Heimweh
Oft durch die stille Seele schwinget
Ein Ton so fremd, und so bekannt,
Der Sehnsucht Alphorn ist's, das klinget
Aus meiner Jugend Hirtenland.
O dunkler Strom voll wilder Klagen,
O Kranich, der dort fernab fliegt,
Könnt ihr dem müden Wandrer sagen,
Wo seine schöne Heimat liegt?
Das Heimatland so grün und sonnig,
Wo meine schöne Hirtin sang,
Wo mir der Born des Lebens wonnig,
Ein Quell aus frischem Moose sprang.
O Land der sanften Nachtigallen,
Verlornes Jugendparadies,
Daß ich aus deinen grünen Hallen
Erbarmungslos mich selbst verstieß!
Als
hätt' ich einen Mord zu tragen,
Irr' ich umher, verfemt, verbannt,
Des Kummers Mantel umzuschlagen,
Und such' mein altes Heimatland.
Umsonst ruft leis, und leise immer
Des Alphorns Tönen mich zurück,
Die Welt ist weit! Ich find dich nimmer,
Verlor'ne Jugend, totes Glück.
Die Sterne
(Nach U. Guttinguer.)
Die Nacht ist lau, die Nacht ist lind,
Der Wind bringt Grüße aus der Ferne
Du sitzest stumm, mein schönes Kind
Und blickst hinan, und zählst die Sterne.
O
sprich ein Wort! Was deutet dein
Verklärter Blick aus jenen Sphären?
Glaubst du wie ich, es muß dies Sein
Noch jenseits dieser Erde währen?
Glaubst du, ein Volk von Sel'gen singt
Auf jenen Sternen Jubellieder?
Sind's schöne Engel, lichtbeschwingt?
Und du, von welchem stiegst du nieder?
Vom schönsten! Kühn ruf ich das Wort!
Doch ob die Flur dort grün und golden
Es suchen Augen dich noch dort
Und denken deiner noch, der Holden.
Wie schön auch dort die Blumen blühn
Doch muß noch den verklärten Seelen
Zu vollem Glücke noch das Glühn,
Geliebte, deiner Augen fehlen!
Drum wende, wende ab den Blick
Vom Heimatland, das dich geboren,
Aus Furcht, man riefe dich zurück
Dich Engel, den man dort verloren.
Mein Schicksal ist bei dir, mein Kind,
Dein Leben ist noch nicht gemessen,
Mag dich der Himmel, mild gesinnt,
Noch eine Zeitlang hier vergessen.
Begegnen
(An
H.)
Eine Silberlichtspur folgt dem Kahn
In der stillen Nacht auf seiner Bahn
So ließ dein Erscheinen eine helle
Spur in meines Lebens dunkler Welle.
Jene Spur, die in den Wassern ruht,'
Wird verschwinden mit der nächsten Flut,
Doch die schöne Lichtspur im Gemüte,
Tilgt für's Leben keines Sturms Gewüte.
Seufzer
Du bist so schön! Dürft' ich dir sagen
Wie tief mein wundes Herz dich liebt,
Wie es mit Klagen und Verzagen
Sich schmerzlich dir zu eigen gibt!
Es ruht im Schatten der Gedanken
Mein dunkler Geist, ein tiefer See —
Blickst du wie Mondlicht ob dem Kranken,
Entführt, entführt ist alles Weh.
Wie aus dem See ein Zug von Schwänen
Aufrauscht aus meiner Brust das Lied —
Du bist das Land, zu dem ein Sehnen
Es über weite Meere zieht!
Fahr wohl, fahr wohl! Vom Bann der Schmerzen
Bleib' ich für immer unterjocht,
Daß ich dich sah, und dir im Herzen
Gefühl zu wecken nicht vermocht.
An Eine
Die Lilie in der Gruft
Geheimnisdunkler Haine,
Sie hat für ihren Duft
Den Wald im Mondenscheine!
Die holde Nachtigall
Fern, fern von Menschensteigen,
Sie hat für ihren Schall
Die Nacht mit ihrem Schweigen.
