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Quelle:

Stephan Milow
Gesamtausgabe seiner Gedichte

Stuttgart 1882
Verlag von Adolf Bonz & Comp.

I.
Natur und Liebe 1

 

Beleuchtung
Abendhelle
Im Februar
Im Vorfrühling
Im Frühling
Sommerlieder
Im Sommersonnenschein
Im August
Im Herbst
In der Frühe
Am Abend
Auf einer Bergspitze
Entlastung
Ewig!
Lenz und Liebe
Stille Lieder
Bangen

 

Beleuchtung

Grau der Himmel; ferne Glocken
Schallen traurig an mein Ohr
Und ich sinne, bang erschrocken,
Ach, wie viel ich längst verlor!

Da erhellt sich's und die Töne
Mahnen jetzt: Vergiß die Qual!
Ist nicht dein so vieles Schöne? —
Was vermag ein Sonnenstrahl!

Abendhelle

Wunderbare Abendhelle,
Rings die Welt so klar, so frei!
Trunken, mit beschwingter Schnelle
Gleitet ihr mein Blick vorbei.

Weiter strebt er in die Ferne,
Immer weiter durch den Raum,
Strebt noch über jene Sterne,
Die dort glühn am Himmelssaum.

Ach, umsonst sein rastlos Schiffen!
Ach, kein Ziel, wär's noch so weit!
Doch ich schaue, süß ergriffen,
Tief in die Unendlichkeit.

Im Februar

Dämmergrau die weite Runde,
Stille rings, kein Leben wach;
Nur im öden Waldesgrunde
Rieselt, halb erstarrt, ein Bach.

Zuckend liegt danieder alles,
Blattlos zittern Baum und Strauch;
Doch inmitten des Zerfalles
Welch ein wundersamer Hauch!

War es nicht dasselbe Schauern,
Als der Herbst umflort das Land?
War es nicht dasselbe Trauern,
Als ich damals brütend stand?

Was nur webt da, nicht zu sagen,
Über all dem Todesgraun,
Daß mein Herz aus seinen Klagen
Plötzlich aufpocht voll Vertraun?

Ja, das ist in all dem Beben
Schon die Ahnung, die da spricht:
Diesen Schauern folgt das Leben,
Dieser Dämmerung das Licht.

Im Vorfrühling

O Sonne, die du milde scheinst,
Ergießend deines Lichtes Flut,
Wofern du's liebend ernst nicht meinst,
So halte noch zurück die Glut.

O schmeichle nicht mit deinem Strahl,
Der ringsum Leben wecken muß,
So mächtig über Berg und Tal,
Betöre nicht mit deinem Kuß.

Schon regt sich leis der Erde Kraft,
Die todesmatt geschlummert lang,
Und alles schwillt in frischem Saft
Und alles füllt ein tiefer Drang.

Wofern ein Frost noch kommen soll,
So halte du bei Zeiten ein
Und spende nicht so reich, so voll,
Wie süß erquickend auch dein Schein.

Zu spät! Du kannst nicht mehr zurück —
O sieh, vor deines Blicks Gewalt
Grünt alles schon im Lenzesglück
Und Knospen springen tausendfalt.

Im Frühling

                         I.

Ich wandle sinnend, lenzumfangen,
Und schaue in die Weiten aus,
Entflohn dem Treiben, Drängen, Bangen,
Entflohn des lauten Tags Gebraus.

O herrlich Bild im linden Wehen!
Mir wird zum Traum die Flucht der Zeit;
Du bist's ja noch, das ich gesehen
In dämmernder Vergangenheit.

Das ist der Hauch noch, den ich fühlte,
Da ich als Kind die Flur durchlärmt,
Der Hauch, der mir die Stirne kühlte,
Da ich als Jüngling heiß geschwärmt.

Natur, du Wunderbare, Hehre!
Ich weiß, dich rührt kein Menschenwort;
Ob Lust mich schwelle, Leid verzehre,
Unnahbar bleibst du fort und fort.

Mir ist, du sprichst: "Ich stürme, kose,
Nacht bring' ich und den Strahl des Lichts,
Die Nessel treib' ich wie die Rose;
Was lobst du mich? du bist mir nichts!"

Und doch — ich fühl's mit trunknen Blicken —
Mir wird die Brust so frei, so weit;
Natur, wie kannst du süß erquicken
In deiner Anteillosigkeit!

