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Trüb und trüber will es sich gestalten;
Zage nicht, — denn ew'ge Sterne walten!
 

IV.
Zukunft

 

Bedingungen
Sternenschein
Quelle
Selbstprüfung
An die Deutschen
Den Söhnen
Lenzglaube
Schlachtgefühl
Der Wächter
Das Höchste
Der Wandernde
Die erstarrte Amsel
Nachgefühl
Am Fuße des Traunsteins
Der Schönheit Stern
Im Eichenhaine
Die Wolken

 

Bedingungen


Des Grabes Tiefe hat viel Herrliches verschlungen;
Dem alten Donnerer sei es geklagt!
Gesunk'ne Säulen predigen mit ernsten Zungen:
Daß keine Größe unvergänglich ragt.
Wo seid ihr, hohe Tempel, wo einst Götter haus'ten?
Wo bist du, Rom? und du, o heit'res Land,
Wo Pindar's Siegeslieder mit den Wägen brausten,
Wo Schönheit sich im Volk' Altäre fand?

Noch zucken blitzend die verblich'nen Heldengeister
In unverstand'nen Schriften, halb verwischt,
Erwartend, der noch kommen soll, den hohen Meister,
Der sie mit neuer Lebensglut erfrischt.
Gleich Ossian's Gebilden greifen sie zum Speere,
Wie an Entscheidungstagen sie getan;
Und zürnend rollet durch des weiten Himmels Leere,
Das Herz erschütternd, nächtlicher Päan.

Wohl liefern wir, ich ahn' es, segenvoll're Schlachten,
Als die, wo euer Blut in Strömen floß;
Natur und liebe Heimat, euch so nahe, machten
Euch uns, den Abgefallenen, so groß.
Sind neue Tatenquellen, ew'ge, unser eigen, —
Das Dunkel ringt noch zweifelhaft mit Licht,
Dann wird sich eine neue, ew'ge Größe zeigen!
Dies hofft, ihr Guten, und verzaget nicht!

Sternenschein

Des Tages schwere Mühen sind vollendet,
Und schweigend naht die heil'ge Nacht;
Zu ihren Sternen sich das Auge wendet,
Die Sinne ruh'n, der Geist erwacht,
Und sehnt sich in die heimischen Gefilde,
Aus denen er den Ursprung nahm,
Aus denen er verstoßen, ach, in's wilde
Gedränge dieser Erde kam!

Von Täuschungen, melodischen Sirenen,
Wird er in Todesschlaf gelullt;
In's Unbegrenzte greift sein töricht Sehnen,
Für Glück erbeutet er die Schuld, —
Dann lagern hurtig sich der Reue Schlangen
An's Menschenherz; sein Blut entquillt,
Und wird von ihnen lechzend aufgefangen,
Bis sie den Busen ausgewühlt.

Die ihr herab vom ruhverklärten Blaue,
Ihr Lichter, strahlet sonder Zahl,
Benetzet ihn mit eures Friedens Taue,
Und lindert des Gefall'nen Qual!
Die Eumeniden hörten auf zu wüten,
Wann nur Selenens Bruder sprach:
So werde, streut sie nächtlich ihre Blüten
In ihm der Rettung Hoffnung wach!

Quelle

Von außen quillt Dir kärglicher Genuß:
Im Busen springt die frische Quelle;
Des Lebens Druck, die Glut der Leidenschaft
Besänftigt ihre kühle Welle.

Doch bist Du töricht, sie mit Haß und Zorn
Zu trüben, immerfort beflissen,
Und türmest trotzig hemmendes Gestein, —
Wie mag die Quelle lauter fließen?

Sie trübt sich, stockt, und trocknet endlich aus;
So schaffe Blumen denn und Pflanzen
Herbei, und eb'ne ihr ein freundlich Beet,
Und lasse sie geruhig tanzen!

Selbstprüfung

Oft frag' ich mich, was ich vom Glück begehre, —
Da fühl' ich's tief: es ist nicht eitler Tand,
Kein Leben, übertüncht mit schnöder Ehre,
Nein, lieber Tod, wie ihn der Sänger fand,
Der, kämpfend für der Menschheit heil'ge Sache,
Nun selig schlummert unter'm Eichendache

Die Liebe ist ein reiner Gotterfunken,
Der Freundschaft Flamme lodert hell und schön,
Doch weisen Beide, wenn der Staub gesunken,
Hin auf entfernte Paradieseshöh'n.
Die herrlichen sind nicht mit stillem Sinnen,
Nur mit des Herzens Blute zu gewinnen.

