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V.
Sonette

 

Sichere Richtung
Erstarrung
Entfremdung
Ein Traum
Vereinsamung
Das Gespenst im Herzen
Ruf der Sehnsucht

 
Der Seelenkranke
Die tote Geliebte
Verfallen bin ich

 

Sichere Richtung


Wenn ringsumher die Welt in nahen Tagen,
Vom Hauch des wärmsten Herzens unberühret,
Den Kranz mir weigert, der mir doch gebühret,
Werd' ich nicht grollen und nicht neidisch klagen.

Dem kleinen Stolze werd' ich leicht entsagen,
Im Vers zu künden, was mich fürder rühret,
Doch dem Gedanken nicht, der mich geführet
Und der mich stark durch's Leben hingetragen.

Und wie ich, geist'gen Balsam aufzulegen,
Einst bei der kranken Menschheit wach gesessen,
Werd' ich jetzt leiblich offne Wunden pflegen.

Leicht trag' ich's dann, wenn auf den Trödelmessen
Das Volk dem bess'ren Gaukler jauchzt entgegen,
Daß ich so ganz verschollen und vergessen.


Erstarrung

Ihr nennt mich hart, weil stumm und in Verwahrung
Ich meinen Groll und meine Schmerzen trage,
Und weil mein Mund, verschmähend eitle Klage,
Nicht prahlen mag mit gräßlicher Erfahrung.

Doch ein gefang'ner Geier ohne Nahrung
Zerwühlt der Schmerz mein Herz mit jedem Tage,
Das Gitter bebt vom starken Flügelschlage,
Doch wird kein Wehschrei feige Offenbarung.

Du, der mich schmäht, du bleicher Heuchler, nenne
Mir einen Schmerz, der nicht dies Herz zerschnitten,
Ein Hochgefühl, in dem ich nicht entbrenne!

Ich hab' wie Siegfried mir die Wehr erstritten,
Ich bin nur hart, weil ich das Leben kenne,
Und meine Schuld ist, daß ich viel gelitten.

Entfremdung

Wenn sie, die weinend sich geweiht zur Deinen,
Sich nach gegeb'nen Eiden läßt verführen
Und treulos von dir geht — laß dich's nicht rühren,
Sie ist's nicht wert! ja laß dein Herz versteinen.

Doch wenn ein Weib, die Reinste bei den Reinen,
Allmählig blaß wird unter deinen Schwüren,
Bis kalt ihr Wort und kalt ihr Kuß zu spüren —
Dann, Einstgeliebter, darfst du weinen, weinen.

Sie geht von dir und doch ist's kein Verbrechen,
Die Liebe welkt, wie Wangen sich entfärben,
Sie wird dir treulos und du kannst's nicht rächen.

Ich, der's erlebt, will hier die Hand erheben!
Weil ich an solchem Schmerz nicht konnte sterben.
Will ich mit ihm bis an mein Ende leben.

Ein Traum

Ich war ertrunken in des Todes Wogen
Und wieder auferwacht im ew'gen Lichte,
Rings um uns stand die Wahrheit der Gedichte
Ich sah mit dir herab vom Himmelsbogen.

Da in der Tiefe kam ein Stern gezogen,
Ein Stern, zertrümmert bei dem Weltgerichte!
Du sahst ihn nah'n mit irrem Angesichte,
Von des Entsetzens Blässe überflogen.

Ich sah, wie dir die blasse Rosen-Wange
Zwei helle Tränen still herniederglitten,
Und leise sprachst du, aber todesschaurig:

Siehst du den Irrstern dort auf seinem Gange?
Die Erde ist's, wo wir so viel gelitten —
Sie macht mein Herz selbst hier im Himmel traurig.

Vereinsamung

Wie Jahr und Jahr verbraust mit Lust und Wehe,
Seh ich um mich die Schar der Freunde schwinden,
Und tiefverzagt, sich so allein zu finden,
Erschrickt das Herz, dem Wanderer gleich im Schnee.

O Herr im Schicksalswetter, ich verstehe
Dein dunkles Rufen, in den Winterwinden,
Wegführst du, was mich halten kann und binden,
Daß fester ich und besser aufrecht gehe!