                         II.

Urew'ges Rätsel, nie ergründet:
Woher der stete Werdedrang,
Der rings in Allem heiß entzündet
Und doch nur stets den Staub errang?

Sei still, du nimmermüder Frager!
Nicht vorwärts schaue, nicht zurück
Und laß den Schmerz, den bösen Nager,
Nicht ein in all das Frühlingsglück.

Sei still! was willst du noch ergründet?
O störe doch den Einklang nicht,
Den alles rings so schön verkündet,
Nur da es ward und lebt im Licht!

                         III.

Welch Treiben und Sprossen im Kreis —
O Leben, steige nur leis!
Ihr Knospen, o bleibt noch geschlossen,
Wie warm euch die Sonne umflossen.

Drängt nicht zu begierig hervor,
Wie herrlich auch euer Flor;
Denn hüben liegt Werden und Lodern
Und drüben Verwelken und Modern.

                         IV.

Den hastenden Menschen entronnen,
Ruh' ich am Waldesrand;
Ich möchte so recht mich sonnen
Und schauen ins blühende Land.

Da regt sich's im nächsten Kreise
Und grüßt's aus der Ferne her,
Da wogt es bald laut, bald leise,
Ein summendes, glitzerndes Meer.

Da laß ich mich lauschend umweben
Und bin im tiefsten Sein
Mit all dem unendlichen Leben
Stillselig so ganz allein.

                         V.

Mir schwillt die Seele voll Entzücken,
Doch weiß ich nicht, wofür sie glüht;
Mich drängt's, ein Glück ans Herz zu drücken,
Doch weiß ich nicht, wo mir's erblüht.

Mich überkommt ein Wandersehnen
Wie mit dem Hauch der linden Luft;
Allein wohin nur? Ringsum dehnen
Die Lande sich im goldnen Duft.

Umsonst! Du kannst nicht haschen, greifen,
Was ausgestreut im reichen Kranz;
So halte still, statt rings zu schweifen,
Und laß dich's überströmen ganz.

                         VI.

Ich schweif' in grüner Flur umher,
Kein Wölkchen rings am Himmelsbogen,
Die Luft von Klang und Duft durchzogen —
Mich reißet des Entzückens Meer
Gewaltig fort in seine Wogen.

O blauer Himmel, schöne Zeit!
O Duft und Klang und Sonnenblinken!
Ich kann nicht mehr der Wonne trinken
Und muß in süßer Müdigkeit
Ins Gras bewältigt niedersinken.

Mir schlummern die Gedanken ein,
Was um mich wogt, es will verhallen,
Ich laß die Wimpern lässig fallen
Und lausche nur in mich hinein,
Wie die Gefühle selig wallen.

                         VII.

Wie wird mir leicht, als hätt' ich Flügel!
Dahin ist jedes Kummers Spur,
Da ich vom waldumkränzten Hügel
Erschaue rings die Pracht der Flur.

Die Wolke dort im raschen Zuge
Sie winkt und grüßt, vertraulich hold;
Ich folg' erglüht des Vogels Fluge,
Der froh sich wiegt im Sonnengold.

In Allem leb' ich, was ich schaue,
Den sel'gen Blick hinausgewandt;
Bald aufwärts möcht' ich in das Blaue,
Bald nieder in das schöne Land.

O mußt du denn die Welt durchmessen,
Damit du fröhlich pochst, mein Herz?
Heißt glücklich sein, dich selbst vergessen,
Und lebt, wie du dich fühlst, dein Schmerz?

                  VIII.
              Im Walde

Das war ein Jubel, ungezügelt,
Ein Sturmesdrang in der Natur,
Da ich mit raschem Schritt, beflügelt,
Durchzog die blütenreiche Flur.

Das war ein helles Lichtgefunkel,
Ein Wogen, Klingen weit und breit —
Da tret' ich in dein kühles Dunkel.
Du Wald, voll stiller Herrlichkeit.

Und bebend schreit' ich in dir weiter,
Wie wundersam ergreifst du mich!
Dein Wehen atmend, selig heiter,
Mit trunknem Herzen grüß' ich dich.

Du trägst den Lenz in dir verschlossen,
Geheim in deinem Schoße webt,
Was draußen schimmernd ausgegossen
Und lauten Dranges treibt und strebt.