So hab auch ich, die bang
Klagende Philomele
Für meinen tiefsten Sang
Eine noch tiefere Seele.
Ob's Herz mir brechen will,
Wohin ich irr' und gehe,
Ich fühle ihre still
Beseligende Nähe.
Der Zauber, den sie zieht,
Gleicht auch dem Mondenscheine,
Sie hört auch dieses Lied
Und weiß, daß ich sie meine!
Bei der Kunde von
seinem Wahnsinn
O Nik'laus Lenau! sagt mir, er sei tot,
Sagt mir, verschüttet sei mein Heimattal,
Und die Geliebte fern in Schmach und Not,
Nur diese Kunde nicht voll Hohn und Qual!
Wahnsinnig sei er! Sagt, was ihn umspinnt
Sei ein verworr'ner Traum des Orkus nur,
Am Faden führt aus ihrem Labyrinth
Den Dulder noch der Dämon der Natur!
Wie stumm ihr steht! Ihr wißt nicht was er war!
Ein Freiheitsstreiter, den der Schmerz geweiht,
Ein weißer Schwan, ein flügelstarker Aar,
In Kampf und Weh das wunde Herz der Zeit.
In dieser Zeit der Wirrnis und der Schuld,
Wie wahrte er sein Banner fleckenrein,
Wie hüllt' er in Entsagung und Geduld
In seinem Mantel seine Wunden ein.
Ich habe ihn geliebt! Aus seinem Sang
Weht es so stark wie Urwaldsduft mich an.
Weiß Gott! mir ward um's junge Herz so bang
Als stürb' am See ein märchenhafter Schwan.
In meinen Adern lauschte all mein Blut,
Mir war's, als sei's Vorabend einer Schlacht,
Und freud'ge Blitze — rote Hoffnungsglut
Durchschlügen herrlich alles Graun der Nacht.
Und nun! zerschellt die Harfe der Natur,
Die Saiten weithin schwingend im Orkan,
Lavinensturz auf meiner Alpenflur!
Das Flügelpaar gebrochen meinem Schwan!
O seid barmherzig! Sagt was ihr umspinnt,
Sei ein verworr'ner Traum des Orkus nur,
Am Faden führt aus ihrem Labyrinth,
Den Dulder noch der Dämon der Natur.
Du aber, Engel, wie du auch genannt,
Ob Völkerzukunft, Freiheit, Poesie,
Tritt ein bei ihm und lege deine Hand
Auf's beste Haupt, das uns der Herr verlieh.
Da draußen lauscht und zagt viel Volks ringsum,
Viel tausend Herzen beten fern und nah —
Du Engel Deutschlands sitz und weine stumm,
Bei'm kranken König als Cordelia!
Die treuen Freunde
Ein Bündel Pfeile waren wir,
Ein Bündel Pfeil' umwunden
Von der frischgrünen Epheuzier
Getreuer, grüner Stunden.
Wie dünkt uns die Welt so schön!
Wir wollten mit Einander geh'n
Wir wollten für Einander steh'n
Wie Brüder stark und frei.
Da kam ein Schütz, das Leben her,
Und hat die Treugenossen,
Von seinem Bogen weitumher
Wie Pfeile abgeschossen.
Der ein' ist hier, der andre dort,
Der Dritte über's Weltmeer fort,
Der Vierte schon im kühlsten Ort
Der Lebenswüstenei.
Zerrissen ist der Epheukranz
Der schönen, grünen Stunden,
Der uns mit Laub und frischem Glanz
So lange treu umwunden.
Von Zeit zu Zeit schwankt durchs Gemüt
Ein Blatt von ihm und eine Blüt',
Bald ist auch dies, auch dies verglüht,
Dann ist's erst recht vorbei.
Trauriger Gang
Du schöner, friedvoller Abend,
Du strömest dich aus in Licht
Die Herzen alle erlabend,
Nur meines, nur meines nicht.