Die Heimat bargst du mir in wilden Fluten,
Daß meine wahre Heimat fürder bliebe,
Wo Manner kämpfen, predigen und blutend

Und nahmst du meiner Brust die sanften Triebe,
So war es nur, daß ich mit andern Guten
Dich Himmelstochter, ernste Freiheit, liebe.

Das Gespenst im Herzen

Unselig ist, wer liebt und nie besessen,
Unsel'ger noch, wer Liebe nie empfunden,
Den aber hält das ärgste Weh umwunden.
Wer nicht mehr liebt und doch nicht kann vergessen.

Mit altem Glück und Wonnen unermessen
Verhöhnen ihn die Geister alter Stunden,
Und er, an der Erinn'rung Rad gebunden
Muß ans verwaiste Herz die Hände pressen.

Beim Festgelag, im Lenz, bei frohem Mahle
Tritt wie ein Geist vor ihm die tote Liebe,
Und klirrend fällt aus seiner Hand die Schale.

Er wankt hinaus ein starrer Mann der Schmerzen,
Kein Ort so grün, daß er dort heimisch bliebe —
Ach tote Lieb' ist ein Gespenst im Herzen.

Ruf der Sehnsucht

In Haß und Neid wohnt alle Welt beisammen
In Haß und Neid bei täglichem Verkehre,
Uns aber trennen Länder, trennen Meere
Und scheiden uns'rer Brust verwandte Flammen.

Sah uns der Herr in einer Glut entstammen
Und warf er zwischen uns solch bange Leere?
Wie konnt es doch, daß es sich so verzehre,
Das Herz zu solchem Trennungsweh verdammen.

O tiefer Hohn, durch Pflicht und Raum geschieden
Den Teil zu seh'n von unsrem armen Herzen
Der uns allein noch bringen kann den Frieden!

Aufs Schneefeld hin die Arme auszustrecken
Und mit dem Liede unsrer tiefsten Schmerzen
Des Echo's Hohngelächter nur zu wecken!

Der Seelenkranke

Ich träumte lang und war der Schmerzen Beute
Ich bin erwacht und fühle mich genesen,
Ich harre dein — wann kommst du süßes Wesen?
Schon hallt von Dom das stille Nachtgeläute.

Sieh wie mein Stübchen prangt! heut Morgens streute
Ich Bänder bunt und Blumen auserlesen
Hin auf mein mein Bett, wie ich gewohnt gewesen,
Wenn du verschämt versprachst: ich komme heute.

Du kommst heut nicht, und ich, ich soll dich hassen!
Du gingst von mir, weil ich ein Sohn der Not,
Weil meine Wangen täglich mehr erblassen.

Du hast dich zwischen Spät- und Morgenrot
Von einem andern Buhlen küssen lassen
Die fremden Menschen nennen ihn: den Tod.

Die tote Geliebte

Die Geister alter schöner Zeit beschwören
In meiner Brust die Herrlichste der Toten,
Und wie gewohnt im Trotze gen Despoten,
Fühl' ich mein Herz sich gegen Gott empören:

Und ihm zuruf' ich's, daß er's möge hören:
Von den Gedanken, die im Geist dir lohten,
War sie der schönste! Uns war sie geboten,
Wie durftest du das holde Bild zerstören?

Ob Sterben das Gesetz des Weltenrundes —
Was kümmert's mich! Mir bringt es nicht Versöhnung,
Ich werd' um sie doch ewig mit dir streiten.

Schon daß der kleinste Schönheitszug des Mundes
Verloren ging, ist gräßliche Verhöhnung,
Denn was so schön, ist wert Unsterblichkeiten.

Verfallen bin ich

Verfallen bin ich anderen Gewalten,
Aus euren Kreisen bannt mich eine Scheide;
Daß ich der Menschen kalten Hohn vermeide,
Baut' ich den Kerker mir, den grabeskalten.

Versuch' ich's noch, Gebilde festzuhalten,
Sind es Heroen, Tröster mir im Leide,
Wie der Gefang'ne mit dem Stückchen Kreide
Sie malt, verworr'ne, trotzige Gestalten.

Tyrannenmörder, fromme Atheisten,
Das ist das Volk, das ich versucht zu malen
In meiner Gruft, wo Molch und Natter nisten.

Laßt nur die Freiheit in mein Grabhaus strahlen,
Ich steig' hervor, verklärt in kurzen Fristen,
Im lichten Kleid, mit feurigen Sandalen!