Hier dämpfen sanft sich alle Klänge,
Hier wird das Licht zum Dämmerschein,
Und bannst du meinen Blick ins Enge,
Es ist, was ringsum blüht, doch mein.

Im Schatten deiner Blätterhülle,
Da ich mich sammle, süß geschwellt,
Empfind' ich erst so recht die Fülle
Der weiten sonnengoldnen Welt.

Sommerlieder

                         I.

Ihr Schwalben, schon in hellen Schwärmen?
Erfaßt euch schon ein Wanderzug?
Noch will die Sonne glühend wärmen —
Denkt ihr schon an den Heimwärtsflug?

Und du, mein Herz, in deiner Wonne
Was hältst du still und bebst zurück,
Als webte diese goldne Sonne
Ach! um dein letztes volles Glück?

                         II.

Du Himmel, endlos ausgespannt,
Dein goldner Duft er spinnt mich ein;
Doch zuck' ich und mich übermannt
Unsäglich wehevolle Pein.

Ein glücklich Herz im frohen Drang
Wie flög' es gern hinaus so weit!
Mir aber macht nur doppelt bang
Dies Weben der Unendlichkeit.

                         III.

Die Welt ist ganz in Licht getaucht;
Ich ruhe still am Waldesrande
Und durch der Bäume Wipfel haucht
Ein leiser Wind im Sonnenbrande.

Wie mich sein Rauschen mächtig faßt,
Da ich des Tages Zauber trinke
Und, ausgestreckt zu süßer Rast,
Ins Wogen um mich her versinke.

Stets mächt'ger bannt's die Seele mir
Dies tiefgeheimnisvolle Rauschen,
Und wie ich lausche, mein' ich schier
Vernehmlich dieses zu erlauschen:

Ich wehe aus der Urzeit her
Und wehe weiter bis ans Ende,
Und der ersehnte sich nichts mehr,
Der meiner Stimme Sinn verstände.

Im Sommersonnenschein

Ich weiß nicht, was mich seltsam rührt,
Wenn sommerlich die Lüfte wehn
Und still mein Pfad mich abseits führt,
Wo keines Menschen Spur zu sehn.

Ich bin im tiefsten so gestimmt,
Was rings im Sommersonnenglanz
Voll tausendfält'gen Zaubers schwimmt,
Ans Herz zu ziehen voll und ganz.

Und dennoch faßt's wie Wehmut mich;
Ist nicht, was mich so tief ergreift,
Ein Hauch der Ewigkeit und ich?
Das Stäubchen bin ich, das er streift.

Von Himmelssehnsucht schwillt die Brust,
Ich breite meine Arme weit
Und werde mir nun bang bewußt
Ach! meiner Erdennichtigkeit.

Im August

Heiß und sonnig sind die Tage
Und ich schweb' auf leichter Schwinge;
Doch schon schleicht mir eine Klage
In den Jubel, den ich singe.

Über jenen Höhen liegt es
Brütend, wie ein Zukunftsschauer;
Über jene Höhen fliegt es
Wie ein Schatten banger Trauer.

Um die lichten Gipfel streichen
Fahle Wolken, leis gerötet,
Und ich spür' in diesem Zeichen
Schon den Hauch, der alles tötet.

Im Herbst

                         I.

Das war ein Tag! So grau und kalt!
Am Himmel, jagen pfeilgeschwind,
Tief dunkle Wolken, dicht geballt,
Dahingepeitscht vom rauhen Wind.

Die Sonne sank nun allgemach.
Wie schaurig noch, bevor sie schwand,
Ihr Leuchten durch die Schatten brach
Hernieder auf das öde Land!

Der Wind, der immer schärfer weht,
Türmt abgefallnes Laub zu Hauf
Und über fahlen Heiden geht
Glutrot der Mond und zitternd auf.

Bang fröstelnd starr' ich in sein Rot,
Indes mein Aug' in Tränen schwimmt;
Ich sinne, was mir längst schon tot
Und was die Zukunft sicher nimmt.

                         II.

Stets wird des Herbstes roter Duft,
Das Fallen dürrer Blätterleichen,
Die Dohle, die den Winter ruft,
Mit banger Wehmut dich beschleichen.

So lang dein Aug' im Weiten schwimmt,
Durch alle Räume suchend gleitet,
So lang dein Sehnen unbestimmt
Die Schwingen übern Erdball breitet.