Der Strom mit den tausend hellen
Goldlichtern rauschet so süß,
Es ist als gingen die Wellen
Noch heute in's Paradies!
Ich aber wandle trübe
Am Strande und finde nicht Ruh,
O Geist unglücklicher Liebe
Was wühlet und quälet wie du!
Ich frage: und ahnt sie die Qualen
Nicht deiner schlaflosen Nacht,
Und weißt sie nicht wie die Strahlen
Ihres Auges dich elend gemacht?
Sie sieht doch die Seele jammern
In deinem brechenden Blick,
Die zagende Hoffnung sich klammern
An ein versinkend Geschick!
Was stößt sie dich, armen Schwimmer
Nicht stumm in die Flut und still,
Wenn sie an ihr Herz dich nimmer
Und nimmer dich retten will? —
Aufrauschet das schwarze Gewässer,
Es ruft mich zu sich herein,
Ein rasches Sterben wär' besser
Als solche bangende Pein!
Nachwirkung
Sie ist gegangen, die Wonnen versanken,
Nun glühen die Wangen, nun rinnen die Tränen;
Es schwanken die kranken,
Die heißen Gedanken,
Es pocht das Herz in Wünschen und Sehnen.
Und hab ich den Tag mit Andacht begonnen,
Tagüber gelebt in stillem Entzücken,
So leb ich jetzt träumend
Die Arbeit versäumend
Von dem was sie schenkte in Worten und Blicken.
So hängen noch lang nach dem Scheiden des Tages
In schweigender Nachtluft, beim säuselnden Winde
Die Bienlein wie trunken
Und wonneversunken
An zitternden Blüten der duftigen Linde.
Neue Sklaven
Der ist ein Sklave wohl,
Der in dem Frühlingsgarten
Der Erde keine Frucht
Darf hoffen und erwarten.
Der nichts sein eigen nennt
An seinem kalten Herde
Und ein Enterbter steht
Auf dieser reichen Erde.
Der ist ein Sklave wohl,
Der selbst im Schlaf vergebens
Die Feierstunde sucht,
Des krankgefrohnten Lebens.
Der in dem Kind, das ihm
Sein blasses Weib gebäret,
Die Bürde hassen muß,
Die seine Sorge mehret.
Der ist ein Sklave auch,
Der unter Söldnerscharen
Gezwungen wird, ein Recht,
Das er nicht kennt, zu wahren.
Der, wenn das Volk sich hebt
Zu richten, die es kranken,
Auf seine Brüder muß
Die Todeskugel lenken.
Voll Sklaven steckt die Welt,
Wer zählt sie, die mißhandelt,
Enterbt und freudelos
Durch diese Welt gewandelt?
Voll Sklaven steckt die Welt,
Wer zählt die Menschenwogen,
Die um ihr Menschentum
Sich heut noch seh'n betrogen?
Und dennoch war's — o Hohn
Die Liebe, die bis heute
Die Welt geteilt in Herrn,
Und Knechte — Herrenbeute.
Und dennoch war's — o Hohn
Die Lieb', in deren Namen
Der Menschheit Dränger all
Dies Gut zu rauben kamen.
O Liebe, schöner Laut,
Um Völker zu betören,
Von Priestern einst gelehrt,
Entstellt von Pfaffenchören
Du bleibst nicht lange mehr
Das Zauberwort auf Erden,
Das Recht, das heil'ge Recht
Muß Menschheitslosung werden.
Dann steht ein neues Licht
Versöhnend ob den Landen
Und von der Sklavenhand
Abfallen Kett' und Banden!
Ein Fastnachtsspaß
(1514)
I.
Als einst Florenz als jauchzende Bacchante,
Im Fastnachtskleide, jeden Zügels frei,
Verbuhltes Jauchzen zu den Sternen sandte,
Erschien, von zwanzig Pferden fortgetragen
Inmitten all' der tollsten Mummerei,
Ein ungeheurer Triumphatorswagen.
