:
Was liebend Dir am Herzen hing,
Du kennst es nun — und mußt es meiden.
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Erhebe über Raum und Gruft
Dich in des Äthers heil'ge Luft;
Was willst du länger säumen?
Es gilt: ein mutig Träumen!
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Man muß sich recht zusammenraffen,
— Der Traum wird nur durch Kraft geschaffen,
Die Erdenbürde von sich werfen,
Das Aug' für Geisterfernen schärfen.
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Wem der kühnste Zug gelungen,
Wer den Hort der Nibelungen
Aus dem tiefen Rhein gewann, —
Ihn beherrscht des Schweigens Bann.
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Wenn Nöten uns bedräuen,
Trifft uns nur das, was Alle trifft;
Doch trübes Wiederkäuen,
Es ist ein ewig furchtbar Gift!
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Die farbenhellste Seifenblase
Zerstäubet an des Knaben Nase;
Die Blase kann man Dichtung nennen:
Den Knaben mögt Ihr leicht erkennen!
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Verächtliches Gezücht! frei sprech' ich's aus:
Mehr wert als Ihr ist eine Laus.
Das ekle Tier ist doch in sich vollendet, —
Ihr aber habt der Halbheit Euch verpfändet!
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Bin nun einmal der ich bin,
Lasse wenig handeln:
Und zerstören kannst Du mich,
Aber nicht verwandeln.
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Was drohst dem Dichter Du, und Du,
Mit roher Faust und grimmem Blick?
Schlag' zu! er schlägt wohl auch zurück,
Und schließt dann ruhig zu.
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Du bist mir an das Herz gedrungen,
Was ich gefühlt, hast Du gesungen:
Der Stümper kitzelt nur das Ohr,
Verschlossen bleibt der Seele Tor.
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"Du eilest dem Gebirge zu?"
Die Fläche gibt mir keine Ruh', —
Laßt uns noch rein're Lüfte trinken!
Die Zeit kommt, wo wir unten hinken.
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Wenn Staaten sanken, Throne fielen,
Und jeder Acker ist Ruine:
So höre auf, mit hochbetrübter Miene,
Nach Deinem weggerückten Topf zu schielen.
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In hohen Lüften
Schwebt die Idee;
Wenige dringen
In ihre Näh';
Die sie schauen
In ihrer Schöne,
Bringen herunter
Himmelstöne;
Unten gibt's ein gewaltiges Gaffen,
Augenreiben, und hündisches Klaffen.
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Liefern
Unsre Kiefern
Stets, was Dichter brauchen?
Weiter, weiter!
Geist ist Leiter:
Hin, wo Ätna's Krater rauchen;
Müsset Euch nach Osten wenden,
Und die Fahrt am Indus enden.
Angesessene Zeloten,
Sucht Euch and're Patrioten!
Dichter weben,
Dichter leben,
Unter Fernen, unter Toten!
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Kannst Du mir geben, was ich nicht besitze?
Vermagst Du es, die Segel anzuschwellen
Des ernsten Strebens ? kräftig aufzuhellen
Die dunklen Pfade, gleich dem Blitze?
Du schweigest zierlich, und wir sind geschieden.
Wohl mir, daß ich mit Kraft und Mannesklarheit
Beim ersten Treffen nicht das Wort der Wahrheit
Im blühenden Gesträuch' vermieden!
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Bist Du artig, nett und fein,
Allerliebstes Mägdelein,
Hast Du Ruhm davon und Nutz;
Doch der Rauhe bietet Trutz.
Wirst Du treu und wahrhaft sein —
Allerliebstes Mägdelein,
Steckst ihn in die Tasche ein!
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Manches Freudige muß weichen,
Manche Strahlen müssen bleichen,
Soll sich Mondenglanz entfalten,
Und die Nacht, die hohe, walten.
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Der ewige Himmel, golden besternt,
Des Meeres stolz aufschäumende Wogen,
Können sie kräftigen, können sie stählen
Feige, tief entartete Seelen?
Der Mut, die Tugend wird nicht gelernt.
Tief im Innern muß sie lodern,
Des Prometheus heilige Flamme;
Torheit ist es, vom morschen Stamme
Blüten und saftige Früchte fodern!
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Ja, wenn bloß im Belvedere
Sphinx, die rätselhafte wäre!
Doch, wohin der Mensch sich kehre,
Lauern solche stumme Frauen;
Die, mit Tatzen und mit Klauen,
Höchst bedenklich um sich schauen.
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Willst Du auch Deinen Teil
An Erdengütern haben?
Die Erde wird dafür
Dein Geistiges begraben.
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Nur du Natur, hegst noch den Trieb, zu lieben;
Glänzt nicht aus jeder reinen Welle
Mein Bildnis mir recht freundlich helle,
Da mir die Welt ist liebelos geblieben?
Wie du mich liebst Natur, laß mich dich lieben!
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Keine Bäume — nur Gestrippe!
Leiber will ich — nicht Gerippe!
Weh, mich durstet — und ich nippe.
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Gut — wer das Wort, Groß — wer die Tat,
Selig allein — wer Liebe hat!
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Wenn von des Nebels Frostgespenstern
Behaucht, es knarrt an Deinen Fenstern,
Sperr' Dich in Deine Klause ein,
Und wähne Feenschlösser Dein!
Der Welt da draußen abgekehrt,
Versenke Dich in schöne Träume,
Bis wieder über Strauch und Bäume
Des Lenzes Füllhorn sich entleert!
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Ob überall auch Wunder ihn umringen,
Will doch der Mensch ihr Sein bestreiten;
Er pflegt hierin, so wie in vielen Dingen,
Die liebe Tierheit auszubreiten.
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Was schon gedacht, wir müssen es denken:
Wir nehmen, und glauben immer zu schenken.