Nicht alles, was da golden blinkt,
Kann dich mit einer Gabe schmücken,
Nicht alles auch, was welkt und sinkt,
Soll dir so sehr das Herz bedrücken.

Nicht alles kannst du nennen dein,
Du kannst nicht wandern mit den Winden,
Und sieh, du mußt gebunden sein,
Sollst du beglückte Ruhe finden.

Treu schmiege dich an einen Fleck,
Und still, die Flügel eingezogen,
Laß dort dir übers Haupt hinweg
Das Wechselspiel der Zeiten wogen.

In der Frühe

Leis erglühn der Berge Gipfel
Und am bleichen Himmel, fern,
Über einer Tanne Wipfel
Flimmert noch ein später Stern.

Schatten ziehen noch im Tale,
Webend streitet noch die Nacht
Mit dem ersten Morgenstrahle
Und ein Windhauch fächelt sacht.

Wie verhaltnen Odems rauscht es,
Hörbar, ob auch heimlich still,
Und mein Herz beklommen lauscht es,
Was da mählig werden will.

Welch ein Regen, welch ein Dehnen —
Kommst du endlich, lichter Tag?
Welch ein Hoffen, Zagen, Sehnen —
Wag' ich einen Flügelschlag?

Am Abend

Licht in allen Glorien entschwebte
Fern am Horizont der Sonnenball,
Und ein Hauch des Friedens zieht durchs All.
Stiller wird der Puls, der glühend strebte,
Alles schweigt; nur leis das Tal entlang
Tönt noch eines späten Vogels Sang.

Ew'ger Schöpfungsborn, aus deiner Tiefe
Rauschte wieder eine Welle auf,
Um zu ruhn nach kurzem Tageslauf.
Und mir ist, als ob es in mir riefe:
Was da treibt in all der Kräfte Spiel,
Endlich ruht es doch erlöst am Ziel!

Auf einer Bergspitze

Hoch oben steh' ich, allem Menschenwalten
Entrückt ins grenzenlose Meer der Luft,
Um mich her der Berge riesige Gestalten,
Bis sie verschlingt der Ferne grauer Duft.
Nun, Seele, bist du stark, hier magst du träumen!
Tief unten liegt, was sich dir Mildes bot,
Das enge Tal mit Häusern, Saaten, Bäumen,
Und um dich her in ungemessnen Räumen
Starrt Öde nur, Versteinung, Graun und Tod.

Es faßt mich mächtig wie der Urzeit Wehen,
Darin verfrüht ich ganz allein erwacht,
Ich zage bang, um mich hinauszusehen
In all die Massen, all der Klüfte Nacht;
Hier ragt, der Seele tiefstes Graun zu wecken,
Zum Himmel nackt verwittertes Gestein,
Dort blitzen schneebedeckte weite Strecken,
Die dennoch, starr und tot, den Blick nur schrecken,
Und nirgends warmes, blütenvolles Sein.

Und dennoch wag' ich's, mich daran zu knüpfen
An diese Welt, die düstern Ernstes schweigt!
Ich will den Schleier der Erstarrung lüpfen
Und niederspähn, was mir das Innre zeigt;
Ertragen lernt mein Auge ohne Beben
Den Anblick, der mich erst mit Schreck erfüllt;
Es will mit seinem Strahl den Kreis beleben
Und mählich Bild um Bild daraus sich heben,
Das vollends sanfte Züge noch enthüllt.

Und nicht mehr wie aus anderm Sein verschlagen,
Ein Fremder, Eingedrungner, steh' ich hier;
Das Starrste will mir was Vertrautes sagen
Und hellt das Antlitz auf und lächelt schier.
Die fernsten Spitzen glaub' ich leicht zu greifen,
Mir ist, sie nicken her im Sonnengold;
Bis zu des Horizonts verschwommnem Streifen,
So weit im raschen Flug die Blicke schweifen,
Ist alles wie verwandelt, licht und hold.

Hier weilt, noch ungetrübt vom Dunst der Tiefen,
Der Sonnenstrahl, der aus dem Äther quillt;
Hier ruht die Wolke, die im Niedertriefen
Der Erde Durst mit reichem Segen stillt;
Und gibt's nicht Blumen hier und zarte Sprossen,
Scheint tot die Runde, arm und ohne Zier,
Ist allem doch, was unten ausgegossen,
Aus diesen Höhn der Odem zugeflossen,
Denn alles Leben mischt sich wogend hier.