Dreihunderte sind einst zum Tod gegangen,
Der König mit, ein göttliches Geschlecht;
Der Heimat Schutz und Rache ihr Verlangen, —
Sie retteten, — der Himmel war gerecht.
Die Besten aber mußten untergehen,
Sollt' Hellas frei und seiner würdig stehen.

Denkt des, und wollt, Kleingläubige, nicht klagen
Um Edle, die der Sturm hinweggerafft!
Für Recht und Freiheit Äußerstes zu wagen
Übt und verklärt des Menschen tiefste Kraft;
Wähnt nicht, daß uns die ew'gen Sterne trügen:
Die Freiheit und das Recht, sie werden siegen!

An die Deutschen
1813

Schreite fort im Heldengange
Deutsches Volk, der Bildung Stolz und Hort!
Und erring' in edlem Drange
Dir das Herrlichste mit Tat und Wort.

Wie der tüchtige Alcide
Kühn der Erde Mühen überwand,
Und nach frommer Dichter Liede
Seine Palmen im Olympos fand:

Wirst auch Du den Frieden finden,
Ringend mit des Schicksals alter Wut,
Und die Nebel müssen schwinden
Vor des Lichtes jugendlicher Glut.

Zage nicht! die roten Wellen
Deiner Ströme wandeln sich in Blau,
Und die Tropfen, die nun quellen
Aus der Mütter Augen, werden Tau.

Land der Ströme, Land der Eichen!
Neugeboren wirst du aufersteh'n,
Und des Winters Stürme werden weichen,
Und des Frühlings milde Lüfte weh'n!

Den Söhnen

Verjüngtest dich mit frischer Macht,
Geliebte, alte Mutter Erde, —
Hast wieder, wie beim ersten Werde,
Die frische Schönheit uns gebracht.

Entwölken wir den trüben Blick!
Die Seele, froh der Abendkühle,
Sie kehre, nach des Tages Schwüle,
In ihr geheimes Reich zurück!

Allein, was soll sie, ewig einsam,
Wie des Avernus Herrscherin?
Was soll die Welt, wenn nicht gemeinsam
Des Lebens helle Blumen blüh'n?

Ja einst, als noch das Wunder galt,
Die Menschen menschlicher sich fühlten
Im Innern nicht beschauend wühlten,
Da war ihr Leben nicht so kalt.

Die Zukunft war dem Heut' vermählt,
Ein unverrückbar Ziel gegründet,
Mit frischer Glut die Brust entzündet,
Mit Göttern diese Welt beseelt.

Die Zeit der Wunder ist vorbei;
Doch leiden, stärker oder minder,
Des aufgefund'nen Lichtes Kinder
An tatenloser Schwärmerei.

O Schicksal! übe denn dein Recht
An diesen Kindern, reif an Jahren!
Treib sie mit Eisenfaust zu Paaren!
Weck' auf das schläfrige Geschlecht!

Lenzglaube

Das Füllhorn hat der Lenz ergossen
Auf Anger, Waldgebirg und Gärten, —
Die Keime seht, die unversehrten!

Heil dreimal Dir, dem sich erschlossen
Des Glaubens Reich! Du, dem das Schöne
Die Welt verklärt, — ob sie auch dröhne,

Durchbebt und innerlich zerrissen
Von Wehen der Geburt, der nahen,
Gedräut durch Zeichen, so geschahen!

Der inn're Friede, Dein Gewissen —
Wie läutern sie das furchtbar Wilde
Mit sich'ren Händen bis zur Milde!

Schlachtgefühl

Muß es doch gestorben sein!
Sei's denn in der Brüder Reih'n!
Mähe, Schlacht, des Jünglings Kraft,
Unverdorben, unerschlafft!

Wer entflieht dem dunklen Los'?
Wer der Erde tiefem Schoß?
Donnert Schlünde! komme schon!
Tod ist Pflicht, und Pflicht ist Lohn.

Heimat sendet letzten Gruß
Auf der Töne sanftem Fluß, —
Sinke, Vaterland, für dich —
Rauschet, Adler, über mich!

Der Wächter

Es prüft die Hellebarde
Ein Ritter, ernst und stumm,
Und schaut von hoher Warte
Auf Berg und Tal herum.

Der Feind will sich nicht zeigen,
Noch ferne ist die Schlacht;
Er möchte niedersteigen
Ins Tal, wo Frühling lacht.

Am blauen Himmelsdome
Erglänzt der Sonne Licht,
Das sich im breiten Strome
In tausend Perlen bricht.

Er höret Lieder schallen,
Und gerne säng' er mit,
Er sieht die Pilger wallen,
Und gerne zög' er mit.

Den Eisenhelm umkreisen
Zu Zeiten Lerchen nur,
Doch aus der Höh' verreisen
Sie eilig zu der Flur.