Es stand auf ihm mit Stundenglas und Hippe
Der König Tod; um seine Majestät
Die bleiche Garbe grinsender Gerippe.
Die bleichen Schemen reckten ihre Glieder
Und mühten ihre Kiefern zum Gebet,
Und heulten schmerzlich, und verschwanden wieder.
Dazwischen war von unsichtbaren Chören
Zur Maskenzeit im gräßlichen Kontrast
Ein Lied von Tod und Grabesnacht zu hören.
Da riß das Volk die Larven vom Gesichte
Und lauschte zähneklappernd, schreckerblaßt,
Als sei sie da, die Stunde der Gerichte.
Da fror das Blut der Männer, wie der Weiber,
Es war als packe jenes Königs Hand
Zugleich an tausend, hunderttausend Leiber.
II.
Woher doch dies Erinnern alter Sagen,
So oft an meine Brust in wildem Brand
Der Freude heiße Flammenzungen schlagen?
Wie Pier di Cosimo ein freuderotes,
Erbärmliches Geschlecht recht ernst und wild
In Angst gejagt mit dem "Triumph des Todes,"
So möcht' auch ich den Satten und den Reichen,
Die aus der Ruhe buhlerischem Schoß
Nicht aufzuschrecken sind durch and're Zeichen,
Den Starken, die beim Donnerfall nicht beten,
Den Kalten, denen dieses Lebens Not
Das Herz nie mürb zu Mitgefühl getreten,
Kurz all den Trunkenen in des Lebens Reigen
Und Fastnachtslust, ein Bild von Graun und Tod
Und von der nahenden Vernichtung zeigen.
Auf den Bergen
Das sind die Alpen! Ihre Zinnen steigen
Wie greise Häupter in die blaue Luft,
Die Täler singen und die Höhen schweigen,
Die Tannen schauern in der Felsenkluft,
Der Alpensee schläft still in ew'ger Ruhe
Wie blauer Wunder wunderbare Truhe.
O Himmelsnähe, freier Winde Wehen,
Stimme der Wasser in der Einsamkeit,
Säuseln der Tannen auf den felsigen Höhen
Du schwellst die Brust und machst sie fromm und weit,
Und durch die stille Seele des Poeten
Geht, lange nicht gekannt, ein heimlich Beten.
Ich spreche: "Herr, du siehest meine Schmerzen,
Wie ich gestrebt, geirrt, ist dir bewußt,
Die Sorgen einer Welt trag' ich im Herzen,
Die Sorgen meines Volks in meiner Brust,
Arm steh' ich und allein, mich dünkt, kein Andrer
Ist müd und arm, wie ich, ruhloser Wandrer.
Doch neid' ich nicht die Glücklichen der Erde,
Der Andern Glück, ist meines nicht fortan,
Verbannt, ein Fremdling selbst am Vaterherde
Geh' ich getrost und stark die rauhe Bahn,
Ein Glück nur gibt's, ich fühl's und will es nennen:
Dich, Herr, mit jedem Tag mehr zu erkennen.
O lehr' mich stark und frei mein Banner tragen
Voran den kampfesfreudigen Partein,
Lehr mich vor keiner Wahrheit feige zagen,
Lehr mich mit Bösen selbst gerecht zu sein,
Mit heil'gen Tränen bitt' ich dich um Lieder,
Rein, unentweiht leg' ich sie vor dir nieder.
Schenk mir kein Glück, das andere nicht teilen,
Gib, daß ich's teile, mir Gedankenbrot.
Ich mag nicht unter sichrem Dache weilen,
Solang die Menschheit rings in Kampf und Not,
Das ist die Gleichheit, die ich will auf Erden
O mag sie das Gebet von allen werden!"
O Himmelsnahe, freier Winde Wehen,
Stimme der Wasser in der Einsamkeit,
Säuseln der Tannen auf den fels'gen Höhen,
Du schwillst die Brust, und machst sie fromm und weit,
Im wachen Traume ging ein stilles Beten,
Lang nicht gekannt, durch's Herze des Poeten.
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