Und allgemach erblick' ich grüne Auen
Und Silberströme fern im Talesgrund,
Die Ferne läßt mich immer Neues schauen
Und tut den wundersamsten Zauber kund;
Jetzt treten gar mit flimmernd hellem Blitze
Des Menschendaseins Spuren dort hervor,
Weiß aus dem Grün ragt eine Turmesspitze,
Und nach des Ew'gen hochgetürmtem Sitze
Blickt jene Welt gleichwie ein Traum hervor.

So hab' ich alles ringsum überwunden,
Und was mich abgestoßen, ist jetzt mein;
Warm drängt mir zu, was steinern ich gefunden,
Das All voll Sprudellebens trink' ich ein.
Da faßt mich's seltsam: welch bestrickend Winken!
Ich möchte trunknen Sinn, mit jähem Fall,
Hinstürzen in das Wogen, Quellen, Blinken,
Aufgeben möcht' ich mich und tief versinken
Und selber niedertauchen in das All.

Entlastung

Die Stadt, voll Lärm und dumpfer Hitze,
Sie liegt uns fern, in Dunst gehüllt;
Wir stehn auf hoher Bergesspitze,
Die Brust mit Waldesluft erfüllt.

Und wie es kaum die Blicke finden
Das menschenvolle Häusermeer,
So soll auch alles jetzt entschwinden,
Was Menschen uns gebürdet schwer.

Hier lasse Hand in Hand uns schreiten,
Wo frisches Laub sich um uns schlingt,
Und durch die duftdurchströmten Weiten
Kaum eines Vogels Ruf erklingt.

Hier schüttl' ich ab das scheue Zagen,
Das mich in fremder Nähe faßt;
Hier kann ich's unbelauscht dir sagen,
Wie du mich tief entzündet hast.

All meine Seele fühl' ich schwellen,
Es reißt mich allgewaltig hin;
Du staunst, wie mir die Worte quellen,
Da ich doch sonst so schweigsam bin;

Und neigst dich, hold erglüht, zu hören
Des Herzens dringenden Erguß,
Und bietest im Dunkel stiller Föhren
Die Lippe zum ersehnten Kuß.

Ewig!

Aus tausend Knospen bricht die Kunde,
Es ist nur Täuschung aller Tod!
So klingt es schmetternd in der Runde,
So spricht das goldne Morgenrot.

Wir stehen unter Blütenbäumen —
Mit Jubel denk' ich's, daß du mein,
Und rufe laut in sel'gen Träumen:
O dieses Glück muß ewig sein!

Da fallen welke Blüten nieder,
Es schauert leis der Lenz im Wind:
Ja, ewig! sagst du lächelnd wieder
Und blickst auf unser spielend Kind.

Lenz und Liebe

                     I.

Laß mich, das Haupt an dich geschmiegt,
Hinaus ins Frühlingstreiben sehn;
Indes mein Blick ins Weite fliegt,
Laß deinen Odem mich umwehn.

So quillt der Himmel deiner Brust
In mich und sproßt mir im Gemüte,
Indes mein Auge Glück und Lust
Eintrinkt von jeder jungen Blüte.

Und wie nun, mild von dir durchglüht,
All meine Pulse Frieden finden,
Will ich das Schöne, das rings blüht,
Im Herzen doppelt schön empfinden.

                     II.

Nun bin ich fast des Anblicks trunken
Und schlösse gern mich zu, gestillt;
Du aber bist noch ganz versunken
In alles, was um dich her quillt.

Ist's wohl der Glanz der Maiensonne,
Ist's Liebe, was dein Aug' erhellt?
Gewiß, es brächte süße Wonne,
Zu schauen, was dein Innres schwellt.

Da sink' ich dir ans Herz, zu lauschen,
Wie Lenz mit Liebe sich verflocht,
Und all das Klingen, Schwirren, Rauschen
In deiner Brust gefangen pocht.

                     III.

Du sollst mich nimmermehr zerstreuen,
Wenn beide durch die Flur wir gehn;
Durch dich erst lern' ich, recht mich freuen,
Und, was da blüht, so ganz verstehn.

Laß deine teure Hand mich leiten,
In süßer Regung folg' ich dir,
Und während still wir weiter schreiten,
Verkläre jeden Anblick mir.

Neigst du dich, Blumen abzupflücken,
Verkünd' ich dir, wie jede heißt,
Indessen mir dein still Entzücken
Den Zauber ihres Duftes weis't.