"Zieht hin! ich bleibe stehen;
Mich hält — ruft er — die Pflicht:
Kann ich die Feinde mähen,
Wird's auch im Busen licht."

Das Höchste

Wem der Knabe mit goldenem Köcher
Bietet der Minne hesperische Frucht, —
Lächelt nicht! — der Unsterblichen Einen
Sich zu gedünken wird er versucht;
Alle Wolken sind zerronnen —
Über ihn
Leuchten schönere Stern' und Sonnen!

Daß sich die hellen Gestirne nicht trüben!
Nicht der feurig sprudelnde Born!
Daß die gottgebändigten Triebe
Ja nicht erwachen in feindlichem Zorn!
Wehe allen zarten Blüten,
Wenn des Nords
Zügellose Stürme wüten!

Und der Zeiten sausende Ströme
Werden sie schonen das grünende Tal
Deines Glückes? Vermessenes Hoffen!
Was verkündet der Hörner Schall,
Und der Donner dunkler Schlünde,
Die den Tod
Säen auf erschreckte Gründe?

Für dem Himmel entwandte Ideen
Zogen die Freunde, die herrlichen, aus;
Während der Berge Verkettungen beben,
Schwebt Dir im Sinne der Garten? das Haus?
Ohne Mühe und Gefährde
Bei der Schlacht,
Willst Du ruh'n am trauten Herde?

Töricht Wähnen verblende Dich nimmer
Gegen des Geistes erschütternde Kraft,
Die aus rauchenden Trümmern und Tränen
Deinem Geschlechte Verwandlungen schafft.
Daß das Ganze vorwärts sich bewege,
Offnen sich
Den Edelsten des Hades Wege.

Siehst Du der Schönheit strahlende Blume,
Ford're mit selbstischer Gierde sie nicht!
Hoher als irdisches Sehnen und Trauern
Steht Deine menschliche Würde und Pflicht;
Der den Glauben sich gewonnen,
Ihm allein
Leuchten ewige Stern' und Sonnen!

Der Wandernde

Dunkle Wolke! wirst du Regen
Aus dem Schoße, — Blitze leeren?
Immer werde ich den Vater,
Der dich sendete, verehren!

Denn was frommt es, Felsenmassen,
Wie Giganten, aufzutürmen;
Kann, was wurde und vergehet,
Vor dem Rächerstrahle schirmen?

Aufrecht hält in Finsternissen
Und im Sturme Deine Gnade;
Deine Liebe, Deine Zeichen
Hellen die verschlung'nen Pfade.

Still und gläubig werd' ich schreiten,
Denn Dein Wille sei erfüllet, —
Ohne Frevel, ohne Zagen, —
Bis Du Alles mir enthüllet.

Die erstarrte Amsel

Fand am Wege eine Amsel,
Ganz erstarrt, in Schnee gebettet:
Vogel! hattest schön gesungen,
Und nun wirst du nimmer singen!
Laue Lüfte werden wehen,
Bäume werden sich belauben,
Klare Bächlein munter sprudeln,
Und die Rosen sich entfalten;
Alle Vögel werden zwitschern, —
Doch die Amsel ist verstummet.
War ihr Leben kurz bemessen,
Hatt' es dennoch manche Freuden:
Klang sich aus in hellen Tönen
Eh' der Grimm des Winters nahte.
Gleiches Schicksal wünscht der Dichter:
Lenzesfülle, rasches Ende!

Nachgefühl
An Fr. Schubert 19. Nov.1828

Von eines Birnbaum's Zweige
Da sang ein Vögelein:
Der Herbst, er geht zur Neige,
Es muß geschieden sein!
Ich flatt're von hinnen
Zu wolkigen Zinnen,
Weit über das Meer;
Die Winde von Norden
Sie wüten und morden
Hier Alles umher!
D'rum eil' ich zu Auen,
Wo unter dem lauen
Gekose der Lüfte
Mich segnende Düfte
Und Blüten erfreu'n;
Wo ewige Lenze
Nie welkende Kränze
Verschwenderisch streu'n!
Wie will ich dort singen,
Wie soll es nicht klingen
Mein friedliches Lied, —
Wenn jubelnd die Seele
Aus schwellender Kehle
Verstandener zieht!
O selige Wonnen!
Ihr leuchtenden Sonnen,
Ich fliege zu Euch!

Am Fuße des Traunsteins

Durch Tannenäste dringt die Glut,
Die Glut des Abends mild herein;
Beglänzt das Herz mit treuem Mut
Und bess'rer Tage Hoffnungsschein.

Beglückte Zeiten kommen noch, —
Natur verbürgt's, und was geschah:
Gebrochen ist des Winters Joch,
Die Schwalbe kreist, der Lenz ist da!