Ich sehe um mich her nur immer
An allem, was die Runde deckt,
Der Farbe wechselnd bunten Schimmer;
Du siehst das Licht, das ihn geweckt.

Ich kann das Faßliche zerlegen,
Du legst das Wunder mir hinein;
Mich will das Zeitliche bewegen,
Du siehst das Ew'ge, nicht den Schein.

Ich klage trüb ob des Zerfalles,
Dem all die Pracht entgegenglüht;
D e i n  Auge spricht mir sanft, daß alles
Doch ewig unverwelklich blüht.

                     IV.

Wer ist's, den bei des Lenzes Walten,
So oft er neu die Erde schmückt,
Nicht jedes jungen Triebs Entfalten
Mit ewig neuer Macht entzückt?
Wenn rings die Stimmen Wonne tauschen,
Klingt so vertraut, was jede spricht,
Und doch — auf unser fragend Lauschen
Will keine uns die Antwort rauschen,
Was sie zur Lust gebar ans Licht.

So bist auch du nicht zu ergründen,
Klar ist nur, wie so reich du bist,
Und immer neu wird mich entzünden,
Was mir ein hold Geheimnis ist.
Ich seh' in jedem Reiz dich blühen
Und weiß doch nicht, woraus er fließt;
Was deine Blicke, Küsse sprühen,
Ist einer innern Schöne Glühen,
Die keinem Auge sich erschließt.

                     V.
             In der Ruine

In der Ruine, fast zerfallen,
Verweilen wir zur Mittagszeit;
Da will es wie ein Klang mir hallen
Aus modernder Vergangenheit.

Wer weiß, wie viele hier geschmachtet
Und auch gejauchzt im Strahl des Lichts;
Wie viele hier geträumt, getrachtet,
Die alle nun verweht ins Nichts!

Ich starre vor mich hin in Trauer,
Mich mahnt's an alles Seins Geschick
Hier plötzlich mit Vernichtungsschauer;
Doch heb' ich wieder froh den Blick.

Sieh, dort, geweckt vom Sonnenscheine,
Treibt's üppig aus dem Schutt hervor,
Und über bröckelnde Gesteine
Rankt helles Grün sich frisch empor.

Und über all den Menschenträumen,
Die in der langen Zeiten Lauf
Zu Staub verweht in diesen Räumen,
Blüht unsre Liebe herrlich auf!

Stille Lieder
An Sie

                          I.

Ich will dich nicht beim Namen nennen,
Den teilt ja manche noch mit dir,
Auch braucht dich niemand sonst zu kennen,
So lebst du heimlich still nur mir.

Und drängt's die Seele, dich zu preisen,
Mit der mein Alles ich gewann,
Was hätt' ich erst auf dich zu weisen,
Da mich ja sonst nichts fesseln kann.

Du bist's, der meine Pulse schlagen,
Wie du mir heiß entgegendrängst,
Und dir, dir brauch' ich's nicht zu sagen,
Die's wissen soll, die weiß es längst.

Ich will dich nicht beim Namen nennen,
Den teilt ja manche noch mit dir,
Auch braucht dich niemand sonst zu kennen,
So lebst du heimlich still nur mir.

Das schöne Ziel all meiner Flammen
Die Andern sie erfahren's nie,
Ich dräng's in einen Laut zusammen
Und rufe bloß nur: Das ist sie!

Und will's wie ein geheimer Segen
Gar oft in stiller Stunde mir
Die Seele wunderbar bewegen,
So sag' ich nur: Das kommt von ihr!

Wie viel in diesem Wort zu lesen,
Den Andern bleibt der Sinn verhüllt,
Weil es ja erst dein holdes Wesen
Mit Leben und Bedeutung füllt.

Mir aber lebst du stets im Sinne,
Und sehnend meiner denkst auch du,
Wir küssen uns in treuer Minne
Und träumen süß einander zu.

O stille Lust! beglückt Versenken!
O heimlich süße, schöne Welt!
Die unser liebendes Gedenken
So ewig jung im Lauf erhält!

                     II.

Wie voll mein Herz des Dankes ist,
Daß du so liebend mir begegnet!
Du ahnst es nicht, was du mir bist,
Hast mich für alle Zeit gesegnet.

Hast mich gefeit gen jede Qual,
Und könntest du auch mein vergessen,
Du schenkst es doch kein zweites Mal,
Was ich durch deine Huld besessen:

Die erste ahnungsvolle Glut,
Das süße Zueinanderlauschen,
Und dann in jugendlichem Mut
Verliebter Blicke erstes Tauschen.

Ich weiß, es war dein erster Kuß,
Den deine Lippe mir gespendet,
Und fühl's, daß der erquicken muß
Mit einer Kraft, die nimmer endet.

Ich fand dich, noch entfaltet kaum,
Ich trat der Erste in dein Leben,
Ich war dein erster Liebestraum;
Das muß uns innig tief verweben.

Denn sieh, was ich in dir erweckt,
Kann auch nur ich dir schön erfüllen,
Den Himmel, der dir noch verdeckt,
Kann nur mein Herz dir ganz enthüllen.

Du hast die volle Lust nur dann,
Wenn dort, wo noch mit scheuem Bangen
Dein erster Jugendtraum begann,
Auch die Erfüllung dich umfangen.

Und liebst du wieder noch so sehr,
Mir ist das Schönste zugefallen,
Du kannst ja doch mit Keinem mehr
Zurück in deine Kindheit wallen.

Im Fühlen kannst du nicht zurück;
Mag Einer noch so viel erstreben,
Beginnen kann erst dort sein Glück,
Wo ich dein Innres frei gegeben.

Und den Besitz, so keusch und rein,
Will fest an dieses Herz ich drücken,
Dies Eine bleibt doch ewig mein,
Und ewig wird es mich beglücken.

                     III.

Sie preisen deines Blickes Licht,
Dein Lächeln, deine Züge, traut,
Und doch — wer hat dein Angesicht
So hold verklärt, wie ich, geschaut!

Welch reichen Segen rings du schenkst,
Du bist doch Keinem, was du bist;
Erst wenn dein Aug' in meins du senkst,
Erwacht, was Schönstes an dir ist.

Da seh' ich wie verwandelt dich
Im Himmelsglanze vor mir stehn,
Und wendet dann dein Auge sich,
Muß dieses Zaubers Macht vergehn.

Es ruht ein Wunderschatz in dir,
Den nur mein Blick allein belebt,
Und suchen mußt du stets bei mir,
Was zur Vollendung dich erhebt.

So wandle, wo du magst, ich weiß,
Verschlossen trägst du, was mein Glück,
Und wer dich immer grüßt im Kreis,
Du sehnst dich still nach mir zurück.

                     IV.

Oft muß ich sinnen traumversunken,
Welch Wunder sich in dir vollbracht;
Du bist so ernst und glutentrunken,
So ungestüm und still bedacht.

Du hast für jeden Schwung die Flügel,
Liebst jedes Schöne dieser Welt;
Doch fehlt dir nie der sanfte Zügel,
Der dich in holden Schranken hält.

Da ich ans Herz dich innig drücke,
Wie viel der Glut du für mich hast!
Bist so verloren ganz im Glücke,
Doch im Entsagen so gefaßt.

Leis Frühlingswehn und Donnerrollen
Tust du mit Einem Odem Kund,
Und muß dein Auge streng mir grollen,
Lacht schon Verzeihung mir dein Mund.

Was rings die Schöpfung Schönes weiset,
Was ihre reichste, höchste Zier,
So weit nur Leben fröhlich kreiset,
Es hat sein lieblich Maß in dir.

Sie selbst, gedehnt in blauer Weite,
Dein innerst Wesen spiegelt sie:
Wie viel in ihr sich widerstreite,
Sie lebt und blüht durch Harmonie.

                     V.

So fand ich heim von irren Flügen,
Du gingst, ein goldner Stern, mir auf,
Mein ganzes Wesen füllt Genügen,
Und schließen möcht' ich meinen Lauf.

O welche schöne, reiche Fülle
Strömt wunderbar auf mich herein!
Umschlinge mich nur innig, hülle
In deine Liebe tief mich ein!

Der Seligste im weiten Kreise,
Ruh' ich in deiner Arme Bann,
Und manchmal nur durchbebt mich's leise,
Daß solch ein Glück nicht dauern kann.

                     VI.

Ich bin von dir getrennt und schreite
Gedenkensselig einsam hier,
Und über Berg und Tal ins Weite
Träumt meine Seele sich zu dir.