Drei große Träume werden wahr:
Der Freiheit Traum, der Liebe Traum,
Und der vom Dioskurenpaar; —
Gebt ihnen Stoff, schafft ihnen Raum!

Auf dieser Berge grauem Kamm
Gedeih' ein kräftiger Geschlecht;
Wer sich nicht rührt, er heiße lahm,
Und wer sich krümmt, er heiße Knecht!

Halb ist der See in Nacht gehüllt,
Halb noch gefärbt von Sonnenblut —
Doch tief im treuen Herzen quillt,
Ein Morgenrot, der feste Mut!

Der Schönheit Stern

In dunkler Nacht, wo Form und Farbe schwindet,
Erblinkt ein Stern, — die Guten kennen ihn;
Ob auch durch Dorn und Fels der Weg sich windet,
Zu jenem Stern schau' ich vertrauend hin.

Der Krankheit Beute sonst, ein Spiel der Jahre,
Macht mich des Sternes stilles Wirken frei;
Es teilt sich das Gewölk, und ich gewahre
Daß er mein Leiter und Befreier sei.

Ein süßer Wohllaut klingt mich an von oben,
Wie frischer Morgenhauch umweht es mich;
Im Innersten veredelt und gehoben,
Fühl' ich gesund und wieder jugendlich.

Und muß ich durch Gefilde, öde, kahle,
Die weder saftig Grün noch Blüte schmückt, —
Begrüßt von jenem heil'gen Friedensstrahle
Bin ich durchaus versöhnet und beglückt.

Im Eichenhaine

Bemooste Eichen säuseln zu dem Schweigen,
Worin sich dunkelgrüner Forst gefällt,
Umwölkend mich mit starken Zweigen,
Die spärlich Tageslicht erhellt;
Von weitem spricht die Quelle heiser,
Und Drosselsang erklinget leiser.

Du stiller, langentbehrter Waldesfriede
Besänftigest den aufgeregten Sinn;
Er gibt sich Dir, des Irrens müde,
In liebevoller Sehnsucht hin;
Das Leben hat nicht zugehalten:
So müssen Deine Zauber walten!

Es hatten schon in altergrauen Zeiten
Die Väter hier ihr ernstes Heiligtum;
Als Römer es zu stören wagten,
Stürzt ihre Macht der Deutsche um, —
Und herrscht in eisernem Gewande
Am Apennin und Tiberstrande.

Ja, an der Seine, auf den Pyrenäen,
Am stolzen Ebro gilt sein Machtgebot,
Und seine kühnen Banner wehen
In Afrika, vom Blute rot,
Indes, von Schöpferlust entzündet,
Er friedlich neue Staaten gründet.

Sein frischer, lebenvoller Atem dringet
In eine traurig abgestorb'ne Welt;
Nun regt sie sich, durch ihn verjünget,
Und blüht, durch seinen Hauch geschwellt;
Doch sehnet er in fernen Reichen
Sich nach des Vaterlandes Eichen.

In lauen Lüften fühlt er sich ermatten,
Sein Geist siecht heimatkrank auf gold'ner Flur;
Die Freiheit wurzelt in dem Schatten
Des Forstes, in der Stille nur;
Hier winkt die Zukunft seinem Willen,
Der Gottheit Auftrag zu erfüllen!

Die Wolken
Das letzte Gedicht, das Mayrhofer schrieb

Über die Erde,
Gleiten die Wolken,
Wechselnder Farbe,
Mahnenden Ernstes,
Heiterer Laune,
Flüchtig einher.
Blaue Gebirge,
Grünende Bäume,
Ihnen entgegen;
Wirbelnde Lerchen
Ihnen entgegen!

Auch das dunkle Menschenauge
Schaut zu ihnen auf mit Sehnsucht;
Wenn der Morgen oder Abend
Sie mit warmen Purpurtinten
Nun durchdringet, nun mit hellen
Safranstreifen mild umsäumet,
Und das anmutvollste Epos,
Und die herrlichsten Gebilde
Wie mit einem Hauche dichtet.

Warum bist Du unzufrieden,
Nie das Meer erblickt zu haben?
Ruhend oder sanft sich wiegend,
Oder spielend mit Delphinen,
Und die kühnen Schiffe schaukelnd; —
Nie das Meer erblickt zu haben,
Aufgeregt durch wilde Winde
Die empörten Wogen schleudernd?

Dir ist Größeres beschieden
An dem hohen Firmamente,
Das sich über Deinem Scheitel
Wie zur Auferbauung wölbet.

Wenige der Erdgeschlechter
Atmen an den Meergestaden:
Allen aber schweben Wolken,
Lichte Friedensboten vor!