Von all den Menschen, die ich sehe,
Reizt keiner mich zu kurzem Halt,
Und ich, wie ich so sinnend gehe,
Erscheine wohl auch ihnen kalt.

Wie könnten sie, die tändelnd schweifen,
Ergründen, was mir innen quillt,
Wie könnten sie es je begreifen,
Wovon die tiefste Brust mir schwillt:

Den stillen Jubel, der aus Stunden
Vergangnen Glücks herüberklingt,
Und all das Sehnen, bang empfunden,
Nach der Minute, die dich bringt!

Es schwanken alle die Gestalten
Als wie im Nebel nur um dich,
Fremd sind sie mir mit ihrem Walten,
Mein ganzes Sinnen hält nur dich. —

Wie trägt sich's leicht, mit Lust und Schmerzen
Fremd einer Welt vorbei zu gehn,
Kann man sich nur in Einem Herzen
So ganz und tief gespiegelt sehn!

                     VII.

O laß mich's reuig dir bekennen
Und still zu deinen Füßen beten:
Ein böser Geist, uns rauh zu trennen,
War heute zwischen uns getreten.

Schwarz war der Himmel, kalt verschlossen,
Nicht Eines Strahls erwärmend Schimmern,
Und auf den Fluren, herbstverdrossen,
Nur rauher Winde schaurig Wimmern.

Der dumpfe Klang von Trauerglocken
Vermischte dröhnend sich den Lüften,
Und all mein Sinnen, tief erschrocken,
Verweilte nur bei Tod und Grüften.

Mir war so bange, nicht zu fassen!
Kein Pfad des Heiles lag mir offen:
Das war ein Tag, trostlos, verlassen,
So arm an Glauben wie an Hoffen;

Ein Tag, wo matt ich, ohne Wehre,
Mir sah zertrümmert alle Stützen
Und deine Liebe selbst, du Hehre,
Mein zagend Herz nicht konnte schützen.

                     VIII.

Es zog in mich ein Frieden
Bis in der Seele Grund,
Mir wunderbar beschieden
Durch unsern stillen Bund.

Du bist mein treu Geleite,
Du waltest stets in mir,
Und wo ich immer schreite,
Ich bin vereint mit dir.

Das ist der rechte Segen,
Mein bist du gänzlich nun,
Mag ich mich schaffend regen,
Mag ich vom Werke ruhn.

Und wenn dich auch mein Sinnen
Nicht immer nennen mag,
Ich fühle dich tief innen
Mit jedem Herzensschlag.

                     IX.

Ich lasse still mein Lied verwehen
Und möchte nur mit stummem Mund
Vor deinem Zauber schauend stehen,
Der mir so hold geworden kund.

Des Dichters rauschend Lob ertöne,
Wo er mit seinem Liede schmückt,
Wo auf das halb vollbrachte Schöne
Er noch die letzte Weihe drückt;

Wo noch mit ungewissem Säumen
Im Dämmerlicht verhüllt es sprießt
Und erst sein ahnungsvolles Träumen
Die volle Blüte hell erschließt.

Eins muß am Bild zu wünschen bleiben,
Wo es umsonst nach Klarheit ringt,
Dann mag es ihn, zu schaffen, treiben,
Daß er's aus sich heraus vollbringt.

Daß er vermessen dürfe künden:
Wo die Natur noch selber schwankt,
Vermag ich sicher sie zu ründen,
Ich bin's, dem sie das Letzte dankt! —

Doch wo so reich das Leben waltet,
Wo sich so voll, so innig warm
Das Schöne vor dem Blick entfaltet,
Da schweigt die Dichtung zagend arm.

Ich lasse still mein Lied verwehen
Und möchte nur mit stummem Mund
Vor deinem Zauber schauend stehen,
Der mir so hold geworden kund.

Bangen

Sie wollen dich mir verkleinern,
Sie nennen dich wandelhaft,
Sie wollen den Glauben mir nehmen
An deiner Liebe Kraft.

Die Menschen, die bösen Menschen!
O schmähn sie dich noch lang,
Sie werden das Herz mir vergiften,
Mein Gott, mir ist so bang!

Sie wollen dich mir verkleinern,
Sie sähen mich zweifeln gern,
Und du, du mußt es dulden,
Denn du bist fern, ach fern!

Bist fern und kannst nicht, innig
Das Haupt an die Brust mir gelegt,
Mir sagen und wieder sagen,
Wie treu dein Herz mich hegt.